Was wäre 1918 passiert wenn

Begonnen von Trimmer, 26 April 2012, 19:13:17

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Trimmer

Da es hier im Forum sehr interessante und widersprüchliche Debatten über " Seelöwe " gibt wage ich jetzt mal eine Frage. Was wäre passiert wenn die deutsche Flotte doch 1918 zur Entscheidungsschlacht aus gelaufen wäre ?
Also ab Nassau-Klasse, Helgoland-Klasse, Moltke, Seydlitz, Kasser-Klasse, König-Klasse, Von der Tann, Derfflinger-Klasse, Bayern und Baden -  alles noch mal raus.
Meine Frage beruht auch darauf das nach dem Friedensvertrag von Brest-Litowsk ( 3.März 1918 ) Truppen von der Ostfront an die Westfront gekommen wären und somit dort eine völlig neue Lage dort entstanden wäre. 
Sind so mal meine ersten Gedanken

Gruß - Achim-Trimmer
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

Urs Heßling

moin, Trimmer,
ach, ein Weiteres "was wäre,wenn"  :| ... aber Du  :MG: verdienst eine Antwort.

Bei einer "Entscheidungsschlacht" muß auch der Gegner "mitmachen".  Der Flottenvorstoß im April (fast in der von Dir genannten Stärke) hätte ja ggf. zu einer "Entscheidungsschlacht" führen können, wenn einige Dinge nur etwas anders gelaufen wären ...

... aber gegen eine Grand Fleet mit u.a. 10 Schlachtschiffen mit 38 cm , verstärkt durch die BATDIVNINE der USN ... , unter Beatty ...

Lieber nicht  :wink:

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Maurice Laarman

Achim-Trimmer, interessante Frage. 1.WK ist nicht so mein Gebiet, aber ich bin sicher Jemand korrigiert es falls notwendig.

Also, das muss dan irgendwo sein zwischen März und Oktober 1918 stattfinden. In Oktober wollte die Matrosen nicht mehr wie du weisst.. Nach meine Eindruck sind die Seeslachten der 1.Weltkrieg, wie Helgoland 1 & 2, Doggersbank, vielleicht auch Jutland, nicht sehr erfolgreich gewesen für die Reichsmarine, ausserhalb Coronel. War die Stärke der Reichsmarine besser in 1918 verglichen mit die letzte Slacht in 1918? Wie war die Moral? Mein erster Eindruck ist das ein alles umfassende letzte Entscheidungsslacht nicht anders abgelaufen wäre als die anderen. Selbst wenn die Royal Navy mehr Schiffe verloren hatte, konnte die sich das auch besser leisten. Also, dann werd es wieder auf Land entscheiden..

Wie ein entscheidende Slacht statt Matrosenaufstand auswirkt auf die Zukunft ist schwer zu sagen. Vielleicht gab es denn weniger Todesurteile im 2.WK, weil der Aufstand immer genannt wird als 'nie wieder' Grund zum harte Strafen wegen Fahnenflucht.

Gruss,

maurice

Trimmer

Hallo Urs und Maurice - danke Euch für Eure Antwort. Klar spielt die Moral 1918 eine bedeutende Rolle  aber ich denke einige Schlachtschiffe der kaiserlichen Marine( bewußt habe ich ja erst bei der Nassau-Klasse  begonnen )die nach der Schlacht am Skagerrak " neu ins Glied " gekommen sind z.B. Bayern, Baden - brachten auch eine höhere Qualität/ Kampfkraft mit. Das die "Standfähigkeit" höher war setze ich mal als bekannt voraus. Über die USN - Schiffe kann ich keine Aussage treffen. In einen direkten Kampf waren sie ja wohl nicht verwickelt.
Ja und eine Verstärkung der Westfront ( Heer ) mit Divisionen aus dem Osten - nun da war die Entscheidung doch wohl noch lange nicht gefallen.

Gruß - Achim-Trimmer
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

bodrog

#4
Hallo Achim,

die Flotte wäre dennoch nicht ausgelaufen. Als Begründung sage ich nur dazu, dass beim letzten Flottenvorstoß im April 1918 Mannschaften und Offiziere getäuscht werden mussten. Offiziell war es eine 1 1/2 tägige Flottenübung und die Auslaufwege waren nicht komplett von Minen geräumt...

