Die Schnellsten der Ostsee

Begonnen von crolick, 10 August 2009, 22:57:05

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Schorsch

Hallo zusammen,

ich möchte noch einige Überlegungen in die Diskussion einbringen, warum die LTS-Boote diese (nur) scheinbar seltsame Ausstoßvariante nach hinten praktizierten.

Wenn man die verschiedenen Torpedobootstypen weltweit und zu verschiedenen Zeiten auf ihre jeweilige Ausstoßart untersucht, fällt auf, dass die magische Grenze für den Torpedoausstoß nach hinten mit dem Torpedokopf in Fahrtrichtung des TS-Bootes bei etwa 45 kn Bootsgeschwindigkeit liegt, also ungefähr bei der Höchstgeschwindigkeit handelsüblicher, konventioneller Torpedos; fast alles, was langsamer ist, lanciert seine Torpedos voraus, die schnelleren Boote nach achtern. Da naturgemäß die kleineren Fahrzeuge diese Grenzgeschwindigkeit leichter erreichen können, führt das dazu, dass bei ihnen der Ausstoß mehrheitlich nach hinten erfolgt.

Nun könnte man sagen, dass es doch als positiv gewertet werden könnte, dass durch den Torpedo-,,Abschuss" (z.B. durch eine Kartusche oder Pressluft) nach vorn der Torpedo eine größere Geschwindigkeit als das TS-Boot (nämlich Bootsgeschwindigkeit + Ausstoßgeschwindigkeit) erreicht. Ich bin aber davon überzeugt, dass der Wasserwiderstand nach dem Eintauchen dazu führt, dass der Torpedo sehr schnell diese sehr hohe Anfangsgeschwindigkeit verlieren und vom Boot eingeholt und überlaufen würde. Eine weitere Ursache diese Ausstoßart bei sehr hohen Bootsgeschwindigkeiten zu vermeiden, liegt meiner Meinung nach darin begründet, dass beim Eintauchen eine große Menge Luft, insbesondere am Heckteil, mit ins Wasser gerissen wird und deshalb die Steuerfähigkeit des Torpedos zum Beginn des selbstständigen Laufes eingeschränkt wäre. (So konnten beispielsweise die deutschen G7a-Torpedos beim Einsatz von Überwasserschiffen aus erst überzeugen, als das ursprünglich geplante, widerstandsärmere Woolwich-Schwanzstück mit den Steuerflächen vor den Schrauben durch ein Whitehead-Schwanzstück ersetzt wurde. Grund für die Beanstandungen beim Steuerverhalten war die Lufthülle um die Ruderflächen kurz nach dem Eintauchen mit hoher Geschwindigkeit. Die G7e, die mit geringerer Geschwindigkeit von den Ubooten gestartet wurden, waren und blieben dagegen mit Woolwich–Schwanzstücken ausgerüstet.)

Ein Ausstoß des Torpedos nach hinten mit dem Kopf entgegen zur Fahrtrichtung des Bootes ist übrigens ganz unzweckmäßig, da die Ausstoßgeschwindigkeit die Bootsgeschwindigkeit deutlich übertreffen müsste, würde doch bei zu geringer Geschwindigkeit des Ausstoßes der Torpedo bezogen auf das Wasser zunächst Schwanzstück voran ins Wasser eintreten, mithin also rückwärts fahren und so völlig instabil werden. Ein ähnlicher Effekt trat am Ende des zweiten Weltkrieges auf, als man versuchte, die immer schneller werdenden Flugzeuge mit nach hinten abzufeuernden Raketen ausrüstete und diese Raketen regelmäßig die feuernden Flugzeuge ins Heck trafen. Versuchte man die oben erwähnten hohen Ausstoßgeschwindigkeiten zu erreichen, so stellt man sich aber die Aufgabe, auf ca. 7,5 m Länge etwa 1,5 t auf eine Geschwindigkeit von 50 oder mehr Knoten zu beschleunigen und die dann wirkenden Kräfte auf die Bootskonstruktion zu übertragen, was dem angestrebten Leichtbau der kleinen Boote zuwiderliefe.

Mit freundlichen Grüßen
Schorsch
'Judea, London. Do or Die.'

"Ubi dubium, ibi libertas." (Wo Zweifel ist, da ist Freiheit.)

Trimmer

Mir wurde erzählt das teilweise alte Wracks vor Peenemünde beschossen und torpediert wurden. Einige sinkende Schiffe sehen mir aber aus wie aus alten Wochenschauen der Wehrmacht.

Gruß-Trimmer-Achim
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

t-geronimo

Jo, alte Bilder sind auf alle Fälle dabei.

