Schiffsnamen und ihre Übersetzung 1912

Begonnen von Spee, 12 April 2011, 15:43:17

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Spee

Ein recht amüsanter Ausschnitt aus einem Buch von 1912:

Übergehen wir die Epoche Napoleons, deren Erinnerung noch heute in vielen Schiffsnamen wie Rivoli, Marengo, Massena, bewahrt wird, ebenso die Zeiten der Restauration, des Bürgerkönigtums und des zweiten Kaiserreichs, und wenden wir uns sogleich der dritten Republik zu, so macht sich hier in der Namengebung der Kriegsschiffe neuerdings, etwa seit der Ära Pelletan, eine unverkennbare Hinneigung zu einem phrasenhaften Pazifismus bemerkbar. Die Schiffe werden nicht mehr, wie noch bis Ende der 90er Jahre nach Vertretern fränkischen und französischen Kriegsruhms: Charles-Martel, Charlemagne, Saint-Louis, Bouvet, Suffren, genannt, sondern nach Helden des Geistes und der Feder, bestenfalls nach republikanischen Politikern: Danton, Mirabeau, Voltaire, Vergniaud, Diderot, Condorcet, Jules Michelet, Victor Hugo, oder nach abstrakten Idealen, die die demokratische Republik gepachtet zu haben glaubt: Democratie, Justice, Verite und die vor etlichen Wochen so schrecklich zugrunde gegangene Liberte. Diese Art der Namensgebung berührt unser Empfinden seltsam und fremd, ja sie erscheint uns geradezu als eine Lüge. Denn Kriegsschiffe sind nun einmal Werkzeuge der Gewalt und des Krieges, nicht des Friedens, und bekümmern sich im Ernstfall den Teufel um "Justice" und ,,Verite". Vollends, das Gemisch der neuen pazifistischen mit den alten kriegerischen Namen wirkt geradezu komisch. Was würden Sie dazu sagen, wenn Sie eines Tages in der Zeitung folgende Meldung lesen würden : ,,Das erste Geschwader der Hochseeflotte bestehend aus den Linienschiffen: ,, Wahrheit", ,, Freiheit", ,, Gleichheit", ,, Gerechtigkeit" sowie ,, Fürchterlich", ,, Entsetzlich", ,, Unwiderstehlich", und ,, Unbezähmbar" ist heute von Kiel nach Wilhelmshaven abgegangen" oder : ,,S. M. Panzerkreuzer ,, Schopenhauer", ,, Immanuel Kant" und ,, Friedrich Nietzsche" gingen heute zu Schießübungen in See?" (Nebenbei wäre ,, Friedrich Nietzsche" gar kein so übler Name für ein Kriegsschiff. Denn auch dieses soll ja ein ,, Umwerter aller Werte" sein.)
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

kalli

Das Thema, das Thomas hier anschneidet ist ganz interessant. Schiffsnamensgebung und ihr zeitgeschichtlicher Rahmen. Allerdings kann man da auch viel hineininterpretieren und zu glorreiche Namen können arg in das Gegenteil umschlagen, wenn dem stolzen Schiff mit einem noch bedeutsameren Namen ein arges Mißgeschick, sprich gegnerische Versenkung, beschieden ist. Da sind doch geografische oder Städtenamen etwas unverfänglicher- auch wenn bei der Namensgebung der Namensgeber an eine heldenhafte Schlacht nahe der Stadt xxx gedacht haben mag. Wer kennt nach dem Untergang dann noch diese Geschichte? Oder gar ein Mönch als Namensgeber? Gut, die gekrönten Häupter sind dafür auch ganz gut, besonders, wenn ihrer nur noch an der Gruft oder in Geschichtsbüchern gedacht wird. Heilige sind auch nicht schlecht, so können die auf einem solchen Schiff kommandierten Mariner im Kampf auf einen vertrauensvollen und sehr präsenten Beistand hoffen.
Ach ja die Mariner selbst. Wie stehen sie eigentlich zu ihrem Schiffsnamen? Identifizieren sie sich mit ihm? So wie mit ihrem Schiff und ihrer Aufgabe?
Genug damit. Ich hänge mal eine kleine Übersicht (nur für Linienschiffe und Schlachtschiffe) an, die ich aus Bernhard Gomms Buch "Die russische Marine 1856-1917" zusammengestellt habe. Dabei habe ich auch seine Transliteration übernommen, die mir persönlich eigentlich nicht so zusagt. Aber das ist wirklich Geschmackssache. Bernhard Gomm hat verdientermaßen die Namensherkunft der russischen Schiffe in seinen Bänden beschrieben. Auch dafür gebührt ihm Dank top

