SMS "Hertha"

Begonnen von Big A, 20 Oktober 2008, 15:56:58

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Big A

Moin!

Lese gerade das Buch "Gelber Wind" von Gerhardt Seyfried über die Boxeraufstand.
Eine Rolle in diesem historisch sehr akkuraten Roman spielt SMS "Herta", Flaggschiff des Deutschen Admirals in Tsingtau. Dabe wird erwähnt, dass sie in Genua in der Werft lag, weil die Abgase der Kessel die Schornsteine durch zu große Hitze stark beschädigt hatten.
Da ich nun von der zeit herzlich wenig Ahnung habe (sorry Ekke) mal die Frage, was da eigentlich los war.
Im großen und ganzen scheint dieser "10-Minuten-Kreuzer" nicht besonders gelungen gewesen zu sein.

Auf Antwort hoffend

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

Nauarchus

Moin Alex!

Speziell zur HERTHA kann ich Dir leider nicht mit Infos weiterhelfen, aber etwas allgemein zu den Kesseltypen dieser Klasse. Auf dieser Klasse erprobte die KM verschiedene Wasserrohrkesselsysteme um das geeignetste für die Marine zu finden. VINETA war mit dem Dürr-Kessel ausgerüstet worden. Dieser erwies sich als der verlässlichste aller getesteten Typen innerhalb dieser Klasse. Besonders schlecht traf es die FREYA mit ihren franz. Niclausse-Kesseln (nicht die vom Nikolaus!  :-D ). Diese haben niemals ordentlich funktioniert. Auch die HANSA mit ihren Belleville-Kesseln hatte große Probleme. Vor einigen Jahren ist glücklicherweise ein Bericht eines Besatzungsmitgliedes der HANSA der Vergessenheit entrissen worden. Er schildert darin recht ausführlich die Schwierigkeiten mit der Kessel-/Maschinenanlage bei der Ausreise nach Ostasien. Dieser Bericht kann in ähnlicher Form sicherlich auch für die anderen Schiffe der Klasse gelten.

Noch etwas allgemein zu der Klasse - Eine gerechte Beurteilung der Offensiv- und Defensiveigenschaften anhand bekannter Parameter fällt sehr schwer. Man sollte sich vollständig von der tirpitzschen Einschätzung als auch britischen Kommentaren lösen und vor allem auf der einen Seite die potentiellen Gegner und auf der anderen Seite auch die Einsatzerfahrungen betrachten. Im Vergleich mit den franz. Bauten gleichen Typs, der russ. PALLADA-Klasse und den (wenn auch kleineren) Elswick-Cruisers, schneiden die HERTHAs vor allem auf Grund ihres stärkeren Schutzes nicht schlecht ab. Der Begriff "ten-minuetes-cruisers" galt ja nicht nur für die dt. Schiffe, sondern mehr allgemein für die Kreuzer dieser Zeit.

Viele Grüße

Nauarchus
"Wenn ein Seemann nicht weiß, welches Ufer er ansteuern muß, dann ist kein Wind der Richtige."

Lucius Annaeus Seneca (römischer Philosoph & Dichter)

Big A

Moin Nauarchus,

auch wenn es Axel statt Alex heisst, vielen Dank für deine Antwort.
War in dem Roman auch nur ein Döntje am Rande welches da aufgeführt wurde. Da der Roman aber sehr gut recherchiert ist dachte ich halt dass da in der Literatur etwas zu finden wäre.

Gruss

Axel
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(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

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Nauarchus

Hallo Axel!

Äh, sorry.  ::B) Manchmal sind meine Finger auf der Tastatur schneller als meine Augen auf dem Bildschirm. Und wer richtig lesen kann ist klar im Vorteil.

Zitatvielen Dank für deine Antwort

Gern geschehen.  :-) Wenn ich zu diesem Thema noch was finden sollte, laß ich es Dich auf jeden Fall wissen.

Gruß Nauarchus
"Wenn ein Seemann nicht weiß, welches Ufer er ansteuern muß, dann ist kein Wind der Richtige."

Lucius Annaeus Seneca (römischer Philosoph & Dichter)

Leutnant Werner

Hallo Axel

Die Klasse hatte einen schlechten Ruf, und zwar deshalb, weil die Schiffe als zu langsam galten. Die Konstruktionsgeschwindigkeit erreichte nur ein Schiff, entweder HANSA oder FREYA, alle anderen blieben wenigstens einen Knoten darunter.

