Admiral Marschall nach Juno- enthebung seiner Funktion?

Begonnen von Maurice Laarman, 29 März 2010, 21:18:10

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Maurice Laarman

In verschiedene Bücher und sites wird erwähnt das Admiral Marschall, als Flottenchef eingesetzt beim Unternehmen JUNO, beim zurückkehr aus seiner Funktion erheben wurde. Grund dafür war das nicht befolgen das Befehl Harstadt anzugreifen. Es scheint mir ein bisschen fremd. Die Flotte hat viel Erfolg gehabt, beim Harstadt gab es keine Schiffe, wie er wusste aus ein LW Funkspruch.

Kann Jemand der Geschichte bestätigen?

Dank im voraus,

Maurice

t-geronimo

Kurz gesagt: ja. ;)

Ausführlich hat das ingura mal im Schlachtschiff-Forum zusammengefaßt:

--/>/> http://forum.schlachtschiff.com/topic.asp?TOPIC_ID=864
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Maurice Laarman

Danke Thorsten, so etwas habe ich gesucht! Schade das man das nicht findet mit google. Ich habe das abgedruckt und werde es heuteabend noch lesen.

Gruss,

Maurice

Kriegsmarine Admiral

Zitat von: t-geronimo am 29 März 2010, 22:14:26
Kurz gesagt: ja. ;)

Ausführlich hat das ingura mal im Schlachtschiff-Forum zusammengefaßt:

--/>/> http://forum.schlachtschiff.com/topic.asp?TOPIC_ID=864
Hello Thorsten,
this link doesn't work anymore.
Can you share a link that works or where else could I find this info about Marschall?
Danke

t-geronimo

No, not at the moment.
I have to search on my hard disks but that may take up to several days.
Maybe in the meantime someone else is faster.  :-)
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Urs Heßling

moin,

Zitat von: Maurice Laarman am 29 März 2010, 21:18:10
Grund dafür war das nicht befolgen das Befehl Harstadt anzugreifen.
Das war wohl nur der "offizielle" Grund.
Ich meine mich zu erinnern, gelesen zu haben, daß Raeder auf Marschall wütend war, weil ihm durch die Torpedotreffer auf Scharnhorst (8.6.) und Gneisenau (20.6.) seine geplante "ozeanische Strategie" unmöglich gemacht wurde.
Er soll (!) geschrieben oder gesagt haben, Marschall "fehle die Seelenstärke des großen Führers"
Quelle : Cajus Bekker, Verdammte See

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Matrose71

Quatsch mit Soße,

Marschall hat das gemacht was jeder eigenständige und starke Kommandeur vor Ort macht, der die bessere Übersicht hat, nämlich Eigeninitiative zeigen und im richtigen Moment vom Operationsplan abweichen und einen Sieg nach Hause bringen.
Was daraus wird, wenn man Leute ohne Eigeninitiative einsetzt, die Stur am Operationsplan festhalten, auch wenn dieser in den ersten Tagen der Operation für den Feind offen liegt, hat man ja bei Lütjens gesehen.

Außerdem befindet sich Marschall dort in bester Gesellschaft, mit Guderian, Höppner, Rommel, Graf Sponeck etc, weder Hitler noch Raeder mochten starke Kommandeure mit Eigeninitiative, dass hat man ja schon bei Raeder und Admiral Boehm gesehen.
Viele Grüße

Carsten

Urs Heßling

moin, Carsten

Ich hatte schon darauf gewartet, daß von Dir etwas zu Marschall kommen würde :wink: und gebe Dir Recht.

Zitat von: Matrose71 am 20 Juni 2018, 16:54:05
Quatsch mit Soße
Na, ich hoffe, da meinst Du Raeder's Äußerungen und nicht meinen Beitrag :O/Y

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Matrose71

Moin Urs,

natürlich war das auf Raeders Aussage bezogen!
Viele Grüße

Carsten

Kriegsmarine Admiral

Guys,
are there any books in english you recommend about High Admirals such as Boehm and Marschall?
The books don't have to be biographies, but any book that explains the role of High Admirals in the war.
For now I have Raeder's Mein Leben and his biography by Keith Bird. I also have Doenitz's memoirs.
I know also about two books in german: one about Hermann Boehm and the other about Otto von Schrader.
But since my german is very poor I wouldn't be able to read those.
Danke!
Karlo

Kriegsmarine Admiral

I should also mention that I own the 4 volumes of Hildebrand & Henriot's "Deutschlands Admirale 1849-1945" but these books don't offer much information about the Admirals. They only list their posts during their careers.
There is surprisingly small amount of books in english about German WW2 Admirals, with the exception of Raeder, Doenitz and perhaps Lutjens.

t-geronimo

Ich der Beitrag von 2004 (!!) von ingura, sein Einverständnis stillschweigend vorausgesetzt.


Betreffend Operation JUNO

... Der Begriff ,,Auftrag" ist heute für den militärischen Bereich in Dienstvorschriften eindeutig definiert. Im Gegensatz zum Kommandobefehl, der dem Untergebenen keinen Ermessensspielraum läßt, soll der Auftragsbefehl dem Empfänger Handlungsfreiheit in der Durchführung und der Wahl der anzuwendenden Mittel gewähren. Dem Auftrag nah verwandt ist die Weisung oder Direktive.
Für jeden Auftrag gilt, daß er ein Ziel beinhalten und eindeutig das Wollen des Auftraggebers zum Ausdruck bringen muß. Dazu ist es erforderlich, daß der Führende sich selbst völlig darüber im klaren ist, was er beabsichtigt. Nur wenn das Ziel dem Auftrag unmißverständlich zu entnehmen ist, kann das Wollen des vorgesetzten Befehlshabers zur richtigen Entschlußfassung beim Unterstellten und letzten Endes zum Erfolg führen.
Werden ohne Bestimmung zeitlicher oder qualitativer Priorität mehrere Ziele für ein Unternehmen genannt oder mehrere Aufträge erteilt, ist ihre Erfüllung in Frage gestellt, die gewünschte Wirkung nicht mit Sicherheit zu erzielen. Diese bei der Auftragserteilung zu berücksichtigenden Grundsätze waren der Kriegsmarine seit der Herausgabe der M.DV.10 im Jahre 1929 zumindest in der Theorie bekannt. Zu Aufträgen an Unterstellte führt diese Vorschrift weiter aus: ,,Die Selbständigkeit der Unterführer soll nach Möglichkeit gewahrt bleiben; sie tragen die Verantwortung für die richtige Durchführung ihrer Aufgaben. Dazu muß ihnen Spielraum gelassen werden, damit sie nach eigenen Überlegungen und nach der am Feinde vorgefundenen Lage handeln können."
Die Kriegsmarine kannte also dieselben Begriffe, benutzte sie jedoch mit wechselnden Begriffsinhalten. So erhielt der Flottenchef für das Unternehmen ,,Juno" Weisungen, Direktiven, Aufträge, Aufgaben und Befehle in schriftlicher und mündlicher Form. Sie besaßen, wenn auch mit unterschiedlicher Handlungsfreiheit, alle Auftragscharakter und sollen im folgenden durch den Begriff ,,Auftrag" erfaßt sein.