Urs Heßling

moin,

Zitat von: kalli am 12 April 2011, 21:09:50
die Mariner selbst. Wie stehen sie eigentlich zu ihrem Schiffsnamen? Identifizieren sie sich mit ihm? So wie mit ihrem Schiff und ihrer Aufgabe?
eigene Erfahrung: ja  :MG:

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Glasisch

Ob da wirklich bei Borodino die Russen einen Sieg  landeten, ist dahingestellt; eher Unentschieden, aber die Russen haben ihr Ziel erreicht, sich nicht vernichtend schlagen zu lassen. Napoleon wurde angehalten, nachdem man ihm schwere Verluste zugefügt hatte, aber Kutusow war auch geschwächt nach dieser Schlacht, so daß er nicht nachschlagen konnte, also Rückzug nach Moskau und als Napoleon nachrückte,wurde die Stadt in Brand gesteckt und der einfallende Frost gab dem Kaiser der Franzosen den Rest...

das ist wieder so meine Nörgelei, Pardon

Was die Namen russisch/sowjetischer Torpedoboote bzw. Zerstörer angeht, dann sind es substantivierte Adjektive und geben den Charakter und den wunderschönene Klang dieser Sprache wieder, wie zum Beispiel (ich bleibe mal bei der  Beschreibung der Namen, so wie ich es kenne, was früher auch üblich war, aber, dann von der Weltsprache Englisch überschattet wurde, die mir persönlich nicht gefällt, zumal für das kyrillische B und W nur ein V und ich kann es irgendwie nicht nachvollziehen, warum gerade beim Uboot - russisch В 1 V 1 steht, wenn das Englische doch ein W hat und kennt und für das W da kann ja schon meinetwegen das V sein (Взрыватель - Deutsch Wsrywatel, Englisch - Vsryvatel, aber meistens werden solche Namnen völlig entstellt. Dies, um es mit dem russischen B nicht zu verwechseln. Das erinnert mich etwas an Latein, denn da gibt es auch für das u und v  nur eine v, wie z.B. Clavdivs

BDITELNYJ - Der Wachsame
BEDOWYJ - Der Tollkühne - so hieß das Boot, auf dem sich Admiral Roschestwenski den Japanern untergab. Ich glaube, es gab später in der russischen und sowjetischen Marine diesen Namen nicht mehr? Ein ähnlicher Fall, wie "Prince of Wales", dem man angebliche Flucht vom Schlachtfeld anhängte. Als sie unterging, atmete die britische Admiralität auf. Ich kann mich nicht erinnern, daß dieser Traditionsname im Bestand der RN Royal Navy auftauchte.
WNUSCHYTELNYJ - Der Prächtige
BOJKIJ - Der Wackere
BURNYJ - Der Gewaltige
WYNOSLIWYJ -  Der Widerstandsfäige
BESSTRASCHNYJ - Der Unerschrockene
BESPOSCHTSCHADNYJ - Der Rücksichtlose
BESSCHUMNYJ - Der Geräuschlose
WNIMATELNYJ - Der Aufmerksame
WLASTNYJ - Der Herrische
GROSOWOJ - Der Gewittrige, Stürmische oder Ungestüm - wie ein U-Boot - Rudel
BOJKIJ - Der Wackere

,,Ruhe in den Telefonen. Denkt daran, daß auch in England auf jeden Mann eine Mutter wartet!" KzS Helmuth Brinkmann Kommandant der ,,Prinz Eugen"  in der Dänemarkstrasse am  24. Mai 1941, nachdem die ,,Hood" kurz davor explodiert worden war.

