Bestreichungswinkel "all big gun" ca 1880-90

Begonnen von harold, 26 März 2009, 16:13:08

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harold

Aus einer anderen Diskussion ausgekoppelt:

In Hastei's schöner Sammlung "Fotos der kaiserlichen Marine"
(http://forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,7563.315.html) kam anläßlich der "Siegfried-Klasse" u.a. zur Sprache:

"-Den Sinn, zwei "dicke" Geschütze auf dem Vorschiff zu platzieren , erscheint mir auf den ersten Blick , nicht ganz schlüssig.
Ich könnte mir schon vorstellen , warum, aber ich möchte Eure Erklärungen hören.

-Die Aufstellung der Geschütze erscheint heute nicht mehr sinnvoll aber sieh mal nach was die anderen Länder so in diesem Zeitraum "fabriziert" haben. Ein klares Konzept gab es doch bis hin zu den Linienschiffen nicht.

-Man wollte zum einen Feuerkraft für "Verfolgung" haben und eine "Reserve" in Feuerlee. Daher auch die aus heutiger Sicht unsinnige Hexagon-Aufstellung der Nassau und Ostfriesland Klassen.

-Wenn Jellicoe 1916 über Steuerbord seine Schlachtlinie aufgebaut hätte wäre die Hexagonalaufstellung nach dem Melèe vielleicht ein ähnlicher Hit geworden wie der Rammbug nach Lissa."
--------

Jetzt mal abgesehen von den britischen "Admiral"'s ab '82, welche Parallelen in der Geschützaufstellung zu den deutlich kleineren 4250-ts-"Siegfrieds" mit ihren 3 x 9.4" (=24 cm) könnten sich denn finden?

Wenn wir uns auf offene Barbette (also noch keine gepanzerten Türme wie auf "S"-Klasse) beschränken, hier ein paar zeitgenössische Vergleiche:



Oben "Hagen" aus http://www.dreadnoughtproject.org/plans/SM_Hagen_1894//aufbaudeck_100dpi.jpg
Achterer Bestreichungswinkel jeseits 138° (beschriftet), vorderer gegisst (da nicht beschriftet) 138° plus 65° symmetrisch überlappend.-
Darunter drei russische Entwürfe (aus Vinogradov), alle mit 12" (=30.5cm) und wesentlich größer (9270 - 11200 ts, ca. 104 x 20.5 x 7.2m).

Vor allem das Projekt aus 1882 "Ekaterina II" zeigt sehr-sehr ähnliche Bestreichungswinkel (die anderen Projekte sind natürlich auch nicht ohne...).
Die Bestreichungswinkel sind hier alle gegisst, da keine weiteren Angaben dazu vorliegen.
--------

Nach meiner Überlegung erfolgt die Einzel-Aufstellung nebeneinander auf gleichem Spant wegen Treffer-Redundanz ("Feuerlee" wäre etwas gewagt...).
Der -für beide Türme gemeinsame- Munitionsaufzug (S-Klasse, bei den russischen Entwürfen weiß ich's nicht) hebelt diese "Sicherheit" jedoch wieder aus.
In diesem Zusammenhang würde mich auch mal die Ladestellung bei der S-Klasse interessieren!

Jetzt hoff ich mal auf Ekke, Kai, Wolfgang "und die üblichen Verdächtigen", denn mehr hab ich vorläufig nicht beizutragen.
:MV: Harold






4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Peter Strasser

Cool, schönes Thema.
Ich mag die Küstenpanzer. Das geht aber wohl nicht nur mir so. Es soll ja Herrschaften in der Szene geben, die eine Menge über die Küstenpanzer wissen und sie sogar als Modell gebaut haben.
Das Schöne an ihnen ist, dass sie auch Traditionsschiffe für die BM sein könnten, da sie erstens nicht weit fahren konnten und zweitens rein defensiv waren.  :-D

Um das Thema sauber zu halten noch die Klarstellung, dass sich mein Kommentar zum Melèe und dem brit. Admiral rein auf Uli Torpedos Erwähnung der Helgoland-Klasse bezog. In den Küstenpanzern sehe ich keine Verbindung zu der Tirpitz’schen Auffassung zur Reserve in Feuerlee.

