Vorstoß von Gneisenau am 7.10.39 in die Nordsee

Begonnen von Albatros, 16 August 2008, 17:52:47

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Albatros

Am 7.10.1939 läuft ein Marineverband mit dem Schlachtschiff Gneisenau, Kreuzer Köln, und neun Zerstörern aus seinem Heimatstützpunkt zu einem Vorstoß in die Nordsee aus.
Zweck des Unternehmens, der Verband soll die Home Fleet zum Auslaufen bewegen und in den Wirkungskreis deutscher Bomber bringen. Außerdem soll die Home Fleet über einen Streifen deutscher U-Boote die vor der schottischen Ost- Küste liegen gezogen werden.

Meine Frage hierzu: Die Home Fleet ist auch ausgelaufen aber mir ist nicht bekannt  ob U-Boote oder Bomber Erfolg hatten?

Gruß, :MG:

Manfred


Mario

Die britische Home-Fleet reagierte völlig anders, als von der deutschen SKL geplant. Ihr Befehlshaber, Admiral Forbes, vermutete einen Ausbruchversuch in den Atlantik und lief nach Norden in die Nähe der Shetlandinseln.
In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, ob jemand Informationen hat, die die jeweiligen Erkenntnisse der Luftaufklärung zu diesem Zeitraum belegen.

Albatros

Hallo Mario,

Der deutsche Verband wurde am 8.10.39 von einer Hudson der 224 RAF Squadron  erfasst. Darauf hin liefen die Humber-Force und die Homefleet aus.

Gruß, :MG:

Manfred

MS

07.10.1939
Vorstoß des Flottenchefs (Admiral Boehm) mit dem Schlachtschiff Gneisenau, dem Leichten Kreuzer Köln und 9 Zerstörern (Max Schultz, Paul Jacobi, Bernd von Arnim, Friedrich Ihn, Erich Steinbrinck, Friedrich Eckoldt, Diether von Roeder, Karl Galster und Wilhelm Heidkamp) gegen die Südküste Norwegens.
Gründe für diese kurze Reise waren
- die Schiffe und ihre Besatzungen sollten in einem begrenzten Gefechtsgebiet üben können
- die alliierten Handelsschiffe in der Nordsee sollten angesichts dieser Bedrohung zur Bildung von Geleitzügen gezwungen werden,welche wiederum ein legales Angriffsziel für die "Einbäume" waren
- Einheiten der Home Fleet sollten aus ihren Stützpunkten in die Reichweite der deutschen Luftwaffe gelockt werden
- schließlich sollte auch Hitler besänftigt werden, der gefragt hatte, warum diese teuren Schiffe nicht eingesetzt werden


Der deutsche Verband wird am frühen Nachmittag des 8.10. durch eine Hudson der RAF-Squadron 224 des Coastal Command erfaßt.

In der Annahme dass die Gneisenau zu einer langen Fahrt in den Nordatlantik aufgebrochen sei, um dort alliierte Geleitzüge anzugreifen, schickte Admiral Forbes die meisten seiner Grosskampfschiffe der von ihm befehligten Home Fleet in verschiedene Seestützpunkte in Schottland


Zum Einsatz kamen die »Humber-Force« mit den Leichten Kreuzern Edinburgh, Southampton, Glasgow.
Aus Scapa Flow liefen die Schlachtkreuzergruppe mit Hood, Repulse, Kreuzern Aurora, Sheffield und 4 Zerstörern aus, dazu die Home Fleet mit den Schlachtschiffen Nelson, Rodney, dem Träger Furious, Kreuzer Newcastle und 8 Zerstörern.
12 Wellington-Bomber verfehlen das deutsche Geschwader.

Der Einsatz von 127 He 111 des KG.26 und des Lehrgeschwaders 1 sowie 21 Ju 88 der 1./KG.30 am 09.10.39 gegen die in die Nordsee ausgelaufenen Einheiten der Home Fleet bringt keine Erfolge. Keine der über 100 abgeworfenen Bomben traf ein britisches Schiff.

In den Morgenstunden des 10.10.39 liegt der deutsche Verband wieder an seinen Liegeplätzen, die Gneisenau in Kiel.