Zum Verständnis des Geschehens beim Unternehmen ,,Juno" ist es erforderlich, die Führungsorganisation der Kriegsmarine 1940 und zum Teil auch ihr Entstehen im Umriß darzustellen. An der Spitze der Kriegsmarine stand ihr Oberbefehlshaber, Großadmiral Raeder. Er leitete in Personalunion als Chef der Seekriegsleitung gleichzeitig den höchsten operativen und seestrategischen Führungsstab. Unter ihm oblagen dem Chef des Stabes der Seekriegsleitung, Admiral Schniewind, die Aufgaben: ,,Ausarbeitung und Ansatz der Operationen zur See".
Direkt der Seekriegsleitung unterstellt waren nur die Handelsstörer, Blockadebrecher und Versorgungsschiffe außerhalb der Bereiche der Marinegruppenbefehlshaber, die zu dieser Zeit alle übrigen Seestreitkräfte führten.
Das Marinegruppenkommando Ost unter Gen.Adm. Albrecht war im November 1938 aufgestellt worden. Seit Oktober 1939 war Gen.Adm. Carls Oberbefehlshaber. Das Marinegruppenkommando West, kurz: Gruppe West (Gen.Adm. Saalwächter), wurde im August 1939 aufgestellt. Die Oberbefehlshaber und ihre Stäbe hatten, bedingt durch den plötzlichen Kriegsausbruch, nur wenige Erfahrungen sammeln können. Bis dahin war der Flottenchef dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine/Chef der Seekriegsleitung direkt unterstellt gewesen. Er besaß neben den Kommandierenden Admiralen der Marinestationen die wichtigste und höchste Stellung der Marine, und der erste Kriegsflottenchef, Admiral Boehm, verstand diese auch weiterhin so: Operativer Führer in See, der weitgehenden Befugnisse hinsichtlich der Durchführung von Unternehmen innerhalb der Weisungen der Seekriegsleitung besaß. Der Einschub der Marinegruppenkommandos zwischen Seekriegsleitung und Flottenchef mußte letzteren in seiner Bedeutung abwerten. In dieser Stellung trug er den Namen ,,Seebefehlshaber West" oder ,,Seebefehlshaber Ost". Als Flottenchef blieb er jedoch weiterhin in jeder Beziehung dem ObdM/Chef Skl direkt unterstellt. So hatte er zwei Vorgesetzte.
Die Marinegruppenkommandos waren in der richtigen Erkenntnis gegründet worden, daß einem Befehlshaber an Land zusätzlich Informationen – zum Beispiel Aufklärungsmeldungen von Flugzeugen und vom B-Dienst (Funkaufklärung) – zur Verfügung standen und er diese ohne Rücksichtnahme auf Funkstille weitergeben konnte. Die Funktechnik jener Zeit erlaubte die Informationsweitergabe über den gesamten Erdball, barg aber auch die Möglichkeit oder Gefahr in sich, in einzelne Unternehmungen auf weite Entfernung direkt befehlend einzugreifen und die Handlungsfreiheit des Seebefehlshabers einzuschränken.
Berücksichtigt man alle für Entschlüsse notwendige Faktoren – unter anderen aktuelle Feindlage am Ort, eigene Versorgungslage, Einsatzbereitschaft, Wetter am Ort, Zeitverzug im Fernmeldedienst -, dann besaß der in See befindliche Befehlshaber dennoch eindeutige Informationsvorteile. Er war seinerseits bestrebt, keine Sprüche abzusetzen, solange er noch hoffen konnte, vom Feind unentdeckt zu sein. Folglich fehlten dem Befehlshaber an Land oftmals die Voraussetzungen für die Beurteilung der Lage in See.
Abgesehen davon, daß die Kriegsmarine mit Seekriegsleitung und Gruppenkommando zwei operative Stäbe bei einem Unternehmen besaß, konnte die Organisation solange ihre Aufgaben zufriedenstellend erfüllen, wie die Flotte und ihre Befehlshaber allein auf die taktische Führung beschränkt wurden. Diese Form der Kompetenzzuteilung hatte sich bei der Besetzung Norwegens bewährt, wo genaue ,,Fahrpläne" eingehalten werden mußten. Räumlich und zeitlich weitreichende Operationen der Großkampfschiffe erforderten jedoch auch ein größeres Maß an operativer Freiheit für den Seebefehlshaber. Am 21. September 1939 verfügte die Seekriegsleitung daher:
,,Operationen der Seestreitkräfte erfolgen aufgrund von Weisungen der Gruppenbefehlshaber. Diese Weisungen sollen sich auf allgemeine Aufgabenstellung beschränken, Anlage und Durchführung der Operationen obliegen den Seebefehlshabern. Diese führen zu ihren operativen Absichten und Plänen die Zustimmung der Gruppenbefehlshaber herbei."
Welche Folgen sich für die Zusammenarbeit zwischen Gruppenkommando und Flottenkommando aus der Organisation ergaben, kennzeichnet eine Verfügung, die Großadmiral Raeder in seinen Anmerkungen zum Wechsel des Flottenchefs, Admiral Boehm, am 17. Oktober 1939 erwähnt, ,,nach der der Seebefehlshaber beim Gruppenbefehlshaber Bedenken betr. Ausbildungsstand und materiellen Zustand seiner Seestreitkräfte jederzeit geltend machen und eigene Vorschläge für Operationen einreichen könne."
An dem hier zu erörternden Unternehmen ,,Juno" waren außer der Seekriegsleitung, der Gruppe West und dem Flottenchef noch der Kommandierende Admiral Norwegens beteiligt. Ihm oblag die Küstenverteidigung, insesondere der Sicherungs- und Nachrichtendienst, aber auch die Verbindungsaufnahme zu den Dienststellen des Heeres und der Luftwaffe in Norwegen, der Gruppe XXI und dem X. Fliegerkorps. Die Führungsorganisation war aber nicht streng geregelt. Eine direkte Kontaktaufnahme der Seekriegsleitung oder des Marinegruppenkommandos zu den Einheiten des Heeres und der Luftwaffe war möglich.

....

Nach der Eroberung Süd- und Mittelnorwegens ergab sich Mitte Mai 1940 für die deutschen schweren Einheiten eine neue Lage. Die Seekriegsleitung trug ihr mit einer Lagebeurteilung zum ,,Einsatz der Schlachtschiffe und Kreuzer" vom 18. Mai 1940 Rechnung.
Das Ziel des Unternehmens ,,Weserübung", die Gewinnung Narviks, war nicht erreicht, vielmehr zunehmend bedroht. Die Alliierten unterhielten einen regen Nachschubverkehr für den Kampf um Narvik. Ihre Geleitwege verliefen in einem solchen Abstand von der norwegischen Küste, daß sie von der deutschen Luftaufklärung nicht erfaßt werden konnten. Die Erkenntnisse der Funkaufklärung ließen auf einen Abstand von etwa 150 sm schließen. Die englische Blockade zwischen den Shetlands und der norwegischen Küste war auf die Linie Hebriden – Faröer – Island – Grönland zurückgezogen worden (Northern Patrol). Leichte alliierte Seestreitkräfte, vor allem Zerstörer, griffen den deutschen Geleitverkehr nach Südnorwegen an. Aus den Erkenntnissen der Feindlage resultierten neue Aufgaben für die Schlachtschiffe und den Kreuzer ,,Hipper": Durch unregelmäßiges, aber häufiges Auftreten dem Gegner den Einsatz seiner leichten Streitkräfte zu verleiden und die eigenen Seeverbindungen zu entlasten und ,,...gegen die Position des Gegners im Raum West-Fjord – Harstad" vorzugehen. Der Angriff im ,,Rücken des Feindes" sollte nicht nur der um Narvik kämpfenden Truppe des Generals Dietl, zu der auch ehemalige Zerstörerbesatzungen gehörten, Entlastung bringen. Auch die Northern Patrol und der Geleitweg nach Narvik wurden als ,,Operationsziele" bezeichnet. Diese sollten in häufigen, lebhaften und vielseitigen Einsätzen ständig gewechselt werden, um den Feind laufend vor neue Lagen zu stellen. Eine Voraussetzung für das Anpacken der Aufgaben war die volle Verwendungsfähigkeit Trondheims als Ausgangsstützpunkt der Schlachtschiffe und Kreuzer. Von diesem strategisch günstig gelegenen Fjordhafen aus konnten Unternehmen ausgehen, für die die Seekriegsleitung folgende Forderung hervorhob: ,,Es kommt weniger darauf an, auf ein bestimmtes, vorher durch B-Dienst oder Luftaufklärung gemeldetes Einzelobjekt zu operieren, als vielmehr mit Blickrichtung auf eines der genannten Operationsziele so häufig zur Stelle zu sein, daß unmittelbare oder mittelbare Erfolge sich schon auf Grund dieser Häufigkeit einstellen."
Die Seekriegsleitung erwartete, daß ihre Auffassung allen Verbandsführern und Schiffskommandanten vermittelt und der Einsatz der schweren Einheiten in diesem Sinne eingeleitet würde. Admiral Marschall bestätigte nachträglich in einem Schreiben an den Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, daß dieses in dem befohlenen Kreis geschah und ,,... nicht nur befehlsmäßig, sondern auch aus eigenem Verstehen und Begreifen heraus eine einheitliche Auffassung bestand".
Eine weitere Direktive ergab sich aus einem Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht an das Oberkommando der Kriegsmarine, für einen reibungslosen Nachschub auf dem Seewege für die ,,Gruppe Feurstein" Sorge zu tragen. Teile der 2. und 3. Gebirgsjägerdivision unter Generalleutnant Feurstein waren seit dem 5. Mai vom Gebiet Trondheim auf dem Vormarsch nach Narvik zur Entlastung der Gruppe Dietl. Ihr Nachschub wurden von englischen und norwegischen Seestreitkräften behindert, und zur Abwehr dieser Angriffe reichten die leichten deutschen Seestreitkräfte nicht aus.
Der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine erließ daher am 25. Mai 1940 die Weisung ,,Operationsziel Nordnorwegen" an das Gruppenkommando West und den Seebefehlshaber West. Darin unterstrich er ausdrücklich die Notwendigkeit, der Gruppe Dietl in Narvik eine wirksame und unmittelbare Entlastung zu bringen. Die schweren Einheiten sollten gegen die feindlichen Seeverbindungen nach Nordnorwegen und im Westfjord vorgehen unter engstem Zusammenwirken mit den Kräften des Fliegerführers Trondheim. Ein Vorstoß bis vor Narvik zur Beschießung feindlicher Stellungen und Ausladestellen an Land erschien ihm je nach Lage möglich. Auch vor Harstad sah die Seekriegsleitung Angriffsziele. Nebenoperationen des Kreuzers ,,Hipper" und der Zerstörer im Gebiet Bodö zur Unterstützung der Gruppe Feurstein wurden angeregt und ihre unverzügliche Vorbereitung befohlen. Die Gruppe XXI wurde gleichzeitig gebeten, baldmöglichst Unterlagen über Angriffsziele, möglichst auf Karten eingezeichnet, an die Seekriegsleitung zu geben, soweit ein Zugriff von See her möglich erschien. Aus diesem Schreiben an die Gruppe XXI, welches nachrichtlich zwar an die Gruppe West, nicht jedoch an das Flottenkommando ging, wird ersichtilich, daß die ,,Operationsziele" in erster Linie die vor Narvik, im West-Fjord und seinen Nebenfjorden sowie die vor Harstad und im Raum Bodö liegenden feindlichen Seestreitkräfte und Transporteinheiten sein sollten. Je nach angetroffener beziehungsweise erkannter Feindlage sollte sich das engere ,,Operationsziel" richten. Ziele an Land sollten als Ausweichziele dienen.
Zwei Tage später, am 27. Mai 1940, hob die Skl in einer erneuten Weisung zur ,,Operation Nordnorwegen" die oben erwähnten Nebenoperationen stärker hervor. Die bisherige Weisung wurde dahingehend erweitert, daß ein längeres Verbleiben im Operationsgebiet Nordnorwegen vorzusehen war. Dabei durfte auf keinen Fall auf den stoßartigen Angriff gegen die Feindstreitkräfte im Raum Narvik-Harstad-Bodö verzichtet werden. Diese Erweiterung war auf den Befehl Hitlers und des OKW zurückzuführen, daß die Kriegsmarine alle Möglichkeiten ausnutzen sollte, die Versorgung der Gruppe Feurstein zu sichern, für deren Landmarsch nach Narvik noch drei Wochen veranschlagt wurden. Dieser Anlaß für einen längeren Verbleib der Flotte in Nordnorwegen kam der Seekriegsleitung gewiß sehr gelegen, blieb ihr doch dadurch die Möglichkeit, die schweren Einheiten laufend gegen die britischen Nachschubwege und die Blockadeaufstellung im Seeraum Island-Faröer anzusetzen. Daraus folgerte jedoch eine noch größere Abhängigkeit vom Stützpunkt Trondheim, dessen Ausbau keinesfalls den Forderungen des Flottenchefs entsprach.
Trotz unterschiedlicher und vielfältiger Aufgabenstellung in den einzelnen Weisungen blieb das Hauptziel der Flottenoperationen die Entlastung der Gruppe Narvik. Die Seekriegsleitung stellte dem Gruppenkommando West und dem Seebefehlshaber frei, je nach Lage Angriffsobjekte im Seegebiet Nordnorwegen oder im engeren Fjordgebiet auszuwählen, wenn ihre Bekämpfung im Sinne des Hauptzieles lag. Daß gute Luftaufklärung und enge Zusammenarbeit mit den Fliegerverbänden, insbesondere bei Operationen in inneren Fjordgebieten dringend notwendig waren, wurde betont und auch dementsprechend Forderungen gestellt. Das Nebenziel, Unterstützung der Gruppe Feurstein, in der letzten Weisung zwar genannt, blieb nur Anlaß für ein weiteres Verbleiben im Seegebiet.

