Foto-Rundgang durch den Antrieb eines Doppelschrauben-Dampfers

Begonnen von Turbo-Georg, 12 Juli 2011, 18:42:21

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Turbo-Georg

Bevor wir die beiden Hauptmaschinen mit ihren Umsteuermaschinen vorwärmen eine kurze Beschreibung ihrer Bedien- und Kontrolleinrichtungen.

An den Manövrier- bzw. Fahrventilen [45,46] werden mit den Handrädern die Dampfmengen und somit die Drehzahlen (Leistungen) der Hauptmaschinen und der mit ihr gekoppelten Schiffsschrauben reguliert.
Die jeweiligen Fahrstufen der Hauptmaschinen werden von der Brücke durch akustische (Klingel) und optische (... Fahrstufe leuchtet auf!) Kommandos über den jeweiligen Maschinentelegrafen [47] befohlen und vom Maschinisten mit dem Zeigerhebel bestätigt.
Für die Fahrstufen beider Drehrichtungen wurden bestimmte Maschinendrehzahlen festgelegt:

-   Ganz langsam/Achtung       35 U/min
-   Langsam                          50 U/min
-   Halb                                70 U/min
-   Voll                                 90 U/min.

Das Kommando ,,Achtung" galt als ,,Ganz langsam zurück".
Die Anzeige von Drehzahl und Drehrichtung der jeweiligen Schraubenwelle erfolgte mit Hilfe der Drehzahlmesser [45, oben links und 47, oben Mitte] an den Fahrständen. Sie erhielten ihre Werte von Reibrad-Tachogebern [48] auf den Schraubenwellen. 

Am Bb-Fahrventil [46] erkennen wir besonders gut den Hebel der Drosselklappe und des Hilfsschiebers mit seinen Stellungen MD - ZU - ND, sowie das Zudampfventil für Hilfsschieber und Umsteuermaschine [49].
Die Funktionen dieser Einrichtungen kennen wir aus dem Beitrag ,,Schiffs-Dampfmaschinen" Antwort #16.   
http://forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,12823.15.html

Unter den Fahrventilen [45,46] befinden sich die Drehrichtungs-Anzeigen mit ihren Markierungen zum Einstellen des Dampf-Füllungsgrades; sie sind über Hebel mit den Umsteuerwellen [50] verbunden und zeigen deren Stellungen an.
Diverse Hähne zur Entwässerung von Zylindern, Schiebern, Stopfbüchsen und der Umsteuermaschinen schließen die Bedieneinrichtungen ab. Auf dem Kesselraumschott [38] befinden sich die Kesselmanometer, an der Backbordseite das bereits genannte Kontroll-Manometer der Abdampfleitung, die Glocken für den ,,Umsteuer-Alarm" sowie die Gegensprechanlage zur Brücke.
Vermeintlich Schwieriges leicht verständlich machen.

Gruß Georg

Turbo-Georg

#16
Liebe Dampffreunde, liebe Leser,
ihr habt mittlerweile eine Vielzahl von Begriffen kennen gelernt.
Aber was, zum Teufel bedeutet  ,,Umsteuer-Alarm"?

Es handelt sich um den ,,penetranten" Klingelton, der automatisch auf der Brücke und im Maschinenraum ausgelöst wird, wenn eine der Hauptmaschinen in eine andere, also falschen Drehrichtung gegenüber der von der Schiffsführung befohlenen gestellt wird.
Auf kleinsten Raum, also z.B. in Schleusen oder am Pier, wurde nicht nur mit dem Ruder, sondern auch mit den ggf. gegenläufigen Schrauben manövriert. Es ist leicht vorstellbar, welche Folgen ein ,,Umsteuerfehler" nach sich ziehen kann.

