Was sind denn UGRA?

Begonnen von Harry64, 07 Januar 2011, 19:41:56

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Harry64

Ich such wie verrückt aber nirgendwo find ich dazu etwas weder im Netz, Büchern oder sonstwo.

ALSO:

In dem Buch von Krauß, O.: Rüstung und Rüstungserprobung in der deutschen Marinegeschichte - Die Torpedoversuchsanstalt , prima Buch wie ich finde...steht bei der Entwicklungsgeschichte der deutschen Torpedos (ist eine Abb.) ganz unten im Jahre 1942 UGRA (Kleintorpedo mit Strahlantrieb).

Ich hatte da eigentlich an UGRA...Unterwassergranaten mehr so in Richtung Unterwasserrakete (Nebelwerfer) tendiert.

Hat jemand vielleicht nähere Informationen um was genau es sich da jetzt handelt.

Grüße

Harry


Schorsch

Hallo Harry,

bei E. Rössler werden einige Daten für den UGRA-Kleintorpedo angegeben: 251,5 mm Durchmesser, 1980 mm Länge, 75 kg Masse, 190 PS Leistung und 1000 m Laufstrecke bei 30 kn (zu finden im Abschnitt zu den Ingolin-Torpedos). Die Entwicklung wurde zu Gunsten von Unterwasserraketen mit Feststoffantrieb aufgegeben, da diese höhere Geschwindigkeiten erreichten.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Peter K.

Ja, UGRA steht tatsächlich für Unterwassergranate!
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Harry64

Danke Euch Beiden.

Hat man dann an den Unterwasserraketen mit Feststoffantrieb noch weiter experimentiert bzw. entwickelt, oder wurde dies dann aufgegeben?
Da gab es ja auch Versuche mit Abschüssen von Nebelwerfergranaten vom getauchten U-Boot aus, aber ich denke, das war dann wieder was anderes, oder?

Grüße

Harry

Schorsch

#4
Hallo Harry,

die Nebelwerfergranaten sind die eine Sache (z.B. gab es bei den Schwarzmeerbooten U 9, U 19 und U 24 entsprechende Abschussgestelle), die andere ist die Zerstörerabwehrausrüstung, die unter dem Decknamen URSEL als Heckbewaffnung für die Boote des Typs XXI entwickelt und erprobt wurde, aber nicht mehr zum Einbau kam.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

olpe

Hallo,
ein Bekannter, der sich intensiv mit der Erforschung (und Betauchung!) der ehemaligen Torpedoversuchsanstalt der KM in Neubrandenburg amTollensesee befaßt, schrieb mir nachfolgende Informationen zur "UGRA", hier sinngemäß wiedergegeben:

- wie bereits oben erwähnt: UGRA=Unterwassergranate
- es handelt sich um einen Kleinsttorpedo mit Strahlantrieb
- Leistung 190 PS; Länge: 1980mm; Durchmesser: 251,5mm, Gewicht: 75 kg (nach anderen Angabe 750 kg), Laufstrecke: ca. 1000m; Geschwindigkeit: 30kn
- (wahrscheinlicher) Entwurf der KM für die ca. 20t großen U-Boote "SCHWERTWAL"
- aufgrund des geringen Gewichts auch für den Salveneinsatz seitens der Luftwaffen interessant
- Die Entwicklung der Unterwassergranate steht in engem Zusammenhang mit der "Chemisch-physikalischen Versuchsanstalt der KM" in Kiel bzw. mit der Versuchsstation am Toplitzsee
- praktische Erprobungen mit diesem oder ähnlichen Projektilen mit U-Boot vor Peenemünde
- mögliche Weiterentwicklung: Projekt "URSEL"
- in der Literatur existiert ein Hinweis nebst Bild, dass ein 'Raketenabschussgestell' in einer Ausstellung im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien gezeigt worden ist  ...


Soweit die Info's.
Grüsse
OLPE

Schorsch

Hallo olpe,

ein paar Angaben aus Deinem Post sind mir zumindest zweifelhaft.

a) Masse der UGRA von möglicherweise 750 kg
Ein zylindrischer Körper von 251,5 mm Durchmesser und 1980 mm Länge hat ein Volumen von 98,4 l. Nimmt man für dieses Volumen eine Masse von 750 kg an, erhält man eine Dichte von 7,62 g/cbm, d.h. ein solcher Zylinder (bzw. die UGRA) müsste aus massivem Stahl gefertigt werden, um bei der angegebenen Verdrängung die 750 kg Masse zu erreichen. Der Untertrieb betrüge in diesem Falle ca. 660%. Dass dieser Untertrieb mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 kn beherrscht werden kann, ist imho unmöglich.

