Modelldampfturbinen mit Stumpf-Schaufeln

Begonnen von Turbo-Georg, 11 September 2012, 14:52:11

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Turbo-Georg

Einleitung
Das bemerkenswerte Interesse an den Beiträgen zur Modelldampfturbine veranlasst mich zur Eröffnung dieses neuen Themas.
In den Beiträgen haben wir die Theorie, die Berechnung und den Bau von leistungsfähigen Modelldampfturbinen mit Profilschaufeln behandelt. Wir wissen aus diesen Beiträgen aber auch, dass die handwerkliche Herstellung der Beschaufelung leistungsfähiger Modelldampfturbinen nur schwer möglich ist und damit letztendlich eine technische Herausforderung darstellt.
Obwohl der zunehmende Einzug von CNC-Maschinen in die Hobbywerkstätten, bzw. die CNC-Fertigung als angebotene Dienstleistung neue Möglichkeiten bei der Herstellung von Schaufelrädern mit Profilschaufeln eröffnet, bleibt sie für den ,,normal" ausgestatteten Modellbauer ein Problem.

Bereits zu Beginn des vorigen Jahrhunderts suchte man in der Industrie nach Alternativen zu den recht schwierig herzustellenden und damit teueren Profilschaufeln der damals üblichen Dampfturbinen.
Wenn wir bedenken, dass die heutigen Turbinenschaufeln hocheffiziente ,,Hightech-Produkte" sind, wird klar, was es nahe dem Anfang der Industrialisierung bedeutete, solche Schaufeln mehr oder weniger ,,handwerklich" herzustellen.
Zu diesem Zeitpunkt waren durch intensive Forschung die theoretischen Grundlagen des Dampfturbinenbaues bereits soweit erarbeitet, dass den Ingenieuren bewusst war, dass jedes Abweichen von der optimierten Profilschaufel mit Einbusen an Wirkungsgrad verbunden ist.
Die Maxime einfach und billig konnte demnach nur bei kleineren Leistungen gelten.
Im Modellbau haben wir in Etwa ein ähnliches Problem, wenn es gilt ggf. durch vereinfachte  Herstellung von Schaufelrädern einem größeren Kreis von Modellbauern den Zugang zu dieser interessanten Antriebsart zu ermöglichen. 
Im Folgenden werden wir alternative Schaufelformen auf ihre Brauchbarkeit bei Modelldampfturbinen untersuchen.

Vermeintlich Schwieriges leicht verständlich machen.

Gruß Georg

Turbo-Georg

Schaufelformen
Wir beginnen mit der Betrachtung verschieden geformter, feststehender Flächen, die von einem Dampfstrahl angeströmt werden (Bild 1).
Trifft der freie Dampfstrahl auf eine feststehende Fläche wird er nicht zurück geworfen sondern parallel zur Fläche abgelenkt.
Beim Ausströmen des Dampfes aus einer Düse wirkt sowohl eine vorwärts gerichtete sog. Aktionskraft als auch eine rückwärts gerichtete Kraft (Reaktionskraft).
Wenn wir davon ausgehen, dass der Dampfstrahl lediglich seine Richtung, nicht aber seine Geschwindigkeit c ändert, ließe sich mit Hilfe des sog. Impulssatzes aus der Geschwindigkeit, dem Strahlquerschnitt sowie der Dampfdichte die Reaktionskraft ableiten. Die vorwärts gerichtete Aktionskraft entspricht dabei nach dem 3. Newton'sches Gesetz dieser Reaktionskraft.
Erheblich komplexer sind die Zusammenhänge, wenn sich die Flächen mit dem Dampfstrom bewegen bzw. als Schaufeln auf dem Umfang eines Turbinenrades angeordnet werden.
Aus dem Beitrag ,,Die Dampfturbine im Modellbau" wissen wir, dass durch Stöße und Verwirbelungen sowohl im Dampfstrom selbst als auch beim Anströmen von Flächen Reibungen der Dampfteilchen entstehen. Diese Reibungen verursachen Verluste, die bekanntlich die theoretisch im Dampfstrom verfügbare Bewegungsenergie mindern.
http://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,12568.15.html   Antwort #16
Die Bemühungen sollten demnach dahingehen, diese Verluste möglichst klein zu halten.