Kannste Nachlesen im Tagebuch Ernst von Weizsäckers

Grüße Ulli

PS: Der Thread Frieden Ende 1916 ("Die Welt ohne Washington") hat das Thema schon mal angerührt und dort mussten wir eine Unmenge an Ausgangsbedingungen berücksichtigen um überhaupt erst einmal die Rahmenbedingungen festzulegen. Mit viel hin und her wäre das vermutlich das realistischere Szenario als ein Flottenkampf um Terschelling im Herbst '18

Glasisch

Hallo,

wißt Ihr, ich mag solche Geschichten nicht von der Gattung - was wäre, wenn? Vielleicht wäre dann Deutschaland noch ein Kaiserreich, denn seine Feinde, die auch dick hinter den Ohren hatten - dieser Krieg hatte viele Väter, aber nur einen Verlierer, der nächste auch - ihn nicht als alleinigen Sündenbock dargestellt und zum Kriegsverbrecher nicht erklärt hätten, dann hätte es nicht die ungeliebte Weimarer Republik gegeben und Deutschen hätten dann nicht die Wahl zwischen Cholera und Pest zu treffen gehabt (rot oder braun).
Gruß
Micha
,,Ruhe in den Telefonen. Denkt daran, daß auch in England auf jeden Mann eine Mutter wartet!" KzS Helmuth Brinkmann Kommandant der ,,Prinz Eugen"  in der Dänemarkstrasse am  24. Mai 1941, nachdem die ,,Hood" kurz davor explodiert worden war.

Trimmer

Hallo Micha - ich denke über solche Fragen kann man heute ruhig mal diskutieren. Lange genug waren sie zumindest in einem Teil Deutschlands seht pikant ( ob das der richtige Ausdruck ist  ? ) Sieh Dir aber bitte mal den heutigen Wissensstand an der z.B. auch hier im Forum herrscht. Ich denke da kann man auch mal an solche Fragen sachlich heran gehen. Dabei geht es mir kaum um die Frage - Wer hatte Schuld an was - sondern z.B. um die Kampfstärke der dt.Flotte 1918 die ich höher einschätze als 1916 und somit sogar einen Sieg auf See nicht ausschliesse.

Gruß - Achim- Trimmer
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

ufo

Da kann man jetzt sicher ad nauseam spekulieren.  :-D

Und – doch, doch – ich denke solche What-if machen durchaus Sinn. Oft kann man Entscheidungen, die tatsaechlich gefallen sind, besser nachvollziehen, wenn man diverse Alternativen durchgespielt hat. Manchmal finded man gesegnet mit dem Glueck der Rueckschau bessere Loesungen. Meist erkennt man, dass die damals wohl doch schon bedacht und verworfen hatten, was einem auf den ersten Blick so genial erschien. So machen ungeschlagene Schlachten oder ungebaute Schiffe durchaus Sinn, bringen durchaus Einsicht.

Tja – ich glaube aber die Balance hat sich zwischen Jutland und 1918 entschieden verschlechtert fuer die Hochseeflotte; keineswegs verbessert. Die Grant Fleet hatte mehr hochwertige Neuzugaenge zu verzeichnen und schon Jutland war ja nicht in dem Sinne kanpp. Dass das ein Deutscher Sieg (ich sehe da einen wenn auch knappen Sieg) war liegt ja nur daran, dass die Hochseeflotte abgehauen ist als es Ernst wurde und dass vorher jemand seine Fischerschen Schlachtkreuzer gegen eine Schiffsklasse antreten liess, die im Wesentlichen ein Vorgriff auf das schnelle Schlachtschiff waren. Meines Erachtens nach sind die Britischen und die Deutschen Schlachtkreuzer nur dem Namen nach das Selbe gewesen. Die einen taugten auch als Ship of the Line, die anderen hatten da nichts verloren. Dass Beatty das trotzdem versucht hat hat Deutschland einen Sieg geschenkt.

Vor allerlei Jahren gab es in einem Alternate History Thread irgendwo in den Weiten des Internet mal eine schoene Geschichte "Der Letzte Ausfall (The last Sortie)". Da war drin was draufsteht, nett geschrieben, unterhaltsam zu lessen. Erschien glaube ich im Forum von NavWeaps geschrieben von 'Theodore' aka the Wheat Boss so um 2003 herum.

Der Ausgang war in der Geschichte genau wie ich ihn auch erwarten wuerde: Da hatte der Kaiser dann auch keine Flotte mehr.

