Frage: Nassau-Klasse =/= Hochseeflotte?

Begonnen von Hurvinek, 14 April 2010, 19:21:00

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Hurvinek

Ahoi!

Weiss jemand, warum die Grosslinienschiffe der Nassau-Klasse (und einige andere) in Scapa Flow nicht dabei waren? Sie wurden ja erst später, als Ersatz für die dort selbstversenkten Schiffe, ausgeliefert.

Aber warum? Gehörten diese nicht zur Hochseeflotte?

Und warum durfte Deutschland die Linienschiffe "Schlesien" und "Schleswig-Holstein" - zugegeben, auch um 1920 herum nicht mehr wirklich High-Tec-Schiffe - behalten? Alliierte Grosszügigkeit?

Danke schon mal im Voraus.

Mit Gruss,
Hurvinek
"Der SOPO fährt, also Fender raus! - Alle!"

unwissend!

Zitat von: Hurvinek am 14 April 2010, 19:21:00
Und warum durfte Deutschland die Linienschiffe "Schlesien" und "Schleswig-Holstein" - zugegeben, auch um 1920 herum nicht mehr wirklich High-Tec-Schiffe - behalten? Alliierte Grosszügigkeit?

Danke schon mal im Voraus.

Mit Gruss,
Hurvinek
Zur Nassau Klasse kann ich leider keine Aussage machen, ist aber eine interessante Frage und ich hoffe das die WK1 Experten hier im Forum diese beantworten können.

Die beiden Linienschiffe der Deutschland Klasse durfte Deutschland behalten weil sie technisch vollkommen veraltet waren, und damit ungefährlich. Die Schiffe galten bereits zur Indienststellung(vor dem WK1) als veraltet da England zu der gleichen Zeit die HMS Dreadnought Indienst stellte. Dieses Schiff läutete, bekanntlich, eine neue Ära im Kriegsschiffbau ein und wertete die "Vor-Dreadnoughts" deutlich vom Kampfwert ab.

cu Björn

Trimmer

Hurvinek - eigentlich hast Du Dir Deine Frage selbst beantwortet. Die Schiffe der Naussau u. der Helgoland Klasse standen ursprünglich nicht mit auf der Auslieferungsliste. Ebendsowenig wie "Schlesien" und " Schleswig-Holstein ". Erst mit der Selbstversenkung erfolgte die Nachforderung. Für die "Schlesien " und der "Schleswig - Holstein "gab es keine Forderung - siehe Baujahr/zu alt - zu uninteressant.

Gruß - Trimmer-Achim 
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

Hurvinek

#3
Ja, Achim, darüber, dass die "Schlesien" und die "Schleswig-Holstein" alt und daher uninteressant waren, sind wir uns offensichtlich einig.

Aber galt das auch für die "Nassau"-Klasse? Immerhin waren das auch Post-Dreadnaught-Schiffe, um 1910 i.D. und mit zwölf 28ern in Zwillingstürmen enorm kampfstark. Daher bleibt die Frage offen: Warum mussten die nicht mit nach Scapa Flow?

Und wenn es doch am Alter lag, gibt es Quellen, die das belegen?

Oder - anders herum gefragt - mit welchem Dokument wurden die Schiffe, die am 21.11.1918 ihre letzte Fahrt antraten, von den Briten angefordert?
"Der SOPO fährt, also Fender raus! - Alle!"

MS

Moinsen Hurvinek,

am 11. November 1918  wurde der Waffenstillstand von Compiègne geschlossen.
Dieser sah die Internierung aller modernen Kriegsschiffe des Deutschen Kaiserreiches vor.
Deshalb erfolgte in Scapa Flow die Internierung von 74 deutschen Kriegsschiffen, darunter
11 Linienschiffe, 5 Schlachtkreuzer, 8 Leichte Kreuzer.

Die Schiffe der Nassau Klasse galten aufgrund ihrer Kolbendampfmaschinen zum Ende des Ersten Weltkrieges
als veraltet und gehörten daher nicht zu den gemäß des Waffenstillstandes zu internierenden Einheiten der
Hochseeflotte.


