Nordkap-Treffer auf "Scharnhorst"

Begonnen von Woschnik, 30 Juni 2008, 10:19:40

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Woschnik

Wie konnte die Duke of York so oft die Panzerung der Scharnhorst durchschlagen? Z.B. den Treffer in den Maschinenraum? Denn die Panzerungen der BS und der SH scheinen mir als Laien nicht so wirklich unterschiedlich.

Liebe Grüße

Volker

t-geronimo

#1
@ Woschnik:

Eigentlich hat SHs Panzer ganz gut gehalten. Sie wurde nur im Prinzip an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen, was die Maschine angeht.
Die Granate ging durch den nur 45 mm starken Zitadellpanzer und ist dann wohl sogar am 80-mm-Panzerdeck abgeprallt - wie eigentlich gewünscht.
Leider hat sich erst nach der Konstruktion der SH erwiesen, daß die Kessel zu hoch für die Kesselräume waren und deshalb an dieser Stelle das Panzerdeck um etwa 75 cm angehoben werden mußte - siehe (grobe) Zeichnung.
Durch den vertikalen Teil dieser Panzerung ist die abgeprallte Granate dann durchgegangen und im oberen Teil des Kesselraums explodiert.

Die meisten anderen SA-Treffer von DoY haben auch wieder nur im oberen Teil des Schiffs Zerstörungen angerichtet - SA, MA und SFlak außer Gefecht, Feuer im Hangar usw.
Aber keine nennenswerten Wassereinbrüche oder so, die SH verlangsamten. Das kam erst durch den Kesselraumtreffer. Die Flutungen kamen dann durch den ersten Zerstörerangriff mit mehreren Torpedotreffern.
Danach hat DoY ja nochmal eingegriffen auf unter 100hm - und festgestellt, daß es mit Artillerie eben kaum ging. SH zu versenken.
Darum dann der zweite (und tödliche) Torpedoangriff mit Zerstörern und Kreuzern.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

toppertino

#2
Mal kurz dazwischengefragt: Hatte nur SH diesen "Buckel" oder auch GU?

mfg
Lebensende mit 3 Buchstaben: EHE!

t-geronimo

#3
Soweit ich weiß ja, da beide Schiffe Kessel des gleichen Herstellers und somit auch den gleichen Maßen hatten.
Garzke & Dulin listen für GU auch kein gesondertes Panzerschema in diesem Bereich auf.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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delcyros

#4
Zitat von: t-geronimo am 30 Juni 2008, 13:03:04


Die meisten anderen SA-Treffer von DoY haben auch wieder nur im oberen Teil des Schiffs Zerstörungen angerichtet - SA, MA und SFlak außer Gefecht, Feuer im Hangar usw.
Aber keine nennenswerten Wassereinbrüche oder so, die SH verlangsamten. Das kam erst durch den Kesselraumtreffer. Die Flutungen kamen dann durch den ersten Zerstörerangriff mit mehreren Torpedotreffern.
Danach hat DoY ja nochmal eingegriffen auf unter 100hm - und festgestellt, daß es mit Artillerie eben kaum ging. SH zu versenken.
Darum dann der zweite (und tödliche) Torpedoangriff mit Zerstörern und Kreuzern.

Wie gut ist dieser Kesselraumtreffer eigentlich belegt? Wird dieser von Überlebenden bezeugt (für diesen Pfad) oder ist er ein Kind plausibler Überlegungen? Es gibt ja nicht wenig Gründe die gegen diesen Pfad sprechen:
A) der Weg ist zu lang (der Lagewinkel lag bei über 60 Grad, Scharnhorst stobte davon), womit ein Weg ZP>Splitterlängsschott>Buckel zwar noch möglich aber vom Zündweg her nicht mehr plausible erklärt werden kann.
B) der Schaden war nach Ausweis von Augenzeugen reparierbar und Maßnahmen wurden sofort ergriffen (stellt euch dass bei einem im Kesselraum detonierten 14" Treffer vor, da kannst nix mehr machen)-Später konnten nochmal 20+ Kts gefahren werden.
C) Der temporäre Schaden war deutlich zu groß um durch nur einen Treffer in einem Kesselraum erklärt zu werden:
Nach Whitley reichten Scharnhorst 10.000 SHP bei 38.950t. aus um 14 Kts zu fahren (Probefahrten). Die Geschwindigkeit nach dem Treffer reduzierte sich jedoch auf unter 10 Kts. Theoretisch würde ein einziger Kessel genug Dampf aufmachen können um mehr Geschwindigkeit zu erzielen.