Ufo

Trimmer

Hallo Jens- und genau diese Frage - Balance - ist es. Eigentlich bin ich durch Halinas Beitrag überhaupt erst mal auf den Gedanken gekommen. Wenn man dann mal noch Literatur über den gesamten 1.WK dazu zieht kommt man doch zu ganz neuen Überlegungen.
Ich möchte nicht  den 1.WK noch nachträglich gewinnen - liegt mir wirklich fern - sondern auf den qualitativ hohen Sprung der kaiserlichen Marine ein gehen. Dabei ist nach meiner Meinung diese Entwicklung mehr sichtbar als bei der RN. Ich lasse mich aber auch gerne vom Gegenteil überzeugen.

So und nun werde ich mal versuchen den von Dir genannten Artikel zu finden

Gruß - Achim-Trimmer   
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

Spee

Servus,

sondern auf den qualitativ hohen Sprung der kaiserlichen Marine ein gehen

Welchen denn und wo speziell?
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

harold

... die Entwicklungslinie von Fisher's ersten drei "big, or fast armoured cruisers" hin bis zu den drei Hush-hush's, den "large light cruisers" ist soweit klar:
- zuerst vermehrte Geschwindigkeit und später dann größere Kaliber auf Kosten des Panzer-Schutzes ("speed is the best protection").

Auf deutscher Seite ging die Entwicklung zu
- vermehrter Geschwindigkeit, fast-BB-Panzerschutz, auf Kosten des Kalibers oder Rohrzahl;
alles nach "Blücher", dh. die "Großen Kreuzer"...

... also, diesen Qualitäts-Sprung sehe ich schon.-


4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Spee

Servus Harold,

ich lese das so, dass es einen Sprung von 1916 auf 1918 gegeben habe soll. Das hätte ich gern erklärt.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Albin

Hier ein Auszug des Operationsbefehl 19:
,,Kommando der Hochseeflotte

Op. 269/A I
SMS KAISER WILHELM II den 24.10.1918

GANZ GEHEIM
O.SACHE
O.-BEFEHL Nr.19

A.NACHRICHTEN VOM FEIND
Das Groß der feindlichen Streitkräfte wird in den ostschottischen Häfen vermutet; Teilstreitkräfte in Tyne, Humber und im Kanal.

B. Eigene ABSICHT
Der Gegner soll unter für uns günstigen Bedingungen zur Schlacht gestellt werden.
Hierzu Nachtvorstoß der gesamten Hochseestreitkräfte in den Hoofden, Angriff gegen Streitkräfte und Verkehr an der flandrischen Küste und in der Themsemündung. Durch diesen Stoß soll der Gegner veranlasst werden, sofort Flottenteile in Richtung auf die Verbindungslinie Hoofden-Deutsche Bucht vorzuschieben. Es ist beabsichtigt, diese Flottenteile am Abend des II. Operationstages zur Schlacht zu stellen, oder sie während des Anmarsches in der Nacht vom II. zum III. Operationstage mit den Torpedobooten anzugreifen.
Unterstützung der Hauptaufgabe werden die Anmarschwege des Gegners von den ostschottischen Häfen nach dem Seegebiet bei Terschelling mit Minen verseucht und durch Uboote besetzt werden.

C.DURCHFÜHRUNG
Hier folgten die Einzelbestimmungen des Ablaufes mit gesonderten Details für die einzelnen Geschwader, der Flottillen und anderen beteiligten Stellen ...

Unter Punkt 7 hieß es ergänzend:
Dieser Befehl darf Offizieren und Mannschaften erst bekanntgegeben werden, wenn jeder Verkehr mit dem Lande abgebrochen ist.

Gez. Von Hipper"

Quelle:
Koop/Schmolke, Die Linienschiffe der Bayern-Klasse

Interessant bei der taktischen Aufstellung, ist der Angriff auf ranrückenden Geschwaderteile der RN durch Torpedoboote oder einem Ubootabfangsschirm. Ich lehne mich mal aus dem Fenster und wage zu behaupten, daß hier ein enormer Schwachpunkt der englischen Großkampschiffe, dem Unterwasserschutz, ein kleiner Funken von Erfolg möglich war.