Betrachten wir nochmals Bild 1, so erkennen wir, dass besonders das senkrechte Auftreffen des Dampfstrahls (Bild 1a und 1b) im hohen Maße zu Verdichtungsstößen und Verwirbelung führt. Ändert sich der Anströmwinkel so, dass der Dampf an den Wänden entlang gleiten kann (Bild 1c), bildet sich durch geringere Stoß- und Wirbelbildung eine nahezu laminare, verlustarme Strömung.
Während bei den Formen a und b die Kraft P in erster Linie durch verlustreichen Dampfstoß entsteht, ist sie bei der Form c weitgehend auf den so genannten Bahndruck in der Plattenkrümmung zurück zuführen.
Beim Bahndruck handelt es sich bekanntlich um die Summe aller Fliehkräfte, die beim senkrechten Auftreffen der Dampfteilchen auf die gekrümmte Wand entstehen. Das Vorbeiströmen des Dampfes an den ebenen Flächen bewirkt jedoch keine nennenswerte Kraftwirkung.
Strömt der Dampf unter einem kleineren Winkel tangential in eine reine Krümmung (Bild 1 d), wirkt der Bahndruck auf der gesamten Fläche und die wirksame Kraft P ist am größten.
Schärfen wir hier die Einströmkante zur Vermeidung der bei c vorhandenen Kantenstöße an, so stellen sich in Etwa die Strömungsverhältnisse an einer Profilschaufel ein.

Die Form Bild 1c entspricht der bekannten Pelton-Schaufel, wie wir sie von Wasserturbinen kennen. Auch hier kann von einer nahezu laminaren Strömung ausgegangen werden, obwohl bei der Strahlteilung Verdichtungsstöße entstehen und Wirbelbildungen durch die Saugwirkung des Dampfstrahls wie bei a und b nicht auszuschließen sind.

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Gruß Georg

iron dog

Hallo Georg

Mich interessiert es auf alle Fälle!  top
Zumal es solche Turbinen teilweise zu kaufen gibt, z.B. dies hier: Proteus Turbine. Das ist eine Turbine mit De Laval-Typ Düsen statt Schaufeln im Läufer.

Gruss, Doggy
S.M.S. Derfflinger* : Das Schiff möchte ich am liebsten schon gebaut haben!

*genannt "Iron Dog" bei der Royal Navy, weils trotz vielen schweren Granatentreffern einfach nicht sinken wollte in der Skagerrak-Schlacht.

Turbo-Georg

Hallo Freunde,
kurz Etwas in eigener Sache.
Längeres Sitzen vor dem Computer oder am Zeichenbrett bereitet mir doch einige Schwierigkeiten.
Ich bitte Euch daher um etwas Geduld bei der jeweiligen Fortsetzung meines Beitrages.
Aus gleichem Grund werden meine Postings auch kürzer gefasst, als gewohnt.

Übrigens: Idee und Grundstruktur dieses neuen Themas stehen zwar fest, aber das Endergebnis wird sich erst im Laufe weiterer Untersuchungen abzeichnen.
Erst gestern erhielt ich per Auslandspost eines der wenigen, noch vorhandenen Exemplare eines Forschungsberichtes von 1908, des Vereins deutscher Ingenieure, zu Versuchen an einer der wenigen, gebauten Riedler-Stumpf-Turbinen, das ich antiquarisch erstehen konnte.

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Gruß Georg

Turbo-Georg

#4
Die Stumpf-Schaufeln
Diese Schaufelform hat den Namen nach ihren Erfinder, Geheimrat Stumpf.
Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts war Stumpf Professor an der damaligen Techn. Hochschule Berlin, heute Techn. Universität Berlin.
Bekannter ist Stumpf wohl als Erfinder des ebenfalls nach ihm benannten so genannten  Gleichstromzylinders für Dampfmaschinen.
http://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,12823.120.html  Antwort #121

Erste Versuche unternahm Stumpf an seitlich offenen Pelton-Schaufeln, etwa Bild 1e entsprechend. Stumpf hoffte durch Strahlteilung die auftretenden Axialkräfte zu kompensieren.