MichiK

Tscha, was sollte man da erst zu den Briten sagen?
(Nicht neu, aber immer wieder gut!)

:wink:
Michi
ROMANES EVNT DOMVS!

Spee

As they walked up the gangway the regulars on deck burst into hysterical laughter. The full name of the unit was the Cambridge University Naval Training Squadron, which was, of course indicated by the initials on their caps..........  :ROFL:  :ROFL:  :ROFL:
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Teddy Suhren

Hai

Du Böser, wer wird denn hier so schlimme Wörter verbreiten...  :-D
Gruß
Jörg

WoWs Nick: Teddy191

Spee

Entschuldigung! Sobald ich mich vom Fußboden erhoben habe, werde ich meine Seriosität wieder herstellen ......  :ROFL:


Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Urs Heßling

moin,

Zitat von: Spee am 12 April 2011, 15:43:17
... und wenden wir uns sogleich der dritten Republik zu, so macht sich hier in der Namengebung der Kriegsschiffe neuerdings, etwa seit der Ära Pelletan, eine unverkennbare Hinneigung zu einem phrasenhaften Pazifismus bemerkbar. Die Schiffe werden nicht mehr, wie noch bis Ende der 90er Jahre nach Vertretern fränkischen und französischen Kriegsruhms: Charles-Martel, Charlemagne, Saint-Louis, Bouvet, Suffren, genannt, sondern nach Helden des Geistes und der Feder, bestenfalls nach republikanischen Politikern: Danton, Mirabeau, Voltaire, Vergniaud, Diderot, Condorcet, Jules Michelet, Victor Hugo, oder nach abstrakten Idealen, die die demokratische Republik gepachtet zu haben glaubt: Democratie, Justice, Verite und die vor etlichen Wochen so schrecklich zugrunde gegangene Liberte. ...

könnte es sein, daß dies seitens der Marineführung in Anwendung einer Kombination von Diplomatie und Psychologie geschah, um bei einem eigentlich der Verschwendung von Steuermitteln in Kriegsschiffbau abholden Parlament die Ressentiments zu verringern ?

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Spee

#9
@Urs,

schwer zu beantworten, möglich auf jeden Fall.
Auffällig wird die Verteilung der Namen bei längerer Betrachtung allerdings schon. Nimmt man sich die Schiffsnamen etwas 1905 und vergleicht die Struktur der Namensvergabe, gibt es interessante Unterschiede zwischen den Flotten, sogar in einzelnen Flottenteilen. Von den 8 größten Flotten haben 5 ähnliche Strukturen, 2 Flotten gehen einen anderen Weg, aber einen sehr ähnlichen. Einzig die japanische Flotte mit ihrer "Rotblauen Frühlingswolke, die über hellgrünem Wasser von einem purpurenen Phönix im zartrosa Morgennebel durchflogen wird" passen in kein einziges Schema.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

rosenow

Wirklich sehr interessant hier, ist einiges zum schmunzeln dabei.

Kakeru+Tsuru=Shōkaku

Den Namen "fliegender Kranich" finde ich sehr passend gewählt für einen Flugzeugträger.
Er soll langlebig sein, Glück bringen. Er gilt als Symbol für Vorsicht und schlaflose  Wachsamkeit.
Erhaben, wie die Einheit Schiff und Flugzeug selber, schreitet er mit großen Schritten, der spitze Schnabel immer bereit gnadenlos zu zuschlagen und doch empfindlich und verwundbar.

Im Pazifikkrieg gehörte sie der Kidō Butai
(der größten seegestützten Eingreifflotte zu Beginn des Zweiten Weltkriegs im Pazifik)
an und nahm am Angriff auf Pearl Harbor teil.