Im direkten Schlagabtausch war das Breitseitgewicht der RN (plus Amis) natürlich erdrückend.

bodrog

Muss mich mal kurz einmischen: Und genau das mit den Torpedos wird wohl nicht funktionieren behaupte ich jetzt. Dafür gibt es schon Beispiele, m.W. der Vorstoß vom 19./20.08.1916 oder das Vorgeplänkel zu Skagerrak. Da fährt dann die Grand Fleet durch fünf Standstreifen von U-Booten und so gut wie niemand hat sie gesehen... Zumal man bitte bedenken sollte, dass die U-Boot-Abwehr-Technik bis 1918 auch große Fortschritte erzielt hat. Weiterhin muss zwingend die Minenverseuchung der Nordsee mit in Betracht gezogen werden und gabs nicht auch englische U-Boote dort?

MfG

Ulli

PS: Ich empfinde den Plan angesichts der Realitäten (nicht vergessen der "Schwarze 8. August des Deutschen Heeres an der Westfront) als abenteuerlich und das dürfte ein Teil der Matrosen auch veranlasst haben, nicht mit zu machen...

Götz von Berlichingen

Hierzu mal die Einschätzung von Vizeadmiral a.D. Friedrich Ruge in seinem Buch »Scapa Flow 1919. Das Ende der deutschen Flotte« [Klagenfurt o.J., S. 43 ff.]:

»Im einzelnen war geplant:

Auslaufen der gesamten Flotte von Schillig Reede vor Hellwerden so, daß sie bei Tage außer Sicht von Land nach Westen marschieren konnte. Zwei vorgeschobene schnelle Gruppen sollten den Angriff in der ersten Nacht führen, drei kleine Kreuzer und die II. T-Flottille vor der flandrischen Küste, andere Kreuzer und Torpedoboote vor der Themse.
Das Gros sollte als Rückhalt in den Hoofden stehen und sich im Laufe des zweiten Operationstages auf die Höhe von Terschelling zurückziehen, um dort die leichten Streitkräfte aufzunehmen.

Wenn die Grand Fleet überhaupt so weit nach Süden kam, dann konnte sie hier, nur 70 bis 80 Seemeilen von der Emsmündung entfernt, mit Aussicht auf Erfolg in einen Kampf verwickelt oder auch schon beim Anmarsch durch Nachtangriffe unserer Flottillen geschädigt werden. Die Masse der englischen Flotte lag in Häfen in Schottland. Sie konnte die südliche Nordsee je nach dem Zeitpunkt der Alarmierung erst im Laufe des zweiten Tages erreichen.
Der deutsche Flottenchef konnte damit rechnen, daß der Anmarsch erfaßt wurde (Funkbeobachtung, Luftschiffe und U-Boote) und auch nicht ungestört vor sich gehen würde. 15 U-Boote standen schon vor den Häfen und auf den voraussichtlichen Anmarschwegen der Grand Fleet, weitere waren unterwegs. Sieben Luftschiffe sollten aufklären, das Seegebiet vor Terschelling durch starke Minensperren nach Norden abgedeckt werden.

Das war ein gut durchdachter und aussichtsvoller Operationsplan. So habe ich
[seinerzeit auf B 110, Anm. GvB] ihn jedenfalls damals empfunden, obgleich der gewagteste Teil der Vorstoß der beiden schnellen Gruppen zur flandrischen Küste und vor die Themse war. Nach allen Erfahrungen aus zahlreichen nächtlichen Unternehmen und Gefechten war durchaus mit einem Erfolg zu rechnen. Als Angreifer konnten wir auf jedes Schiff, das wir trafen, sofort das Feuer eröffnen. Bei den Engländern mußten dagegen Wachfahrzeuge, Patrouillen und Verkehr aufeinander Rücksicht nehmen. Sie tauschten daher immer Erkennungssignale aus, um auf keinen Fall eigene Schiffe zu beschießen. Die Fahrzeuge, die wir bei früheren Unternehmungen beschossen hatten, hatten meist verzweifelt E.S. abgegeben, um uns auf unseren "Irrtum" aufmerksam zu machen. Dadurch lernten wir den Anruf kennen und konnten ihn beim nächsten Angriff selbst benutzen, was die Verwirrung drüben noch erhöhte.

Schon ein Erfolg der leichten Kräfte ohne Zusammenstoß der Gros konnte dem Heer zeigen, daß es nicht allein kämpfte und konnte im politischen Ringen um den Waffenstillstand von Wert sein.

