Bernhard Rogge, Seeoffizier in vier deutschen Marinen

Begonnen von Albatros, 14 Januar 2012, 19:47:14

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Albatros

Johann Süß' letzte Fahrt nach Flensburg......http://www.shz.de/nachrichten/lokales/flensburger-tageblatt/artikeldetails/article/111/johann-suess8217-letzte-fahrt-nach-flensburg.html

Rogge bestätigte als Gerichtsherr am 6. Mai 1945 unter anderem drei Todesurteile gegen  3 Marineangehörige. Diese wurden noch am selben Tag erschossen, eine Teilkapitulation war bereits am 5. Mai um 7 Uhr in Kraft getreten.  Am 11. Mai 1945, also drei Tage nach der Gesamtkapitulation der Wehrmacht, wurde nach der am Vortag erfolgten Bestätigung des Urteils durch Rogge der Gefreite Johann Süß auf dem Marine-Schießstand Flensburg-Mürwik erschossen, weil er sich der ,,Untergrabung der Manneszucht" durch ,,zersetzende Reden" schuldig gemacht habe.[1] Johann Süß, der bereits zehnmal eine Disziplinarstrafe erhalten hatte, hatte am 7. Mai einen Befehl negativ kommentiert, diesen aber ausgeführt. Am 9. Mai hatte er einem Obermaat die Ehrenbezeigung verweigert, und den Raum in ,,vollkommen unmilitärischer Haltung" verlassen wobei er die Tür ,,wuchtig" hinter sich zugeschlagen habe. Ein Gnadengesuch von Johann Süß, in dem dieser auf zwei gefallene Brüder und seine schwangere Frau hinwies, lehnte Rogge ab.

Quelle, http://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Rogge

Gibt ja noch andere derartige Beispiele, da Frage ich mich immer mussten die so handeln? Was wäre denn schon passiert wenn Rogge den Süß begnadigt hätte ?

:MG:

Manfred


RonnyM

...3 Tage nach der Kapitulation erschossen...

Da fragt man sich hinterher, warum keiner in der Lage war, diese Maschine zu stoppen. Es kann auch nicht verwundern, dass die DDR solche "Karrieren" in der Bundeswehr propagandistisch ausgeschlachtet haben.

Grüße Ronny
...keen Tähn im Muul,
over La Paloma fleuten...

Trimmer

Hier mal noch das ganze traurige Kapitel

Gruß - Achim - Trimmer
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

smutje505

Ja Manfred was wäre wenn?Wie in der heutigen Zeit "Die Großen läßt man laufen und die Kleinen......"

RonnyM

...smutje, du hast mal wieder den Nagel.... top

Grüße Ronny
...keen Tähn im Muul,
over La Paloma fleuten...

ufo

Na, zumindest haben die ehrlich und aufrichtig geglaubt, dass die so handeln mussten.

Da gibt es verstreut durch die Literatur und eigentlich wenig beachtet viel zu viele Beispiele fuer. Die Urangst der Deutschen Marineoffiziere vor einem zweiten 1918 sass so tief drin, dass Verweigerung des Gehorsams buchstaeblich eine Todsuende war. Da wurden nach dem Kriegsende Menschen in Norwegen abgemurkst, in den Niederlanden, in Deutschland. Da war diese Angst die Disziplin um jeden – wirklich um jeden Preis aufrecht erhalten zu muessen. Und die hatten halt einen langen Krieg hinter sich. Da mag so eine gewisse Wurstigkeit gegenueber menschlichem Leben geherrscht haben so unter dem Motto "Mein Crewkammerad und bester Freund ist 1944 als Held gefallen – so viele Tote, so viel Leid – welches Recht auf Leben hat dann ein schnoeseliger, kleiner Befehlsverweigerer. Ab dafuer."

Krieg verroht.

Na, und die Angst vor einem Zusammenbruch der Disziplin wurde von den Westallierten freohlich geteilt. Bloss Ordung behalten, bloss kein Chaos, bloss keine (am Ende gar kommunistische) Revolution. Die Canadischen Truppen in Holland haben in mehreren Faellen aufgesammelte Deserteure an die Deutschen in den Gefangenenlagern ausgehaendigt, komplett mit einem Zehnersatz Gewehre. Die Deutschen haben den Deserteur dann verurteilt und abgeknallt und die Gewehre sauber gegen Quittung zurueckgegeben. Der Canadische Historiker Chris Madsen hat da einen truebsinnigen Artikel zu geschrieben. Zynismus vom Feinsten. Willkommen beim moralischen Sieger.