Die genannten Weisungen für die ,,Operation Nordnorwegen" wären für den Flottenchef, der die oben aufgeführten operativen Befugnisse besaß, ausreichend gewesen. Die Weisungen waren aber, gemäß Führungsorganisation, sowohl an den Flottenchef als auch an die Gruppe West gegeben worden, und das Gruppenkommando sah nunmehr seine Aufgabe darin – von der Seekriegsleitung auch nicht anders erwartet -, seinerseits operativ zu planen und einen Operationsbefehl an den Flottenchef zu geben. In diesem Befehl legte die Gruppe West sich und den Flottenchef auf EINE bestimmte Art der Durchführung fest. Der Auftrag lautete wörtlich:
,,Erste und Hauptaufgabe des Seebefehlshabers West ist überraschendes Eindringen in den And-Vags-Fjord und Vernichtung der dort angetroffenen feindlichen Kriegs- und Transportschiffe und der eingerichteten Stützpunkte. Nach den vorliegenden Nachrichten liegen die Hauptziele in der Regel in diesem Raum.
Ergibt sich aus den Aufklärungsmeldungen, daß ein Vorstoß in den Ofot-Fjord, gegebenenfalls bis unmittelbar vor Narvik, erfolgversprechender erscheint, so ist dieser als Hauptaufgabe durchzuführen.
Weitere Aufgabe ist die Sicherung des Nachschubs für das Heer von Trondheim nach Saltdal-Bodö-Mo. Inangriffnahme dieser Aufgabe gleichzeitig mit der Hauptaufgabe oder erst nach deren Durchführung. Hierzu Ausnutzung des Stützpunktes Trondheim."

Mit diesem Auftrag seines operativen Vorgesetzten wurde der Flottenchef als Seebefehlshaber in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt und das Operationsgebiet der Flotte unter die Küste verlegt. Diese Einengung lag jedoch nicht im Sinne der Seekriegsleitung, obgleich sie sie als EINE Möglichkeit angeregt hatte. Darüber hinaus mußte der Seekriegsleitung bereits zu diesem Zeitpunkt deutlich werden, daß zwischen ihr und dem Gruppenkommando West Unterschiede in der Auffassung und der Bewertung der Operationsziele und –objekte bestanden. Gleichberechtigte Operationsobjekte waren gemäß Operationsbefehl Gruppe West auch die feindlichen Fahrzeuge und die Stützpunktanlage im Inneren der Fjorde. Die Inangriffnahme der Nebenaufgabe (Nachschubsicherung) wurde dem Flottenchef freigestellt, gleichzeitiges Anpacken ausdrücklich genehmigt, was einer Aufwertung zur zweiten Hauptaufgabe gleichkam.
Die Durchführung des Unternehmens – gemäß Operationsbefehl der Gruppe West – erforderte unabdingbar engste Zusammenarbeit mit Aufklärungs- und Angriffskräften der Luftwaffe. Voraussetzung für ein überraschendes Eindringen in einen der Fjorde waren genaue und aktuelle Nachrichten über das Seegebiet und den Feind. Dafür traf das Gruppenkommando Vorbereitungen mit der Luftwaffe. Die Gebiete um Narvik und die Inselgruppen der Orkneys und Shetlands sowie ein 150 sm breiter Streifen parallel zur norwegischen Küste sollten laufend, jedoch abhängig von der Wetterlage, aufgeklärt werden. Außerdem war die Bereitstellung von Kampfflugzeugen zur Unterstützung der Flottenstreitkräfte eingeleitet worden. Eine Vereinbarung über Zusammenarbeit Flotte-Fliegerführer Trondheim kam jedoch nicht zustande.
Völlig unzureichend waren im Operationsbefehl des Gruppenkommandos die Nachrichten über die Sicherung des von den Engländern als Stützpunkt benutzten Harstad. Die Seekriegsleitung hatte diese bereits am 25. Mai bei der Gruppe XXI des Heeres angefordert. Sollte die ,,Operation Nordnorwegen" beziehungsweise ,,Juno" – wie sie durch das auslösende Stichwort nun heißen sollte – nach Plan laufen, dann mußten dem Flottenchef rechtzeitig Aufklärungsergebnisse des Heeres mitgeteilt werden; denn es gab keinen Alternativplan und keinerlei Befehle, wie der Flottenchef zu handeln hätte, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt waren.
Admiral Marschall blieb nichts anderes übrig, als den Operationsbefehl zu aktzeptieren und auf die versprochenen Nachrichten zu warten. Er tat dies nach eigenen Angaben völlig kommentarlos. In seinem ,,Operationsbefehl Nr. 7" an die beteiligten Flottenstreitkräfte drückte er die enge Bindung an Harstad bzw. Narvik aus: ,,Ich beabsichtige gem. Weisung der Seekriegsleitung bzw. der Gruppe West mit ,,Gneisenau", ,,Scharnhorst", ,,Hipper" und 4 Zerstörern zur Entlastung der Heeresgruppe Narvik überraschend in den Andfjord einzudringen und dort angetroffene Feindstreitkräfte, Transporter und eingerichtete Feindstützpunkte anzugreifen. Je nach Entwicklung der Feindlage kommt auch ein Angriff gegen Feindstreitkräfte bzw. Transporter im Ofotfjord in Frage.
Anschließend beabsichtige ich unter Ausnutzung des Stützpunktes Trondheim mit den verfügbaren Seestreitkräften den Nachschubweg für das Heer im Raume Trondheim-Mo-Bodö-Saltdal zu sichern, um die Durchführung eines aus dem Raume Saltdal-Bodö mit einer ausgesuchten Hochgebirgstruppe beabsichtigten Entlastungsvorstoß in den Raum Narvik zu ermöglichen".
Diese Absichtserklärung des Flottenchefs kommentierte der Chef des Stabes der Seekriegsleitung mit der Anmerkung: ,,So eindeutig lautete die Weisung der Seekriegsleitung nicht!" Es war daher zu erwarten, daß man bei der mündlichen Einweisung des Flottenchefs auf diesen Punkt noch zu sprechen kommen würde.

Am 31. Mai 1940 meldete sich Admiral Marschall zur Besprechung über die ,,Operation Nordnorwegen" bei der Seekriegsleitung. Bei dieser Gelegenheit wurde ihm folgende Auffassung der Seekriegsleitung eröffnet: ,,Aufgrund der allgemeinen Weisungen und Befehle der Skl und der Gruppe West laufen die Operationen an unter Berücksichtigung der sich durch die Landlage ergebenden Forderungen. Diese Forderungen, die mit dem Fortgang der Operation der Gruppe Feurstein auf dem Wege von Trondheim nach Bodö und darüber hinaus zusammenhängen und von dem jeweiligen Stand der Operationen im Narvikraum abhängig sind, werden vom Admiral Norwegen dem Flottenchef übermittelt werden. Es ist Sache des Flottenchefs, aufgrund der Darstellung der Landlage sowie aufgrund der Erkenntnisse, die er durch die Nachrichtenübermittlung der Gruppe West von der sich aus der Luft- und Funkaufklärung ergebenden Seekriegslage im Raume Narvik-Harstad-Trondheim gewinnt, seine Entschlüsse zu fassen. Im Vordergrund steht die in der Weisung der Seekriegsleitung niedergelegte Absicht, durch unmittelbare wirkungsvolle Bekämpfung der gegen unsere Grupppe Narvik eingesetzten englischen Seestreitkräfte und Transporter, in zweiter Linie auch der Landstreikräfte, eine fühlbare Entlastung für die Gruppe Narvik herbeizuführen. Weiterhin soll die ständige Bedrohung unserer Landverbindung durch englische Streitkräfte durch wiederholtes Auftreten an verschiedenen Punkten der langgestreckten Küste ausgeschaltet werden.
Diese Aufgaben lassen sich nicht bis in Einzelne von der Gruppe West steuern, sie können nur im Einvernehmen mit dem Admiral Norwegen vom Flottenchef unmittelbar gelöst werden."

