Marine "Zwischen den Marinen"

Begonnen von ReiMar, 22 Juli 2012, 11:44:07

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ReiMar

Hallo zusammen,

ich komme mal wieder mit 'ner Menge "spezieller" Fragen.

Vorneweg:
auf Empfehlungen auf eine vorherige Anfrage habe ich meine persönliche Quellenlage etwas verbessert. Ich bin jetzt stolzer Inhaber eines "Gröner" in 8 Bänden, Werner Rahn "Reichsmarine und Landesverteidigung 1919~1928", Hildebrand, Röhr, Steinmetz "Die Deutschen Kriegsschiffe - Biographien in 10 Bänden" sowie Rolf Güth "Die Marine des Deutschen Reiches 1919-1939" nebst einiger, relevanter Marine-Arsenale. Woraufhin der Familien-Finanz-Rat mir jegliche, weitere Buchanschaffung für dieses Jahr gestrichen hat.  flop

Es geht mir heute um die Zeit "zwischen" den Marinen, d.h. vom Waffenstillstand Nov. 1918 bis Friedensvertrag Juni 1919, noch spezieller bis April 1919 (Gesetz über die Bildung einer vorläufigen Reichsmarine) und dabei v.a. um die Minenräumtätigkeit.

:? Fand in dieser Zeit überhaupt eine Minenräumtätigkeit statt  :?
:? Wenn ja, mit welcher rechtlichen Grundlage  :?
:? Wer führte marineseits das "Kommando" darüber, bzw. hatte "die Hosen an"  :?

Hintergründe meiner Fragen:

Nach dem Waffenstillstand hatten deutsche Marineeinheiten (so wie ich den mir zugänglichen Waffenstillstandstext auf der Seite des Deutschen Historischen Museums verstehe) auf dem Wasser nichts mehr zu suchen bei nun vollständiger Kontrolle der See durch die Entente-Mächte (v.a. Royal Navy), die ja auch die See- und Hunger-Blockade fortsetzten. Gab es eine Art "Ausführungsbestimmung", die das Minenräumen gestattete ?
Apropos: War eigentlich Fischerei möglich ?

In Deutschland und v.a. auch in der Marine war man allgemein im November, Dezember und Januar ja vorwiegend mit "Revolution" beschäftigt. Die Marineführung konnte ja gerade mal mit Ach und Krach den Auslieferungsverband nach Scapa Flow rechtzeitig zusammenstellen und in See schicken. Wieso und auf wessen Anordung hin sollte sich da ein braver, "roter" Minensucher auf See und in Gefahr begeben ?

Im "Frühjahr 1919" (Wann immer das gewesen sein mag. Vielleicht hat ja jemand genauere Daten über die Umbau/Umrüstungszeiten.) wurden die Linienschiffe der Wittelsbacher-Klasse "Wittelsbach" und "Schwaben" sowie der Braunschweig-Klasse "Preußen" und "Lothringen" zu Mutterschiffen für F-Boote (Flachgehende Minen-Räum-Boote) umgerüstet und z.T. auch schon VOR Abschluß des Friedensvertrages eingesetzt:
Wittelsbach 01.06.19 - 20.07.20, Schwaben: 01.08.19 - 19.06.20, Preußen: 26.08.19 - 18.12.1919, Lothringen: xx.xx.19 - 02.03.20.
Von wem und wann gingen Auftrag zur Umrüstung und In Dienst-Stellung aus, noch vor v.Trotha oder erst durch ihn ("Vorläufige Reichsmarine") ?

Dieser ganze Themenkomplex wäre wahrscheinliche selbst meherer Bücher wert, aber ich hab' bisher nix in dieser Hinsicht gefunden (nebst o.g. Finanzsperre). Daher bin ich einfach mal so "frech" und hoffe auf das geballte, hier versammelte Wissen, um ein wenig Licht in meine Unwissenheit zu bringen.  :MZ:

Auf jeden Fall schon mal DANKE für euer Interesse.  :MG:
Am I a man ? And isn't a man stupid ?
So, I am a man.....house, wife, children.....

THE FUUULL CATASTROPHY

Urs Heßling

moin, Reimar,

Zitat von: ReiMar am 22 Juli 2012, 11:44:07
...
:? Wenn ja, mit welcher rechtlichen Grundlage  :?
...
Gab es eine Art "Ausführungsbestimmung", die das Minenräumen gestattete ?

Ja, sogar sehr konkret, und nicht nur "gestattete", sondern anordnete, nämlich Artikel des Versailler Vertrages :

[Zitat]

Artikel 182.
Bis zur Beendigung des durch Artikel 193 vorgeschriebenen Minenräumens muß Deutschland die Zahl von Minenräumfahrzeugen in Dienst halten, welche von den alliierten und assoziierten Hauptmächten bestimmt werden wird.

...

Artikel 193.
Mit Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages räumt Deutschland unverzüglich die Minen in folgenden Gebieten der Nordsee östlich 4° 00' Ostlänge von Greenwich:
1, Zwischen 53° 00' und 59 00' nördlicher Breite.
2. Nördlich 60° 30' nördlicher Breite.

Deutschland muß diese Gebiete minenfrei halten.

Deutschland muß außerdem in der Ostsee solche Gebiete, welche von den Regierungen der alliierten und assoziierten Hauptmächte später bezeichnet werden, von Minen räumen und frei halten.

[Zitat Ende]

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

ReiMar

Danke für dein Interesse und Reaktion, Urs.