Krieg kann man vielleicht ein halbes, vielleicht ein Jahr lang mit Edelmut, Idealismus und hohen moralischen Anspruechen fuehren, danach ist das irgendwann ein banales Geschaeft und der Zweck heiligt fast Alles.

Menschenleben waren damals zusgesprochen preiswert und Ordnung (nicht unbendingt "Recht und Ordnung") waren damals unendlich kostbar – irgendwie, irgendwie das Alles mit Anstand und geordnet zu einem Ende bringen. Dafuer konnte man schon mal ein armes Schwein abknallen, damit die anderen wissen wo es lang geht.

Muessen gruselige Zeiten gewesen sein!

Ufo


Hueten aber sollten wir satt, sicher und seelig Aufgewachsenen uns vielleicht davor gar zu hastig zu verurteilen. Urteilen muessen wir duerfen aber mit dem Verurteilen sollte man wohl behutsam sein.   

Trimmer

Hallo Jens  - ich gehe mit vielen was Du da schreibst konform - aber ich glaube nicht "das die ehrlich und aufrichtig geglaubt haben, dass sie so handeln mussten". Wenn sie so "ehrlich und aufrichtig " gewesen wären dann hätten sie ..... Goebels hat es vorgemacht.

Gruß - Achim - Trimmer 
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

Bekoe

Hallo,

zur Zeit darf ich gerade die Erinnerungen eines Regimentskommandeurs aus dem Kurlandkessel lesen. Ein Abschnitt befasst sich darin auch mit Fahnenflucht und Standgericht kurz vor der Kapitulation. Der betroffene ( ein Leutnant der die Nerven verloren hatte ) wurde in Absprache mit dem Ankläger und dem übergeordneten Befehlshaber zu 15 Jahren anstatt zum Tode verurteilt. Damit waren alle Parteien zufrieden. Wie eine Verurteilung im Endeffekt aussah das lag immer im Charakter der beteiligten Verantwortlichen begründet. Kurz vor Ultimo musste niemand zwangsläufig ein Todesurteil fällen.

Gruss
Bernd

ufo

Hmmm, Achim, ich glaube da mischt Du zwei Sachen, die nicht gemischt werden sollten. Joseph Goebbels hat sich und seine Familie abgemurkst, weil er fuer sich keine Perspektive sah und sein eines, ideales Deutschland zerfiel. Gleiches gilt fuer andere Groessen der NSDAP.

Ich denke die Perspektive der Marineoffiziere, die da mit ernster Mine und vermutlich bedauerndem Kopfschuetteln Todesurteile abstempelten war eine ganz andere. Ich denke erstmal waren das schon auch Nazis. Die Legende von der ach so unpolitischen Kriegsmarine ist im Wesentlichen genau das: Legende. Ich denke aber die trennten schon zwischen Reich / Fuehrer und Partei. Die Partei – da war viel Ungewolltes, viel Proletetenhaftes, viel Unzivilisiertes. Ich denke wenige von denen haben sich mit 'der Partei' vollstaendig identifiziert. Daher fiel es nach dem Krieg vielen sicher leicht ehrlich zu sagen: "Nazi? Ich doch nicht!"

Nee, nee – ich denke die hatten meistenteils keinen Grund sich umzubringen. Warum haetten die sich was antun sollen? Deutsche Staaten kommen. Deutsche Staaten gehen. Die Marine bleibt. Schade drum aber weiter gehs – Haltung bewahren! Das Dritte Reich ging zuende. Ich denke die Mehrzahl hat ihrem Fuehrer und ihrem militaristischen Fuehrerstaat nachgetrauert (in dem Sinne waren das ausgemachte Nazis) aber dass das mit einigen Auswuechsen der Partei und mit den Politoffizieren und so ein Ende hatte war auch gut.  Nun hiess es Ordnung halten. Und zum Ordnung halten mussten halt Stoerenfriede gegebenenfalls erschossen werden.