Mit dieser Einweisung gab die Seekriegsleitung dem Flottenchef unmißverständlich wieder die uneingeschränkte Handlungsfreiheit für Aktionen im Sinne des Hauptzieles, der Entlastung der Gruppe Narvik. Es war die Freiheit, die er bereits VOR Ausgabe des Operationsbefehls der Gruppe West besaß, der aber seinerseits schon seinen eigenen Operationsbefehl beeinflußt hatte. Wie der Befehl der Gruppe West bewertet wurde, in welchem Umfange er überhaupt noch bindend war, wurde schriftlich nicht niedergelegt. Er muß aber von der Seekriegsleitung nur als EIN Weg angesehen worden sein, das Operationsziel zu erreichen. Der Flottenchef sollte seine Entschlüsse aus der Landlage und der sich aus der Aufklärung ergebenden Feindlage frei fassen.
Wie die Nebenaufgabe – Entlastung der Gruppe Feurstein – bei dieser Besprechung bewertet wurde, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Während im Kriegstagebuch der Seekriegsleitung – wie zitiert – diese Aufgabe nicht eindeutig als Nebenaufgabe bezeichnet wurde, wenn ihr Anpacken nur dem Hauptziel diente, sah der Flottenchef beide Aufgaben als völlig gleichwertig an. Er begründete seine Auffassung später beim Versuch der Klärung der Ereignisse beim Unternehmen ,,Juno" wie folgt:
Bereits vor der Besprechung bei der Seekriegsleitung habe diese in einem Telefongespräch mit dem Chef des Stabes des Flottenkommandos den Zusatzbefehl des Führers besonders betont. Bei der Einweisung habe er den Oberbefehlshaber der Kriegsmarine gezielt gefragt, ob der Zusatzbefehl des Führers gleichberechtigt neben dem Operationsbefehl der Gruppe West und den jetzt gegebenen Weisungen stünde oder ob er nachgeordnet sei. Raeder habe sofort und klar geantwortet: ,,Er ist gleichgeordnet. Es kommt alles darauf an, Dietl zu helfen."
Im Grunde jedoch waren die genannten Ziele und Aufgaben für Großadmiral Raeder nur Anlaß für Schlachtschiffoperationen überhaupt: Er glaubte, dem Flottenchef mit seiner großzügigeren Auffassung die Möglichkeit gegeben zu haben, ,,alles zu tun". Raeder kam es auf die sichtbaren Erfolge an, die er bereits in den Weisungen des vergangenen Winters gefordert hatte. Admiral Marschall zitierte den Oberbefehlshaber der Kriegsmarine später sinngemäß wie folgt: ,,Es macht nichts aus, wenn ein Schlachtschiff dabei verloren geht. Es ist notwendig, daß die Schlachtschiffe zum Kampf kommen, auch wenn sie dabei vernichtet werden... Kommt es aber nicht zum Kampf, wird gesagt, daß Schlachtschiffe nutzlos und überflüssig sind.
Im übrigen bestünde die Möglichkeit, neue Schiffe zu bauen. Diese Auffassung des Großadmirals bestätigt indirekt die Behauptung des Flottenchefs, für die es keinen weiteren Beleg gibt, Raeder habe den Operationsbefehl dahingehend gelockert, daß auch lohnende Seeziele um Harstad herum, etwa vom Westfjord bis Tromsö, angegriffen werden könntne.
Das Gruppenkommando West war bei diesem Gespräch nicht vertreten. Es konnte auch nicht festgestellt werden, ob die Seekriegsleitung die mündlichen Weisungen an den Flottenchef der Gruppe mitgeteilt hat. Der Verlauf des Unternehmens ,,Juno" scheint dieses Versäumnis zu bestätigen.

Am 3. Juni 1940 löste das Marinegruppenkommando West mit dem Stichwort ,,Juno 087" das Unternehmen für den nächsten Morgen aus. Ausgestattet mit weitgehenden Vollmachten des Chefs der Seekriegsleitung, operativ aber geführt vom Gruppenbefehlshaber, der meinte, das Unternehmen ,,fahrplanmäßig" ablaufen lassen zu können, verließ Admiral Marschall mit der Flotte den Kieler Hafen. Er hatte sich auf dem Schlachtschiff ,,Gneisenau" eingeschifft. Zum Verband gehörten außerdem das Schlachtschiff ,,Scharnhorst", der schwere Kreuzer ,,Admiral Hipper" mit dem Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte, Konteradmiral Schmundt, die Zerstörer ,,Hermann Schoemann", ,,Erich Steinbrinck", ,,Karl Galster" und ,,Hans Lody" mit dem Führer der Zerstörer, Kapitän zur See Bey. Die Torpedoboote ,,Jaguar" und ,,Falke", Führerboot ,,Hai" mit dem Führer der Minensuchboote, Konteradmiral Stohwasser, Sperrbrecher 4 und Jagdflugzeuge sicherten den Verband in den Küstengewässern gegen Minen, Flugzeuge und Unterseeboote. Auf ,,Gneisenau" war mit dem Flottenchef eine Funkbeobachtergruppe (B-Dienstgruppe) eingestiegen, deren Aufgabe es sein sollte, in See unverzüglich Nachrichten über den feindlichen Funkdienst zu geben und diesen im Bedarfsfalle auch zu täuschen oder zu stören. Bereits einige Tage vorher waren die Troßschiffe ,,Nordmark" und ,,Dithmarschen" auf Trefflinien ins Nordmeer, weitere Hilfsschiffe, insbesondere mit Munition, nach Trondheim beordert worden. Die vor dem Auslaufen der Flotte beabsichtigte Einweisung aller Befehlshaber und Kommandanten der Flotte fiel aus, da die angeforderten Erkundungsergebnisse über das Einsatzgebiet noch nicht eingetroffen waren.
Dort im Norden auf 68° nördlicher Breite hatte sich die Lage der Gruppe Narvik weiter verschlechtert. Die deutschen Truppen waren durch die langanhaltende ungünstige Witterung – Schneestürme und Regenschauer – und das Ausbleiben von Verstärkung und Nachschub stark geschwächt. Der Feind griff mit überlegenen Kräften an und fühlte sich, abgesehen von Luftangriffen, in seiner Position sicher.
Dem Flottenchef bot sich bei Auslaufen etwa folgende Feindlage: Im Nordnorwegenbereich vermutete die Funkaufklärung die beiden älteren britischen Schlachtschiffe ,,Resolution" und ,,Valiant", die Flugzeugträger ,,Ark Royal" und ,,Glorious", den Chef des 1. Kreuzer-Geschwaders mit ca. vier Kreuzern, den Chef des 20. Kreuzer-Geschwaders mit wahrscheinlich zwei Kreuzern sowie mehrere Zerstörer und Kanonenboote. Diese Einheiten waren bisher im Geleitschutz zwischen England und Nordnorwegen zur Unterstützung der alliierten Landfront und zu Sicherungsaufgaben im Gebiet zwischen Tromsö und Bodö eingesetzt. Im Scapabereich waren drei Kreuzer, vor der Südwestküste Norwegens mindestens fünf Unterseeboote festgestellt worden. Die für die deutschen Schlachtschiffe gefährlichsten britischen Einheiten, die Schlachtkreuzer ,,Hood", ,,Repulse" und ,,Renown", wurden im Kanal, in der Irischen See beziehungsweise in der Werft vermutet. Der Feind war zwar zahlenmäßig überlegen, bot jedoch der deutschen Flotte eine relativ günstige Lage.
Gut beraten von der Funkaufklärung gelang es dem Flottenchef, außerhalb der feindlichen Luftaufklärung zu bleiben und die feindlichen U-Bootlinien ungesichtet zu passieren. Am 6. Juni abends traf die Flotte südsüdöstlich von Jan Mayen auf den Marinetanker ,,Dithmarschen" und übernahm in 22 Stunden Öl. In See und an Land war man sich in der Beurteilung der Lage einig: der Vormarsch der Flotte ins Nordmeer war vom Feind bisher nicht bemerkt worden. Darüber bestanden einige Stunden Zweifel. Am Abend vor dem Auslaufen der Flotte hatte die Mittagsaufklärung über Scapa zusätzlich zu den dort bekannten Einheiten zwei Schlachtschiffe, einen Flugzeugträger und die beiden Schlachtkreuzer der ,,Renown"-Klasse festgestellt und später durch Bildauswertung bestätigt. Diese Meldung bedeutete eine beträchtliche Verschlechterung der Feindlage. Die unvorhergesehene Anwesenheit so starker Feindkräfte konnte die Unternehmung gefährden. Deshalb forderte das Gruppenkommando dringend Luftangriffe des X. Fliegerkorps auf Scapa zur Entlastung der Flotte, aber die deutschen Flugzeuge waren für eine solche Aufgabe nicht geeignet. Als der deutsche Funkbeobachtungsdienst eine Nachricht auffaßte, nach der die Engländer am 5. Juni mittags zwei unbekannte Schiffe in etwa 65°45' Nord und 0° Länge mit Westkurs und 20 kn Fahrt gesichtet hatten und sofort schwere Einheiten aus Scapa auslaufen ließen, befürchtete die Seekriegsleitung einen Zusammenhang mit der Flottenunternehmung. Sie deutete diese Bewegung später jedoch als Verstärkung der Northern Patrol. Wahrscheinlich hatten die Engländer die ,,Dithmarschen" und einen in der Nähe stehenden Dampfer gesichtet und einen Durchbruch von Handelsstörern in den Atlantik befürchtet. Von einer derartigen Bindung der feindlichen Schlachtkreuzer wußte der Flottenchef noch nichts. Die bisher bei ihm eingegangenen Aufklärungsergebnisse waren dürftig, denn am 6. Juni konnte die Luftaufklärung aus Stavanger nicht starten, die von Trondheim brachte kein Ergebnis. Von diesen Gegebenheiten erfuhrt Admiral Marschall erst über zwölf Stunden später; die Übermittlung der Nachrichten benötigte sehr lange Zeiten. Am 7. Juni starteten beide Fernaufklärungsgruppen. Um 8.30 Uhr fing die Flotte die Feindmeldung eines eigenen Flugzeuges auf, welches um 7.00 Uhr etwa 150 sm ostwärts des eigenen Verbandes einen feindlichen Geleitzug mit vier Dampfern und drei Geleitfahrzeugen auf Südkurs meldete. Der Flottenchef verzichtete auf einen Angriff, weil er diese Fahrzeuge als Leerdampfer von geringem Wert beurteilte. Den Vorteil, daß sein Inseesein vom Feind bisher anscheinend unbemerkt geblieben war, wollte er nicht aufs Spiel setzen, um nicht – eine wesentliche Vorbedingung für einen erfolgreichen Angriff auf Harstad – das Überraschungsmoment zu verlieren. Er wäre möglicherweise zum Verzicht auf das zu diesem Zeitpunkt von ihm als Hauptaufgabe gesehene Vorhaben gezwungen worden. Auch eine Meldung über drei feindliche Vorpostenboote ließ Admiral Marschall nicht von seinen Absichten abbringen. Die Flotte hielt mit Nordostkurs auf Harstad zu, welches in der Nacht vom 8. zum 9. Juni angegriffen werden sollte. Über dieses engere Operationsgebiet gingen die benötigten Informatioen jedoch immer noch nicht ein.
Die von allen operativen Führungsstellen für unbedingt notwendig erachteten Bilderkundungsergebnisse erreichten die Flotte weder vor Auslaufen noch in See. Der Flottenchef gab sich damit zufrieden, daß ihm die Gruppe West mitteilte, eine laufende Kurzunterrichtung über die Heereslage Nordnorwegen solle durch den Admiral Norwegen erfolgen. Er befahl dem Kommandanten des Sperrbrechers 4 bei seiner Entlassung am 4. Juni um 23.00 Uhr bei Einlaufen in Kiel folgendes Fernschreiben an Gruppe West mit Unterschrift ,,Flotte" zu übermitteln: ,,Von Admiral Norwegen bis Auslaufen keine Unterlagen über Feindlage Operationsgebiet, feindl. Küstenbefestigung, Ausladeplätze usw. eingegangen".
Das Gruppenkommando reagierte formal: ,,Auf heutiges Fernschreiben btr. Landlage Annahme, daß ein Skl op 896 Chefsache dort eingegangen. Wegen weiterer Unterrichtung vergleiche FT 0021 vom 5. Juni auf Flottenkurs".
Mit diesem Spruch wies die Gruppe West auf die oben genannte Mitteilung betreffend Kurzunterrichtung über die Heereslage hin. Damit war dem Seebefehlshaber nicht gedient und der Funkspruch insofern unverständlich, als das Gruppenkommando ständig die Wichtigkeit der Luft- und Bildaufklärung des Narvik/Harstad-Gebietes betont hatte.
Die eingeschiffte Funkaufklärungsgruppe konnte dem Flottenchef auch nur magere Informationen über das angesteuerte Operationsgebiet geben. Sie erfaßte zwar etwa 20 verschiedene Funkstellen, aber nur von dreien konnte die ungefähre Position im Operationsgebiet festgestellt werden. Im übrigen glaubte der Flottenchef, die Engländer hätten ihre Funkstellen abgeschaltet, und wertete dieses als Beweis dafür, daß sie sich in ihren nordnorwegischen Stützpunkten sicher fühlten. Trotz dieser unzureichenden Lageübersicht hielt der Flottenchef an seinem Auftrag fest. Nach Beendigung der Ölübernahme befahl er seine Befehlshaber und Kommandanten zu einer Besprechung um 20.30 Uhr auf ,,Gneisenau", um mit ihnen die Einzelheiten des Angriffs auf Harstad durchzusprechen.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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t-geronimo