Ansonsten handelte es sich im Grunde um kleine, für deutsche Schiffe relativ stark bewaffnete, Panzerkreuzer. Sie hatten zwar nur ein Panzerdeck, das war aber 100 mm stark und an den Seiten stark geböscht, so dass die Schiffe über einen ausreichenden Vertikalschutz verfügten.

Die Armierung war insbesondere durch die 2 x 1 21cm/l40 äußerst stark für ein Schiff dieser Größe. Weil sie so "langsam" waren, wurden sie sehr bald als Schulschiffe eingesetzt, davor war jeweils eine größere Werftliegezeit angesagt, in der u.a. ein Schornstein von Bord kam.

Als Schulschiffe waren sie meistens im Auslandseinsatz. Ich erinnere mich an ein Kapitel in Wiechemanns Buch über die preußisch-deutsche Marine in Südamerika, in dem beschrieben steht, wie die VINETA ein venezolanisches Fort vor Puerto Caballo einäschert.
In einem mir vorliegenden autobiographischen Roman fährt die Hauptfigur mit VINETA 1913 ins Mittelmeer. Sehr erhellend darin die Geschwaderfahrt mit WALDECK-ROUSSEAU durch die Dardanellen (VINETA hält mit 15 Knoten bei voller Kraft mit Ach und Krach Anschluss, bevor beim Franzosen nach einigen Stunden die Maschine in die Knie geht)

Ich werde mal meine Literatur morgen auf ein paar interessante, nicht so bekannte Details hin untersuchen.

Gruß
Ekke

Torpedo

Könnten die Herrschaften bitte die erwähnte Literatur ein wenig genauer einstellen? Mich würden die beschriebenen Romane/Berichte sehr interessieren. Sind sie antiquarisch oder aktuell? Dann würde ich um Amazon oder andere Links bitten... Vielen Dank!
Uli "Torpedo"   [WoW Nic: Torpedo_uas]

"Man muss seine Geschichte kennen, um nicht die gleichen Fehler zu wiederholen"

Restaurierungsbericht des SEELÖWE, 20er Jollenkreuzer Baujahr 1943
http://facebook.com/r167seeloewe

Big A

Bei mir handelt es sich um den brandneuen Roman
"Gelber Wind" von Gerhard Seyfried,
bin durch eine Rezension im Deutschlandfunk darauf gestossen.
Ist historisch äussert genau recherchiert und zeigt anhand von 4 fiktiven Personen/Gruppen und vielen historischen Personen das Entstehen des Aufstands und die Reaktion "des Westens" darauf, geschrieben au sdem Blickwinkel der handelnden Personen, also nicht aus ex-post Sicht mit heutigem Wisse. Spannend zu lesen, insbesondere da mir völlig fremdes Themengebiet.

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
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t-geronimo

Au, dazu empfehle ich dann auch den Comic von Seyfried "Flucht aus Berlin".
War absolut kultig bei uns in den 90ern.
Haben da letztens mit einigen Leuten noch nostalgisch drüber geschwafelt. Da war jedes Bild über eine halbe Stunde betrachtenswert weil voller klitzekleiner Anspielungen, running Gags und anderen lustigen Dingen.
Und gerade gestern habe ich es mir witzigerweise via booklooker bestellt, weil meins irgendwann weg war.

Zufälle gibts...  :-D


End mit offtopic.  :MG:
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Torpedo

Seyfried und das Kaiserreich?
Uli "Torpedo"   [WoW Nic: Torpedo_uas]

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t-geronimo

Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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Torpedo

Klingt spannend. Werde mir den gelben Wind demnächst bestellen...
Uli "Torpedo"   [WoW Nic: Torpedo_uas]

"Man muss seine Geschichte kennen, um nicht die gleichen Fehler zu wiederholen"

Restaurierungsbericht des SEELÖWE, 20er Jollenkreuzer Baujahr 1943
http://facebook.com/r167seeloewe

Big A

Man merkt an dem Schreibstil dass er von Hause aus Comic-Zeichner ist, die Beschreibungen sind sehr plastisch und detailliert ohne langweilig zu sein.
Lt Interview im DLF hat er sich lange mit den Archiven im Auswärtigen Amt und im MGFA beschäftigt ehe er das Buch geschrieben hat.

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

Leutnant Werner

@Thorsten: Ist ja der Hammer, das DER SEYFRIED jetzt ein historisches Buch geschrieben hat. Ich war ein großer Fan seiner Comics :-D Ich werde es mir auch bestellen.