Neben der fast laminaren Strömung im Querschnitt der Schaufel (Bild 2a), ergab sich in Längsrichtung (Bild 2b) eine außerordentliche Strahlverbreiterung auf das etwa 4 1/2  fache des Düsendurchmessers. Diese starke Streuung, sowie der bereits erwähnte Verdichtungsstreifen bei der Strahlteilung, ließen aber für diese Schaufelform keine gute Wirkung  erwarten.

Diese negativen Wirkungen durch Streuung und Verdichtung versuchte Stumpf einerseits durch Teilung der Pelton-Form und andererseits durch Einfügen von Scheidewänden zu begegnen.
Versuche an dieser neuen Schaufelform erbrachten ebenfalls unerwartete Wirkungen. Durch die fehlende allseitige Begrenzung des Dampfstrahls, wie z.B. durch den Schaufelkanal bei Profilschaufeln, bildet sich in der Schaufel eine Strahlverdünnung, wodurch ein Teil des aus der Schaufel austretenden Dampfes in den Wirbel gerissen wird, der durch die Saugwirkung am Düsenaustritt entsteht (Bild 3a).
Eine stark eingezogene (Bild 3b) bzw. sogar abgeschrägte Scheidewand (Bild 3c) minderte diese Erscheinung (Deutsches Reichspatent Nr. 152 294).
Wie wir sehen können, ist der Einzug der Scheidewand nicht symmetrisch. Der verbleibende Wandsteg ist auf der Austrittsseite breiter, um dem vergrößerten Dampfvolumen Rechnung zu tragen. Durch die Reibungsverluste in der Schaufelkrümmung nimmt die Dampfgeschwindigkeit ab; geringere Geschwindigkeit bei gleicher Dampfmenge und gleich bleibendem, spezifischen Volumen erfordert nach der bekannten Kontinuitätsgleichung eine größere Querschnittsfläche.
http://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,16639.0.html   Antwort #9

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Gruß Georg

Turbo-Georg

#5
Die Riedler-Stumpf-Turbine
Im Jahre 1901 wurde nach Patenten von Riedler und Stumpf von der AEG eine Dampfturbine für die Berliner Elektrizitätswerke entwickelt und gebaut. Riedler war ebenfalls Professor an der damaligen TH Berlin und wir verdanken u.a. das deutsche Promotionsrecht für Ingenieure (Dr.-Ing.) seiner wesentlichen Initiative.
Eine der ersten, größeren Dampfturbinen dieser Bauart wurde von Felix Rötscher untersucht und er berichtete darüber 1908 in den Mitteilungen über Forschungsarbeiten des Vereins deutscher Ingenieure.
Bei seinen Untersuchungen hoffte Rötscher auf Erkenntnisse über die Wirkung des Dampfes, um daraus Grundlagen für die Berechnung und Weiterentwicklung von Dampfturbinen zu erhalten.
Auf unserer Suche nach ,,alternativen" Bauformen für leistungsfähige Modelldampfturbinen, erhoffen wir uns aufschlussreiche Informationen und technische Daten über diese seltene, aber auf Grund ihrer einfachen Bauweise für den Modellbau sehr interessanten Dampfturbine.

Die untersuchte Turbine war einstufig und für einen Betriebsdruck von 14 ata ausgelegt. Das Laufrad für radiale Beaufschlagung hatte einen Durchmesser von 2000 mm und besaß an seinem Umfang 150 eigenartig geformte Pelton-Schaufeln (Bild 4a). 
Diese Schaufeln waren als symmetrische Doppeltaschen unter einem bestimmten Winkel in den Radkranz eingefräst (Bild 4b).
Der Dampf tritt aus den Düsen mittig in die Schaufeln ein (...siehe hierzu auch Bild 2a).
Stumpf wollte hierdurch, wie bereits erwähnt, auftretende Axialdrücke vermeiden.
Die Turbine war mit einem Drehstromgenerator gekoppelt und leistete bei einer Drehzahl von
3000 1/min ca. 2000 PS.