#12
Teil 2

Die Beurteilung der Lage wurde in einem kurzen Vorgespräch unter vier Augen zwischen dem Flottenchef und dem Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte, Konteradmiral Schmundt, deutlich. Dieser formulierte die Auffassung der Kommandanten: ,,Herr Admiral, ich bitte Sie, mich nicht mißzuverstehen – ich kann nur melden, daß es mir und allen meinen Kommandanten leid tut, daß sie eine so völlig unvorbereitete Aufgabe durchführen müssen."
Admiral Marschall antwortete sehr kurz: ,,Sie können beruhigt sein – ich werde die Schiffe nicht vor Aufgaben stellen, die sinnlos sind" und brach das Gespräch ab. Welche Argumente der Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte (BdA) gegen ein Eindringen nach Harstad vorbringen wollte, ist seinem Kriegstagebuch und dem des Führers der Zerstörer, Kapitän zur See Bey, zu entnehmen:

1. Die Schiffe mußten mindestens 50 sm in Küstensicht bei Mitternachtssonne laufen, bis sie Harstad und die angenommenen britischen Ankerplätze erreichen konnten. Eine Überraschung im And-Fjord wäre hinfällig gewesen.
2. Die Flotte mußte mit feindlichen Minen- und Netzsperren rechnen. Der eigene B-Dienst hatte bereits mehrmals Netzleger und die zum Minenlegen umgebaute ,,Vindictive" im Harstad/Narvik-Gebiet festgestellt. Es gab keine Erkundungsergebnisse über die Lage derartiger Sperren.
3. Der Flotte standen keine Angaben über Küstenbefestigungen, Küstenartilleriestellungen und Torpedobatterien zur Verfügung. (Anm.: Seit dem Untergang der ,,Bücher" im Oslofjord waren erst 8 Wochen vergangen!)
4. Es fehlten genaue Angaben über wertvolle Angriffsziele an Land. Die Bilderkundung durch die Luftwaffe im engsten Operationsgebiet hatte bisher nicht stattgefunden.
5. Da die eigene Luftaufklärung über dem Harstad/Narvik-Gebiet abgerissen war, wußte die Flotte aufgrund der B-Dienstergebnisse nur, mit welchen Feindeinheiten etwa zu rechnen war. Ihre Verteilung und genauen Standorte waren unbekannt.
6. Die Bedrohung durch englische Luftstreitkräfte durfte nicht unterschätzt werden. Neben Verbänden an Land standen zwei Flugzeugträger im Nordnorwegenbereich. Ihre Torpedoflugzeuge hatten im engen Fjordgebiet gegen navigatorisch gebundene Schiffe besonders gute Trefferaussichten.

Mit großer Wahrscheinlichkeit sind diese Argumente während der Kommandantensitzung auch vorgetragen worden. Das gilt auch für die Bedingungen, unter denen alle Beteiligten der dann erfolgversprechenden Angriffsunternehmung freudig zugestimmt hätten:

1. Klärung der Minenlage;
2. Feststellung der vom Feind benutzten minenfreien Wege durch Bilderkundung;
3. Die durch den B-Dienst festgestellten Feindeinheiten mußten durch umfassende, zuverlässige Lufterkundung bestätigt oder ergänzt sein;
4. Bindung der feindlichen Luftstreitkräfte durch gleichzeitigen Einsatz eigener Kampfflugzeuge gegen Flugplätze und Flugzeugträger.

Die Befehlshaber und Kommandanten waren einhellig der Ansicht, daß das Eindringen in den Fjord unter den zur Zeit noch gegebenen Voraussetzungen ein ,,fehlerhaftes Wagnis und somit ohne Aussicht auf Erfolg" war. Trotz dieser Einwände und trotz der vom Oberbefehlshaber der Kriegsmarine zugestandenen weitgehenden Freiheit des Handelns beharrte der Flottenchef auf seinem gefaßten Entschluß, mit allen Kräften die Aufgabe ,,Harstad" anzupacken; und zwar so, wie sie die Gruppe West befohlen hatte. Admiral Marschall erhoffte sich immer noch Aufklärungsnachrichten und die Unterstützung der Luftwaffe zum Zeitpunkt des Einbruchs in den Fjord. Dafür hatte der Flottenstab einen Angriffsbefehl aufgesetzt, der vor allem im Hinblick auf die Verteilung der Angriffsziele eingehend besprochen wurde.
Gegen Ende der Kommandantensitzung gingen jedoch Funksprüche ein, die den Flottenchef vor eine neue Feindlage stellten. Die Luftaufklärung hatte am Morgen nordwestlich von Harstad im freien Seeraum drei Feindgruppen gesichtet. Eine bestand aus zwei großen Dampfern, einem leichten Kreuzer und zwei Zerstörern mit Westkurs, die zweite aus zwei Zerstörern mit Nordkurs und die dritte aus zwei Flugzeugträgern und einem gestoppt liegenden Zerstörer. Außerdem hatte ein Aufklärungsflugzeug gemeldet, daß es mittags im Vags-Fjord von einem Kanonenboot beschossen worden war.
Admiral Marschall schloß aus den Meldungen, daß nunmehr größere Bewegung im Raum vor der nordnorwegischen Küste herrschte, und daß er im Innenfjord wahrscheinlich nicht mehr mit wertvollen Zielen rechnen konnte. Das Inseesein der Flugzeugträger nördlich Andenes hielt er für eine örtlich begrenzte Bewegung zum Starten und Landen der Trägerflugzeuge. Er konnte erst nach vierundzwanzig Stunden diese Position erreichen und versprach sich daher keinen Erfolg von einem Operieren auf diese Streitkräfte.
Damit verblieb nur die Feindgruppe bestehend aus zwei großen Dampfern, einem Kreuzer und zwei Zerstörern als im Augenblick greifbares Angriffsobjekt. Die ungewöhnlich starke Sicherung ließ den Flottenchef auf ein wertvolles Geleit schließen. Er verließ den ,,Fahrplan" des Operationsbefehles der Gruppe West und entschloß sich, diesen Verband anzugreifen. Dieser Entschluß konnte nicht dem Operationsziel – Entlastung der Heereseinheiten in Nordnorwegen – dienen, er versprach aber einen sichtbaren Waffenerfolg und eine wirksame Schädigung des Feindes. Admiral Marschall stand nach eigenen Angaben in einem ernsten Gewissenskonflikt zwischen soldatischem Gehorsam gegenüber dem operativen Befehlshaber und der eigenen Überzeugung, glaubte aber, im Sinne der Seekriegsleitung zu handeln. Er behielt sich jedoch vor, nach Vernichtung des Geleitzuges mit den Schlachtschiffen allein in den Seeraum Narvik vorzustoßen und den Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte mit dem Kreuzer ,,Hipper" und den Zerstörern für die zweite Aufgabe des Operationsbefehles nach Trondheim zu entlassen. Die Gruppe West war mit dem Entschluß des Seebefehlshabers nicht einverstanden und versuchte, diesen umzustimmen. ,,Falls hier unbekannte wichtige Gründe für Angriff Geleitzug nicht vorliegen, an Hauptaufgabe ,Harstad' festzuhalten", lautete der erste Spruch; der zweite, siebzehn Minuten später: ,,... anheimstelle Angriff Geleitzug durch Hipper Zerstörer. Danach Trondheim. Hauptaufgabe Schlachtschiffe bleibt ,Harstad'". Nach weiteren zwei Stunden folgte der nächste deutliche Hinweis: ,,Hauptziel bleibt nach wie vor Vernichtung im Raum Harstad-Narvik befindlicher Seestreitkräfte".
Diesem letzten Spruch war ein Gespräch zwischen dem Gruppenkommando und der Seekriegsleitung vorausgegangen, kennzeichnend für die unterschiedlichen Auffassungen über die Art und Weise der Durchführung des Unternehmens. Während sich an Land die beiden operativen Führungsstellen über den Begriffsinhalt der Ortsbezeichnung ,,Harstad" stritten, überließ man dem Flottenchef dessen Deutung. Dieser hatte seinen Entschluß jedoch bereits gefaßt und war nicht gewillt, ihn nochmals zu ändern. Abgesehen von der Tatsache, daß er mit seinem Entschluß völlig von dem Operationsziel ,,Entlastung der Heerestruppen" abewichen war, bleiben an dieser Stelle noch zwei Fragen offen, deren Beantwortung deutlich macht, daß nicht einmal innerhalb einer Führungsstelle einheitliche Vorstellungen bestanden:
1. Wie wird das genannte Ziel erreicht? Vor Harstad? In den Fjorden um Harstad? Oder im Seegebiet Nordnorwegen?
2. Welche Feindlage erlaubt das Einlaufen in die Fjorde?

