The Price of Disobedience

Begonnen von ufo, 23 Dezember 2005, 16:09:03

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ufo

So – das ist jetzt das Buch vom Nachtisch. Nicht dass ich da so oft zu gekommen bin; der 'Räuber Hotzenplotz' will ja auch gelesen sein! Im Zug schaffe ich Bücher immer schneller.

Ist ja jetzt mehr oder minder Jahrestag der Ereignisse. Da dacht ich, ich stell's noch kurz vor:

The Price of Disobedience: The Battle of the River Plate revisited
Von Eric Grove erschienen bei
Sutton Publishing, 2oo2;
180 Seiten und bei abebooks immer mal unter 1o £ zu haben.  

Tja – muss es noch ein Buch dazu geben? Ach, warum nicht!
Eric Grove bringt zumindest mal alles zusammen. Wenn man nicht fünf Bücher lesen will, so ist man mit diesem einen ganz gut bedient. Er bringt nichts wirklich revolutionär Neues. Er bringt aber zumindest mal eigentlich fast alles, was man zu der Geschichte so wissen wollen kann, in einem Buch.
Fein, fein!


Er fängt an mit einer ausführlichen Geschichte der Panzerschiffe und kratzt dabei recht heftig am Lack derselben. 'Pocketbattleships' wurden und werden die genannt; 'Westentaschenschlachtschiffe'. Grove macht deutlich, dass die wenig von einem Schlachtschiff an sich hatten: nicht die Artillerie, nicht die Panzerung und – zumindest wenige Jahre nach ihrer Indienststellung – auch nicht mehr die Geschwindigkeit.
Die waren halt ein Kompromiss. Fair Point. Ich persönlich finde, er überzeichnet erheblich die Schwächen derselben. In den Akten der Admiralität finden sich Empfehlungen an das Aussenministerium, Deutschland doch den uneingeschränkten Bau von U-Booten zu gestatten, wenn Deutschland im Gegenzuge Schiffe aus den Katekorien des Washingoner Vertrages baut anstatt Hybridtypen (Admiralty to F.O. 23.September 1932). Die Dampfer haben ganz offensichtlich schon Kopfzerbrechen verursacht damals.
Aber – und in dem Punkt hat Grove sicher recht – die sind eben auch nur 1o.ooo tons gross gewesen. Auf der Verdrängung baut man keine Wunderdinge.

In Sachen Panzerung waren die vielen zeitgenössischen schweren Kreuzern unterlegen. Viel wichtiger noch: in Sachen Panzerung waren die durch die Hauptartillerie vieler zeitgenössischer schwerer Kreuzer entschieden verwundbar.
'Pocket' ja – 'Battleship' nein!
Beileibe nicht!

Er macht – was angelsächsischen Autoren nicht immer gelingt – auch deutlich, dass das eben nicht die Schiffe waren, um an Albions Seeherrschaft zu kratzen, sonden, dass die ein Hybridtyp waren, um Polen auf der einen Seite und Frankreich auf der anderen Seite Paroli bieten zu können. Die Westentaschenschlachtschiffe waren gut geeignet als Raider aber sie waren nicht primär gegen Britische Seehandelswege geplant.

Grove beschreibt kurz Admiral Graf Spees Karriere bis zum Kriegsausbruch, beschreibt dann im Detail Graf Spees Kriegsfahrt und das Zögern der Reichsregierung den uneingeschränkten Raiderkrieg gegen Grossbritannien und Frankreich zu erklären; den Frust an Bord Admiral Scheers und Admiral Graf Spees über die erzwungene wochenlange Zurückhaltung.
Er beschreibt die Erleichterung, als man schliesslich so darf, wie man gern möchte. Zuschlagen! Das ist jetzt was, was man sonst auch ganz fein bei Rasenack nachverfolgen kann; wie sich langsam, langsam eine Bereitschaft aufbaut mehr zu wagen, mehr zu riskieren, um schliesslich mit richtigem Erfolg heimzukehren. Den Gegner terrorisiert haben, zahllose Schiffe auf Trab gehalten haben, zahllose fein geknüpfte Verbindungen durchtrennt haben – das allein war erstmal nichts wert ausser auf geduldigem Papier. Erst eine Flagge mit der Tonnage des jeweiligen Dampfers drauf gab wirksam Zeugnis ab von den eigenen Leistungen. Rasenack hat sicher nie vor gehabt, so deutlich werden zu lassen, wie sich der "Erfolgsdruck" da langsam aufbaute und wie Langsdorf schliesslich entschieden weniger vorsichtig war, als das Schiff unter ihm das geboten hätte.
Grove hingegen streicht ganz entschieden heraus, dass Langsdorff als er die Britschen Kreuzer sichtete ganz schnell hätte abdampfen sollen, ganz schnell!

