Horchgerät bei schweren Einheiten

Begonnen von Triton, 14 Mai 2007, 16:02:52

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Triton

Hallo allerseits!

Kann mir jemand sagen, welche schweren deutschen Einheiten mit Unterwasser - Horchgeräten ausgerüstet waren und warum das nicht bei allen so war? Kosten? Geschwindigkeit? Gewohnheit?

Die Reichweite war ja nicht schlecht, wenn es stimmt, dass bei "Rheinübung" der Holland-Verband zuerst von PE mittels Horchgerät bemerkt wurde, deutlich vor der ersten Sichtung.
Haben Eigengeräusche gar keinen Einfluß auf die akustische Gegnererfassung gehabt? PE lag ja nicht gerade gestoppt da sondern war zügig unterwegs Richtung freier Atlantik.

Beste Grüße
Joerg
Captain Queeg: "tell the crew for me that there are four ways of doing things aboard my ship: The right way, the wrong way, the Navy way, and my way. They do things my way, and we'll get along."

Scarab

genau die selbe frage hab ich mir auch schon lange gestellt triton :) wie kann man meilenweit hören wenn das eigene schiff doch ne menge geräusche produziert , BS war ja sicher auch nicht leise wenn du knapp davor fuhr ...

Albatros

Hallo,

das was mir dazu einfällt ist,ich glaube die Geräte wurden weit von den eigenen Schallquellen entfernt eingebaut.Damit waren sie von den eigenen Schallquellen bestmöglich geschützt.
Die damaligen Passiven Horchgeräte konnten immer jeweils nur in eine bestimmte Richtung" Horchen",die Richtung konnte aber bestimmt werden.Lief ein Schiff direkt voraus  konnte die  weiter entfernte Schallquelle voraus nur schwer oder gar nicht geortet werden.Ebenso war die Möglichkeit achteraus bei fahrendem Schiff zu Horchen praktisch null.Außerdem konnte glaube ich die Entfernung nicht genau bestimmt werden aber die Richtung,lediglich die Lautstärke der empfangenen Geräusche konnte darüber Auskunft geben ob das Ziel Nah oder Weit entfernt ist und um welchen Schiffstyp es sich handeln könnte.

Gruß, :MG:

Manfred

Peter K.

Grundsätzlich muß man ´mal sagen, daß die deutschen Unterwasser-Ortungsanlagen vor und während des Zweiten Weltkrieges allen ausländischen Geräten überlegen, zumindest aber gleichwertig waren.

Die Ortungsreichweite von passiven Geräten wie dem Gruppenhorchgerät (GHG) ist im wesentlichen von den Ortungsbedingungen abhängig - salzarmes Wasser und viele Temperaturschichten in Wasser, wie z.B. in der östlichen Ostsee, reduzieren die erzielbaren Reichweiten erheblich!

Ortungen nach voraus und achteraus sind immer problematisch, wie ALBATROS schon festgestellt hat. Diese Bereiche wurden aber dadurch minimiert, indem die Empfänger halbkreisförmig nach unten offen im Vorschiff angeordnet wurden. Aus der Draufsicht ergab sich daher eine annähernd kreisförmige Anordnung, die theoretisch nahezu alle Bereiche abdeckte.

Nach dem KTB PG ortete der Schwere Kreuzer die englischen Schiffe mit dem GHG um 04.07 Uhr in Peilung 286°, also nahezu querab unter guten Ortungsbedingungen, lange bevor sie visuell gesichtet wurden. Auch vorher schon wurde die NORFOLK bei 26 kn Eigenfahrt auf 300 hm Entfernung gehorcht.
Die Anlage der PRINZ EUGEN sorgte nach Kriegsende bei den Amerikanern übrigens für viel Furore, wurde bereits vor den Versuchen im Bikini-Atoll ausgebaut und auf dem Uboot FLYING FISH für Erprobungszwecke montiert!

Literaturempfehlung:
Eberhard Rössler,
Die Sonaranlagen der deutschen Unterseeboote
2. Auflage
ISBN 3-7637-6272-8
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

t-geronimo

Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Triton

An die Horchgerät - Filmszenen in "Das Boot" kann ich mich noch erinnern, aber eigentlich dachte ich immer, dass das Rundhorchen nur bei E-Fahrt unter Wasser funktioniert. "Unten hört man mehr als man oben sieht", so oder so ähnlich waren die Worte des "Alten". Wieder was gelernt.

Bleibt noch die Frage, warum die Schlachtschiffe nicht mit diesem unentbehrlichen Aufklärungsmittel versehen waren? Wegen Funkmesseinrichtungen überflüssig? Toll, dabei traute man sich oft gar nicht, die Geräte überhaupt einzuschalten.
Ich verstehs nicht.

Beste Grüße
Joerg
Captain Queeg: "tell the crew for me that there are four ways of doing things aboard my ship: The right way, the wrong way, the Navy way, and my way. They do things my way, and we'll get along."

t-geronimo

Bismarck und Tirpitz hatten ein GHG!
http://www.bismarck-class.dk/technicallayout/ghg/ghg.html

Bei Scharnhorst und Gneisenau weiß ichs nicht genau.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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Triton

Scharnhorst kann keines gehabt haben, sonst hätte sie nicht beim Unternehmen "Ostfront" mehrfach aus kurzer Entfernung überrascht werden können. Nicht wahr.
Oder die Bedienung hielt gerade ein Nickerchen.