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Gruß Georg

Turbo-Georg

#6
Bei den anstehenden Versuchen sollte die Leistung und der Dampfverbrauch bei unterschiedlichem Verhältnis von Umfangsgeschwindigkeit u und Dampfgeschwindigkeit c1 (u/c1) ermittelt werden. Aus den Ergebnissen erhoffte man rechnerische Rückschlüsse auf  Einzel- bzw. Gesamtverluste und den Wirkungsgrad zu ziehen.
Bei bisherigen Versuchen durch den Hersteller bzw. den Betreiber, wurde die Turbine bei normaler Generator-Drehzahl (3000 1/min) lediglich unter verschiedenen Belastungen getestet.
Um das Verhalten der Turbine bei verschiedenen Drehzahlen zu untersuchen, war der gekoppelte, asynchrone Drehstrom-Generator ungeeignet. Prof. Stumpf konstruierte deshalb hierzu eine hydraulische Bremse.
Dieses hydraulische Bremsdynamometer arbeitet nach dem gleichen Prinzip wie unser mechanisches Dynamometer im Modellbau.
http://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,12727.0.html#lastPost
Statt der Bremsbacken kamen allerdings zwei gerillte Bremsscheiben zum Einsatz, die sich in einem wassergefüllten Gehäuse mit Waagebalken bewegten. Zwischen diesen Scheiben war zur Erhöhung des Widerstandes eine fest mit dem Gehäuse verbundene Scheibe montiert. Durch unterschiedlichen Wasserstand im Gehäuse ließ sich die Bremslast regulieren.
Die ursprünglich vorgesehenen Bremsscheiben von 1000 mm Durchmesser stellten sich allerdings als zu groß heraus, denn damit wurden nur max. 2100 1/min erzielt. Mit Bremsscheiben von 800 mm wurden später Drehzahlen bis 3800 1/min erreicht.
Der Dampfverbrauch wurde anhand der Entnahme an Kessel-Speisewasser aus einem geeichten Blechkasten mit 10 m3 Inhalt ermittelt.
Das Turbinenrad von 2000 mm Durchmesser und einem Gewicht von 800 kg mit Welle, wurde ,,sorgfältig" auf zwei, mit höchster Präzision geschliffener Lineale ausgewuchtet, die auf einem festen Unterbau ,,exakt waagerecht" ausgerichtet waren.

Aus heutiger Sicht mutet die Versuchsanordnung etwas seltsam an, aber man war eben erst am Anfang. Auch die Berechnungen wirken etwas umständlich. Man konnte eben nicht wie heute, Werte einfach irgendwelchen Tabellen oder grafischen Hilfsmitteln entnehmen, sie mussten mühsam abgeleitet werden. Bild 5 zeigt einen Ausschnitt einer damals üblichen Berechnung.
Wie wir unschwer erkennen handelt es sich um die Kontinuitäts- bzw. Stetigkeitsgleichung von  Bernoulli, die hier zur Berechnung der Dampfmenge G herangezogen wird. Statt der Werte für Dampfgeschwindigkeit w und spezifisches Volumen v mußten ihre jeweiligen Gleichungen eingesetzt werden.
Wenn ich bei meinem Beitrag über die Berechnung von Modelldampfturbinen auf solche ,,Monster"-Gleichungen hätte zurückgreifen müssen, hätte ich mir wohl kaum Freunde gemacht.
Vermeintlich Schwieriges leicht verständlich machen.

Gruß Georg

Turbo-Georg

Rötscher führte insgesamt 14 Versuche durch, deren Ergebnisse er in umfangreichen Tabellen dokumentierte.
Die Turbinendrehzahl und somit die Leistung der Turbine wurde einerseits durch Dampfmengenregelung, andererseits durch Dampfdrosselung eingestellt.
Im ersten Fall wurden 16 der insgesamt 80 Düsen abgeschaltet und das Ergebnis im Verhältnis 5:4 hochgerechnet. Bei den übrigen Versuchen führten die Drosselverlustes zur Erhöhung der Dampftemperatur und bekannter Maßen auch zu erhöhtem spezifischen Dampfverbrauch. Bei einem Versuch waren die Ergebnisse schwer nachvollziehbar, offensichtlich lag eine Undichtigkeit vor.