Selbst wenn da ein Convoy hinter gewesen wäre, wäre das immer noch eine blöde Idee gewesen sich mit richtigen Kreuzern herumzuprügeln. Ein Raider fern der Heimast ist halt doch leicht aufgeschmissen, wenn er was einstecken muss.

Grove stellt dann Langsdorffs Gegenüber vor und beguckt man sich Harwoods Karriere, so hätte Langsdorff wirklich kaum einen unglücklicheren Gegner wählen können. Harwood lehrte von 1934 bis 1936 am Naval College – Schwerpunkt dabei Anti Panzerschiff Taktiken (!). Seine Kapitäne waren perfekt darauf gedrillt das gegnerische Feuer zu teilen; eine Taktik, die dann hinterher auch perfekt funktionierte. Er hatte immer deutlich gemacht, dass es gar nicht darauf ankam ein Panzerschiff gleich zu versenken. Viele, viele kleine Schäden, weitab jeder Flottenbasis sollten reichen, um dem Raider auf lange Sicht den Rest zu geben. Auch da sollte er recht behalten.
Harwood war zudem lange auf dem Posten des Führers der Südamerikadivision, genoss gute Kontakte in Brasilien, Uruguai, Argentinien und genoss sehr viele Sympathien dort.
Auch in jedem politischen Showdown in diesen Gewässern hatte er entschieden bessere Karten.

Der Kampf wird eher kurz beschrieben. Ich kenne aber nichtsdestotrotz sonst kein Buch welches das Gefecht von Britischer Seite so doch recht detailiert darstellt. Schon genau genug.

Das Feuer von Admiral Graf Spee war nach Deutschen Artilleriestandarts wohl irgendwo zwischen schlecht und bestenfalls Mittelmass. Die Britische Taktik das Deutsche Feuer immer wieder zu teilen und die gegnerische E-Messung zurück auf Punkt Null zu bringen funktionierte hervorragend.
Das Britsche Feuer war irgendwo zwischen mieserabel und schlecht aber dafür eben reichlich. Da machte das nicht so viel.

Alles in allem kein ausgesprochen ruhmreiches Artillerieduell aber unterm Strich eines, wo alles genauso lief, wie in den Britischen Kriegspielen vorhergeplant.

Ob das nun ein Britanien 1: Deutschland 0 war, ob das ein taktisches Remis war oder ob nicht doch die Deutschen eigentlich gewonnen haben nur nichts davon hatten (schöne Grüsse vom Skagerak auch) dazu gibt Grove kein Urteil ab. Kluger Mann!
Ist auch relativ müssig.

Graf Spee jedenfalls läuft Montevideo an. Eine unglückliche Entscheidung. Nur – soviele glückliche Alternativen waren da wohl eher nicht. Die Zufahrt nach Buenos Aires war eng, lang, flach und schlammig; prädestiniert dazu dem Panzerschiff die Kühlwassereinlässe zu verschlammen und den Dampfer hilflos liegen zu lassen.
Südwärts Richtung Mar del la Plata wäre vielleicht noch drin gewesen. Vielleicht aber auch nicht. Die beiden angeschlagenen leichten Kreuzer hätten dem angeschlagenen Panzerschiff dann wohl nochmal ein Duell geliefert. Die Briten waren eigentlich eh auf ein Nachtgefecht scharf gewesen. Da störte die grössere Reichweite der Deutschen Artillerie weniger. Mehr Treffer auf Admiral Graf Spee hätten die Lage sicher nicht verbessert.

Ob Argentinien wirklich viel deutschfreundlicher gewesen wäre? Grove bezweifelt das. Auch Argentinien hatte enge Handelskontakte mit dem Empire, auch Argentinien war eng in die Pan-Amerikanische Sicherheitszone eingebunden und entschieden darauf bedacht neutral zu sein.
Das es in Argentinien alles so viel netter gewesen wäre, diese Einschätzung entstammt eben doch auch der Sicht von vielleicht 1951. Da lebte aber fast die Hälfte der Besatzungsmitglieder der Graf Spee schon mehr oder minder lange als geachtete Mitbürger in Argentinien, und in der Rückschau war die Sonne in dem Land viel wärmer geworden, das Lächeln der Leute viel freundlicher, als das vielleicht im Winter 1939 wirklich der Fall war.

