Fragen zum Seefahrtsbuch

Begonnen von Albertus, 12 April 2011, 20:54:19

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Albertus

Hallo und guten Abend !

Habe mal wieder eine Frage zu einem mir vorliegendem Seefahrtsbuch von 1910. Da wurde die An- und Abmusterung (in Brake) von einem ,,Wasserschout" gestempelt und unterschrieben. Auch in Bremerhaven und Hamburg wurde dieser Ausdruck benutzt, wie ich es soeben im Netz las...
Das Wort stammt aus dem niederländischen und steht für Hafenmeister/Aufseher, der seinerzeit auch für die Musterung der Seeleute zuständig war.
Es ist bekannt, dass die Holländer ganz fulminante Seefahrer waren, doch dass sich dieser Sprachgebrauch noch so lange in unserem Amtsdeutsch hielt, überrascht mich.
Hat vielleicht jemand die geeignete Lektüre, um mal zu schauen, was es für eine Begründung dafür gibt?
Waren die gekreuzten Anker im Stempel einheitlich und galten für alle Wasserschouts, oder war es eher ein regionales, frei erfundenes amtliches Zeichen? Gibt es eine Erklärung für die Symbolik?
Würde mich freuen, wenn jemand etwas Licht in die Angelegenheit bringen würde.

Besten Dank und schöne Grüße
Jane



Albertus

Hallo!

Weiß jemand ob es die Dienstzeugnis-Bücher, wie sie beim Norddeutschen Lloyd bereits um 1900 üblich waren, auch bei anderen Reedereien zeitgemäß eingesetzt wurden?
Beispiel-Link: http://www.hood.de/angebot/38681993/dokument-norddeutscher-lloyd-dienst-zeugnisse-um1907-10.htm

Die Auskünfte die man solchen Büchern entnehmen kann, sind ja nicht besonders aussagekräftig:
°Dauer der Dienstzeit
°Diensttüchtigkeit
°Nüchternheit (dieser Punkt lässt auf durstige Seeleute schließen :-D)
°Ursache der Entlassung

Ob diese Büchlein nur für Mannschaftsgrade ausgegeben wurden und die Schiffsoffiziere inhaltsreichere Zeugnisse bekamen würde mich schon interessieren.
Werden solche Dienstzeugnis-Bücher auch heute noch ausgegeben?

Allen Lesern Schöne Weihnachten!

Jane

Albertus

:? Keiner eine Meinung? Schade!

Nichts desto trotz:
DANKE für die interessanten Beiträge hier im Forum!

Allen Lesern ein gesundes neues Jahr und

frrrische Grüße von der Elbmündung

Jane




Albatros

Zitat von: Albertus am 24 Dezember 2011, 14:01:16
Hallo!

Werden solche Dienstzeugnis-Bücher auch heute noch ausgegeben?

Allen Lesern Schöne Weihnachten!

Jane


Vielleicht einfach mal bei Captain Hans per PM versuchen, der könnte das eventuell beantworten.

Dir ein Frohes "Neues"

:MG:

Manfred

Cord

@ Albertus

Es gibt diese Dienstzeugnisbücher auch von dem NDL! Da ich im Moment im "Exil" bin, habe ich kein Zugriff auf meine Bücher, sonst könnte ich näheres dazu schreieben...

Gruß
Cord
In den Straßengräben auf dem Weg zum Ruhm, liegen die Überreste derjenigen, denen der Erfolg versagt blieb... (unbekannter Verfasser)

Albertus

#20
Hallo Cord,

inzwischen liegen mir mehrere solcher Zeugnishefte vor, nicht nur vom NDL, die Hamb. Amerika-Linie hatte diese Bücher auch für ihre Fahrensleute ausgegeben.