Andererseits:
Kesselraum 1 zeigte Probleme (einschließlich des Totalausfalls) in praktisch allen früheren Einsätzen von Scharnhorst, Scharnhorst wurde vor 18:20 im range plot mit 32.5 Kts bei NorthCape (DoY-plot) gemessen, was ein deutlicher Hinweis auf ein Überlast ist. Könnte die Maschienenanlage nicht generell zusammengebrochen sein als Folge zu langer Fahrt mit Überlast?

-sorry, das gehört hier eigentlich gar nicht her-

dark-schnuffi

#5
@delcyros,

ist auch die Theorie von Antonio. Der für "Scharnhorst" schon fast normal zu nennende Maschinenanlagenzusammenbruch war Ursache für den Fahrtverlust, nicht der Treffer von "Duke of York".

Spee
Nutze jede Nacht, es könnte Deine letzte sein!
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toppertino

#6
ZitatC) Der temporäre Schaden war deutlich zu groß um durch nur einen Treffer in einem Kesselraum erklärt zu werden:
Nach Whitley reichten Scharnhorst 10.000 SHP bei 38.950t. aus um 14 Kts zu fahren (Probefahrten). Die Geschwindigkeit nach dem Treffer reduzierte sich jedoch auf unter 10 Kts. Theoretisch würde ein einziger Kessel genug Dampf aufmachen können um mehr Geschwindigkeit zu erzielen.

Vielleicht ein Zusammenbruch, begünstigt durch den Treffer von DoY (Rohrreißer?) ???
Sind aber zu viele "Vielleichts" um eindeutig geklärt zu werden...

mfg
Lebensende mit 3 Buchstaben: EHE!

Woschnik

#7
Zum Treffer auf der Scharnhorst:

Bei dem wilden Seegang könnten Überlegungen hinsichtlich eines Einschlagwinkels der 35cm Granate in jede spekulative Richtung gehen, ich mach' da mal mit uns spinne drauflos.

Die Granate hätte wer weiß wo einschlagen können, um in den Maschinenraum durch zu stoßen.

Vielleicht, als die Scharnhorst den Bug extrem hoch in der Luft hatte, damit ein stark abgesenktes Heck - und WUMMS, hat die Granate einen prima Einschlagwinkel.

Könnte die Granate nicht auch quasi von "hinten" durch bis in den Maschinenraum? Ist das möglich? Was ich meine: Heck hoch in der Luft, und die Granate schlägt über den Rudern durch das Heck ein - gab es überhaupt gepanzerte Querschotts (keine Ahnung meinerseits)?

Wobei ich die Überlegung des Überlast-Maschinenausfalls hochspannend finde. Zumal bei den schlimmen Wetterbedingungen.
Liebe Grüße

Volker

t-geronimo

Ja, Antonios Theorien...
Halt Theorien, aber nichts bewiesen.

Ich habe mich auch oft gefragt, woher diese detailierte Schadensmeldung stammt, zumal ich nie ein Zitat eines Überlebenden mit einem Bericht darüber gelesen habe - und deren gab es ja nur 36.
Auch habe ich keinen Bericht eines Überlebenden gelesen, der vorm Untergang von jemand anders (der später mit dem Schiff unterging) ein Schadensmodell geschildert bekommen hat.

Also kann auch ich mich nur an Indizien halten. Schaun wir doch mal.


