Wrack in der Kieler Bucht

Begonnen von Floh, 29 November 2011, 14:47:55

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Floh

Hallo zusammen,

ich heiße Florian Huber und bin Unterwasserarchäologe an der CAU Kiel. Wir haben bei unseren Untersuchungen im Bereich der Kieler Förde/ Kieler Bucht zuletzt ein Wrack entdeckt, dass wir nicht wirklich einordnen können.
Deshalb meine Frage an euch, ob mir jemand einen Tipp geben kann, um welche Art Schiff es sich hierbei handelt: Länge ca. 12m, Breite ca. 2,5m. Es scheint sich meiner Einschätzung nach um eine Schute aus Holz zu handeln; beiderseits finden sich Tanks mit Tankdeckeln aus Messing. Im Heckbereich finden sich Zahlen von 5-0-5 ebenfalls aus Messing. Welche Bedeutung haben die Zahlen? Gradangaben?

Ich bin für jeden Hinweis dankbar!!! Viele Grüße aus Kiel - Florian


TD

Hallo Florian,

es ist eine kaum lösbare Frage.

Der Hinweis auf die seitlichen Tanks aus Messing zeigt m.E. aber das es keine normale einfache Schute sein kann.
Mit den Zahlen kann ich nichts anfangen, es müßte aber wirklich eine Aufgabe des Fahrzeuges damit verbunden sein.

Kannst Du die Positiion des Wracks mitteilen oder ist diese noch während der Arbeiten geheim ?

Ich [ sicher viele andere Leser auch ] wäre ja an eine Wrackkarte der Kieler Bucht interessiert.
Vielleicht ist es dir ja möglich hier einmal eine kleine Arbeit zu einem Wrackfund und dessen  archäologische Untersuchung durch euch
in Wort und Bild zu bringen ?

Viele Grüße

Theo



...ärgere dich nicht über deine Fehler und Schwächen, ohne sie wärst du zwar vollkommen, aber kein Mensch mehr !

SchlPr11

Hallo,
bei dem Wrack handelt es sich mit gewisser Wahrscheinlichkeit um eine sog. SEEKUH, ein von FRG-Schleppern/Fernräumgeräteschlepper gezogenes Räumgerät gegen Magnetminen. Die Abmessungen sprechen dafür und auch der "Spalt" mittschiffs für den kupferumschlungenen Stahlkern. Die angelegte Spannung von Bord des Schleppers baute das gewünschte magnetische Feld auf.
Die gezeigten Verschraubungen sind die Verschlüsse der Leerzellen zur Sicherung der Schwimmfähigkeit nach Detonationen in der Nähe.
Zwei Fotos zum Vergleich hier:
- Räumtroika im KW-Kanal
- Troika einlaufend Kopenhagen nach Einsatz

REINHARD

TD

Hallo Reinhard,

recht herzlichen Dank für deine Auskunft.

Wegen der Seekühe hatte ich auch einmal vor Jahren hier angefragt

http://forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,8451.0.html

Bis dann

Theo

...ärgere dich nicht über deine Fehler und Schwächen, ohne sie wärst du zwar vollkommen, aber kein Mensch mehr !

Floh

Hallo Theo,

also die Position wird erstmal nicht freigegeben. Das wäre aber letztendlich auch Sache des ALSH Schleswig, die ja für alle Bodendenkmäler in S-H zuständig sind. Die Gefahr, dass Taucher dort ihr Unwesen treiben ist leider sehr hoch - das sehen wir regelmässig an anderen Schiffswracks!
Aber sobald unsere Kartierung in der Kieler Förde abgeschlossen ist, wird diese natürlich publiziert und gerne gebe ich hier im Forum Bescheid.

Hallo Reinhard,

vielen Dank für deinen Tipp - das hört ich wirklich spannend an. Gibt es denn zu diesen "Seekühen" eventuell Literatur oder finde ich darüber etwas bei Gröner (Die deutschen Kriegsschiffe)? Und weißt du auch, wozu diese Zahlenreihe am Heck diente?

Nochmals vielen Dank an euch - ich werde mich sicher wieder melden, wenn wir weitere Wracks aus dieser Zeitstellung haben :)

Karsten

Hallo Floh,

zu der Zahlenreihe am Heck:

Ich könnte mir vorstellen, dass sie dazu diente, das Ruder des Bootes fest auf einen bestimmten Winkel einzustellen, damit die beiden äußeren Boote im geschleppten Zustand nach außen strebten, um so die drei Boote auf Abstand zu halten und eine gewisse Räumbreite zu erzielen. Also der gleiche Effekt wie Scherbretter bei Schleppnetzen.

Gruß

Karsten
Viele Grüße,

Karsten

Karsten

Nachtrag: Einen spannenden Fund habt Ihr da gemacht. Das Boot sieht sehr gut erhalten aus. Woher kommt das?
Viele Grüße,

Karsten

Floh

Das Wrack ist wirklich sehr gut erhalten. Einer unserer Biologen meinte, es könnte damit zusammenhängen, dass das verbaute Kupfer und Messing möglichen Tier- und Pflanzenbewuchs (z.B. Tereo navalis = Schiffsbohrmuschel) verhindert. Dem werden wir aber auch nachgehen ...



Karsten

Im Gröner habe ich nichts gefunden.

Generell zum Minensuchen: Friedrich Ruge "Im Küstenvorfeld"

Zur Seekuh: Karl Meyer "Hochsee-Minensuchboote", S. 61

Grüße,

Karsten
Viele Grüße,

Karsten

TW

#9
Florian Huber hat die Ergebnisse seiner Recherchen jetzt in einem Aufsatz in Schiff Classic, Heft 2 (März 2021) S.72 bis 77, veröffentlicht.

Dort sind auch die beiden Fotos von VG Ostseearchiv (siehe oben) noch mal abgedruckt.
Nachdem ich den Aufsatz gelesen habe, habe ich die "SEEKUH" und 2 FRG-Schlepper in die Datenbank Minensucher mit aufgenommen, nämlich den ehem. Fortifikations-Minenleger C11 (ex C8) und die KRONPRINZ, nach dem Krieg UNDINE.

--/>/> https://historisches-marinearchiv.de/projekte/minensucher/beschreibung.php

Bei dem FRG-Schlepper auf dem Nord-Ostsee-Kanal (Bild oben) könnte es sich m.E. um C11 handeln. Ich schließe das aus der Länge des Schleppers und dem extrem hohen Schornstein.

Von dem Ex-Ausflugsdampfer KRONPRINZ wurden die achteren Aufbauten, d.h. der Salon, entfernt und das machte Platz für das Magnetisierungsaggregat und das Schleppgeschirr. Es gibt zwei aufschlussreiche Zeichnungen mit den Veränderungen des Aufbaus in Gröner DDK Band 8, S.425.

Darf ich die beiden Zeichnungen (in einem Bild nebeneinander) in die Datenbank Minensucher aufnehmen ?

Schönen Gruß, Thomas

P.S. Für Hinweise auf weitere FRG-Schlepper wäre ich sehr dankbar.  :MG:

Impressum & Datenschutzerklärung