Die Auslieferung dieser Schiffe erfolgte später auf der Grundlage des Diktates von Versailles vom 28. Juni 1919.
Dieses sah für die deutsche Marine 15.000 Mann, sechs Panzerkreuzer, sechs leichte Kreuzer und 12 Torpedoboote vor.


Grüsse
:MG:


Leutnant Werner

Die Nassaus und ihre Nachfahren waren auch uninteressant, so wie die Pre-Dreadnoughts der Braunschweig-Klasse. Die hatten z.B. keine Turbinen und waren um ihre Kolben-Dampfmaschinen "herum" konstruiert worden. Extrem schlechte Artillerie-Aufstellung. Geringer Gefechtswert gegen Super-Dreadnoughts. Die Schiffe wurden zu Kriegsende von den Briten nicht mehr als Bedrohung aufgefasst...

Urs Heßling

Zitat von: MS am 14 April 2010, 21:37:02
Die Auslieferung dieser Schiffe erfolgte später auf der Grundlage des Diktates von Versailles vom 28. Juni 1919.
Dieses sah für die deutsche Marine 15.000 Mann, sechs Panzerkreuzer, sechs leichte Kreuzer und 12 Torpedoboote vor.

6 Linienschiffe von max. 10.000 ts
6 kleine Kreuzer von max. 6.000 ts
12 Zerstörer von max. 800 ts
12 Torpedoboote von max. 200 ts

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Urs Heßling

hallo, Leutnant Werner,

Zitat von: Leutnant Werner am 14 April 2010, 22:02:46
Die Nassaus und ihre Nachfahren waren auch uninteressant, so wie die Pre-Dreadnoughts der Braunschweig-Klasse. Die hatten z.B. keine Turbinen und waren um ihre Kolben-Dampfmaschinen "herum" konstruiert worden. Extrem schlechte Artillerie-Aufstellung. Geringer Gefechtswert gegen Super-Dreadnoughts. Die Schiffe wurden zu Kriegsende von den Briten nicht mehr als Bedrohung aufgefasst...

Die "Nassau-" mit der "Braunschweig-"Klasse mehr oder weniger gleich zu setzen halte ich nun doch für etwas übertrieben. :roll:

und eine bessere Idee als die Hexagonal-Aufstellung für die Anzahl der Rohre ohne überschießende Türme gab´s zur Zeit der Konstruktion meines Wissens nicht. :wink:

Frage zu "Although having no use for this type of ship, Germany built 9 armored cruisers before WW1. " Von wem stammt denn das Zitat ? Auch mit der Aussage hätte ich meine Schwierigkeiten ... :|

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

MS


Thomas

Aus 8 wird 6.

Ursprünglich - so aus der Hand, müßte ich aber aus der Genese des Friedensvertrages heraussuchen - waren die 8 Nassaus/Helgolands nicht von den Waffenstillstandsbedingungen erfaßt. Möglicherweise wären dem Deutschen Reich die 8 älteren Dreadnoughts verblieben. Die ausgelieferte Flotte war zugleich Verteilungsgrundlage für die Reparationen.

Hier ist der Umschwung der Selbstversenkung in Scapa Flow zu verdanken. Danach waren die 8 Schiffe "fällig". ME gibt es sogar Überlegungen bzw. Planungen der Marine aus 1918/Anfang 1919 mit den 8 älteren Nassaus/Helgolands. Müßte ich aber nachlesen.

Betraf übrigens die - natürlich nicht vollziehbare - Auslieferungsforderung nicht auch die "Mackensen" ?