  • Unter den Überlebenden ist der Maschinenhauptgefreite Rolf Zanger. Gefechtsstation der betreffende Kesselraum Nr. 1.
    Leider habe ich nie ein Interview mit ihm gehört und weiß nicht mal, ob er den Krieg selber überlebt hat.
    Aber sicherlich konnte er einiges an Schilderungen beitragen, auch wenn er es nur an andere überliefert hat.
  • Weitere Überlebende waren in der Leckwehr oder auf der Admiralsbrücke stationiert, haben also sicherlich auch einiges zumindest an Schadensmeldungen mitbekommen.
  • Aussage des Oberbootsmannsmaat Willi Gödde (Artillerie-Zielsäule Kommandobrücke):
    "Gegen 17 Uhr schwere Erschütterung im Schiff, das mit der Fahrt ziemlich herunter ging. Ich nahm an, Torpedotreffer etwa mittschiffs, obwohl darüber nichts im Telefon durchgegeben wurde."
    Später berichtet er von einem weiteren Torpedotreffer etwa 18.45 bis 19.00, durch den das Schiff nochmal aus der Fahrt kam.
    Und dann: "Wir liefen 20 Meilen. Das dritte Kraftwerk der Maschine war wegen Dampfunterbrechung ausgefallen.... Der LI meldete, sie hofften, den Schaden in 20-30 Minuten behoben zu haben."
  • Matr.Ogfr. Hubert Witte, BÜ auf der Admiralsbrücke, sah gegen 18.20 Uhr den Geschwindigkeitsanzeiger von 29 auf 22 Knoten fallen, nachdem eine Granate achtern getroffen hatte.
  • Matr.Gefr. Günter Sträter spürte eine schwere Erschütterung im Schiff und hörte kurz darauf die Meldung: "Torpedotreffer Kesselraum 1, Schiff macht nur noch 8 kn Fahrt." Später kam dann: "Schiff macht wieder 22 kn."

Wenn man jetzt mal pingelige Details wie genaue Uhrzeiten usw. wegläßt, da diese bei eigentlich jeder längeren und heftigeren Gefechtsschilderung arg voneinander abweichen können (v.a. wenn einem das eigene Schiff unter einem weggeschossen wird - siehe auch Endkampf Bismarck!!), so bleibt unterm Strich eins:
Direkt bevor Scharnhorst so plötzlich an Fahrt verlor, gab es eine mächtige Erschütterung im Schiff. So stark, daß manche erst an einen Torpedotreffer glaubten. Und direkt danach kamen die Schadensmeldungen aus Kesselraum 1.
So einen BUMM macht doch kein Rohrreißer, oder??
Und zum betreffenden Zeitpunkt war nach Schilderung der Briten gar kein Schiff in der Lage, SH zu torpedieren.
Bleibt also als Ursache für die schwere Erschütterung nur ein 35,6-cm-Treffer oder ein Photonentorpedo aus der 7. Dimension, oder?


Was nun ganz genau dieser Treffer angerichtet hat, dazu habe ich auch keine detailierten Zeugenberichte gesehen, kann mich da also auch nur auf Sekundärliteratur verlassen. Aber so ganz werden die sich das auch nicht aus den Fingern gesaugt haben, oder?
Ich bin absoluter technischer Laie, was Schiffsantriebe im allgemeinen und im 2. Wk im speziellen angeht und kann daher auch nicht fachlich begründen, was genau passieren würde, wenn in einem Kesselraum mit 4 von zwölf Kesseln eine Granate explodiert und wieviel das Schiff dann theoretisch an Fahrt verlieren Könnte/müßte (wie hängen die alle zusammen? Geht auch woanders Druck verloren, wenn in Raum 1 alle Leitungen zerfetzt werden?).
Das Wissen, ob noch andere Räume betroffen waren, mag ja vielleicht mit denen, die es wußten oder mitbekommen haben, im Seemannsgrab versunken sein.
Die Leckwehr unter LI Korv.Kpt. König hat dann jedenfalls Kesselraum 1 isoliert und Leitungen kurzgeschlossen/umgeleitet oder wie auch immer man einen Kesselraum isoliert. Und danach machte das Schiff wieder 2/3 Fahrt.
Ob nun ein britisches 35,6-cm-Geschoß an dieser Stelle durch den Panzer durchgehen kann oder nicht, das haben die Panzerungs-Experten doch im anderen Thema eigentlich schon beantwortet, oder nicht? Nämlich, daß ihre ganzen Rechenmodelle für Null-Lagen und optimierte Verhältnisse gelten.
Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, daß SH und DoY bei der kabbeligen See da draußen, wie Woschnik (übrigens sehr, sehr schön, Volker, daß Du wieder aktiver bei uns bist!!!) schon anmerkte, genau die Lage zueinander hatten, daß diese Rechenmodelle zutreffen?


