Kriegsmarine Offiziere in der Volksmarine

Begonnen von ufo, 30 März 2022, 18:29:37

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OldMan

Eine Bemerkung sei mir hierzu gestattet:
Mein Vater, Matrosen-Obergefreiter und Subaltern-Offizier (Sonderführer/Leutnant) der allerletzten Tage, Jg. '22, Berufssoldat der KM, kam in britische Kriegsgefangenschaft und war danach (er kam aus einer Marine-Kraftfahr-Einsatzabteilung und war in der Ägäis Vorpostenboot gefahren) Kraftfahrer bei der Britischen Minensuch-Administration, stationiert in Brunsbüttel Koog.
Ende der Vierziger war er an seinen Geburtsort Dresden zurückgekehrt (meine Großeltern hatten den verheerenden Angriff auf Dresden überlebt, ausgebombt und ohne alles!) und, zwangsverpflichtet als Kraftfahrer/Motorfachmann für Mercedes-Benz bei der sowjetischen Militärdministration in Dresden, nach der Entlassung aus russischer (kurzer) Kriegsgefangenschaft bei der "Volkspolizei" (bis zu seiner Entlassung, wimre 1951, wegen der alliierten Kriegsgefangenschaft) als "Anwärter" bzw. "Wachtmeister" tätig.
Als solcher stellte er Antrag auf Versetzung zur "See-Polizei". Man lehnte ihn ab und die Begründung (ob offiziell auch so genannt oder nur inoffiziell, weiß ich leider nicht) war, dass er in "alliierter Kriegsgefangenschaft" gewesen sei. Diese Wehrmachtsangehörigen galten wohl als eventuell ideologisch im Sinne der Alliierten indoktriniert und waren daher ein Risiko für die aufzubauenden "Streitkräfte" (wie es die "Kasernierte Volkspolizei" tatsächlich auch war), eben in ideologischer Hinsicht und damit für den "Geist" dieser zukünftigen Marine (im sowjetisch dominierten Bündnis).
Ich behaupte hier mal, dass alle in die "See-Polizei" übernommenen KM-Angehörigen (ob Offizier oder Mann) NICHT in allierter (oder gleichzusetzender, z.B. Tito-Jugoslawien, Dänemark) Kriegsgefangenschaft waren; dies auch entsprechend geprüft wurde und, sofern das geschehen war, KM-Angehörige, die in sowjet-russischer Gefangenschaft gewesen waren, geradezu ausschließlich "angeheuert" wurden.
Mein Vater sah aufgrund seiner Erfahrungen hier eigentlich eine sinnvolle Beschäftigung und war im Nachkriegsdeutschland bereit, ohne auf Ideologie zu achten, seemännisch tätig zu werden. Inwieweit das auf Dauer gutgegangen wäre, sei mal dahin gestellt, aber er war zunächst mehr als enttäuscht und hat sich jeden Gedanken an ein Anheuern bei den später so genannten "Seestreitkräften" aus dem Kopf geschlagen.
Etwa 1955 wollte man ihn allerdings werben (erstaunlicherweise), Offiziere waren persönlich "zu Besuch" bei uns daheim, aber er lehnte jede Mitarbeit ab.
Es waren wieder 5 Jahre in der DDR ins Land gegangen (der 17. 06. 1953 lag dazwischen) und die Ideologisierung nahm hierzulande hohe Ausmaße an: Damit wollte er dann doch nichts tun haben.
Nachteile sind ihm nicht erwachsen, mir auch nicht in der Folge (z.B. Schule oder Studium).

OldMan
Nihil, nihil (Von Nichts wird Nichts)

M-54842

#16
Zitat von: OldMan am 20 März 2024, 12:29:38Ich behaupte hier mal, dass alle in die "See-Polizei" übernommenen KM-Angehörigen (ob Offizier oder Mann) NICHT in allierter (oder gleichzusetzender, z.B. Tito-Jugoslawien, Dänemark) Kriegsgefangenschaft waren; dies auch entsprechend geprüft wurde und, sofern das geschehen war, KM-Angehörige, die in sowjet-russischer Gefangenschaft gewesen waren, geradezu ausschließlich "angeheuert" wurden.

OldMan

Das dem nicht grundsätzlich so war und man mit Westalliierter Gefangenschaft in der DDR sogar Admiral werden konnte, belegen die Beispiele Wilhelm Nordin und Friedrich Elchlepp.
Aber auch in der zivilen Seefahrt gab es durchaus Karrieren. So wurde der ehemalige Kommandant von U 262, Kapitänleutnant Karl-Heinz Laudahn (englische Kriegsgefangenschaft), später Leiter des Seefahrtsamtes der DDR.

OldMan

Dass man meinen Vater dann 1955 doch haben wollte, spricht dafür, dass man "nach Bedarf" verfuhr. Insofern sehe ich keinen prinzipiellen Widerspruch, @M-54842.

Mein Vater ist (meines Wissens nach) aufgrund eines Befehls der Sowjetischen Militäradministration dann auch aus der "normalen" Polizei von den ostdeutschen Behörden entlassen worden (wie andere auch, die in alliierter Kriegsgefangenschaft waren); man wollte diese Institutionen mit absolut loyalen Personen auffüllen (erst recht die "Seepolizei"). Die alliierte Kriegsgefangenschaft war da ein Makel (man hätte ja "umgedreht" worden sein).

OldMan
Nihil, nihil (Von Nichts wird Nichts)

kalli

Du hast Deine Meinung und Vermutungen, die Du aus der Biografie Deines Vaters schlussfolgerst. Das sei Dir unwidersprochen. Aus der Biografie meines Vaters (Kriegsmarineangehöriger von 1939-1945 und in britischer Gefangenschaft) kann man das Gegenteil vermuten.
Ergo: vom einzelnen auf das allgemeine zu schlussfolgern und das lediglich an einem Fakt festzumachen, führt nicht zwangsläufig zu einer Wahrheit.

Urs Heßling

moin,

Zitat von: M-54842 am 20 März 2024, 14:15:18
Zitat von: OldMan am 20 März 2024, 12:29:38Ich behaupte hier mal, dass alle in die "See-Polizei" übernommenen KM-Angehörigen (ob Offizier oder Mann) NICHT in allierter (oder gleichzusetzender, z.B. Tito-Jugoslawien, Dänemark) Kriegsgefangenschaft waren; dies auch entsprechend geprüft wurde und, sofern das geschehen war, KM-Angehörige, die in sowjet-russischer Gefangenschaft gewesen waren, geradezu ausschließlich "angeheuert" wurden.
Das dem nicht grundsätzlich so war und man mit Westalliierter Gefangenschaft in der DDR sogar Admiral werden konnte, belegen die Beispiele Wilhelm Nordin und Friedrich Elchlepp.
in der wiki-Biographie (also nicht als Beleg nutzbar, aber immerhin) von Elchlepp (nach RL 1944 zur Crew V/41 gehörig) steht der Satz (Zitat)
Für den in der DDR geplanten Seepolizei-Personalbestand galt der Befehl 2 der Deutschen Verwaltung des Inneren (DVdI) nicht, wonach ehemalige Gefangene aus amerikanischer, englischer und französischer Kriegsgefangenschaft für den Dienst bei der (Volks-)Polizei nicht einzustellen waren, sondern nur solche Bewerber, die aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft kamen. (veröffentlicht von Elchlepp selbst)

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

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