Aber wie oben erwähnt geht es mir um die Zeit VOR dem Versailler Vertrag, der mir durchaus bekannt ist.
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THE FUUULL CATASTROPHY

Urs Heßling

moin,

Zitat von: ReiMar am 22 Juli 2012, 16:05:28
Aber wie oben erwähnt geht es mir um die Zeit VOR dem Versailler Vertrag,

stimmt. Man sollte doch alles 2 x lesen.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

ufo

#4
Man darf sich das glaube ich als eine Art wohlverwaltete Anarchie vorstellen, grad so als ob brave Preussen Revolution machen. In derZeitschrift ,,Mittschiffs" von April 1919 (,,Mittschiffs" existiert immer noch durch diverse Gestalt- und Sinneswandel inzwischen als ,,Gelbe Seiten" in der Zeitschrift ,,Marine Forum".) wird in einem Artikel von Lt. z.S. Willy Jueres die Marine in Wihelmshaven im Februar 1919 beschrieben: Es heisst dort die in Dienst stehende Marine umfasse noch die Kreuzer ,Koenigsberg', ,Regensburg' und ,Graudenz' sowie etwa 15 Torpedoboote. Die derzeitigen Aufgaben seien:

1. Polizeidienst in den Deutschen Gewaessern und Haefen
2. Verhinderung Spartakistischer Umtriebe
3. Fischereischutz
4. Versorgung der Flotte in Scapa Flow
5. Geleit fuer Kriegsgefangenenrueckfuehrung
6. (als die eigentlich wichtigste Aufgabe bezeichnet) Geleit fuer Lebensmitteldampfer nach Deutschland

Zur Organisation heist es: Korvettenkapitaen Lass, Flottillenchef beim Reichsmarineamt und Verteidigungsminister habe die Bildung einer sogenannten ,,Freiwilligen Flottille" durchgesetzt. Die Vorgesetzten halten absolute Komandogewalt. Ihnen stehen Vertrauensleute der Mannschaft zur Seite. Es gibt ausdruecklich keine Soldatenraete. Das Personal betehe aus Freiwilligen, die sich durch Unterschrift und Handschlag verpflichten hinter der Reichsregierung zu stehen. Das Minenraeumen solle im Mai des Jahres beginnen, es wuerden derzeit noch Offiziere, bevoezugt solche mit Minenraemerfahrung gesucht. 

Von daher zu Deinen Fragen: Minenraeumen war im grossen Stil wohl erst ab Mai 1919 geplant. Die rechtliche Grundlage war wohl eher wage irgendwo zwischen Ehrenwort und Handschlag und jemand habe gesagt:  ,,macht das mal". Das Kommando lag offenbar im Wesentlichen bei Offizieren, die bereit waren die Initiative zu ergreifen.

Ufo

ReiMar

 :MG:

DANKE  UFO

Gaunau solche Informationen/Aussagen/Mitteilungen aus der damaligen Zeit suche ich. top

Offizieles aus der Zeit scheint ja nicht mehr zu existieren und ich habe nicht die Möglichkeiten
(Zeit, Buchfinanzen, ets.) mich durch noch vorhandene Memoiren-Literatur durchzuarbeiten.
Habe auch nur/noch ein Leben daneben. :MZ:

Also, wenn noch jemand was weiß, immer nur her damit.

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THE FUUULL CATASTROPHY

ufo

Das ist nun zugegeben ausserhalb des von Dir beguckten Zeitrahmens aber vielleicht trotzdem von Interesse?

Einige Anhaltspunkte aus der Anschriftenliste der Marine Offizier Hilfe:

Die frueheste mir bekannte und mir vorliegende Liste datiert vom 15. August 1919. Dienende Offiziere geben als Anschrift oft ihre jeweilige Dienststelle an. Das sind dann also Kommandierungen aus dem (Frueh-)Sommer 1919. Da ist das noch ein buntes Kaleidoskop aus Kriegsgefangenenlagern, Seeflughorsten und eben zahlreichen Minensuchflottillen. Da finden sich im Sommer 1919 folgende Minensucheinheiten in:

Cuxhaven: 5. Nordseeminensuch Halbflottille
Wilhelmshaven: 2. Nordseeminensuch Halbflottille
Wilhelmshaven: 3. Nordseeminensuch Halbflottille
Wilhelmshaven: 4. Nordseeminensuch Halbflottille
Wilhelmshaven: 7. Nordseeminensuch Halbflottille
Wilhelmshaven: 8. Nordseeminensuch Halbflottille
Wilhelmshaven: Schiff Preussen, 9. Minensuchhalbflottille

Sassnitz: I. Ostseeminensuch Halbflottille
Kiel: II. Ostseeminensuch Flottille
Kiel: III. Ostseeminensuch Flottille
Kiel: Schiff Wuertemberg, III. Ostseeminensuch Flottille
Kiel: IV. Ostseeminensuch-Halbflottille
Ohne Ort: VI. Ostseeminensuch Halbflottille

Einem Kommentar in einer Ausgabe von "Mittschiffs" von Sommer 1919, lag die Mehrzahl der Minensucheinheiten wegen Kohlenmangels fest. Ebenso interessant dort entschiedene Dementies, dass die Minensucher exorbitante Gehaelter einstreichen wuerden.

Irgendwo noch ein Bericht ueber Schwedenbesuche der OsStseeminensucher – waer sowas interessant?

Ufo

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