Wie es zu dem, vor allem bei Anfängern gar nicht so seltenen Fehler kommen kann, möchte ich kurz beschreiben.
Wir nehmen einmal an die Stb-Maschine dreht mit ,,halbe Kraft voraus". Das heißt am Maschinentelegraf [47] leuchtet links das Feld ,,halb" und der Handhebel der Bestätigung zeigt auf dieses Feld. Der Zeiger des Stb-Drehzahlmessers [38,45] steht rechts auf 70 U/min und der Zeiger der Stb-Drehrichtungs-Anzeige [45] in etwa auf den vierten Markierungsstrich links (V).
Es ertönt das Klingelzeichen des Maschinentelegrafen und das Lichtsignal springt auf das Feld ,,halbe zurück". Der Maschinist quittiert am Maschinentelegrafen, indem er den Handhebel auf das erleuchtete Feld stellt und stoppt die Dampfzufuhr durch Schließen des Fahrventils.
Er stellt den, in Mittelstellung stehenden Hebel des Wechselventils der Umsteuermaschine [43] mit einer Hand etwas nach rechts, öffnet damit den Zudampf für diese Drehrichtung und wirft mit der anderen Hand die Umsteuermaschine entsprechend an. Die Drehgeschwindigkeit der Umsteuermaschine wird ggf. mit dem Hebel des Wechselventils nach geregelt. Die Umsteuermaschine bewegt über ein Schneckengetriebe mit Exzenter [50] die Umsteuerwelle in die Gegenrichtung. Der Zeiger der Drehrichtungs-Anzeige [45] wechselt von seiner Ausgangsposition über die Mittelstellung nach rechts (R).
Der Maschinist schließt rechtzeitig die Dampfzufuhr am Wechselventil (Mittelstellung) und bremst mit beiden, Handschuh bewehrten Händen am Schwungrad den Nachlauf der Umsteuermaschine, bis die gewünschte Zeigerposition erreicht ist.
Die Stb-Hauptmaschine ist nun auf Rückwärtslauf umgesteuert.
Er öffnet das Fahrventil langsam, bis sich die Hauptmaschine in Bewegung setzt und regelt die Rückwärts-Drehzahl auf 70 U/min.

Die Umsteuereinrichtungen haben keine Endstellungen in Form von Anschlägen. Bei geöffneter Dampfzufuhr in eine der beiden Richtungen des Wechselventils, dreht die Umsteuermaschine unverminderter weiter. Daher auch die Bezeichnung ,,Umlauf"- oder auch ,,Rundlaufumsteuerung" und wie beim Betrachten von Bild 50 leicht nachvollzogen werden kann, pendelt die Umsteuerwelle ständig zwischen ,,Vorwärts" und ,,Rückwärts". 
Jetzt wird auch klar warum die Dampfzufuhr am Wechselventil rechtzeitig geschlossen werden muss. Der Zeiger der Drehrichtungs-Anzeige läuft über die gewünschte Position hinaus, wechselt zur Gegenrichtung und löst den ,,Umsteueralarm" aus.

Es gibt einen weiteren Grund die Dampfzufuhr rechtzeitig wieder zu schließen. Hört:

Ein Maschinisten-Anwärter hatte das Wechselventil zu weit geöffnet. Die Umsteuermaschine drohte mit hoher Drehzahl die gewünschte Position zu überlaufen. Er erkannte den bevorstehen Umsteuerfehler und wollte die Maschine durch Abbremsen des Schwungrades mit beiden Händen noch rechtzeitig zum Stillstand bringen. Leider vergas er in der Aufregung den Dampf abzusperren und er wurde beim beherzten Griff zum Schwungrad mit der Kraft von etlichen Pferdestärken durch den Mittelgang gewirbelt. Durch den ,,Mark erschütternden" Ton des Umsteueralarms wurde er aus seiner Benommenheit geweckt. Die ,,alten" Maschinisten reagierten schnell und verhinderten größeres Unheil, aber ganz ohne Buße in Form von ,,Feuerwasser" für Brücke und Antrieb geht so etwas nicht durch.
Vermeintlich Schwieriges leicht verständlich machen.

Gruß Georg

Turbo-Georg

#17
Bevor wir den Hauptkreislauf des Antriebes anfahren, noch einen Hinweis auf den neuen Beitrag unseres Forum-Mitgliedes Hastei, welcher recht gut zu diesem Thema passt.

http://forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,15024.msg167560.html#new

Seine Bilder zeigen einen Indikator zur grafischen Erfassung des Druckverlaufs in den einzelnen Zylindern von Kolben-Dampfmaschinen.
Bekanntlich kann hiermit durch die Schiffs-Ingenieure die innere Leistung der Dampfmaschinen ermittelt werden. Siehe hierzu auch Antwort #81
  
http://forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,12823.75.html

Aus diesem Beitrag über ,,Schiffs-Dampfmaschinen" wissen wir auch, dass der Indikator in geeigneter Weise mit den Zylinderräumen der jeweiligen Maschine Druck dicht verbunden werden musste.
Um diesen, Routine mäßig durchzuführenden Vorgang zu vereinfachen, wurden bereits durch die Maschinenhersteller entsprechende Anschlüsse mit Dreiwege-Hahn [39,44] vorgesehen. Fälschlicher Weise werden diese Einrichtungen häufig für Entwässerungen gehalten.