Die Erkenntnis, dass im Vergleich die Austrittsverluste, der mechanische Reibungsverlust, sowie die Verluste durch Wärmeabstrahlung einen geringen Einfluss haben, die Düsen- und Schaufelverluste dagegen einen sehr hohen, mag zur damaligen Zeit einen gewissen Wert beinhaltet haben, uns überrascht sie nicht.
Die Ergebnisse der Versuchsanordnung insgesamt, sowie der Umstand, dass ein wesentlicher Teil der uns interessierenden Werte ,,rechnerisch" ermittelt wurde, bestärken nicht unbedingt ihre Aussagekraft. Man legte seinerzeit bei den Berechnungen u.a. für eine Wärmeeinheit WE (1 WE = 1 kcal) noch ein mechanisches Wärmeäquivalent von 424 kgm zu Grunde (... später 427 kgm).

Aus der Fülle an Daten erhoffen wir uns Hinweise auf die spezifischen Gegebenheiten von Stumpf-Schaufeln, um hieraus Rückschlüsse zur Berechnung einer entsprechenden Modelldampfturbine zu ziehen.
Nehmen wir die Interpretation der Untersuchungsergebnisse von Rötscher durch Stodola, in seinem Buch über Dampf- und Gasturbinen von 1922 zu Hilfe, könnten sich recht brauchbare Anhaltspunkte ergeben. Es ist zwar nicht immer nachvollziehbar, wie er auf bestimmte Werte gekommen ist, aber erstens verstand er sicher mehr davon, als ich und zweitens war er in seiner Denkweise näher am Zeitgeschehen.

So benennt Stodola u.a.:

Betriebsdruck p1 = 14 ata, überhitzt, tü = 2640 C,
Gegendruck p0 = 0,1 ata, (90% Vakuum),
Düsenwinkel α1 = 1104'
Schaufelwinkel β1 = β = 17038'.

Für die maximale Leistung bei 3800 1/ min. folgert er:
Relative Eintrittsgeschwindigkeit w1 = 790 m/s,
relative Austrittsgeschwindigkeit w2 = 530 m/s.

Der Geschwindigkeitskoeffizient ψ der Stumpf-Schaufeln wäre demnach:

ψ  = w2 : w1 = 0,672.

Auf diesen Angaben könnten wir bei unserem Versuch zur Berechnung einer Modelldampfturbine mit Stumpf- Schaufeln aufsetzen.
Interessant wäre noch der Hinweis von Stodola, dass bei Drehzahlen < 1900 1/min der Dampfeintritt nicht mehr stoßfrei erfolgte. Der Geschwindigkeitskoeffizient ψ' sank auf einen Wert um  ψ' = 0,5. Das lässt auf eine besondere Stoß-Empfindlichkeit dieser Schaufelform schließen.
Vermeintlich Schwieriges leicht verständlich machen.

Gruß Georg

Turbo-Georg

Der Betriebsdruck p1 = 14 ata, überhitzt auf tü = 2640 C entspricht einem Wärmeinhalt von:
i1 = 705 kcal/kg.
Nach der Entspannung auf einen Kondensatordruck (Gegendruck) p0 = 0,1 ata, hat der Dampf einen Wärmeinhalt von:
i0 = 510 kcal/kg.
Das ergibt ein theoretisches Wärmegefälle von
ht = 195 kcal/kg.

Nach unseren Rechnungen
http://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,16639.0.html
ist demnach die theoretische Dampfgeschwindigkeit
c0 = 91,5 • √195 = 1278 m/s.

Rötscher nennt einen Düsenverlust von 15%. Also φ = 0,85.
Damit wäre die Düsen-Austrittsgeschwindigkeit
c1 = c0 • φ = 1086 m/s.

Das heißt:
Trotz des großen Raddurchmessers von 2000 mm und einer Umfangsgeschwindigkeit von
u = 314 m/s bei der Normal-Drehzahl von 3000 1/min,
konnte bei einstufigem Betrieb ein günstiges Verhältnis u/c1 und damit ein optimaler Wirkungsgrad nicht erreicht werden.

