Seemannsgarn oder Wahrheit?

[RePe]

Hallo,

ich habe hier eine Frage an ehemalige oder aktuelle Schnellboootfahrer. Ein früherer Kollege war
Mitte der 60er Jahre für vier Jahre bei der Bundesmarine und dort Schnellbootfahrer, er fuhr dabei
auf mehreren Booten der Jaguar-Klasse - so seine Angaben.
Dazu erzählte er ein Erlebnis, das ihm einen dicken "Ansch.." einbrachte: Einige Boote der Flotille
fuhren von Wilhelmshaven rüber nach Bremerhaven. Für das Festmachen seines Bootes am Pier sei
er verantwortlich gewesen. Dabei habe er nicht bedacht, dass Bremerhaven im Gegensatz zu
Wilhelmshaven ein Hafen mit Tidenhub gewesen sei. Ein Posten sei in die Kneipe gerannt gekommen, um zu melden, dass sein Boot schief an den Tauen hänge, weil die Ebbe eingesetzt
habe und die Taue seien nicht mehr zu lösen gewesen, sie mussten mit Werkzeug gekappt werden.
     Mangels besseren Wissens haben wir Landratten die Geschichte geglaubt, aber kann das
stimmen?
Für den Ansch... des Kommandanten revanchiert habe er sich mal bei einer Manöverfahrt mit hoher
Geschwindigkeit bei rauer See als der Kommandant ein bisschen seekrank wurde und er den
Kameraden auf der Brücke zurief - so dass es auch der Kommandant hören konnte: - "Bei sowas
muss der Alte halt doch noch kot..."

     RePe

[Urs Heßling]

moin,

vom rein Seemännischen her: möglich (bei einer Kombination von Unwissenheit und Unaufmerksamkeit).
vom Dienstablauf her: äußerst unwahrscheinlich, da ein Kommandant, der weiß, daß er in einem Tidehafen anlegt, entsprechende Maßnahmen trifft (Deckswache, die die Festmacherleinen bei ablaufendem Wasser schrickt/mitfiert und bei auflaufendem Wasser durchsetzt.  Die "Verantwortung für das Festmachen" hat kein einfacher Seemann, sondern auch und nur der Kommandant (bzw. der Offizier der Wache als sein Vertreter).

Also aller Wahrscheinlichkeit nach: Seemannsgarn, um sich aufzuspielen, daß man es (angeblich) seinem Kommandanten "gezeigt" hat.

Die Kommandanten der S-Boote in der Mitte der 60er verstanden ihr Handwerk, sie waren bei "noch Kriegsgefahrenen" durch eine harte Schule gegangen.

Gruß, Urs

[Karsten]

Bei Naims/Frädrich "Seekrieg im Ärmelkanal" wird so eine Geschichte über ein Boot der 15. Vorposten-Flottille erzählt.

[TD]

In den Havarie – Akten der OT und Transportflotte Speer sind für die Einsatzstellen Frankreich usw. jede Menge solcher Sachen zu finden.
Habe die Verbindung doppelt gesichert, als ich wieder zurück kam war das Fahrzeug unter Wasser, abgetrieben oder Verschunden..
Schiffsführer waren ja ob see unerfahrende Binnenschiffer, Fischer usw.

Gruß

Theo

[Teddy Suhren]

Hai

Komisch.
Unerfahrene Binnenschiffer? - Haben die vorher noch nie ne Schleuse durchfahren?
Vielleicht spielt der Zeitfaktor ne Rolle? Tidenhub ist ja eher ne langsame Angelegenheit und wenn's dann noch dunkel ist.

[RePe]

Danke für die Antworten bzw. Beiträge, besonders an Urs.
Resumee: Sowas kommt/kam bei den Seefahrern schon mal vor, im konkreten geschilderten Fall
aber sehr unwahrscheinlich.
Ein bisschen Flunkern gehört halt dazu, nach dem italienischen Motto "Si non è vero, è ben trovato!"
(frei übersetzt: Und ist es auch nicht wahr, so ist's doch gut erfunden!").

     RePe

[Gebirgsmarine]

Aber Hallo!
Genau wie RePe oben beschrieb, ist mir diese Chose in Bremerhaven 1963 auch passiert.
Ich war als Heizer auf einem Lehrgang dort. Die Inspektionen mußten abwechselnd je 2 Mann für das alte R-Boot "Capella" stellen, welches in der Geeste an der Seite zur Marineschule vertäut lag. Eben wegen dem Tidehub. 24 Stunden dauerte so eine Wache. Nachdem die Kontrolle des OvD vorbei war machten wir es uns unten gemütlich und verpennten. Erst als das Boot langsam Schlagseite bekam schrillten bei uns die Alarmglocken.
Aber es war zu spät. Die Tampen konnten nicht mehr bewegt werden.
Wir hatten furchtbare Angst daß das Boot umkippen würde, oder die Tampen brachen. Aber nichts dergleichen geschah. Und was noch sehr wichtig war: Anscheinend hatte niemand etwas gemerkt.

Gruß
die Gebirgsmarine   

[Mario]

wobei es nicht immer nur der Tidenhub sein muß.
Zu meiner Zeit in Sassnitz hatte die Windrichtung einen großen Einfluss auf die Wasserhöhe im Hafenbecken. So aus der Erinnerung und ohne nachgemessen zu haben schätze ich mal, daß da gut ein Meter zusammenkam.
Vor den Schiffen stand dann auch immer ein Pierposten, der u.a. auf die Festmacherleinen zu achten hatte

[kgvm]

Gerade am Kanal kann auch jemand, der prinzipiell Tidenhub kennt und berücksichtigt, durch die gegenüber deutschen Häfen ungewöhnliche Höhe böse überrascht werden!

[Big A]

Gleiches gilt auch für viele Häfen an der kanadischen Ostküste, selbst erlebt

Axel

[Urs Heßling]

moin,

Gerade am Kanal kann auch jemand, der prinzipiell Tidenhub kennt und berücksichtigt, durch die gegenüber deutschen Häfen ungewöhnliche Höhe böse überrascht werden!

vor allem an den Kanalinseln (Jersey, Guernsey, Alderney, Herm, Sark)

Für einen Urlaub äußerst empfehlenswert, aber als Segelrevier ... fordernd.

Gruß, Urs

[Ralph]

Hallo,
Auch in Häfen wo eigentlich  kein Tiedenhub entsteht kann durch unterschiedliche Windeinwirkungen ein Unterschied in der Wasserhöhe entstehen. Mir ist ein Fall in Stralsund bekannt wo sich ein Fahrzeug an der Pier aufgehangen hat.
Gruß Buschi

[TD]

Hallo zusammen,

ganz interessant welche informativen Auskünfte solche scherzhaften Infos bringen können !!

Gruß

Theo