Kanaldurchbruch der Brest-Flotte war auch irgendwo zu sehen. ;)
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Albatros

Es wurde ja schon gesagt sehr kurzlebige reine Schönwetterboote, wohl nur im engeren Küstenvorfeld und bei ruhiger See einsetzbar.

Aber mal eine Frage, wie groß war denn überhaupt der Aktions-Radius bei hoher Fahrstufe?

Ich habe mal etwas von 200 sm gelesen aber bei welcher Geschwindigkeit?

Nun hätte das bei dem diesen Booten wohl zugedachten Operationsgebiet  und für eine Hit and Run Taktik sicher ausgereicht.

Gruß, :MG:

Manfred

rosenow

Fiedler, Dieter Obermaschinist, 1959-63 schreibt:
" aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass unsere Boote schon 1961/62 63-65 sm/h gelaufen sind.
Selbst gestoppt auf einem eigens dafür ausgelegtem Meilenkreuz im Greifswalder Bodden..."
http://www.galepp.com/lts/setup/frameset-lts.htm

Unteranderem ist auch zu lesen, dass die LTS Boote - Projekt 63.300 (Iltis) eine Reichweite von 230 sm hatten.
http://www.galepp.com/lts/setup/frameset-lts.htm

Hier sind noch schöne Bilder zu sehen.
http://www.gerald-halle.de/gal_63.3_iltis/album/slides/dreauf-seitenansicht_lts_%20ilts_mth.html?show_param=3

auch Unfälle und Vorkommnisse gab es:
http://wapedia.mobi/de/Sechste_Flottille_%28Volksmarine%29#2.

und hier ist noch eine Seite über S-Boote in der Volksmarine 1956 - 1990
http://www.foerderverein-museums-schnellboot.de/sboote-volksmarine.htm
mit freundlichen Gruß
Michael


,,Macht`s gut und denkt daran!
Es gibt drei Sorten von Menschen:
Die Lebenden.
Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

Albatros

Zitat von: rosenow am 12 August 2009, 00:52:46

Unteranderem ist auch zu lesen, dass die LTS Boote - Projekt 63.300 (Iltis) eine Reichweite von 230 sm hatten.

ja, aber bei welcher Geschwindigkeit ?

Gruß, :MG:

Manfred

rosenow

Zitat von: Albatros am 12 August 2009, 09:01:00
ja, aber bei welcher Geschwindigkeit ?
Leider keine direkten Angaben gefunden. :cry:
Gruß Michael
mit freundlichen Gruß
Michael


,,Macht`s gut und denkt daran!
Es gibt drei Sorten von Menschen:
Die Lebenden.
Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

Albatros

Für eine Sache wären die Boote allerdings extrem gut geeignet gewesen...  :MV:...Republikflucht.

Bei 3 Mann Besatzung,......wenn die sich einig sind.......je nachdem von welchem Standort aus

gesehen höchstens 30 – 45 Minuten, wer will die aufhalten?

Eine geplante Flucht mit einem Typ 183 war 1968 entdeckt und verhindert worden, danach werden

die Schnellbootbesatzungen wohl Handverlesen ( Hundertprozentige )gewesen sein.  :MZ:

Gruß, :MG:

Manfred

ufo

Vielen Dank Schorsch, Kalli & Michi!  :MG:

Das spricht ja dafuer, dass die Patenschaft vermutlich ueber die Sovietischen Boote letztendlich auf die aelteren Britischen Boote zurueckgeht. Schon eine ganz beachtliche Leistung die Dinger zu entwerfen und zu bauen in nur knapp zwanzig Jahren Entwicklungszeit in einer kleinen Marine mit einer unterbrochenen Entwicklergeneration.

Ja – das leuchtet ein, dass das Verhaeltnis Bootsgeschwindigkeit versus Torpedogeschwindigkeit zwischen dem Nutzen der verschiedenen Verfahren entscheided.

Demnach duerften die Leichten Schnellboote der Kriegsmarine verhaeltnismaessig langsam gewesen sein um einen stabilen Schuss nach Achteraus hinzubekommen?

Ein interessanter Aspekt das Problem der mitgerissenen Luft auf die Steuerfaehigkeit. Vielen Dank! 

Ufo

Q

Zitat von: Albatros am 12 August 2009, 10:39:46
...
die Schnellbootbesatzungen wohl Handverlesen ( Hundertprozentige )gewesen sein.  :MZ:
...