Zu den Vicoria-Louises....

David Lyon in CONWAY´s all the world´s fighting ships 1860-1905 (Kommentar):

"These protected cruisers show distinct abffinities with contemporary German battleship designs, with fewer guns, more speed, and onlay a 100 mm (4 in) protective deck amidships, and the same protection for the turrets. They also introduced the rather massive appearance ant the combined clipper and ram bow which were to mark ther  classes of German heavy cruiser aup to the 1907 Scharnhorst. These ships and their immediate successors were rather top-heavy. All the ships of this class were rebuilt  between 1905 and 1911 (FREYA was again rebuilt between 1911 and 1913), and were reboilered, with two funnels replacing the original three. The original tower foremast and fighting top were replaced by an ordinary pole mast. Two of the 150 mm guns were removed and an extra 88 mm added. In  1916 all ships were disarmed and used for accommodation, except for FREYA, employed as a schoolship (...)"


Fred T. Jane (Hrsg.): Jane´s all the world fighting ships 1906-07:

Notes - Trials rarely reached the designed H.P. in most cases. None are very good steamers, except the HANSA, which is the only one that reaches the designed speed in service. Laid down, 1895-96, and completed 1898-99. Cost about 500,000 pounds each (= die Hälfte eines kontemporären Schlachtschiffpreises)

Das Panzerschema weist bei Jane´s aus, dass die durch die Böschung des Panzerdecks bestehende Vertikalpanzerung mittschiffs im Bereich der Wasserlinie durch einen Kork-Gürtel verstärkt wurde. Zwischen diesem und der Böschung befanden sich die Kohle-Bunker ("Karbon-Panzerung" ).

Gröner: Die deutschen Kriegsschiffe, Band 1, S. 73-75.

Ist zu viel Info, um das hier darstellen zu können. Interessant vielleicht dieses Detail: "Sehr heiße Schiffe, durch mehrfaches Verbessern der Ventilation nach bzw. vor der Indienststellung etwas behoben" (S. 75).

Auch werden die Seeeigenschaften viel besser beschrieben als bei Jane´s. Nur bei leeren Unterbunkern wirkte sich die Topp-Lastigkeit aus, dann kam es zu Krängungen von über 15 Grad bei A.K. und Hartruder.

In Fritz Otto Busch´s autobiographischen Ergüssen "Fritz Holtenkamp. Ein Buch von der deutschen Flotte" wird recht eindrücklich geschildert, was passierte, wenn ein Kreuzer dieser Klasse hohe Fahrt lief. "(...)Signal von LEON GAMBETTA: Admiral an Kommandant, im Kielwasser folgen, habe Lotsen an Bord. laufe 15 Meilen (...) "19 hat die VINETA früher gelaufen, 15 werden wir wohl noch rauskriegen." Sie steuerten hinter dem Admiralsschiff drein. Es war keine schöne Fahrt. Der achtere Turm wackelte, in der Seekadettenmesse konnte man kaum auf den Bänken sitzen, so zitterte das Schiff von den hohen Umdrehungen der Maschine (...)".

In dem Buch übrigens sehr schöne Fotos, auch eine Bugansicht von SMS HERTHA nach dem Umbau.

Gruß
Ekke

Big A

@Ekke

Danke!
Meine Quellenlage zu dieser Zeit ist de facto Null, aber auf unser Forum ist ja Verlass!


Axel
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friebom

Zum  Thema SMS Herta kann ich eine kleine Geschichte beitragen.
Mein UR-Opa Jakob Grill war auf der Herta beim Boxeraufstand in China dabei.
Die Offiziere bekamen für ihre Kombüse ein Reh geschenkt und es wurde dann auch zubereitet.
Die Mannschaften freuten sich ebenfalls über eine unerwartete gute Mahlzeit, die Offiziere auch, am nächsten Tag war ein Bordhund (deutsche Dogge) verschwunden. Niemand wusste wer was verspeist hatte.
Zur "Freude" seiner Familie (Frau und 3 Töchter) hatte er dann noch einen Affen aus China mitgebracht. Der hat dann noch lange Zeit die Gäste der Kneipe, die er nach seiner Dienstzeit in Cuxhafen übernommen hatte, erheitert.
Ich selber habe auch lange nach Schriften usw. zur Herta gesucht. Da war die Informationslage doch recht dünn.
 

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