Eigentlich ist es doch egal, ob das DoY-Geschoß nun exakt diesen Weg genommen hat oder einen anderen. Es hat jedenfalls das erzielt, wofür es gebaut wurde. Zerstörung angerichtet. Punkt.

Und um nun wieder zum Ausgangspunkt zurückzukommen:
Bei dieser Fakten- und Indizienlage finde ich die gängige Schilderung, daß der Treffer Sh verlangsamte, sehr plausibel. Was ja nicht dagegen spricht, das andere Rohrreißer ebenfalls auftraten bei den starken Erschütterungen.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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Karsten

Mal off topic:

Von dem, worüber Ihr hier diskutiert, habe ich keinen blassen Schimmer (ich beschäftige mich ja schwerpunktmäßig "nur" mit Landungsfahrzeugen und nicht mit Dickschiffen).  :-D

Aber Eure Diskussion ist ein Musterbeispiel, warum ich dieses Forum so sehr liebe: Fachlich auf höchstem Niveau, Probleme von verschiedenen Seiten angehend und immer fair miteinander. Ich glaube nicht, dass Ihr Euch in fachlicher Hinsicht vor so manchem anerkannten Bücherschreiber verstecken müsst.

Bitte weiter so, es ist ein Vergügen, dieser Diskussion und vielen anderen zu folgen!  top top top

Karsten
Viele Grüße,

Karsten

Huszar

Moin, Moin

Um eine Geschwindigkeitsverrringerung zu erreichen, braucht es eigentlich keinen direkten Treffen in den Kesselraum. Man erinnere sich an den Treffer, den Warspite bei Punta Stilo 940 auf Guilio Cesare erzielt hat! Lediglich Schornstein durchschossen, und einige weitere Schäden, und trotzdem mussten mehrere Kessel vorübergehend abgeschaltet werden.
Hab jetzt gerade kein Schema der SH vorliegen (sch*** Büro), könnte mir aber vorstellen, dass der Rauchabzug zerschossen wurde, und die Explosion durch die Abzugsöffnung nach unten durchgeschlagen hat, und einige Kessel kaputt gemacht hat.

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Spee

Servus Alex,

bei "Guilio Cesare" war der Grund für die Kesselausfälle noch banaler. Der Rauch der Brände an Oberdeck wurde durch die Lüfter in die Kessel gezogen und führte zum Abschalten der Kessel. Nach Löschen der Brände und erneutem Anfahren der Kessel konnte "Guilio Cesare" die Fahrt wieder erhöhen.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Huszar

Eben!

Da reichen schon solche wirklich banalen Sachen, es muss kein direkter Treffer gelandet werden. Den letztendlichen Grund werden wir aber wohl nie erfahren...

Btw: hat jemand gaaaaaaaaanz zufallig einen Langsschnitt durch die SH? Kann die Rauchabführung für K1 weggeschossen werden, ohne die anderen Kesselräume zu beeinträchtigen?

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

t-geronimo

Ehrlich gesagt verstehe ich die ganzen Zweifel nicht ganz, wenn es sowohl aus Kesselraum 1 als auch von der Leckwehr Überlebende gab.
Woher haben denn Autoren wie G&D, Watts usw. ihre Informationen? Doch wohl nicht nur aus der Kristallkugel, oder? Selbst wenn sie nicht direkt mit den Überlebenden gasprochen haben - irgendwer in der KM wird doch wohl die Überlebenden befragt und einen Bericht gefertigt haben.
Das waren Deutsche!!!! Die mußten das tun, weil Bürokratie dort genetisch veranlagt ist, quasi ein Zwang sozusagen.
Man müßte Freiburg vor der Haustür haben...

Muß zu Hause mal schauen, was ich an Schnitten habe, bin momentan auf Maloche.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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Ralf

Ehem, gingen nicht alle Überlebenden in Gefangenschaft? *malganzdooffragt*  :|
Gruß
Ralf
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Gorch Fock

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