Später sollen Riedler-Stumpf-Turbinen mit Geschwindigkeitsstufung gebaut worden sein.
Es wurden zwei Reihen von Schaufeln nebeneinander angeordnet. Die Schaufelform entsprach in etwa dem Bild 3b. Der Dampf trat tangential in die Krümmungen der linken Schaufelreihe ein, wird in den Schaufeln um 1800 umgelenkt, beim Austritt durch feststehende Umkehrschaufeln (Umlenkkanäle) erfasst und der rechten Schaufelreihe zugeführt (Bild 6).

Die Schaufeln der zweiten Reihe waren dem höheren Dampfvolumen und der abnehmenden Dampfgeschwindigkeit entsprechend, weiter und auch steiler im Winkel.
Um Raum für die Düsen zu schaffen mussten die Umlenkkanäle mit entsprechend hohen Reibungsverlusten behaftete, weite Bogen beschreiben.
Nähere Angaben zu diesen Turbinen sind nicht bekannt, aber die ungünstigen Schaufelwirkungen, sowie die außerordentlichen Belastungen des Materials, waren wohl hauptsächliche Gründe den Bau dieses Turbinen-Typs insgesamt aufzugeben.

Ebenfalls mit Stumpf-Schaufel ausgestattet, war das Laufrad einer Dampfturbine mit Geschwindigkeitsstufung, wie sie von der Terry Steam Turbine Co. in Hartford, Conn. gebaut wurde. Das Laufrad mit einem Durchmesser von 610 mm besaß eine Reihe von Schaufeln gemäß Bild 3b.
Zur Herabsetzung der Dampfgeschwindigkeit wurde das Laufrad bis zu fünffach wiederholt beaufschlagt. Die wiederholte Beaufschlagung der jeweils vorangehenden Schaufel, erfolgte über schräg gestellte Umkehrschaufeln (Umlenkkanäle).
Die Turbine erbrachte bei einem Dampfdruck von 15 ata und einer Drehzahl von 1600 1/min eine Leistung von 55 PS.
Vermeintlich Schwieriges leicht verständlich machen.

Gruß Georg

Turbo-Georg

#9
Berechnung einer einstufigen Modell-Dampfturbine mit Stumpf-Schaufeln
Bei dem Versuch eine solche Turbine zu berechnen, werden wir die im  Beitrag ,,Berechnung von Modelldampfturbinen" dargestellten Regeln anwenden und auch die Dampfwerte des Berechnungsbeispiels einer einstufigen Modell-Dampfturbine zu Grunde legen.
http://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,16639.0.html  Antwort #13

Betriebsdruck p1 = 1,7 ata (überhitzt, tü = 1250 C).
Gegendruck p0 = 1 ata (Auspuffbetrieb).
Theoretisches Wärmegefälle ht = 22 kcal/kg

Wenn wir wieder von einem Düsen-Verlustbeiwert φ = 0,93 ausgehen, wird die Expansionskurve unserer Stumpf-Turbine bis zum Punkt A1 mit der, im h-s-Diagramm Bild 8 in Antwort #14 des obigen Links übereinstimmen.
Den weiteren Verlauf der Expansionslinie werden wir später berechnen.
Der besseren Vergleichbarkeit wegen, gehen wir bei unseren Stumpf-Turbine wiederum aus von:

Umfangsgeschwindigkeit u = 80 m/s.
Drehzahl n = 20.000 1/min,

das entspricht einem
Laufrad-Außendurchmesser D = 80 mm.
   
Wir wählen einen Schaufelwinkel β1 = 190.
Dieser Schaufelwinkel dürfte einerseits einer optimalen Wirksamkeit und andererseits einer vereinfachten Herstellbarkeit gerecht werden. Auf die Vielzahl der hierzu vorangegangenen zeichnerischen Versuche einzugehen, ersparen wir uns.

Wir zeichnen mit folgenden Werten einen Geschwindigkeitsplan (Bild 7):

Dampfgeschwindigkeit c1 = 400 m/s.
Umfangsgeschwindigkeit u = 80 m/s.
Schaufelwinkel β1 = 190.