In der Stellungnahme zum Kriegstagebuch des Seebefehlshabers vom 14. Juli 1940 sah der Gruppenbefehlshaber in einem UK-Spruch des Flottenchefs seine Ansicht bestätigt, daß der Angriff auf Harstad, das heißt das Eindringen in den Fjord, nicht als alleinige und unbedingte Operation verstanden wurde, sondern von der Feindlage abhängig gemacht werden sollte. Als am 8. Juni die noch unvollständige Luftaufklärung zehn feindliche Zerstörer vor dem Vags-Fjord meldete, schloß die Gruppe den Einbruch bereits aus und hielt eine neue Weisung für erforderlich. Sie verzichtete jedoch darauf, als die Meldung einging, der Flottenchef sei im Gefecht mit einem Flugzeugträger, einem ,,lohnenden Ziel". Im späteren Gespräch mit dem Führer der Zerstörer am 26. Juni 1940 jedoch betonte der Gruppenbefehlshaber, daß die Flotte nur EINE ,,Aufgabe" gehabt habe: Angriff auf Harstad unter vollem Einsatz zur Entlastung der Heerestruppen.
Die Seekriegsleitung wollte unter dem Begriff ,,Raum Harstad" das ,,Seegebiet Nordnorwegen" verstanden wissen und verfolgte unter den gegebenen Voraussetzungen auch keineswegs einhellig das Eindringen in die Fjorde. Die Feindlage beurteilte der Chef des Stabes der Seekriegsleitung lakonisch mit den Worten: ,,Wenn man Gegenwirkung erwartet, ist auch etwas zu holen".
Der Flottenchef konnte sich bei seinem Entschluß der Unterstützung seiner Führer und Kommandanten gewiß sein. So kommentierte der Kommandant des Schlachtschiffes ,,Scharnhorst" die Funksprüche der Gruppe West:
,,Diese Anweisung wird in Anbetracht der ganz unzureichenden Nachrichten und Unterlagen über die Feindlage in Harstad... und der dagegen klar vorliegenden Aufklärungsergebnisse über Kreuzer, Geleitzug usw. als Angriffsobjekte nicht verstanden."

Am frühen Morgen des 8. Juni bildete die Flotte einen breiten Aufklärungsstreifen, unterstützt durch die Bordflugzeuge von ,,Scharnhorst" und ,,Hipper", und lief mit 15 kn Kurs 170°. Um 5.55 Uhr sichtete ,,Hipper" den leeren englischen Tanker ,,Oilpioneer" und den U-Jäger ,,Juniper". Sie wurden von ,,Gneisenau", ,,Hipper" und einem Zerstörer schnell versenkt. Die Briten konnten keinen Funkspruch mehr absetzen. Neunundzwanzig Überlebende wurden gerettet. Als Prise wäre dieser Tanker der Seekriegsleitung sehr willkommen gewesen. Der Flottenchef war sich jedoch darüber im klaren, daß es sich bei diesen Schiffen nicht um den erwarteten Geleitzug handelte und er eine zeitliche Verzögerung und damit die Gefahr eines warnenden Funkspruches unbedingt vermeiden mußte. Für 10.00 Uhr wurde ein neuer Aufklärungsstreifen befohlen, dieses Mal auf nordwestlichem Kurs. Bereits um 9.26 Uhr ging eine Meldung des Bordflugzeuges ,,Hipper" ein, welches einen Geleitzug bestehnd aus einem schweren Kreuzer, zwei Zerstörern und einem Handesschiff mit nördlichem Kurs gesichtet hatte. Um 9.58 Uhr meldete das Bordflugzeug ,,Scharnhorst" ein weiteres Hilfskriegsschiff von etwa 10.000 Tonnen mit südwestlichem Kurs.
Etwa zur gleichen Zeit sichteten die Ausgucks auf den Schlachtschiffen das Lazarettschiff ,,Atlantis" und den bewaffneten Truppentransporter ,,Orama" (19.840 BRT). ,,Hipper" erhielt den Befehl, ,,Orama" zu versenken, das Lazarettschiff blieb unbehelligt, die Schlachtschiffe schwenkten in Richtung auf den gemeldeten Kreuzer, von dem die eingeschiffte Funkaufklärung annahm, daß es sich um die ,,Southhampton" handelte. ,,Orama" sank gegen 12.00 Uhr und konnte dank wirkungsvoller Störung durch die deutsche B-Dienstgruppe keine Notmeldung mehr abgeben. 275 Mann gingen in Gefangenschaft. Die Schlachtschiffe hatten keinen Erfolg bei der Suche nach dem Kreuzer und gingen zurück auf Nordkurs.
Der Flottenchef befand sich jetzt in einer schwierigen Lage. Der erwartete Waffenerfolg war ausgeblieben. Andererseits rechnete er damit, daß den Engländern in absehbarer Zeit die Versenkung von drei Schiffen bekannt werden mußte und ein überraschendes Vorstoßen gegen das Gebiet Harstad-Tromsö immer unwahrscheinlicher wurde. Außerdem befürchtete er, die Zerstörer ein zweites Mal nicht mehr ungestört beölen lassen zu können.
Admiral Marschall entschloß sich, den Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte mit ,,Hipper" und den Zerstörern zur Beölung und anschließenden Verwendung zum Geleitschutz im Raume Trondheim-Saltdal, also zur Wahrnehmung einer der vorgesehenen Aufgaben, nach Trondheim zu entlassen. Die Schlachtschiffe sollten zunächst zum Tanker ,,Dithmarschen" laufen; denn es wurde befürchtet, daß der gemeldete Kreuzer ,,Southhampton" in gefährliche Nähe zu diesem gekommen war. Anschließend wollte der Flottenchef laut Kriegstagebuch gegen das Seegebiet Harstad-Tromsö vorstoßen, in der Hoffnung, eventuell die mehrmals festgestellten Flugzeugträger zu fassen. Der Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte beurteilte die Lage zu diesem Zeitpunkt nach den bisherigen Entschlüssen konsequenter: ,,Nach meiner persönlichen Ansicht kommt nunmehr Harstad nicht mehr in Frage. Ich glaube, daß wir wegen der jetzt benachrichtigten englischen Streitkräfte in nw beschleunigt nach Trondheim gehen müssen."

Erwartungsgemäß gab der Entschluß, den Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte zu entlassen, ebenfalls Anlaß zu heftiger Kritik. Zum Schutz und zur Torpedo-Unterstützung der Schlachtschiffe hielt die Kriegsmarine Zerstörer für unbedingt notwendig. Der Flottenchef entließ sie gegen seine eigene Überzeugung, aber er glaubte, nicht gegen die Vorstellungen der Seekriegsleitung gehandelt zu haben, da diese in ihren Weisungen zum Einsatz der Schlachtschiffe außerhalb des Aktionsradius der Zerstörer ständig betont hatte, man müsse auch ohne Zerstörer auskommen. In diesem Falle erfolgte die Entlassung, weil Admiral Marschall für die Zerstörer eine sinnvolle, ihm befohlene Aufgabe sah. Diese Begründung bezeichnete der Gruppenbefehlshaber in seiner Stellungnahme zum Kriegstagebuch des Seebefehlshabers als nicht verständlich. Die Seekriegsleitung beurteilte diesen Entschluß, ohne die tatsächliche Lage bei der Flotte zum Zeitpunkt der Entscheidung zu berücksichtigen folgendermaßen:
,,Die sofortige Entlassung von ,,Hipper" und der (!) Zerstörer nach dem ersten Zusammentreffen mit kleinen Geleitgruppen entsprach nicht dem Sinne der Aufgabe. Da eine Brennstoffergänzung gerade vorgenommen war, lag nach Ansicht der Skl kein Grund dazu vor, die günstigen Erfolgschancen, die sich nach Luft- und Funkaufklärung im Operationsgebiet boten, nicht noch weiter auszunutzen."