So oder so – es wurde Montevideo. Eine schlechte Entscheidung ohne echte Alternative.  

Dann folgt das recht kuriose Diplomatieduell zwischen Deutschland und Grossbritannien, wobei die Briten ganz ganz entschieden versuchen, durchzusetzen, was dem Panzerschiff vielleicht den Hals hätte retten können: den mehr oder minder unverzüglichen Rausschmiss aus Montevideo.
Die Deutschen hingegen spielen für die Briten und versuchen auf Biegen und Brechen durchzusetzen, dass die Admiral Graf Spee länger bleiben darf. Eine genauso unsinnige Idee, wo doch schwere Britische Einheiten im Anmarsch waren.

Es dauert einige Zeit, bis die Admiralität beim Aussenministerium Gehör finded mit der Forderung, das Panzerschiff solle nicht etwa rausgeschmissen werden sondern müsse solange wie möglich in Montevideo bleiben. Darauf macht die Britische Diplomatie in Montevideo dann eine 18o Grad Wende und  versuchte die 24-Stunden Regel zu spielen, wonach ein Kriegsschiff einer Kriegführenden Partei einem Handelsschiff des Gegners einen Vorsprung von 24 Stunden zu gewähren habe. In Montevideo lagen genug Britischen Handelsdampfer, um die Graf Spee auf Wochen festzunageln, wenn die Hafenbehörden sich nur bereit erklären würden die Briten fein einen nach dem Anderen wie auf einer Perlenschnur auszuklarieren.
Da aber zeigt sich, dass Uruguay eher neutral den Britenfreundlich war. Die Briten fingen sich einen satten Anschiss ein, nachdem sie gerade erst die Behörden bewinselt hatten die Deutsachen rauszuschmeissen und nun angeeiert kamen und die gerne bis zum Sankt Nimmerleinstage drin behalten hätten.
Die Regierung machte sehr deutlich, dass sie das Panzerschiff lieber Heute als Morgen fahren sehen würden und dass an eine Auslaufen Britscher Handelsdampfer unter diesen Umständen nicht zu denken sei.


Eric Grove lässt sich nicht darauf ein ein abschliessendes Urteil darüber abzugeben, ob Graf Spee überhaupt nochmal hätte ausbrechen können. Sowas ist ja doch immer recht provokativ. Er lässt aber keinen Zweifel daran, dass ein Kampf vermutlich im Desaster geended hätte.
Hätte Graf Spee (ohne ihren ausgefallenen vorderen E-Messer!) die vorher gezeigte Rate von Treffern per verschossenen Granaten beibehalten, so hätte sie noch rund fünf Treffer der schweren Artillerie bei den Briten gut gehabt. Nichts, was drei Kreuzer versenkt! (HMS Cumberland hatte den Platz der angeschlagenen HMS Exeter eingenommen)

Damit aber ist klar, dass sich rauszuschiessen eigentlich nie eine Option war. Wenn die Munition alle gewesen wäre (und da war unsäglich wenig von übrig!), wäre da nichts mehr gewesen, um das Schiff irgendwie dem Zugriff des Gegners zu entziehen. Versenken ging nicht im Flachwasser. Also musste irgend was da sein, um das Schiff in die Luft zu sprengen. In dem Moment wo die letzte Granate verschossen wäre, hätte man nur mehr auf die Britischen Enterkommandos warten brauchen. Und anders als anderthalb Jahre später bei der Bismarck hätte zu dem Zeitpunkt auf Britscher Seite durchaus Interesse an einem Deutschen Beuteschiff bestanden.

Geblieben wäre die Chance sich hinauszuschleichen. Aber die war minimal und Graf Spee war kaum in der Lage die gesammte Heimreise zu schaffen und die Britische Überwachung war eng. Da war die Sorge der Briten vor einer Neuauflage der "Goeben" bei einem Durchbruch nach Argentinien. Also musste man die Graf Spee abfangen können ehe sie flussauf nach Buenos Aires hätte ausbrechen können. Aber – wie oben angemerkt – das war wohl mehr ein Britischer Albtraum als eine realistische Möglichkeit.


Irgendwann gingen dann Zeit und Optionen aus. Die Britischen Meldungen HMS Renown und HMS Ark Royal seinen in Mar del la Plata wirkten hervorragend. Zwar gab es wohl Zweifel innerhalb der Seekriegsleitung aber letztendlich siegte die Doktrin der Befehlshaber vor Ort habe recht und die beiden Schiffe seinen vor Ort.  