Auf das kam es an: Haltung bewahren. Chaos vermeiden. Revolution unterbinden. Ich denke die Marineoffiziere, die tatsaechlich Selbstmord begangen haben, haben das aus ganz anderen Gruenden getan als Goebbels. Da war denke ich die Sorge vor 'Entehrung' durch die Sieger oder persoenliche Gruende wie der Verlust der Heimat an die Russen oder der Tod von Familienangehoerigen.
Ich denke das Ende war vielschichtig.   


@ Bernd

Richtig! Ich denke wir koennen uns das Urteil erlauben, dass es anders ging!

Manch ein Kommandat hat Doenitz 'Verraeterbefehle' wortgetreu ausgefuehrt und Menschen abgemurrkst, andere haben Verhandlungen vertagt, haben verzoegert, herumlaviert, gar begnadigt.

Manch ein Kommandant hat Stein und Bein in Bewegung gesetzt, um fuer seine jugendlichen Krieger noch einen Flug nach Berlin oder an die Oderfront zu kriegen, damit die alle fein als Helden verrecken koennen. Andere haben Dienst nach Vorschrift geschoben, haben auf Papiere gewartet, haben auf Stempel gewartet, haben festgestellt, dass das Stempelkissen eingetrocknet war, haben bei der Beschaffungsstelle Stempelkissen bestellt und – huch – war die Krieg vorbei und zehn, zwanzig, fuenfzig Siebzehnjaehrige waren noch am Leben.
Richtig – wir koennen urteilen, dass es da Spielraum gab und Variationen.

Wie aber es ganz konkret in dieser oder jener Einheit aussah, wie hie oder da ganz genau die Moeglichkeiten, die Freiraeume waren?
Ich glaube das ist nur fuer jeden Einzelfall separat nachpruefbar; wenn es denn ueberhaupt noch nachpruefbar ist. Gerade bei den Akten zu Todesurteilen hatte es in Kornelimuenster ja denn wohl doch dubiose Luecken gegeben obwohl die Akten der Kriegsmarinegerichtsbarkeit sonst so ordentlich das Kriegsende ueberstanden hatten. Ein Schelm wer Boeses dabei denkt. Und selbst Akten allein geben wenig Hintergrundinformationen zur politischen Durchdringung einer Einheit, zu Fatalismus oder Freiraeumen. Ohne die Einzelpruefung aber ist so finde ich ein Urteil – eine Verurteilung gar – problematisch.

Nein, beschoenigen soll man da nichts. Da gab es zahllose Taeter – nicht wenige davon sind sicher ganz im Sinne des weiter oben aufgezeigten "Die Grossen laesst man laufen" nie belangt worden. Aber ich denke jeder Einzelfall muss schon separat abgewogen werden. Das waren halt auch nicht "alles Verbrecher".

Ufo

Trimmer

Halo Jens - mische ich da wirklich zuviel  :? Ich denke die Marinerichter die bis noch 5 nach 12 solche Urteile ausgesprochen haben bzw. die Kommandeure die solche Urteile noch voll zogen haben haben sich genau auf die Stufe gestellt - Führertreu bis  zu letzt und noch darüber hinaus. Das sie dabei noch von englischer oder kanadischer Seite "Unterstützung " fanden ist eine andere Seite. Moralische Bedenken - Fehlanzeige.  Das es auch anders möglich gewesen wäre bestätigt doch auch Bernd. Ordnung halten - ja welche ? Chaos vermeiden - das System lag am Boden und Chaos herrschte sowieso. Ja und Revolution - Jens ich bitte Dich - die Menschen hatten da ganz andere Gedanken als die einer Revolution. Sie wollten leben und überleben - ales andere war ihnen erstmal egal.

Gruß - Achim - Trimmer
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

Urs Heßling

moin, ufo und Achim,

Zitat von: ufo am 16 Januar 2012, 17:36:35
Ich denke die Perspektive der Marineoffiziere, die da mit ernster Mine und vermutlich bedauerndem Kopfschuetteln Todesurteile abstempelten war eine ganz andere. Ich denke erstmal waren das schon auch Nazis.
Zitat von: Trimmer am 16 Januar 2012, 18:37:28
die Kommandeure die solche Urteile noch voll zogen haben haben sich genau auf die Stufe gestellt - Führertreu bis  zu letzt und noch darüber hinaus. ... Moralische Bedenken - Fehlanzeige. 