Bei meinem Vater, der Hauptmann der Grenztruppen war, gab es ab 1970 zu seiner Dienstzeit, nur Wachgaenge mit mindestens 3 Leuten, von denen alle Familie und niemand Westverwandschaft haben durfte. Die Familie hat meist schon eine Flucht verhindern lassen. So mein Vater.

Don´t Panic
Quand tu veux construire un bateau, ne commence pas par rassembler du bois,
couper des planches et distribuer du travail,
mais reveille au sein des hommes le desir de la mer grande et large.

St.Ex

Sperr_UAW

@ Albatros

Das waren ganz normale Matrosen und Maate. Sogenannte SAZ ( Soldat auf Zeit - 3 Jahre freiwillig ). Ich kannte ein paar von denen. Mein Ausbilder in Parow z.B. war bei denen, bis seine Wirbelsäule fertig war.
Eigentlich wollte keiner so recht zu den Schnellbooten.
Erstens hatten die fast alle nach relativ kurzer Zeit was mit der Wirbelsäule ( siehe die elende Stuckerei im Film ), zweitens waren die am A... der Welt stationiert (z.B. Dranske auf Rügen - guck dir mal an, wo das liegt ), drittens waren die auf einem Wohnschiff untergebracht ( ist im Hintergrund ein paarmal zu sehen )  sehr eng und unbequem und viertens ein Stessjob.

Das mit Republikflucht ist auch nicht so einfach.
Ein LTS war nie allein unterwegs, der Zündschlüssel hängt auch nicht öffentlich rum und selbst für ein LTS-Boot ist es trotz 55kn nach der Entdeckung sehr riskant.

Außerdem sind die selber viel zu gern gerast.   :-D
Die waren eigentlich immer auf Wettfahrt.   :MLL:

Bis dann.

Jan


Spee

Servus,

als kleines Detail, bei den italienischen M.T.S.M.A.-Booten wurde der Torpedo auch über Heck abgesetzt  --/>/> http://www.regiamarina.net/arsenals/mtsma/mtsma_it.htm .
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

brueckenhein

Mal eine Frage zwischendurch!
Ist es eigentlich mal vorgekommen das Besatzungen mit ihren Einheiten (BM/VM) während des "Kalten Krieges" gegnerische Häfen angesteuert haben?
Seefahrer sind wie Kletten, sie halten alles zusammen

kalli

Zitat von: brueckenhein am 13 August 2009, 11:06:20
Mal eine Frage zwischendurch!
Ist es eigentlich mal vorgekommen das Besatzungen mit ihren Einheiten (BM/VM) während des "Kalten Krieges" gegnerische Häfen angesteuert haben?

Ja!

Überraschungscoup von "G423" - Gruppenfahnenflucht nach Travemünde am 24.08.1961.

Zitat aus dem Buch von Ingo Pfeiffer "Fahnenflucht zur See- die Volksmarine im Visier des MfS" auf Seite 96:

"Dem KS-Boot G423 vom Typ Delphin der 6.GBK gelang buchstäblich unter den Augen der Küstenbeobachtungsstation (KBS) der Durchbruch in die BRD-Territorialgewässer. Erst als nach dem Anlegen des Bootes im Hafen Travemünde drei Besatzungsmitglieder von Bord sprangen, kam die von den Fahnenflüchtigen per MPi unter Deck in Schach gehaltene Besatzung wieder frei. Unbehelligt vom überraschten BGS und der westdeutschen Wasserschutzpolizei fuhr das Grenzboot nach dem sensationellen Zwischenstopp mit Höchstfahrt wieder zurück in die freie See mit Kurs Wismar."

Wer sich mal zum Thema Fahnenflucht und Fahnenfluchtabsichten in der Volksmarine und deren Bekämpfung informieren möchte, dem sei dieses Buch empfohlen.

Urs Heßling

Hallo Kilimandscharo,

Zitat von: Kilimandscharo am 01 September 2009, 10:10:35
In der unmittelbaren Nachkriegszeit ist sind aber von einem deutschen Weltkriegs-Schnellboot im Auftrag der Briten mehrer Fahrten in den Ostblock unternommen worden, um dort Agenten abzusetzen. Bei einer dieser Fahrten hat der Kommandant auch seine Familie dort rausgeholt.

siehe
http://de.wikipedia.org/wiki/British_Baltic_Fishery_Protection_Service
und
http://www.schnellboot.net/de/bundesmarine-deutsche-marine/schnellboote/w-uw/verband-klose/index.html

Das mit der Familie passierte m.W. 1952 in warnemünde.

H.H. Klose hat 1978 als Befehlshaber der Flotte noch mein Kommandantenzeugnis unterschrieben

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

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