Das letzte Kapitel widmet sich dem Erwerb des Wracks von Graf Spee durch die Admiralität – nun, durch Mittelsmänner der Admiralität – dem Ausbau von interessanten Teilen und die Verschiffung derselben nach England. (Wo die wohl sind, jetzt?)
Ja – hätte man das Kapitel man vor zwei Jahren schon gelesen gehabt, hätte das längliche Debatten in diversen Foren erspart. Die Deutschen haben das Wrack schlicht und einfach 194o verkauft.


Ja – lesenswert?

Hmm. Ja – doch!. Etwas weniger "Rule Britannia" würde sich an einigen Stellen nicht schlecht gemacht haben. Schön ist halt, dass das Buch mehr oder minder jeden Aspekt der Geschichte abdeckt. Man muss nicht fünf gelesen haben, um einen wirklich guten Überblick zu haben. Gut recherchiert und sehr umfassend.
Der Autor unterschätzt meines Erachtens nach entschieden die Wirkung, die die schweren Deutschen Einheiten auf die Britische Logistik gehabt haben. Er wertet – was verlockend ist und vielen Autoren passiert – zu sehr an Versenkungsziffern und zu wenig an Royal Navy Tonnage, die von Pontius zu Pilatus und zurück dampft.  
Aber ich denke er hat entschieden Recht damit, dass die Admiral Graf Spee einem bewusst eingegangenen und satt unterschätzten Risikozug zum Opfer gefallen ist, für den Langsdorff dann den ultimativen Preis bezahlt hat.


Dies Buch zusammen mit dem Rasenack (Friedrich W. Rasenack, "Panzerschiff Admiral Graf Spee" Koehlers, 1957 (spätere Auflagen anderer Verlage existieren), oft preiswert zu bekommen) und man hat ein ausgesprochen gutes Päckchen zur Geschichte der Schlacht vor dem la Plata.
Rasenack erzählt eine Geschichte und macht dabei Hintergründe für Entscheidungen deutlich, Stimmungen, Einschätzungen; Grove analysiert Geschichte im Detail und macht das auch durchaus gut.

Ansonsten ist das Bucht über die Führerkonferenzen zum Seekrieg ein guter Lückenfüller dazu welche Optionen die Graf Spee denn nun eigentlich gehabt hat und der Bidlingmeyer (Zufuhrkrieg) ist gut zu haben, um einen grösseren Kontext zu den Deutschen Handelskriegsmissionen der schweren Einheiten zu haben.


Aber - doch, doch – gutes Buch das!

Ciao,
Ufo

Daniel

Ufo: wunderbare Vorstellung des Buches. Ich habe gerade bei Amazon Books den Flap des Buches gelesen, und kann ich dem Schriftsteller seine erste für ihn unbeantwortete beantworten: "Warum hat Spee in der Nacht den Durchbruch versucht?" Ganz einfach:1.- Dezember ist für uns schon hoch Sommer und der Horizont ist beim guten Wetter nie schwarzdunkel. Man kann am Meer gegen dem Horizont auch kleine Fischerboote sehen.
2.- 1939 unsere Hoheitsgewässer erstreckten sich nur 3 Seemeilen, diese Abstand ist auf dem Meer nichts. Ich war mehrmals an der Sinkstelle der Spee (sie aussehalb der drei Meilen Zone gesunken) und konnte den ganzen Verkehr im Hafen sehen. Glaubt jemand, dass die allierten Kreuzer fast am Hafeneingang nicht waren?

Die Glaube, dass Argentinien in dieser Zeit deutschfreundlicher als Uruguay seien könnte, ist es für ein bisschen merkwürdig. England, Kolonialseemacht hat Amfang des 19.Jahrhundert Montevideo und Buenos Aires erobert. Die Briten waren an Montevideohafen besonders interessiert. In der 30er. Jahren des 20.Jh. waren die Engländern eine der grössten Arbeitsgeber meienes Landes. Sie bessasen die Bus-und Strassenbahngesellschaten Montevideos, die Bahn Uruguays, die Trinkwasseranlage und die Stattgaserzeugungsanlagen. In Argentinien war die Lage ähnlich, nur die duetsche Kolonie dort war und ist viel grösser als bei uns. Also der Empfang wurde anders gewessen.
Schöne Grüsse,
Daniel

Peter K.

Vielen Dank für die gewohnt, sehr informative Zusammenfassung, UFO!

Schöne Feiertage &
LG aus Österreich

Peter K.
Grüße aus Österreich
Peter K.

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