Schiff 5 "Hansa" - Stimmen wirklich alle "Fakten" aus dem Netz?

Begonnen von AbsoluterNeuling, 20 Januar 2011, 22:03:05

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AbsoluterNeuling

Hallo zusammen,

ich habe mich aufgrund der Erzählungen meines Großvaters, der auf der "Hansa" gedinet hat, mal näher mit diesem Schiff beschäftigt, beziehungsweise die Daten aus dem Internet mit den Erzählungen meines Großvaters verglichen.

Hierbei sind mir jedoch einige Diskrepanzen aufgefallen, welche ich hier mal auflisten möchte.

Mein Großvater trat 1942 in die Marine ein und diente als gelernter Schiffsbauer auf der "Hansa" bereits während ihres Umbaus in Rotterdam.

Hier nun die Unterschiede der Erinnerungen meines Großvaters zu den allgemein zugänglichen Quellen im Internet:

1.
Laut Aussage meines Großvaters, der durchgehend bis zur Übergabe an die Engländer 1945 auf dem Schiff diente, wurde dieses, entgegen vieler (aber nicht aller) Quellen, niemals, weder in Rotterdam, noch in Hamburg, durch Bombenangriffe beschädigt. Die Werft in Hamburg ja, aber das Schiff selbst nicht.

2.
In einigen Quellen findet man im Internet die Angabe "am 04.05.1945 durch Minentreffer beschädigt". Hierzu sagte mein Großvater: "Nein, das stimmt nicht. Das hätte ich ja wohl mitbekommen." Insofern gehe ich davon aus, dass diese Angabe im Netz schlichtweg falsch sein muss.

Ergänzende Punkte, welche in keiner der von mir gefundenen Quellen Erwähnung findet, sind folgende:

1.
Die Besatzung der "Hansa" in Rotterdam setzte sich zu großen Teilen aus Seeleuten zusammen, welche bereits auf einem vor Japan versenkten Hilfskreuzer gedient hatte.

2.
Es gab einen Schnellbootschacht auf der "Hansa", welcher jedoch niemals mit einem Schnellboot ausgestattet wurde. Auf meine Frage, ob sich mein Großvater da wirklich sicher sei, sagte dieser: "Natürlich, ich stand ja drin." Im Netz ist hiervon allerdings an keiner Stelle etwas erwähnt.

3.
Das Schiff wurde 1945 vor Fehmarn zwar an die Engländer übergeben, anschließend jedoch von Teilen der deutschen Stammbesatzung (so auch meinem Großvater) in den Hafen von Edinburgh gebracht. Von dort wurden sie mit einem englischen Schiff zurück nach Deutschland gebracht, wo sie in Schleswig-Holstein in Kriegsgefangenschaft genommen wurden. Insofern ging die Mannschaft wohl doch nicht, wie im Netz an einigen Stellen nachzulesen, geschlossen von Bord.

Da ich keinen Grund habe, an den Zeitzeugenberichten meines Großvaters zu zweifeln, stellt sich mir nun die Frage, aus welchen Quellen die diversen Internetseiten ihre Erkenntnisse ziehen. Wie kommt es zu solch teilweise gravierenden Unterschieden (z.B. angeblicher Minentreffer)? Ich gewinne an machen Stellen den Eindruck, dass die Autoren der einschlägigen Seiten ihre Erkenntnisse voneinander abschreiben und zusätzlich miteinander vermischen, ohne den tatsächlichen Inhalt zu überprüfen.

Es ist zwar nicht unbedingt nett, die Mühe und Arbeit anderer in Frage zu stellen, aber ich denke, dass man einige der sogenannten "Fakten"  hinterfragen sollte, bevor diejenigen, die dabei waren, endgültig nichts mehr berichten können.

Für einen Einstigspost war das jetzt ziemlich viel.

Trotzdem würde ich mich über Antworten freuen.

A-Neuling


Urs Heßling

hi,

Zitat von: AbsoluterNeuling am 20 Januar 2011, 22:03:05
1. Die Besatzung der "Hansa" in Rotterdam setzte sich zu großen Teilen aus Seeleuten zusammen, welche bereits auf einem vor Japan versenkten Hilfskreuzer gedient hatte.

ich möchte nur einmal diesen Punkt herausgreifen. Es kann sich hier, wenn man "vor Japan versenkt" wörtlich nimmt, nur um Schiff 28 "Michel" handeln. Das Schiff wurde am 17. Oktober 1943 versenkt. Wie soll "der große Teil der Besatzung" denn nach Deutschland zurückgekommen sein (Der letzte durchgekommene Blockadebrecher "Osorno" top war schon unterwegs (2.10.43 Auslaufen Kobe)) ?