(Kern dieser Flotte waren die damaligen sieben Flugzeugträger mit ihren 474 Kampfflugzeugen)
Im April 1942 war die Shōkaku an der Attacke im Indischen Ozean und
an der Schlacht im Korallenmeer unter Konteradmiral Hara beteiligt.
Bei letzterer wurde sie von drei von Flugzeugen der USS Yorktown abgeworfenen Torpedos schwer getroffen und
musste zwecks Reparatur zurück nach Japan.
Durch die Torpedotreffer wurden 108 Besatzungsmitglieder getötet.
Ihre Flugzeuge waren hier an der Versenkung der USS Lexington beteiligt.
Wegen der notwendigen Reparaturen nahm die Shōkaku an der Schlacht um Midway nicht teil.

Im August 1942 war die Shōkaku in der Schlacht um die Ost-Salomonen eingesetzt und beschädigte im Kampf den amerikanischen Träger USS Enterprise.
Ebenfalls mit dem Schwesterträger Zuikaku nahm der Flugzeugträger an der Schlacht um die Santa-Cruz-Inseln im Oktober 1942 teil.
Dort gelang es der Trägerkampfgruppe, die USS Hornet zu versenken.
Im Gegenzug wurde die Shōkaku wiederum schwer beschädigt,
konnte jedoch entkommen.


mit freundlichen Gruß
Michael


,,Macht`s gut und denkt daran!
Es gibt drei Sorten von Menschen:
Die Lebenden.
Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

t-geronimo

Zitat von: rosenow am 14 April 2011, 11:34:58
...Bei letzterer wurde sie von drei von Flugzeugen der USS Yorktown abgeworfenen Torpedos schwer getroffen...

Wenn man Wiki-falsches abschreibt/kopiert (man könnte auch sagen "den Guttenberg machen"...  :-D), sollte man es auch so kennzeichnen.
Denn es waren immer noch drei Bomben. ;)


Ich habe es dort jetzt mal berichtigt - keine Ahnung ob das angenommen wird und wer das genehmigen muß.  :roll:
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Ritchie

Die 108 Toten stimmen auch nicht ganz, insgesamt verlor sie 160 Mann, 108 Schiffsbesatzung und 52 Fliegergeschwader. Die Zuikaku verlor weitere 38 Mann, jedoch ausschließlich fliegendes Personal. Eine nicht verifizierte Internetquelle nennt auch 223 als Gesamtverlust der Kampfgruppe, da können aber durchaus landgestützte Aufklärer oder Bordflugzeuge der Kreuzer mitgezählt worden sein.

Grüße

Ritchie

rosenow

Danke Thorsten!
So viel zu Wiki, es kann aber auch an den Übersetzungsautomaten liegen, denn englisch kann ich noch nicht, deshalb auch der Link, für die, die englisch können.
In diesen Übersetzungen wird oft Torpedo und Bombe oder anderes geschrieben, ist schon ein Graus.
"fliegender Kranich"
mit freundlichen Gruß
Michael


,,Macht`s gut und denkt daran!
Es gibt drei Sorten von Menschen:
Die Lebenden.
Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

Albertus

Moin Forum!

Habe gerade dieses nette Thema entdeckt, es passt ganz wunderbar zu meiner momentanen Verwunderung  ...  :wink:
Denn ich blättere just in einem Seefahrtsbuch wo ein Proband 1922 auf Fischkuttern mit recht berühmten Namen fuhr, nämlich:
Scharnhorst
Blücher
Roland und
Fritz Reuter

Bei allen Schiffen ist der Heimathafen Geestemünde angegeben.

Man kann nur mutmaßen ob nun im zur seefahrende Fischersmann oder aber im Eigner ein echter ,,preußischer Geist" ruhte !?
Derartige Namen bei Fischkuttern überraschen mich doch etwas, weil ich bisher mehr oder weniger davon ausging, dass diese Art von Schiffe vorwiegend Namen von Familienangehörigen trugen.
Über Benennungen wie ,,Klein Erna, Tante Frieda oder Onkel Kuddel" wäre ich wohl nicht gestolpert ...  :-D

Moin, moin
Jane

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