Die Einheiten der Home Fleet aus Scapa Flow wussten nicht dass die Gneisenau schon wieder im Hafen lag und setzten die Jagd nördlich und nordwestlich der Orkney Inseln fort. Als sie keine Spur von den Deutschen fanden ordnete Forbes den Abbruch der Suche an und befahl den Schlachtschiffen Nelson und Rodney, den Schlachtkreuzern Hood und Repulse, sowie dem Flugzeugträger Furios, die von Scapa Flow gekommen waren, den Stützpunkt Loch Ewe im Nordwesten Schottlands anzulaufen.

Der kurze Einsatz der Gneisenau hatte also zur Folge gehabt, die wichtigsten Grosskampfschiffe der Home Fleet aus Scapa Flow abzuziehen.

Das wiederum hatte zur Folge dass Prien bei seinem Vorstoss mit U47 in den britischen Flottenstützpunkt nur verwaiste Liegeplätze vorfand, lediglich das alte Schlachtschiff Royal Oak, das zur Sicherung eines Geleitzuges eingesetzt worden war, konnte versenkt werden.
Der Vorstoss der Gneisenau ging für die Kriegsmarine also voll nach hinten los und bewahrte die Home Fleet vor grösseren Verlusten.

Peter K.

07.10.39
F.d.Luft West - Aufklärung von 08.00 bis 15.00 Uhr stellt nur zwei britische Minensuchboote, die auch erfolglos angegriffen wurden, und geringen Handelsschiffverkehr fest.

08.10.39
F.d.Luft West - Aufklärung von 05.30 bis 15.30 Uhr erfasst nur 44 Handelsschiffe.
Eine "Hudson" der 224. Squadron des Coastal Commands sichtet den deutschen Verband und meldet zuerst um 12.43 Uhr einen Zerstörer, dann um 13.08 Uhr ein Schlachtschiff, einen Kreuzer und vier Zerstörer 60 sm nördlich des bereits genannten Zerstörers. Vier weitere Zerstörer in der Voraus- und Seitensicherung wurden nicht erkannt. Die letzte britische Luftaufklärungsmeldung erfolgt um 15.47 Uhr und meldete die deutsche Gruppe 40 sm westlich von Egeröy mit nördlichem Kurs und 15 kn Fahrt. Alle diese Meldungen werden vom deutschen B-Dienst erkannt und gelesen.
Dieser B-Dienst erfasst auch die Reaktionen der Royal Navy und stellt folgende Feindgruppen fest:

  • Kreuzer SOUTHAMPTON, EDINBURGH und SHEFFIELD mit 7. Zerstörerflottille
  • Kreuzer BELFAST und NEWCASTLE mit 4 Kreuzern der C- und D-Klasse, sowie 4 Zersörer der Tribal-Klasse
  • 3 Kreuzer mit 2 Zerstörern der Tribal-Klasse
  • Schlachtschiffe ROYAL OAK, RESOLUTION und ROYAL SOVEREIGN, Kreuzer AURORA und 2 Zerstörer der Tribal-Klasse

09.10.39
Die britische Luftaufklärung findet den deutschen Verband nicht wieder.
Die F.d.Luft West - Aufklärung mit 10 Do-18 und 6 He-115 stellt folgende Feindgruppen fest:

  • um 08.04 Uhr im Qu.4611: 3 Schlachtschiffe, 2 Zerstörer
  • um 08.10 Uhr im Qu.3419: schwere Seestreitkräfte, 3 Kreuzer, 2 Zerstörer, Kurs 90°
  • um 08.14 Uhr im Qu.3151: 3 Schwere Kreuzer, 2 Zerstörer
Um 08.40 Uhr setzt der F.d.Luft West die 3./506 mit He-59 und die 3./706 mit 8 He-59 zum Torpedoangriff, sowie die 1./406 mit He-115 zum Bombenangriff an.
Die drei Fühlungshalter des F.d.Luft West an den Feindverbänden melden etwa um 09.30 Uhr deren Positionen zwischen Qu.3410 und Qu.3124, Generalkurs 300°, Fahrt 17 bis 20 kn.
Gleichzeitig erkennt der B-Dienst, dass ein englischer Zerstörer wegen Maschinenschadens umkehren muss.
Bereits um 10.55 Uhr muss die 3./506 unverrichteter Dinge wieder landen, ebenso wie die 1./406 um 12.15 Uhr. Etwa zum selben Zeitpunkt muss auch die 3./706 wegen Spritmangels umkehren ohne auf den Gegner getroffen zu sein.
Aber auch das X. Fliegerkorps hat ab 06.30 Uhr seine Aufklärer in der Luft, die zwei britische Verbände ausmachen und erfolglos angreifen. Die eingesetzten 127 He-111 und 21 Ju-88 der I./KG30, I. und II./KG26, II. und III./LG1 finden zwar teilweise ihre Ziele nicht, melden aber 8 Treffer. Tatsächlich wird kein britisches Schiff getroffen.

10.10.39
Der deutsche B-Dienst stellt fest, dass die britische Luftaufklärung erst ab 14.00 Uhr im Einsatz steht und nur 6 deutsche Minensuchboote als Zerstörer meldet. Folgende britische Streitkräfte in See werden ebenfalls erkannt:

  • Schlachtkreuzer REPULSE und Kreuzer AURORA, eventuell Flugzeugträger FURIOUS
  • Schlachtschiffe NELSON und RODNEY, sowie Schlachtkreuzer HOOD
  • Kreuzer SOUTHAMPTON und NEWCASTLER, dazu eventuell noch andere Kreuzer des Geschwaders
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Albatros

#5
Dank Euch für die ausführlichen Schilderungen,

Bei der Schilderung der Flottenstärken stelle man sich mal vor der deutsche Verband wäre auf  Admiral Forbes Home Fleet gestoßen ...das hätte schon das frühe Ende der Gneisenau sein können, hätte sicher wenig Begeisterung (- schließlich sollte auch Hitler besänftigt werden) beim GröFaZ ausgelöst.

127 He 111 , 21 Ju 88 , über 100 Bomben und nicht einen Treffer  :roll:..........nun , nicht gerade ein Ruhmesblatt.

Dann auch noch U-47 die Ziele entzogen, da fragt man sich ob die eine Hand der SKL  wusste was die andere tat.

Und dann sind die wohl alle auch noch über den U-Bootstreifen gebrettert ........ :MZ:

Gruß, :MG:

Manfred





Mario

Ich denke mal, daß niemand in der SKl damit rechnen konnte, daß die Briten nach dieser operation nicht nach Scapa Flow zurücklaufen würden. Auf der anderen Seite wären die meisten britischen Großkampfschiffe auch ohne den Gneisenau-Vorstoß in die westschottischen Stützpunkte ausgewichen. ich meine, mal gelesen zu haben, daß den Briten die mangelnde U-Boot-Sicherheit durchaus bewußt war und sie deshalb fast alle ihre Einheiten vorrübergehend abzogen.

OWZ

Ganz schön Punta Stilo-mäßig dieser dt. 148 Bomber-Angriff. Immerhin ist man da doch ein paar Monate später beim Angriff auf "Z 1" und "Z 3" mit nur einer He 111 (?) wesentlich effektiver gewesen.

OWZ


Mario

Man sollte aber nicht vergessen, daß es sich hier um eine sehr frühe Phase des Krieges handelte. Es fehlten die praktischen Erfahrungen, die man in einem Krieg einfach erst erlernen muß.

Spee

Servus,

danke für den Anstoß in Richtung Punta Stilo, OWZ. Über andere und deren Fehlleistungen amüsiert lachen ist halt einfacher, als die eigenen Fehlleistungen klar deutlich zu machen.
Aber Mario trifft den Kern der Sache. Keinerlei Erfahrungen und falsche Taktik (Hochangriffe) waren bei allen Nationen am Anfang des Krieges der Grund für reichlich Pleiten. Speziell das am Angriff beteiligte LG1 war später im Mittelmeer ein auf Schiffsbekämpfung spezialisierter Verband, von den Briten mit Respekt als "Helbig-Flyer" bezeichnet.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Impressum & Datenschutzerklärung