Wenn man den Punkt etwas weiter auslegt, käme auch Schiff 10 "Thor" in Frage, das im November 1942 durch Explosion verlorenging. Dann wäre eine "Mitfahrt" auf den in Frankreich angekommenen (!) Blockadebrechern "Pietro Orseolo" und "Osorno" denkbar. Aber diese Schiffe waren vollbeladen, hatten ihre Stammbesatzung und darüber hinaus keinen Platz für "große Teile einer Hilfskreuzerbesatzung" (wir reden hier von > 200 Mann)

Wie Du selbst siehst ... Vorsicht ... aber laß Dich nicht entmutigen !

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

AND1

An Absoluter Neuling steht ja auch so drin bis auf "Minentreffer" Hilfskreuzer Zusammenfassung

Das Schiff war für eine englische Reederei in Kopenhagen im Bau (Ex Glengarry), als es die deutsche Kriegsmarine 1940 beschlagnahmte. Einsatz für die HAPAG als "Meersburg".           
Am 25. 7. 1943 beim schweren Luftangriff in Hamburg, wurde die Werft so schwer beschädigt, das der Umbau endete, obwohl Schiff 5 unbeschädigt blieb, da ein Durchbruch in den Wintermonaten nach Fertigstellung nicht mehr möglich war.
Wiederaufnahme der Arbeiten im November 1943.
Am 12.02.44 erfolgte die Indienststellung der "Hansa" als Kadettenschulschiff. Unter ziviler Besatzung wurde es als Zielschiff für die 27. U-Bootflottille in der Ostsee verwendet und als Ausbildungsschiff und Zielschiff Hansa  für Offiziersanwärter verwendet. 
19.9. - 23.9.1944: Einsatz bei der Räumung Revals. Abtransport von 3.500 Soldaten, Verwundeten und Zivilisten 24.12.1944: Östlich Bornholm Torpedierung durch sowjetisches U - Boot. Torpedo-Laufbahnen ausmanövriert. 21.3.1945: Angriff englischer Tiefflieger auf Kopenhagen. Zwei Abschüsse.                                                        4.5. - 9.5.1945: Einsatz bei der Räumung Helas nahm das Schiff 12.000 (!!!) Soldaten und Zivilisten an Bord und brachte diese sicher westwärts.
Am 20.05.1945 ging die Besatzung endgültig von Bord und marschierte 3 Tag lang ins Internierungslager auf Fehmarn. Am 4. Mai wurde die Hansa durch einen Minentreffer beschädigt. Die "Hansa" wurde nach England überführt und fuhr dort unter verschiedenen Namen bis Februar 1971. Dann erfolgte die Abwrackung.

Was als Minentreffer deklariert wurde, hatte für das Schiff keine Auswirkung konnte Fahrt fortsetzen ohne späterer Reparatur. Kann auch Torpedonahtreffer oder andere Unterwasserexplosion gewesen sein gewesen sein ?

Zeitzeugen sind natürlich gute Quellen.

t-geronimo

Immerhin ist der Minentreffer auch im Gröner, "Die deutschen Kriegsschiffe 1815-1945", Band 3, erwähnt.

Nicht unfehlbar, aber allgemein sehr, sehr gut recherchiert.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

AND1

Hallo Urs
Die Doggerbank hatte auf ihrer letzten Fahrt 109 Mann Stammbesatzung plus 266 Mann Verletzte aus der Thor und Nanking ... das Ende ist ja bekannt.
Von Michel überlebten 116 Mann.
Vielleicht meint er auch andere HSK-Besatzungen ?

AWoelfer

Zitat von: AND1 am 20 Januar 2011, 22:44:08
19.9. - 23.9.1944: Einsatz bei der Räumung Revals. Abtransport von 3.500 Soldaten, Verwundeten und Zivilisten

Ist so nicht ganz richtig.

Hier mal ein Auszug aus dem KTB von Hansa

Grüße

Andreas
Nicht länger als sieben Atemzüge soll es dauern,
bis man eine Entscheidung getroffen hat.
(Hagakure)

Tsunetomo Yamamoto

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