b) UGRA als Bewaffnung der SCHWERTWALE
Nach der Übersicht, die Krauß präsentiert, ist als Entwicklungsdatum etwa 1938 zu vermuten. Die Kleinst-U-Boote mit dem Decknamen SCHWERTWAL wurden aber erst ab 1943/44 entwickelt, so dass mir von den Zeiträumen her eine geplante Bewaffnung der SCHWERTWALE mit der UGRA unwahrscheinlich vorkommt. Weiter ist z.B. in E. Rösslers: ,,Geschichte des deutschen Ubootbaus, Band 2" ist auf Seite 478 eine Prinzipskizze eines SCHWERTWAL mit zwei Torpedos zu finden, die etwa eine Länge von 7 m und einen Durchmesser von 50 cm aufweisen. Ähnliche Skizzen zeigt W. Trojca in ,,Ubootwaffe, Marine- und Kleinkampfverbände 1939 – 1945", wobei natürlich nicht geklärt ist, ob dieses Buch eine von Rössler unabhängige Quelle darstellt.

c) Erprobungen vor Peenemünde
Hier könnte sich die Bemerkung auf die Versuche des Starts von Werfergranaten von einem getauchten U-Boot beziehen. Als Startplattform diente dafür vom 31.05. bis zum 05.06.1942 U 511. Allerdings hatten diese Werfergranaten einen Feststoffantrieb, während die UGRA lt. Rössler mit Walter-Strahlantrieb ausgerüstet war.

Dann bin ich noch gespannt wie ein Flitzebogen, ob nach der Erwähnung des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien Meldungen der Forenmitglieder vor Ort über die dortigen Gegebenheiten bezüglich des avisierten Abschussgestells kommen.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Peter K.

ZitatDann bin ich noch gespannt wie ein Flitzebogen, ob nach der Erwähnung des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien Meldungen der Forenmitglieder vor Ort über die dortigen Gegebenheiten bezüglich des avisierten Abschussgestells kommen.

... kam mir bei allen meinen dortigen Besuchen nicht unter, was aber nichts bedeuten muss!
Vielleicht kann HAROLD seinen Ex-Schüler diesbezüglich reaktivieren, der uns beim damaligen Treff durch den Marinesaal führte ...
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Peter K.

ZitatHat man dann an den Unterwasserraketen mit Feststoffantrieb noch weiter experimentiert bzw. entwickelt, oder wurde dies dann aufgegeben?
Da gab es ja auch Versuche mit Abschüssen von Nebelwerfergranaten vom getauchten U-Boot aus, aber ich denke, das war dann wieder was anderes, oder?

Zitatdie Nebelwerfergranaten sind die eine Sache (z.B. gab es bei den Schwarzmeerbooten U 9, U 19 und U 24 entsprechende Abschussgestelle)

Diesbezüglich ist vielleicht noch interessant, dass im sogenannten Unterlüss-Bericht vom 05.08.1948 folgende nicht eingeführten Geräte erwähnt werden:


Raketen für Unterwasserstart RUW 10 und RUW 20
vorgesehen für Verwendung bei Marine
verantwortlich für die Konstruktion war A Wa
Die Raketen-Sporenggranaten sollten durch getauchte Uboote zur Beschiessung von Landzielen abgefeuert werden.
Durchmesser RUW 10: 35 cm, RUW 20: 42cm
Schussweite RUW 10: 10 km, RUW 20: 20 km
Gewicht RUW 10: 320 kg, RUW 20: 350 kg
Sprengladung: 50 kg
Startgerät außenbords, drallstabilisiert
Start aus 25 m Wassertiefe
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

olpe

Zitat von: Schorsch am 09 Januar 2011, 08:44:30
ein paar Angaben aus Deinem Post sind mir zumindest zweifelhaft.
a) Masse der UGRA von möglicherweise 750 kg
05.06.1942 U 511. Allerdings hatten diese Werfergranaten einen Feststoffantrieb, während die UGRA lt. Rössler mit Walter-Strahlantrieb ausgerüstet war.
Hallo @Schorsch,
ja, die Größenordnung 750 kg (auch im Verhältnis zu den danebenstehenden 75 kg) fiel mir natürlich auch auf, gerade im Hinblick auf die Abmaße der UGRA. Der Vollständigkeit halber habe ich sie im post aber trotzdem erwähnt ... zum Abrunden des Gesamtdatenbildes über die UGRA für die interessierten Spezis ...  :-)

Zitat von: Schorsch am 09 Januar 2011, 08:44:30
Dann bin ich noch gespannt wie ein Flitzebogen, ob nach der Erwähnung des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien Meldungen der Forenmitglieder vor Ort über die dortigen Gegebenheiten bezüglich des avisierten Abschussgestells kommen.
... hierzu eine PM an Dich und @Peter K.
Grüsse
OLPE

Harry64

Danke, das werden immer mehr Informationen  :-) Das Abschussgestell in Wien hätt ich auch gern gesehen!!!!