Inhalt und nüchterne Formulierung des Operationsbefehls zeigen deutlich, daß es sich nicht darum handelte, die Flotte "zu opfern" oder "ruhmvoll untergehen zu lassen", wie nachträglich behauptet worden ist.
Es war nicht abwegig, in der schwierigen Lage des Reiches die Kraft der Flotte einzusetzen, wenn es mit Aussicht auf Erfolg geschehen konnte. Sicher war ein Risiko dabei, aber jeder Mann an der Westfront lief es täglich. Es war auch keine "Rebellion der Admirale", wie ausgerechnet der USPD-Abgeordnete Dittmann später nachzuweisen versuchte. [...]

In seinen »Erinnerungen« bejaht der damalige Reichskanzler Prinz Max von Baden »unbedingt die militärisch-politische Zweckmäßigkeit der Operation« (S. 575). Bei den späteren Auseinandersetzungen darüber lag der Schwerpunkt darauf, ob es eine "Rebellion der Admirale" war und wieweit es sich darum handelte, die Flotte heldenhaft untergehen zu lassen. Diese angeblich beabsichtigte "Opferung" ist eine Klischeevorstellung, für die die Flottenführung viel zu nüchtern dachte. Sie war aber auch ein leicht eingehendes Schlagwort und damit ein vorzügliches Propagandamittel, das die Agitatoren stärkstens ausnutzten.
Auf die taktischen Einzelheiten des beabsichtigten Vorstoßes wurde viel weniger eingegangen und auf das, was der Gegner davon hielt, überhaupt nicht. Aus der englischen halbamtlichen Darstellung geht hervor, daß man zwar den Aufmarsch der U-Boote erkannt hatte, in der Admiralität aber davon überzeugt war, die deutsche Flotte würde vor dem Waffenstillstand nichts mehr unternehmen, um als gewichtiges Pfand bei den Verhandlungen zu dienen.

Die Grand Fleet war deshalb nicht darauf vorbereitet, in die südliche Nordsee zu gehen. Newbolt (»Naval Operations« V, S. 369) vergleicht die geplante Operation mit dem holländischen Angriff auf den Medway, »welcher die Verhandlungen in Breda am Ende des zweiten holländischen Krieges so stark beeinflusste«.
Kurz vorher hatte der britische Premierminister vor langen Waffenstillstandsverhandlungen gewarnt. »Wenn die Soldaten zu kämpfen aufhören, war er sicher, daß kein späterer Appell an sie, die Waffen wieder zu ergreifen, die geringste Wirkung haben würde« (ebenda, S. 363). In dieser Lage konnten das Auftreten der Flotte und Erfolge der leichten Streitkräfte eine erhebliche psychologische Wirkung haben.

Als wir am 29. Oktober auf Schilling Reede gingen, kannten wir die Befehle noch nicht, hielten es aber für durchaus möglich, daß es zu einem Vorstoß kommen würde, als sich die ganze Flotte versammelte: 22 Großkampfschiffe, ein Dutzend Kleine Kreuzer und sieben Torpedobootsflottillen. An Zahl war diese Flotte nur wenig größer als vor dem Skagerrak, aber einheitlicher und kampfkräftiger.

[...]

Neu waren die Agitation und die Gerüchtemacherei, die bewußt von der USPD und anderen Revolutionären, zuletzt auch von feindlichen Agenten betrieben wurden, mit dem Ziel, Verwirrung zu verbreiten und gegen die Offiziere aufzuwiegeln. Die Masse unserer Mannschaften war nach wie vor anständig und zuverlässig. Aber sie wurden verwirrt durch das, was ihnen von allen Seiten zugetragen wurde. Jede Lüge war den Agitatoren recht und die unwahrscheinlichsten Behauptungen wurden so zurechtgemacht, daß sie geglaubt wurden:
»Wir sollen die englische Küste beschießen, die Flotte soll sinnlos geopfert werden, die Offiziere sind gegen die Regierung, sie wollen die Friedensverhandlungen sabotieren, sie wollen den Heldentod sterben, weil sie keine Zukunft mehr haben, es soll Proviant nur für zwei Tage genommen werden, weil wir doch nicht zurückkommen, bei den Engländern ist auch schon Revolution ausgebrochen« usw. usw.
Das alles und noch mehr ging wirr durcheinander und gab den Soldaten ein so verzerrtes Bild, daß sie an eine gut überlegte und sorgfältig geplante Operation nicht mehr glaubten.«

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