Noch eine Anmerkung zu Deinen Skizzen. Der Vollkreis beim Bestreichungshorizont der untersten Skizze (zweiter Kreis von innen) leuchtet mir nicht ein. So was wäre doch nur bei einem Schiff à la USS Monitor möglich.

harold

Servus Kai,
ad Vollkreis: bin ich nicht sorgfältig genug mit meinem Grafik-Programm umgegangen - ist inzwischen korrigiert reingestellt (cdr.12 neigt zu ganz bösen Überraschungen beim Kopieren). -

Was haben die sich damals gedacht, aus welchen taktischen Anforderungen heraus?
Ich finde die Entwicklungen und Perspektiven zwischen 1875 und 1905 als das spannendste Kapitel der "Design-History"... da kippte innerhalb einer Generation so ziemlich alles, was bis dato als "anerkannt" galt.

Ciao,
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Peter Strasser

#3
So wie ich das sehe sollten die Küstenpanzer so was wie die Fresszellen des maritimen Immunsystems „Küstenverteidigung“ sein.

Stosch war ja wohl großer Anhänger der Küstenverteidigung und sah das Heil im Torpedo.
Nachdem die Antikörper (Torpedoboote) den Virus (französische Panzerschiffe) waidwund geschlagen hätten, wäre es Aufgabe der Küstenpanzer gewesen die mit Lecksicherung beschäftigten Gegner endgültig zu erledigen.

Der Ansatz die Siegfrieds dazu ordentlich zu panzern, mit starker Bugartillerie zu versehen und gleichzeitig auf die der deutschen Küste eigenen Tiefgangsbegrenzungen zu achten ist unter diesem konzeptionellen Ansatz dann gar nicht mehr so abwegig. Wenn es darum geht den Eingang zum K.-W.-Kanal zu verteidigen ist Dampfstrecke dann auch eher nachrangig.

Die Küstenpanzer kommen demnach eher aus der Richtung der Panzerkanonenboote und weniger aus der Richtung der Panzerfregatten. Das deutsche Verbindungsstück zum Einheitslinienschiff ist demzufolge wohl eher bei den Brandenburgs und nicht bei den Siegfrieds zu suchen.

Huszar

Moin, moin

bin zwar nicht so sehr bewandert mit Sachen aus der Zeit von vor nach-1wk (schöne Zeitbeschreibung, nicht?  :-D) aber eines möchte ich zu bedenken geben: nicht jedes Land hat es damals gemeistert, zwei Wummen in einer offenen Barbette unterzubringen - bzw hat den Sinn darin gesehen.

Wenn schon interessante Aufstellungen, dann kommt Amiral Duperré (1879), Andrea Doria (1885), Rudolf (1884), Dupuy de Lome (1888), Psara (1888), Ting Yuen (1881), Andrea doria (1885), Nikolaj I (1886), Pelayo (1886) in den Sinn.

Man hat ja damals rumprobiert, was das Zeug hilet...

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Spee

Servus,

schönes Thema.
Bevor wir weiter darüber philosophieren; ich würde Harold morgen einige Scans zur Bearbeitung schicken, die er dann mit Betreichungswinkel etc. versehen einstellt. Dann haben wir eine größere Spanne an Vergleichen. Ist da ok für dich, Harold?
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

harold

Das ist mir sehr recht so!

Ich hab jetzt mal Andrea Doria, Sachsen und Kronprinz Rudolf beiseite gelassen (die möcht ich mir noch näher angucken); und Ting Yüen sowie Dupuy de Lôme (*) aufgrund "gemischter" Artillerie außen vor gedacht.

Hier mal die beiden nächsten Kandidaten:

"Amiral Duperré":


sowie "Pelayo"


(*) ... da ich weiß, dass Thomas n alter Nasenbär-Enthousiast ist, hier so nebenbei was Feines zum Gucken:
http://www.cityofart.net/bship/dupuy.html

Ich denke, wenn wir uns auf das Jahrzehnt 1880-90 beschränken, und Vor- sowie Nachläufer beachten, kommen wir auf recht interessante Ansätze.
Bin schon mal gespannt auf die Scans morgen im Postfach!

Ciao,
Harold

4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Peter Strasser

Mit dem Zeitraum kann ich gut leben. Mein Lieblingsstück deutscher Flottenplanung ist dann ja noch mit drin: die Oldenburg.