Eure Urteile sind mir etwas zu pauschal. Es gibt den "tragisch" zu nennenden Fall, daß der Führer der Schnellboote, Kommodore Petersen, nach Kriegsende 3 Todesurteile gegen "Fahnenflüchtige" bestätigt hat und auf der "Buea" durchführen ließ. Niemand würde Petersen, den Sohn eines protestantischen Geistlichen, einen "Nazi" nennen wollen. Er verweigerte 1944 Befehle, die Schnellboote in sinnlose Einsätze im Kanal hineinzuschicken und im Kampf gegen die Invasionsflotte zu "verheizen" und mußte sich dafür Vorwürfe anhören, in denen das Wort "feige" nur nicht ausgesprochen wurde.
Obwohl nach mehreren Prozessen schließlich freigesprochen, fühlte er sich selbst "belastet" und weigerte sich daher, Einladungen seiner ehemaligen Flottillenchefs, Klug und Klose (dann Admirale der Bundesmarine), zu einem Besuch in der Bundesmarine zu folgen.

Das "Warum" ist in seinem Fall nie geklärt worden.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Zerstörerfahrer

Sorry Leute,

aber mir ist das alles zu pauschal. Hier müßten die Einzelfälle geprüft werden, um festzustellen wo Unrecht gesprochen wurde. Im Fall Süß denke ich, daß das Urteil ganz anders gelautet hätte, wären da nicht die vielen "Vorstrafen" gewesen.


Grüße
René

Steffen1


Eure Urteile sind mir etwas zu pauschal. Es gibt den "tragisch" zu nennenden Fall, daß der Führer der Schnellboote, Kommodore Petersen, nach Kriegsende 3 Todesurteile gegen "Fahnenflüchtige" bestätigt hat und auf der "Buea" durchführen ließ. Niemand würde Petersen, den Sohn eines protestantischen Geistlichen, einen "Nazi" nennen wollen. Er verweigerte 1944 Befehle, die Schnellboote in sinnlose Einsätze im Kanal hineinzuschicken und im Kampf gegen die Invasionsflotte zu "verheizen" und mußte sich dafür Vorwürfe anhören, in denen das Wort "feige" nur nicht ausgesprochen wurde.
Obwohl nach mehreren Prozessen schließlich freigesprochen, fühlte er sich selbst "belastet" und weigerte sich daher, Einladungen seiner ehemaligen Flottillenchefs, Klug und Klose (dann Admirale der Bundesmarine), zu einem Besuch in der Bundesmarine zu folgen.

Das "Warum" ist in seinem Fall nie geklärt worden.

Gruß, Urs
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Ich hab hier noch einen Hinweis aus der damaligen Presse der DDR, wie dieser Sachverhalt  aus der Sicht der DDR dargestellt wurde. Bekannt geworden aus dem Fall " Rottenknechte ". Ich hab darüber eine gewisse Sammlung, hatte ich schon mal im Beitrag ! Namensgebung von Schiffen der Volksmarine " berichtet.

Urs Heßling

#13
hallo, Steffen,

Zitat von: Steffen1 am 16 Januar 2012, 19:42:42
Ich hab hier noch einen Hinweis aus der damaligen Presse der DDR, wie dieser Sachverhalt  aus der Sicht der DDR dargestellt wurde. Bekannt geworden aus dem Fall " Rottenknechte ". Ich hab darüber eine gewisse Sammlung, hatte ich schon mal im Beitrag ! Namensgebung von Schiffen der Volksmarine " berichtet.

meines Wissens betrifft der Film "Rottenknechte" (und Lenz` Buch "Ein Kriegsende") den Fall der Meuterei auf "M 612"
dazu und auch zum ganzen Thema: http://forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,6014.0.html

Kommodore Petersen war im Fall "M 612" - anders als im Zeitungsausschnitt behauptet - nicht der verantwortliche Gerichtsherr, siehe http://www.wlb-stuttgart.de/seekrieg/kriegsrecht/widerstand.htm 

immer wieder wichtig, auch hier im Forum: Fakten, Behauptungen und Meinungen trennen und klar kennzeichnen !

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Steffen1

In den mir vorligenden Unterlagen geht es auch um die gesamte Minensuchflottille in Sönderborg. Den ausschlaggebenden Impuls für die Meuterei gab damals Fritz Wehrmann von M 607.

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