Wir finden:

Düsenwinkel α1 = 150.
Relative Dampfgeschwindigkeit w1 = 324 m/s.

Wir entscheiden uns für Stumpf-Schaufeln nach Bild 3, Form b. Mutiger Weise gehen wir von einen Schaufel-Verlustbeiwert ψ = 0,7 aus und errechnen:

Relative Dampfgeschwindigkeit w2 = w1 • ψ  = 324 • 0,7 = 227 m/s.

Bei Schaufelwinkel β2 = β1 = 190 sind:

Dampf-Austrittsgeschwindigkeit c2 = 156 m/s,
Dampf- Austrittswinkel α2 = 300.

Ein noch niedrigerer Schaufel-Verlustbeiwert ψ = 0,67, auch Geschwindigkeitskoeffizient genannt, wie ihn Stodola für die Riedler-Stumpf-Turbine der AEG ermittelte, würden die o.a. Werte nur geringfügig ändern.   

Zum besseren Verständnis habe ich in Bild 8 ein Turbinenrad mit den von uns gewählten Stumpf-Schaufeln perspektivisch dargestellt.
Mit einem CAD-Programm wäre es sicher perfekt geworden; ich habe es allerdings mit dem Kurvenlineal als klassische Bleistiftzeichnung auf dem Reißbrett erstellt.
Vermeintlich Schwieriges leicht verständlich machen.

Gruß Georg

Turbo-Georg

#10
Bei der weiteren Vorgehensweise müssen wir etwas von der gewohnten Reihenfolge abweichen. Wir ermitteln also nicht zunächst das innere Wärmegefälle hi, um daraus den spezifischen Dampfverbrauch de und letztendlich den Düsenquerschnitt Fmin herzuleiten.
Wir übernehmen den Düsenquerschnitt Fmin = 2 mm2 ebenfalls vom oben genannten Berechnungsbeispiel, ohne das wir uns bereits über Breite und Höhe des Düsenkanals im Klaren sind.
Zuerst müssen wir die Dimensionen der Schaufeln festlegen. Diese werden zwar auch von der Form des Dampfstrahls bestimmt, aber wir müssen bei ihrer Gestaltung in erster Linie auf die Verfügbarkeit geeigneter Fräswerkzeuge Rücksicht nehmen.

Ich hoffe man kann meiner Darstellung in Bild 8 entnehmen, dass die Schaufelkanäle halbkreisförmig in den Umfang des Laufrades eingebracht werden. Ebenfalls halbkreisförmigen sind die oben erwähnten Einzüge der Schaufel-Scheidewände.

Das Einbringen der Schaufeltaschen erfolgt mit so genannten Schlitzfräsern auf einer normalen Fräsmaschine unter Zuhilfenahme eines Teilapparates.

Die genormten Schlitzfräser nach DIN 850 zum Fräsen der Schlitze so genannter Scheibenfedern (Passfedern) sind zwar grundsätzlich geeignet, aber sie stehen nicht in ausreichenden  Maßvarianten zur Verfügung.
Ein gutes Sortiment an Standartabmessungen im interessierenden Bereich, hält u.a. die
Firma Weiß-Werkzeugtechnik,  D78600 Kolbingen, vor.
http://www.weiss-werkzeugtechnik.de/

Wir wählen für unser Turbinenrad einen Fräser mit den  Maßen 6 mm Durchmesser x 2 mm Breite.
Diese Ausführung besitzt eine Schaftverjüngung von 2,5 mm Durchmesser x 3 mm Länge.
Der Durchmesser der Verjüngung entspricht somit unserem Scheidewandeinzug mit dem Radius 1,25 mm (...siehe Bild 9, Schnitt A-B).