Der Indikator wird mit der Überwurf-Mutter nach Entfernen des Blindstopfens auf das abgewinkelte Anschluss-Stück am jeweiligen Zylinder geschraubt und seine Trommel-Schnur mit dem darunter auf der Gleitbahn laufenden Kreuzkopf  [51,52] verbunden.
Beim Auf- bzw. Niedergehen des Kreuzkopfes wird die Schreibtrommel mit Hilfe der Schnur gedreht. Der Schreibstift ist mit dem, Druckfeder belasteten Kolben des Indikators verbunden und zeichnet die Kurve des Druckverlaufs. Mit dem Dreiwege-Hahn wird der Indikator nacheinander auf den oberen bzw. unteren Zylinderraum geschaltet.
In der Mittelstellung des Hahnes wird der Indikator zum Zeichnen der Null-Linie mit dem atmosphärischen Umgebungsdruck beaufschlagt.

Vermeintlich Schwieriges leicht verständlich machen.

Gruß Georg

Turbo-Georg

Im Nachgang ein Foto, des MAIHAK-Indikators, der mir zwischenzeitlich von unserem Freund Hastei überlassen wurde.
Auf diesem Wege nochmals meinen herzlichsten Dank hierfür.

Ich habe Kontakt zum Nachfolger der ehemaligen MAIHAK-AG, Hamburg aufgenommen.
Über eventuell, mir zugehende Informationen halte ich euch auf dem Laufenden.

Vermeintlich Schwieriges leicht verständlich machen.

Gruß Georg

Turbo-Georg

#19
Trotz der kleiner Abschweifungen zwischendurch, haben wir uns nicht von den nötigen Vorbereitungen zum Anfahren des Hauptkreislaufes abhalten lassen.
Der Kesselwärter hat uns bereits informiert, dass er die Hauptdampfventile geöffnet hat.
Wir können demnach die beiden Hauptmaschinen mit ihren Umsteuermaschinen, sowie den 60 kW-Turbo-Generator für die Bordstromversorgung [53,54] vorwärmen.
Der zweite Turbo-Generator (50 kW) [55] dient der Stromversorgung des Deck-Kranes und wird nur bei Bedarf angefahren.

Die Entwässerungshähne der Zylinder, der Schieber und der Kolbenstangen-Stopfbüchsen beider Hauptmaschinen, sowie die Entwässerungshähne an den Umsteuermaschinen wurden bereits geöffnet.
Die Entwässerungsventile an den Fahrventilen öffnen wir nur, bis Dampf austritt. Diesen  Vorgang wiederholen wir in einigen Abständen.
Wir öffnen die Abdampfventile an den Umsteuermaschinen. An den Fahrventilen öffnen wir etwas die Zudampfventile zu den Hilfsschiebern und den Umsteuermaschinen und werfen die Umsteuermaschinen auf die bereits beschriebene Weise in eine beliebige Drehrichtung an.
Die Maschinensteuerungen pendeln nunmehr bekanntermaßen ständig zwischen ,,Voraus" und ,,Rückwärts" und wir können die Entwässerungen der Umsteuermaschinen wieder schließen.

Wir stellen zur Beschleunigung des Vorwärmens der Hauptmaschinen ihre Hilfsschieber auf die Mitteldruck-Zylinder (MD) und während die Umsteuermaschinen weiter laufen, öffnen wir nach etwa 1 Minute ganz leicht die Fahrventile.
Nach etwa 5 Minuten schließen wir die Fahrventile wieder und stoppen die Umsteuermaschinen.
Wir steuern die beiden Hauptmaschinen auf gegensinnige Drehrichtungen um; wobei es nebensächlich ist, in welche Richtung sie dabei drehen.
Bevor wir die Fahrventile leicht öffnen und die Hauptmaschinen anspringen, informieren wir hierüber die Leinenwachen an Deck.
Wir regeln die jeweiligen Drehzahlen der Hauptmaschinen und damit auch der beiden Schrauben auf 35 U/min. (ganz langsam) ein.