Der Wegweiser für deutsche maritime Rüstungspolitik bis heute!  :-D

Spee

@Harold,

ok, dann such dir mal nicht mehr die Finger wund, es wird reichlich Material bei dir ankommen. Batterie- und Kasemattschiffe auch dazu? So also Evolutionsgeschichte von Charles Winkel oder Harold Darwin?
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

harold

@ Kai:
Joooh!
--/>/> http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_134-C0079,_Panzerschiff_Oldenburg.jpg

@ Thomas:
...bleiben wir mal bei den Typen wie bisher (bissl Batterie, s.o., darf ja sein, nöch?), und auch im entsprechenden Zeitraum.
Sonst wird's zu unübersichtlich, oder wir illustrieren den 1969-er Breyer (Einleitung, s.35ff) neu - und das solls ja auch nicht sein.
Grundfrage ist ja -ausgehend von der Siegfried-Klasse- nach wie vor: Bestreichungswinkel.
(Oder muss ich jetzt jedesmal, wenn "Winkel" zu schreiben wäre, "Darwin" pföteln? - da halt ich's mit Alex, und schreib einfach Szög  :-D ).

:MZ:
4 Ursachen für Irrtum:
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Spee

Alles aus den Jahren 1880-1882. Wir verlassen den Zeitraum keinesfalls.
Ich scan schonmal los, damit ich morgen nicht dem Wahn anheim falle.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Leutnant Werner

Eigentlich mein Thema....aber sehr beschäftigt zur Zeit...

Beim SIEGFRIED sind die Bestreichungswinkel für die Bugbatterie zu klein. Jedenfalls bei größeren Rohrerhöhungen konnten sich die Panzerkuppeln überschießen (ich habe jedenfalls eine Fundstelle, die das behauptet).

Anderes würde auch keinen Sinn machen, denn mit der alten SACHSEN-Klasse hatte die kaiserliche Marine ja schon ein Großkampfschiff konstruiert, dass zwei schwere Geschütze in einer Barbette vereinigte.

Viel interessanter als die Bestreichungswinkel sind die Panzerschemata aus der Zeit. Interessant auch die Feuergeschwindigkeit. Ein SIEGFRIED zum Beispiel hatte einen starken Gürtelpanzer, der aber wirklich nur die Wasserlinie schützte. Die Konstrukteure dieser Klasse gingen offenbar davon aus, dass ein Siegfried gegen ein größeres Schlachtschiff, dass aber ein ähnliches Panzerschema hatte, sehr gut Wirkung erzielen würde können, da diese Schiffe unter Gefechtsbedingungen ungefähr anderthalb Schuss pro Rohr abgeben würden können (Gegner alle 3-5 Minuten 1 Schuss), bei gedachten Gefechtsentfernungen unter 3000 m. SIEGFRIED würde mehr Treffer in kürzerer Zeit erzielen, der "formal" überlegene Gegner würde anfangen zu brennen, der Anfang vom Ende. Die beiden nebeneinander stehenden Panzerhauben machen klar: Der Gegner sollte frontal angegriffen werden, das minimierte die treffbare eigene Fläche bei einem relativen Maximum an Feuerkraft...

Viele der angesprochenen Designs haben keine Kampferprobung erlebt, deswegen ist es fast unmöglich zu sagen, welches Design unter welchen Umständen was geleistet hätte...

Beste Grüße
Ekke

Spee

@Ekke,

welches Design was leistet ist immer eine schwer zu beantwortende (bzw. nicht zu beantwortende) Frage. Es hängt letztlich immer an den Akteuren.

(Wäre Ingenohl statt Hipper am 31.5. Chef der 1.Aufklärungsgruppe gewesen, hätte Scheer ohne die 1. auskommen müssen. Ingenohl würde sicher schon vor der Sichtung Beattys Wilhelmshaven erreichen  :-) .)
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

harold

@ Ekke:
Jedenfalls bei größeren Rohrerhöhungen konnten sich die Panzerkuppeln überschießen (ich habe jedenfalls eine Fundstelle, die das behauptet).
Mach mal Angabe, wieviel Grad jeseits (und welche Erhöhungen?). Dann ändere ich das Schema.
:MG: Harold
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