Mit ,,günstigen Erfolgschancen" konnten nur die aus Nordnorwegen nach England zurücklaufenden britischen Räumungsverbände gemeint sein. Aber daß der Feind inzwischen begonnen hatte, sich aus Norwegen endgültig zurückzuziehen, konnte der Flottenchef nicht wissen. Ein erster Verdacht kam der Gruppe West eine Stunde NACH der Entlassung des BdA-Verbandes, Gewißheit erhielt sie erst im Laufe des Nachmittags. Admiral Marschall hätte sich gewiß anders entschlossen, wenn die Nachrichtverbindung zur Gruppe XXI besser gewesen wäre, und er von dieser Entwicklung früher erfahren hätte. Die Folgen der Auftragserteilung, in diesem Fall die der unterschiedlichen Bewertung der Einzelaufgaben, wurden bei der Seekriegsleitung nicht erkannt. Man wurde sich nicht bewußt, wie wenig es gelungen war, die eigene Absicht, das eigene Wollen den unterstellten Führern eindeutig klarzumachen. Jetzt bezeichnete man das Verhalten des Flottenchefs einfach als ,,zu starr".

Nach der Entlassung des BdA-Verbandes liefen die Schlachtschiffe zunächst nördlichen Kurs auf die Position des Tankers ,,Dithmarschen". Auf dem Kurs sichtete ein Ausguck auf ,,Scharnhorst" um 16.45 Uhr auf ca. 25 sm an Steuerbord voraus unter Rauchwolken eine Mastspitze. Sofort machten die Schiffe Dampf auf für Höchstfahrt und drehten auf den Gegner zur, als ein Gefechtsstand erkannt worden war. Um 17.15 Uhr wurde der Gegner als Flugzeugträger ,,Glorious" auf südlichem Kurs identifiziert, ein Abfangkurs gesteuert und um 17.28 Uhr das Feuer eröffnet. Die deutschen Schlachtschiffe erzielten sofort entscheidende Treffer: Die Aufzüge des mit Landflugzeugen aus Harstad überladenen Trägers fielen aus, die Funkanlage wurde in ihrer Leistung stark vermindert. ,,Glorious" versuchte zwar noch, den deutschen Verband zu melden, doch nur der Kreuzer ,,Devonshire" fing einzelne Spruchfetzen auf; denn die B-Dienstgruppe auf ,,Gneisenau" begann sofort vorbereitete dringende englische Sprüche auf der gleichen Frequenz abzusetzen. ,,Devonshire" wagte nicht nachzufragen. Der Kreuzer hatte den norwegischen König Haakon mit der norwegischen Regierung an Bord und wollte kein Risiko eingehen. Er stand zu diesem Zeitpunkt nur wenig mehr als 100 sm von den Schlachtschiffen entfernt. Unverständlich bleibt, warum die beiden Sicherungszerstörer der ,,Glorious", ,,Ardent" und ,,Acasta" keinen Versuch machten, eine Feindmeldung abzusetzen. Um so mutiger setzten sie sich für ihr Schutzobjekt ein. In mutigen Torpedoangriffen zwangen sie den deutschen Flottenchef, Ausweichmanöver mit seinen Schiffen zu fahren, und nebelten den Träger so wirksam ein, daß das Feuer mehrfach eingestellt werden mußte. Jetzt wirkte sich die Entlassung der eigenen Zerstörer aus: Sie fehlten bei der Abwehr der englischen Zerstörer und als Torpedoträger, um der ,,Glorious" den entscheidenden Treffer beizubringen. So verschossen die Schlachtschiffe unverhältnismäßig viel Munition. Der Flottenchef selbst hatte immer auf die Notwendigkeit von Zerstörern in einer Kampfgruppe hingewiesen. Bei allen nachträglichen Vorwürfen wurde aber vergessen, daß erst die Vielzahl der dem Flottenchef erteilten Aufträge ihn zu dem Entschluß verleitet hatten, seine Kräfte aufzuteilen.
Der kühne Einsatz der englischen Zerstörer war erfolgreich: Um 18.38 Uhr traf ein Torpedo ,,Scharnhorst" aus spitzer Lage, weil der Kommandant ein Ausweichmanöver zu früh beendet hatte. Der Treffer verursachte den Ausfall von Turm C, einem Turm der Mittelartillerie, der Steuerbordmaschine und wenig später auch der Mittelmaschine. Zweieinhalbtausend Tonnen Wasser drangen in das Schiff, sechsundvierzig Mann fielen. Um 19.12 Uhr sank die ,,Glorious", eine Stunde zuvor bereits ,,Ardent" und gegen 20.00 Uhr auch ,,Acasta". Etwa 1500 britische Seeleute fielen in diesem Gefecht.
Für die deutschen Schiffe war das Unternehmen zunächst beendet, obwohl Admiral Marschall mit Recht annahm, daß er immer noch unbemerkt im Nordmeer operierte. Die stark beschädigte ,,Scharnhorst", die mit einer Maschine knapp 20 kn laufen konnte, und der hohe Munitionsverbrauch zwangen ihn zum Heimmarsch. Er nahm Kurs auf Trondheim, behielt sich aber einen endgültigen Entschluß noch vor. Wenn die Lage es gestattete, wollte er direkt in die Heimat zurücklaufen. In Sprüchen an die Seekriegsleitung und Gruppe West bat er darum, den Erfolg zunächst nicht zu veröffentlichen. Die Abendaufklärung bestätigte die vom Flottenchef vermutete Lage: es befanden sich keine feindlichen Seestreitkräfte in den Fjorden nach Harstad und Narvik. Dafür wurde jetzt eine große Zahl von Geleiten und Einzelfahrern auf der Route nach England festgestellt. Nun rechnete auch Admiral Marschall mit dem Rückzug der Engländer, die Bestätigung erhielt er am nächsten Morgen durch die Gruppe West. Er sah Erfolgsmöglichkeiten gegen diese Bewegung, schätzte diese jedoch nicht hoch ein, da er den Abzug der Engländer aus Norwegen schon für nahezu beendet hielt. Andererseits befürchtete er, daß seine Anwesenheit nicht mehr lange verborgen bleiben konnte und erwartete Reaktionen beim Feind. Diese Argumente sprachen für einen sofortigen Rückmarsch in die Heimat. Admiral Marschall brauchte sich jedoch nicht zu entscheiden: das Gruppenkommando befahl, nach Trondheim einzulaufen und die Operationen auf Rücktransporte baldmöglichst wieder aufzunehmen. Damit wurde der bisher gültige Operationsbefehl der Gruppe West endgültig aufgehoben, und es galt nur noch, dem Feind größtmöglichen Schaden zuzufügen.
Die Seekriegsleitung hätte am liebsten gesehen, wenn ,,Gneisenau" und ,,Hipper" unverzüglich auf die feindlichen Rücktransporte operierten, eine günstige Gelegenheit zu Erfolgen gegen den bisher noch nicht alarmierten Gegner. Sie hatte kein Verständnis für die zunächst gemeldete Absicht des Flottenchefs, mit den Schlachtschiffen in die Heimat zu laufen.
Der Flottenverband erreichte am 9. Juni um 16.00 Uhr Trondheim, versorgte und verließ bereits am nächsten Morgen um 9.00 Uhr mit ,,Gneisenau", ,,Hipper" und den Zerstörern wieder den Fjord. Er marschierte vorerst auf eine Wartestellung vor der norwegischen Küste, um bei Eingang von erfolgversprechenden Aufklärungsmeldungen der Luftstreitkräfte sofort angreifen zu können. Admiral Marschall versprach sich jedoch nicht viel von dem befohlenen Vorstoß, denn die bisher gemeldeten englischen Geleite waren inzwischen nicht mehr zu fassen oder so stark gesichert, daß die eigenen Kräfte nicht ausreichten. Die sichere Rückführung der beschädigten ,,Scharnhorst" hielt er für wichtiger.
Mittlerweile war die britische Führung von der Anwesenheit der deutschen Schiffe durch das Lazarettschiff ,,Atlantis" und den deutschen Wehrmachtsbericht ausführlich unterrichtet worden. Sie warf alle verfügbaren Kräfte, unter anderen das Schlachtschiff ,,Rodney" und den Schlachtkreuzer ,,Renown" zum Schutze der Rückbewegung nach Norden. Beim Auslaufen aus Trondheim hatte außerdem ein englisches U-Boot den deutschen Verband gesichtet, so daß der Flottenchef annehmen mußte, daß dem Feind sein In-See-Sein bekannt war. Um 22.00 Uhr entschloß er sich deshalb, den Vorstoß abzubrechen, als er erkannte, daß tatsächlich kein Feind zu fassen war. Dieser hatte alles getan, um sich gegen Überraschungen, wie sie am 8. Juni gelungen waren, zu schützen. Aus dem wenig später eingehenden Befehl der Gruppe West – ,,Anheimstelle Einlaufen Trondheim" – entnahm Admiral Marschall nachträglich eine Bestätigung seiner Lagebeurteilung und seines Entschlusses. Die Gruppe West beurteilte die Lage am Morgen des 10. Juni genauso wie der Seebefehlshaber.
Die Seekriegsleitung hingegen sah immer noch die Möglichkeit, gestützt auf die Versorger ,,Nordmark" und ,,Dithmarschen", aus dem Nordmeer heraus auf den Raum um Island vorzustoßen. Mit diesen Vorstellungen griff sie auf die Einsatzweisung für die schweren Schiffe vom Dezember 1939 zurück. Verständlicherweise wollte sie die Initiative gegenüber dem Feind behalten, übersah jedoch in diesem Falle die augenblickliche Lage: Die Überraschung, notwendige Voraussetzung für derartige Unternehmen gegen einen überlegenen Feind, war nicht mehr gewährleistet. Über diesen Faktor hatten die drei operativen Führer – Chef Seekriegsleitung, Gruppenbefehlshaber und Flottenchef – bereits nach Erteilung der Weisung vom 21. Dezember 1939 gestritten. Es war daher zu erwarten, daß Admiral Marschall nicht von sich aus wider die eigene Überzeugung und Lagebeurteilung handelte, und es mußte verständlich erscheinen, daß er jetzt nicht selbständig – nach seiner Ansicht nicht vertretbare – neue Aufgaben suchte: Die anschließend erhobenen Vorwürfe der Seekriegsleitung gegen den Flottenchef erschienen zwar aus der Sicht der Seekriegsleitung berechtigt, mußten aber auf den zurückfallen, dem eindeutige und überzeugende Auftragserteilung nicht gelungen war.
Admiral Marschall meldete sich zwei Tage nach dem erneuten Einlaufen in Trondheim krank.