Nach wie vor wundere ich mich über die enthaltenen mageren Aussagen der Bücher, besonders bei den Offizieren. Das die Diensttüchtigkeit "gut" und die Nüchternheit "ohne Tadel" waren, schien offensichtlich zu reichen, um die Karriereleiter zu erklimmen.
Dem gegenüber stehen ,,normal" geschriebene Zeugnisse mit Briefkopf der Reederei, pers. Daten und eine sachkundige Beschreibung des Tätigkeitsfeld des Abgemusterten.
Ich habe etliche solcher schönen maritimen Zeitdokumente vorliegen. Darum finde ich diese schlichten Büchlein recht simpel. Dies gilt besonders für die renommierte Reedereien, wo man sonst doch sooo viel Wert auf Etikette legte, hier scheinbar nicht. Kann mir kaum vorstellen, dass man heute noch einen Job mit diesen Buchangaben bekommen würde. (?)
Hier schreibende Fahrensleute müssten ja eigentlich wissen, ob sie inhaltlichere Zeugnisse bei ihrer Abmusterung erhielten oder nicht. (?)


Beste Grüße
Jane

Captain Hans

hallo jane

sorry hab die Frage übersehen :|

Es wurden zu Anfang einfache Dienstzeugnisse (Vordrucke) ausgestellt.(wie du schon beschrieben hast)

Später unter ausländischer Flagge wurde auch freí gestaltete Zeugnissse auf Wunsch ausgestellt.
Bei der Hamburg Süd wurde aber vom Kapitän interne Berichte abgegeben, die der Abmusternde
nicht zu Gesicht bekam

Wie das bei den großen deutschen Reedereien dann später war, entzieht sich meiner Kenntnis.

Das man bei einer Bewerbung Zeugnisse vorlegen mußte war eher eine Seltenheit.
Auf den Tankern war man froh wenn man überhaupt jemand mit Tankererfahrung bekam.

viele Grüße

Hans
,Nur wer sich ändert,bleibt sich treu"!!!
,,Nicht was du bist,ist das was dich ehrt,wie du bist,bestimmt den Wert"!!!

Albertus

Zitat von: Captain Hans am 27 Februar 2012, 14:29:10

Bei der Hamburg Süd wurde aber vom Kapitän interne Berichte abgegeben, die der Abmusternde
nicht zu Gesicht bekam

Hallo Hans,

das klingt für mein Gefühl plausibel und leuchtet mir ein.

Zitat von: Captain Hans am 27 Februar 2012, 14:29:10Das man bei einer Bewerbung Zeugnisse vorlegen mußte war eher eine Seltenheit.

Sehr mutig! Ich bin geneigt anzumerken, das man dann froh sein konnte, wenn nix passierte.
Irgendwie hatte die Seefahrt wohl lange Zeit ihre ganz eigenen Gesetze.
Wie schon gesagt, für mich hardert das frühere Einstellungs-Prozedere gewaltig mit dem sonstigen Style der hanseatischen Reedereien. Man hatte offensichtlich viel Gottvertrauen neuen Crew-Mitgliedern gegenüber.
Anders war- und ist es, wenn die Leute innerhalb der Reedereien lediglich die Schiffe wechselten.

Danke Hans, ich grüße Dich  :-)
Jane

Big A

ZitatDas man bei einer Bewerbung Zeugnisse vorlegen mußte war eher eine Seltenheit.
Auf den Tankern war man froh wenn man überhaupt jemand mit Tankererfahrung bekam.

Da erinnere ich mich an einen Fall aus den frühen 80er Jahren, als ein Journalist mit einem einfachen Sprechfunkzeugnis sich bei einer in der Karibik ansässigen Reederei bewarb und sofort als III. Offizier eingestellt wurde. Er kam auch umgehend auf einen Tanker und sollte alleine eine Brückenwache übernehmen...

Zum Glück ist nichts passiert, der Journalist hat sich schnell geoutet und es gab eine Zeit lang empörtes Kopfschütteln an der Küste.

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

Captain Hans

@ Axel

ja die Geschichte kennen ich auch aber ich dachte es wäre eine griechische Reederei gewesen.
Na ja wie auch immer, es zeigt die damaligen Zustände.
Man konnte gefälschte Patente in Hongkong auf dem Schwarzmarkt kaufen

viele Grüße

Hans
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,,Nicht was du bist,ist das was dich ehrt,wie du bist,bestimmt den Wert"!!!