Sollte eine der Hauptmaschinen nicht anspringen, kann man bei geöffnetem Fahrventil ihre Umsteuermaschine einmal durchlaufen lassen, andernfalls kommt der Hilfsschieber zum Einsatz. Bei weit geöffnetem Zudampfventil wird der Hilfsschieber auf MD oder ND gestellt, bis die Maschine anspringt.
Die Maschinen verbleiben für etwa eine halbe Stunde in diesem Betriebszustand und wir können uns dem Anfahren des Turbo-Generators zuwenden.

Wir schließen am Turbinenregler [56] das Schnellschluss-Ventil mit dem Schnellschluss-Hebel. Mit dem Handrad spannen wir die Auslöseeinrichtung durch Rechtsdrehen bis die Klinke hörbar einrastet und öffnen danach das Schnellschluss-Ventil ganz.
Eine Beschreibung mechanischer Schnellschluss-Einrichtungen findet ihr im Beitrag ,,Schiff-Dampfturbinen" unter Antwort #26 vom 8.12.2010.

http://forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,13029.15.html

Wir öffnen die Entwässerungsventile des Turbinengehäuses und der Wellen-Stopfbuchsen.
Weiterhin öffnen wir die Ventile des Stopfbuchsen-Sperrdampfes sowie der Abdampfleitung zum Hilfskondensator.
Zum Vorwärmen öffnen wir das Dampf-Absperrventil ein ganz klein wenig, um es nach etwa 1 Minute soweit zu öffnen, bis der Läufer etwa 500 U/min. erreicht hat. Wir schließen die Gehäuse-Entwässerung und lassen die Turbine in diesem Betriebszustand etwa 10 Minuten durchwärmen um anschließend das Entwässerungsventil zum Kondensator zu schließen.

Wir steigern langsam die Turbinendrehzahl auf 3500 U/min. und beobachten, ob bei höherer Drehzahl der Regler greift. Wir öffnen das Dampf-Absperrventil vollständig, stellen den Drehzahl-Versteller auf 3500 U/min und sichern das Handrad mit der Lasche.
Die Ventile des Stopfbuchsen-Sperrdampfes regeln wir auf leichtes Wrasen (kleine Dampf-Wölkchen) ein.
An den E-Schalttafeln erregen wir den 60 kW-Generator und wir hören ob die Turbine nachregelt.
Wir schließen nun auch die Stopfbuchsen-Entwässerung.

Wir informieren das Kesselraumpersonal über die bevorstehende Umschaltung auf den Turbo-Generator.
An der E-Schalttafel stellen wir den Generator-Wahlschalter auf 60 kW-Generator und veranlassen, dass im Dieselraum der 40 kW-Generator entregt und still gesetzt wird.
Wir schalten die Alarmanlage ab.
Bevor wir unseren gemeinsamen Rundgang durch den Antrieb beenden, melden wir der Brücke:

Antrieb seeklar!
Vermeintlich Schwieriges leicht verständlich machen.

Gruß Georg

Starboard


Hi Paps  :O/Y
Also ich muss dir auch mal ein großes Kompliment aussprechen  top
Deiner Profilsignatur machst du wirklich alle Ehre und mit den Zeichnungen
ist es insgesamt sehr verständlich,sogar für mein Kaliba  :-D
Ein Experte ist jemand, der von immer weniger immer mehr weiß, bis er von nichts alles weiß.

Gruß Nati

Turbo-Georg

Hallo Nati, hallo Freunde,

also das Posting von Starboard hat mich nicht nur überrascht, sondern ganz besonders gefreut.

Wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich bei Starboard um meine heute 16 jährige Tochter.
Sie kennt dieses Schiff wie ihre ,,Westentasche", denn sie hat mich auf meinen Fahrten nach WHV begleitet und teilte mit mir die Maschinistenkammer.
Während ich in der Maschine war, machte sie sich beim Smutje und bei der Gäste- und Crewbetreuung nützlich oder sie übernahm, ausgestattet mit einem Elbsegler und Club-Namensschild stolz die Gangwaywache. Sie verjagte recht energisch allzu übermütig agierende ,,Plagen".
Ihr könnt mir glauben: Eine wunderschöne, gemeinsame Zeit.


Vermeintlich Schwieriges leicht verständlich machen.

Gruß Georg

Albatros

Zitat von: Turbo-Georg am 26 August 2011, 09:59:22

Ihr könnt mir glauben: Eine wunderschöne, gemeinsame Zeit.


....... wohl auch für Deine Tochter, ich z.B. erinnere mich noch Heute gerne an die Zeit in der ich bei meinem Vater als Kind und Jugendlicher an Bord mitfahren durfte........ :O/Y

:MG:

Manfred

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