SCHLUSSBETRACHTUNG

In einem kritischen Rückblick zum Einsatz der Schlachtschiffe und des Kreuzers ,,Hipper" im ersten Kriegsjahr fand Großadmiral Raeder folgendes Urteil für das Unternehmen ,,Juno": ,,Doch bin ich nicht der Ansicht, daß bei derartigen lange überlegten Operationen ein Abweichen von dem durchdachten und durchprüften Op.plan ohne zwingende operative Gründe richtig ist. Ein derartiges Verfahren läßt den Schluß zu, daß die betreffende Führungsstelle die Überlegungen vor der Operation nicht zum Abschluß gebracht hatte."
Raeder verschweigt in diesem Schriftstück, welche Führungsstelle und welcher Plan gemeint sind. Die Gesamttendenz dieser Rückschau schließt jedoch aus, daß er das Marinegruppenkommando West, geschweige denn die Seekriegsleitung gemeint hatte. Der Vorwurf zielte auf den Flottenchef. Es kann an dieser Stelle nicht darüber geurteilt werden, ob die Entschlüsse Admiral Marschalls richtig oder falsch waren. Es sind aber eine Reihe von Faktoren festzustellen, die seine Entscheidungen beeinflußten und damit ursächlich zur vielfältigen und vorschnellen Kritik an seinem Handeln führten.
Offensichtlich und in zurückliegenden Auseinandersetzungen um das Unternehmen ,,Juno" bereits erkannt, sind Faktoren, die sich unmittelbar auf die Auftragsdurchführung auswirkten:

- unterschiedliche Bewertung der eigenen Schiffe, ihres Ausbildungsstandes, ihrer Kampfkraft und Möglichkeiten gegen denkbare Gegnerstreitkräfte,
- unterschiedliche taktische Auffassungen,
- die ungenügende Sicherung des Stützpunktes Trondheim
- die ungenügenden Informationen über das engere Operationsgebiet,
- die mangelnde Aufklärung zur Erstellung einer aktuellen Feindlage,
- die mangelnde Zusammenarbeit zwischen Marine und Luftstreitkräften bei Aufklärung und Luftangriff,
- die sehr langen Verzugszeiten bei der Übermittlung von Informationen über die Land- und Feindlage,
- die aus diesen Faktoren sich ergebende unterschiedliche Lagebeurteilung.

Unabhängig davon mußte die Auftragserteilung selbst das Unternehmen maßgeblich beeinflussen und zwangsläufig dessen unterschiedliche Bewertung verursachen:
Der Flottenchef verließ Kiel am 4. Juni 1940 ohne eindeutigen Auftrag, vielmehr bedacht mit weitgefaßten Direktiven und mehreren Zielvorstellungen der Seekriegsleitung sowie einem eng gefaßten Operationsbefehl des Gruppenkommando West. Selbst während der Auseinandersetzungen um diese Aufträge und der letzten Einweisung bei der Seekriegsleitung war es nicht gelungen, ein unmißverständliches Operationsziel zu formulieren.
Der Flottenchef sollte:
- die Landfront entlasten,
- deren Versorgung über See sichern,
- den Feind in einem Gebiet angreifen, welches verschwommen mit unterschiedlicher Bedeutung einmal ,,Nordnorwegen", einmal ,,Raum Harstad", einmal ,,Harstad" und anders bezeichnet wurde,
- Erfolge um jeden Preis erzielen, um die Existenzberechtigung der großen Schiffe zu beweisen,
- Den Grundsatz Hitlers, der sein persönliches Interesse an diesem Unternehmen bekundet hatte, beherzigen: ,,Ohne großen Einsatz kein großer Erfolg",
- Und die Weisungen und Befehle von zwei Führungsstellen ausführen, die Forderungen einer dritten berücksichtigen.

Die Besorgnis, den Flottenchef zu sehr zu binden, veranlaßte Raeder, Marschall mit unklarem Auftrag auslaufen zu lassen, und verursachte die Unsicherheit bei der Durchführung des Unternehmens ,,Juno". Marschalls Entschlußfähigkeit wurde durch den Operationsbefehl des Gruppenkommandos, welcher bindende Anweisungen für die Durchführung enthielt, darüber hinaus noch eingeschränkt. Einzelheiten der Operation waren bereits Tage vor dem Auslaufen weitgehend festgelegt und in den Feind hineingedacht worden, ohne daß für den Fall des Nicht-Eintretens angenommener Lagen Alternativen angeboten wurden. So geschah es, daß sich zumindest eine der beiden Führungsstellen an Land, das Marinegruppenkommando West, wie in einem ,,Fahrplan" bewegte und nicht einsehen wollte, daß dieser von der Lageentwicklung in See überrollt wurde. Das Paradoxe an der Auftragserteilung war, daß das ,,Was", das Ziel, mehrdeutig ohne Festlegung zeitlicher oder qualitativer Prioritäten bestimmt, das ,,Wie", die Durchführung, jedoch, bezogen auf ein Ziel, eindeutig ohne Alternativen befohlen worden war.
Seekriegsleitung und Gruppe West war es nicht gelungen, ihre Aufträge in einheitlicher Weise abzufassen, in der Wollen und Absicht unmißverständlich zum Ausdruck gebracht und doch dem Seebefehlshaber soviel Spielraum gelassen war, daß er lagegerecht hätte entscheiden und handeln können. Mängel in der Führungs- und Befehlstechnik waren bereits vom ersten Kriegsflottenchef der Kriegsmarine, Admiral Boehm, bemerkt worden. In seiner Denkschrift vom 17. November 1939 stellte er fest: ,,Es ist Sache der Ausbildung und des jedesmaligen O-Befehls, einheitliches Denken und Klarheit des Wollens und Zieles sicherzustellen." Gedankliche Übereinstimmung zwischen den Planenden und den Ausführenden, eine Voraussetzung für den Erfolg, waren beim Unternehmen ,,Juno" nicht vorhanden.
Vielleicht hätte diese Übereinstimmung eher erzielt werden können, wenn die Marine bei Kriegsausbruch nicht mit einer soeben neu eingeführten, für die größere Flotte sicher angemessenen Organisation hätte fertig werden müssen. Es fehlten aber zu diesem Zeitpunkt noch klare Vorstellungen, wie Aufgaben und Kompetenzen verteilt sein mußten, und andererseits die bei der besten Organisation notwendige Bereitschaft, über Kompetenzgrenzen hinweg je nach den Erfordernissen der Lage flexibel zusammenzuarbeiten. Vielmehr lösten Spannungen, die bei Kriegsbeginn entstanden waren, Auseinandersetzungen aus und störten den Kontakt zwischen der weisungserteilenden Seekriegsleitung und dem ausführenden Flottenkommando. Der spätere Schriftverkehr zwischen Großadmiral Raeder und Admiral Marschall bestätigt, wie wichtig bessere Zusammenarbeit für eine Abstimmung der Absichten gewesen wäre.
Auseinandersetzungen um richtige oder falsche Entschlüsse des Flottenchefs, um unterschiedliche taktische Auffassungen und so weiter, treffen nicht das Kernproblem des Unternehmens ,,Juno". Dieses lag vielmehr in Verstößen gegen Führungsgrundsätze.

Während des Krieges untersagte der Oberbefehlshaber der Marine jede weitere Diskussion innerhalb der Abteilungen der Seekriegsleitung und schloß die Angelegenheit mit den Worten:
,,M. (Marschall) fehlte es an der Seelenstärke des großen Führers, die ich bei ihm anhand seines äußeren Auftretens stets vorausgesetzt hatte; ferner an der Großzügigkeit des Handelns innerhalb eines großen Plans. Daher ist seine Kdo-führung (Kommandoführung) im Ganzen eben ein Versager."

Es ist heute anhand von Akten nicht mehr möglich zu erforschen, welche Beweggründe Raeder dazu führten, seinen ehemaligen Flottenchef auch noch persönlich abzuqualifizieren. Nach dieser Analyse des Unternehmens ,,Juno" darf jedoch mit Nachdruck bestätigt werden, daß dieses und ähnliche Urteile völlig ungerechtfertigt sind.



Auszug aus: ,,Führungsprobleme der Marine im Zweiten Weltkrieg"
von Schuur, Martens, Koehler ISBN 3—7930-0172-5 1986



Ende Beitrag von ingura.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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Benjamin

Der zweite Teil ist mE nach unvollständig bzw wiederholt den ersten Teil. Magst du da nochmal nach editieren? Ich finde den Beitrag unfassbar spannend. Danke fürs raussuchen!  :MG:
If there's more than one possible outcome of a job or task, and one of those outcomes will result in disaster or an undesirable consequence, then somebody will do it that way.

t-geronimo

Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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