Albertus

Zitat von: Captain Hans am 28 Februar 2012, 13:46:52
Man konnte gefälschte Patente in Hongkong auf dem Schwarzmarkt kaufen

Hallo Hans

Das ist ja fast unglaublich!  :-o
Erzähl mal!
Und die Reedereien haben's nicht gemerkt?  :-D
Oder war es denen etwas egal? Hauptsache die Besatzung war vollzählig und das Schiff fuhr??

Liebe Grüße
Jane


Captain Hans

Meine liebe Jane

es würden nur Horrorgeschichten werden :x

Ausländische Besatzungsmitglieder kamen mit Patenten,wo auch immer sie diese her hatten.
Das genügte den Reedereien denn theoretisch waren die Schiffe ja richtig besetzt.
Über die Qualität dieser meist kleineren Reedereien kannst du dir den Rest denken.

Auf einem Chemie Tanker schickte mir eine nahmhafte Hamburger Reederei 4 Nutten (von der Reeperbahn) als
Stuardessen für die Mannschafts-,Offiziers- und Kapitänsmesse.
Du kannst dir vorstellen was das auslöste und als ich sie alle 4 nach einer Reise feuerte bekam ich noch
eine Rüge von der Reederei. (Das war schon Anfang der 70er Jahre)

Auf einem Supertanker bekam ich mal einen filipinischen Bootsmann, dessen größte Erfahrung eine Segel Dau war.
Gleichzeitig hatte ich einen Matrosen der ein echtes filipinisches 3. Offz. Patent hatte aber er hatte bei der Crew Agency
nicht genügend geschmiert und deswegen den schlechteren Posten bekommen usw. und so fort.......

Einen griechischer LI der zusammen mit dem portugiesischen 1.O Reserveteile heimlich an Schrotthändler in den
Häfen verkaufte, oder sogar Bunker an Fischerboote verkaufte.  (mediterane Gepflogenheiten, die wir ja von der
Eurokrise her kennen)

Du siehst, es wären viele viele Horrorgeschichten und die möchte ich uns hier ersparen :-D
   
Als ich meinen letzten Tanker (1983) in Inchon (Korea) in den Hochofen gefahren habe, entschied ich mich die Seefahrt
aufzugeben. Wir hatten 25 Mann Besatzung aus 12 Nationen und 4 Religionen darunter 4 Moslems und einen chinesischen
Koch der den ganzen Tag Schweinefleisch kochte. Eine meiner Aufgaben war es zu verhindern, daß die Moslems den Koch nicht
umbrachten usw. und so fort.

Ich gab damals meinen Traumberuf auf, gründete eigene Firmen und wurde Zulieferer im Schiffbau.
Als ich dann noch Sicherheitsbeautragter der Bundesregierung wurde, konnte ich viele Reedereien
und deren Schiffe zwingen vernünftige Sicherheitsstandards einzuführen.
( auf Basis der neuen Gesetzgebung )
Viele Reeder behaupteten es wäre meine Rache gewesen für die Zerstörung meines Traumberufs :-D

Aber schon in den sechziger Jahren gab es viele Mißstände so fuhr ich auf einem Kümo als Decksjunge mit zwei weiteren
Decksjungen (der jüngste 14 Jahre alt) und einem Matrosen, der gerade aus dem Knast wegen Zuhälterei gekommen war.
Das wurde alles mit Sondergenehmigung der SeeBG erlaubt :?   

So das langt als Beispiele, ich möchte dir nicht die letzten Illusionen über die christliche Seefahrt rauben :-D

Natürlich gab es auch sehr gute Reedereien, die keine Postkastenfirmen waren, bei denen ich gerne gefahren bin.

liebe Grüße

Hans

,Nur wer sich ändert,bleibt sich treu"!!!
,,Nicht was du bist,ist das was dich ehrt,wie du bist,bestimmt den Wert"!!!

Maurice Laarman


kgvm

"Als ich meinen letzten Tanker (1983) in Inchon (Korea) in den Hochofen gefahren habe": na, dann mußtest Du ja sowieso das Patent abgeben, denn Wassernähe des Hochofens ist ja wohl keine Entschuldigung  :-D

harold

@ Hans,
"Nit mö-ö-öglich!" / "sans blâ-âge!"  :-D
(wer kennt ihn noch? =>  http://video.gmx.net/watch/4747473  )
:MZ:
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

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