Spee

@Thomas,

auf Seite der Entente ging man davon aus, daß "Mackensen" bereits in Dienst sei.
Deshalb rückte "Baden" für "Mackensen" in den Bestand der auszuliefernden Schiffe. Interessant, daß man gerade das Flottenflaggschiff bis dahin nicht haben wollte. Vergessen oder einfach eine "nette" Geste?
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

bodrog

Hallo

meines Wissens nach wurde "Baden" einfach vergessen. Da müsste man aber auch den englischen Kenntnißstand der deutschen Seerüstung berücksichtigen - eine Spionagemanie gabs in allen kriegsführenden Ländern.
Die Nichtforderung der Nassaus würde ich in deren veralteten Entwurf sehen, ebenso bei den Helgolands, obwohl die erheblich kampfstärker waren. Man darf nicht vergessen, dass 10 britische BBs bereits mit dem 15" Geschütz ausgerüstet waren.
Vielleicht kommt auch noch der Umstand hinzu, dass die Rote Flotte (obwohl das bolschewist. Russland sich im Bürgerkrieg befand) noch die vier starken Ganguts in der Ostsee besaß und man Dtl. ein gewisses Gegengewicht gönnen wollte?

MfG

Ulli

Leipzig

Man muss m. E. klar differenzieren zwischen dem Waffenstillstand und dem Friedensvertrag. Im November 1918 ging es der Entente erst einmal (nur) darum, eine Fortsetzung des Kampfes durch Deutschland zu verhindern, sich also gleichsam gegen einen Bruch des Waffenstillstandes zu sichern. Deshalb sollten die modernen Schiffe ohne Munion usw. interniert werden, sodass sie nicht mehr gegen die Entente eingesetzt werden konnten. Dafür reichte die Internierung der Schlachtkreuzer und der moderneren Linienschiffe aus. Noch mehr Schiffe zu internieren, hätte ja auch logistisch weiteren Aufwand bedeutet. Was Deutschland dann noch verblieb (eben außer den Vordreadnoughts die 8 Schiffe des I. Geschwaders), war für die Grand Fleet keine Gefahr mehr. Übrigens hatte schon Scheer 1918 erwogen, Schiffe der "Nassau"-Klasse außer Dienst zu stellen, um Personal für die U-Boote freizumachen, so wie man vorher ja schon mit dem II. Geschwader verfahren war. Auch auf deutscher Seite sah man die "Nassaus" also nicht mehr als erstrangig an und verzichtete z. B. ja auch auf eine Reparatur der "Rheinland".

Im November 1918 stand noch keineswegs fest, was auf Dauer aus den internierten, aber ja noch immer deutschen Schiffen werden sollte, und auch nicht, was mit den anderen, in der Heimat verbliebenen geschehen sollte. Darüber gab es bis zum Friedensvertrag (wie immer man ihn bewerten will, der Sache nach war er zweifellos ein Diktat) auch zwischen den Alliierten noch Verhandlungen, wobei Großbritannien einerseits die deutsche Seemacht als Konkurrenz praktisch zerstören, andererseits aber auch verhindern wollte, dass moderne deutsche Schiffe als Beute an andere Siegermächte fielen und deren Flotten verstärkten. Insofern war die Versenkung des Internierungsverbandes für die Briten letzlich sehr hilfreich, und die später ausgelieferten Schiffe der "Nassau"- und "Ostfriesland"-Klasse durften von den Empfängern auch nur noch verschrottet werden. Schließlich wollte und musste Großbritannien auch abrüsten, allein aus Kostengründen. Deshalb wurde Deutschland letzlich nur noch eine Flottenstärke zugebilligt, die auch für eine deutlich verkleinerte englische Flotte keine Gefahr darstellen konnte.

MfG
Leipzig


Hurvinek

Danke sehr für die zahlreichen Antworten.

Ich denke, Leipzig hat die vorhergegangen Beiträge gut zusammengefasst und ergänzt. So wird es wohl gewesen sein, es ergibt jedenfalls einen Sinn. Und ich bin wieder ein kleines bisschen schlauer..... :wink:

Besten Dank noch mal und Gruss,
Hurvinek
"Der SOPO fährt, also Fender raus! - Alle!"

Trimmer

Hurvinek - Ich empfehle Dir mal das Buch von A.Krause " Scapa Flow " ist nicht teuer und erklärt die ganze Geschichte sehr gut.

Gruß - Trimmer - Achim

Leipzig - bitte immer darauf achten : Helgoland - Klasse  nicht Ostfriesland  :-D
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

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