Bei einiger Sorgfalt lassen sich hiermit in das Laufrad mit dem Durchmesser D = 80 mm maximal 36 Schaufeln einbringen. Dabei werden die Kanten der Scheidewände recht scharf und sie bedürfen kaum einer Nachbearbeitung. Das setzt aber auch scharfe Werkzeuge und eine materialgerechte Schnittgeschwindigkeit voraus.
Besteht die Befürchtung, dass die Scheidewände bereits bei der Herstellung ausbrechen oder sich verformen, ist es ratsam den Fräserabstand von 4,2 mm auf bis zu 4,5 mm zu vergrößern und gleichzeitig die Schaufelzahl von 36 auf 34 bzw. 32 zu reduzieren.
Es ist am einfachsten die Schaufeltaschen bei senkrecht stehender Spindel zu fräsen.
Der Schaufelwinkel β1 = 190 ergibt sich bei einem Abstand Spindel - Radmitte = 13 mm.
Dieser Abstand errechnet sich aus dem halben Raddurchmesser (also dem Radius) multipliziert mit dem Sinus des Winkels β1. Als Gleichung:

A = r • sin β1.

Bevor die Schaufeltaschen gefräst werden, müssen mit einem Schaftfräser 2,5 mm die späteren Scheidewand-Einzuge gefräst werden, damit der Schlitzfräser von der Seite bis auf das Maß 13 mm eintauchen kann.
Vermeintlich Schwieriges leicht verständlich machen.

Gruß Georg

kawa1705


Turbo-Georg

Hallo Rüdiger,
ich freue mich, dass das Thema bei dir Interesse und Zustimmung findet.

Vielleicht baust du irgendwann auch ein Modell mit Dampfturbine.
Vermeintlich Schwieriges leicht verständlich machen.

Gruß Georg

kawa1705

Hallo Georg,

Könnte vielleicht gut angehen, aber erst mal schaue ich mir die Bismarck von Turbine an.
Ich hoffe das es auch stetig voran geht.

:MG:

Rüdiger

Turbo-Georg

Bei senkrechter Frässpindel bezieht sich die korrekte Fräserposition am Radumfang auf  Fräsermitte und Fräseroberkante. Diese Position ist mit der Mitte der Schaufelkrümmung und der Oberkante des Schaufelkanals identisch.
Wollen wir hierzu die winkelgerechte Düsenposition am Längsspalt (≈ 0,5 mm) ermitteln, gehen wir ebenfalls von der Oberkante des Düsenkanals aus.
Wir berechnen diese Position wieder mit dem Sinus des Düsenwinkels, multipliziert mit dem Radius. Für den Radius setzen wir den halben Raddurchmesser (r = d : 2 ) plus Breite des Längsspaltes ein. Also in unserem Fall (Bild 10):

AD = (r + 0,5) • sin 150 = 40,5 • 0,26 = 10,5 mm.

Den Abstand dieser Position zur Radmitte erhalten wir stattdessen durch Multiplikation mit dem Kosinus (cos).

Bild 10 zeigt uns nunmehr die Beziehung von Schaufelwinkel und Düsenwinkel in der optimalen Radstellung.
Um zumindest in dieser Schaufelposition einen stoßfreien Dampfeintritt (Kantenstoß) zu gewährleisten, wählen wir die Düsenkanalhöhe a = 1,8 mm etwas kleiner als die Schaufelkanalhöhe bzw. Schaufellänge l = 2 mm.
Bei einem Düsen-Querschnittsfläche Fmin = 2 mm2 ist demnach die Düsenkanalbreite b = 1,1 mm.
In Längsrichtung wird die Düse so positioniert, dass der Dampf stoßfrei in die Schaufelkrümmung eintritt (Bild 10, Schnitt A-B).

Beim Einbringen der Bohrung für den Düsenstock in das Turbinengehäuse empfiehlt sich wiederum mit senkrecht stehender Spindel zu arbeiten. Wir verwenden hierzu einen mehrschneidigen Schaftfräser mit Bohrschneide (Bild 11).
Aus praktischen Gründen ist es sinnvoll die Fräserposition zur Radmitte zu ermitteln.
Wir multiplizieren hierzu den halben Gehäuse-Außendurchmesser mit dem Kosinus des Düsenwinkels.
Die Spindelmitte ergibt sich nach Abzug des halben Fräserdurchmessers.
Vermeintlich Schwieriges leicht verständlich machen.

Gruß Georg

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