Hierzu eine Frage:

Hat jemand zufällig diese kleine Broschüre:

Joachim H. Rudek
"Peenemünde 1942 bis 1945.
Die Projekte Ursel und Schwimmweste und deren Folgen"

erschienen bei - Schiffahrtsgeschichtliche Gesellschaft OSTSEE e.V.
als Nordlicht extra Ausgabe.

Scheint so als gäbe es die SGO nicht mehr? Die alte Internetseite funktioniert zumindest micht.


Dann hatte ich hier noch eine Seite gefunden, auch mit Angaben zu anderen Unterwasserraketen - aber in wie weit Fiktion  :/DK:

http://www.nexusboard.net/sitemap/6365/test-u-boot-mit-nebelwerfer-t296683/

Harry

olpe

Zitat von: Harry64 am 09 Januar 2011, 20:29:48
Scheint so als gäbe es die SGO nicht mehr? Die alte Internetseite funktioniert zumindest micht.
Hallo @Harry64,
in der Tat, die SGO hat sich nach dem plötzlichen Ableben des Vorsitzenden Joachim Stahl am 31.12.2009 leider aufgelöst, der gesamte Bestand ging an das Technische Landesmuseum Mecklenburg-Vorpommern nach Wismar.
Siehe auch hier ...

Zitat von: Harry64 am 09 Januar 2011, 20:29:48
Dann hatte ich hier noch eine Seite gefunden, auch mit Angaben zu anderen Unterwasserraketen - aber in wie weit Fiktion  :/DK:
Unten noch einige Bilder zu einem besonderen Exemplar der raketengetriebenen Unterwasserwaffen der KM. Diese Technologie ist aber tatsächlich dann auch durch die UdSSR - wie im link im post von @Harry oben erwähnt - weiterentwickelt worden (faktisch bis zur Torpedorakete VA-111 "SHKVAL"). Das hier abgebildete Exemplar wurde bei der Besichtigung als "MONDFISCH" tituliert, die Spezis der KM mögen dieses verifizieren ...
(Quelle: Olaf Pestow [OLPE], 2003, Besichtigung beim Munitionsbergungsdienst M-V, Aussenstelle Mellenthin, Insel Usedom)
Grüsse
OLPE

genkideskan

Die Versuche mit dem Unterwasser Abschuss wurden an mehreren Orten durchgeführt. Das Gestell in Wien ist aus dem Toplitzsee geborgen worden. Dazu auch Granaten und diverse verschiedene Düsenplatten. Die bekannten Düsenplatten waren ja für den Abschuss in Atmosphäre optimiert. Unterwasser erfordert das ganz andere Herangehensweisen. Entwicklungen wurden faktisch mit Raketen Tauchgranaten weitergeführt. Allerdings waren die Rauchzylinder und Motoren recht aufwendig gefertigt. Viel spanabhebende Arbeit an hochwertigem Material ,Feingewinde und präzise Bohrungen. Das war nicht mehr im Sinne der 1944 Kriegswirtschaft. Hier wurde gestanzt und genietet, gegossen und gepresst. Gewinde waren ein No Go. Nach den Funden wurden ganz andere Formen und Fertigungsverfahren am Toplitzsee erprobt.







.

Schorsch

Hallo zusammen,

an dieser Stelle ein Zitat aus E. Rösslers neuem Büchlein über die Walterschen U-Schnellboote (Wir berichteten. --/>/> Link :-D). Dort heißt es auf den Seiten 117/118: "Der SCHWERTWAL sollte unter Wasser schnell und beweglich - ähnlich wie ein Jagdflugzeug in der Luft - operieren können....Für den Angriff auf kleinere Ziele, insbesondere U-Jagdfahrzeuge, war von der Firma Walter ein kleiner Raketentorpedo mit der Bezeichnung UGRA (Unterwassergerät mit Raketenantrieb) entwickelt worden, der auch vom SCHWERTWAL eingesetzt werden sollte."

Allerdings ist in den präsentierten Skizzen immer noch nicht zu erkennen, wie die UGRAs am SCHWERTWAL untergebracht werden sollten, wenn gleichzeitig noch ein oder zwei K-Butt-Torpedos mitgeführt worden wären. Eventuell handelt es sich aber auch nur um Überlegungen, die aus den ersten Projektstudien herrührten.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

olpe

Hallo,
ich erhielt diesen link von einem Bekannten ... passt ganz gut zum thread ... auch wenn er schon älter ist ...  :-)
Supercavitation
Hier sind auch deutsche Forschungen vor '45 angerissen ...
Grüsse
OLPE

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