Beste Grüße
Joerg
Captain Queeg: "tell the crew for me that there are four ways of doing things aboard my ship: The right way, the wrong way, the Navy way, and my way. They do things my way, and we'll get along."

Peter K.

Nun, ich habe jetzt meine Quellen nicht zur Hand, aber ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, daß SH kein GHG gehabt hätte ... vielleicht waren auch einfach nur die Ortungsbedingungen am Nordkap bescheiden ...
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

ufo

#9
Ich muss gestehen ich hab gerade kein Verweis auf ein Photo an der Hand, welches Scharnhorst aus dem Wasser in Bugansicht zeigt aber ich bin mir sicher, dass man darauf die Öffnungen vom GHG sehen wird.

Die Vorteile von diesen Dingern sind halt, dass Wasser ein ausgesprochen guter Schalleiter ist und dass der Schall in Wasser relativ langsam ist (gegenueber elektromagnetischen Wellen wie sie ein Radar benutzt). Hat man also zwei Mikrophone selbst mit nur relativ geringem Abstand zueinander, kann man aus der Zeitdifferenz zwischen der Aufnahme das Geräusches in beiden Mikrophonen grob die Richtung peilen aus der das Geräusch kommen muss.
Nimmt man dann wie im GHG eine ganze Batterie von Mikrophonen, ist das erstaunlich genau.

Ja – und dann kommt eine längere Liste a Nachteilen:
Die Dinger sind natürlich anfällig für Eigengeräusche. Das heisst man kann schlecht unter seinem eigenen Maschienenraum nach achteraus peilen. Unter anderen eigenen Schiffen im Verband durch ist noch relativ machbar. Hohe und niedrige Fraquenzen breiten sich unterschiedlich aus und werden unterschiedlich gedämpft. Das heisst ein Turbinenschiff zwölf Seemeilen querab gibt eine andere Signatur im Empfänger als ein Schiff, dass nur eine viertel Meile querab läuft. Damit kann man mit einem gut eingespielten Team also ein gegerisches Schiff durchaus identifizieren auch wenn der Sektor von einem eigenen überdeckt wird.
Recht gut geht es natürlich auch, wenn man Turbinenschiffe im Verband hat und ein Motorschiff anläuft oder umgekehrt. Aber generell sind Eigengeräusche schon unangenehm.

Viel problematischer ist Seeschlag. Arbeitet sich das eigenes Schiff durch schwere See und alle Momente donnert einem die See in den Schiffskörper, ist man relativ ,blind'. Ich würde vermuten, dass das Scharnhorst bei ,Ostfront' den Hals gebrochen hat. Ausserdem hat sie eventuell ihr eingespieltes Horchteam kurz vorher beim Besatzungstausch von Bord gegeben und genau wie Radaranlagen brauchten die Dinger erheblich Erfahrung um vernuenftige Ergebnisse zu liefern.

Ja – und wie Peter schon schrieb mögen die Dinger es gar nicht wenn man Wasserschichtungen hat. Aber ich glaube nicht dass das beim gut umgerührten arktischen Ozean während ,Ostfront' ein Problem war. 

Ufo

Josef

@ triton

Die Horchgeräte der schweren Einheiten müssen wir in aktive und passive Geräte unterteilen. Die Mikrofone des passiven Geräte (GHG und NHG) waren fest in die Bordwand eingebaut, konnten also folglich nur nach den Schiffsseiten hin horchen. Anders das aktive S-Gerät, das mittels eines aus dem Schiffsboden ausfahrbaren Schaftes 360° erfassen konnte. Abgesetzt von den am Schaft befindlichen Schwingern befanden sich bei den großen Einheiten noch zusätzliche Schwinger am Stevenfuß. Wenn Ufo die Öffnungen am Stevenfuß der Scharnhorst dem GHG zuordnet, so ist das nicht ganz richtig, denn die gehörten zur S-Anlage. Wo die Mikrofone des GHG bei den U-Booten (Peter K.) waren, weiß ich nicht, das dürfte der von ihm zitierte Rössler besser wissen.

Freundschaftlich
Josef

Albatros

Moin Josef

aha,also nur nach den Seiten und wie genau war die Entfernungsbestimmung?.

Gruß, :MG:

Manfred

Josef

@ Albatros

ich füge Dir mal an, was ich dazu in Heft 46 (Amati-Bismarck) dazu geschrieben habe.

(1) Das GHG
Dieses Kürzel steht für das passiv arbeitende Gruppenhorchgerät. Es bestand aus den Empfangsgeräten und einer abgesetzten Gruppe von horizontal und halbkreisförmig angeordneten Kristallmikrofonen. Mittels dieser Anlage konnte ein gut ausgebildeter Horcher die Richtung und Antriebsart erkennen sowie die Schraubendrehzahl schätzen. Auf der Bismarck wurden dazu in die Unterwasserbordwände der Abtlg. XIX je Schiffsseite 64 Mikrofone eingebaut. Die von den Atlas-Werken, Bremen, gelieferte Anlage des Typs Nr. 57 hatte angabegemäß eine Reichweite von 26 km (unter günstigen Bedingungen – kaltes Wasser – waren es tatsächlich rd. 50 km). Die Peilgenauigkeit betrug +/- 2°.

Anmerkung dazu: Die Entfernungsangabe der Prinz Eugen bei der Peilung des brit. Verbandes von rd. 300 hm kann - so wie die noch mir in Arbeit befindliche Rekonstruktion des Gefechtes in der Dänemarkstr. - nicht stimmen, denn die Rückkopplung aller Kurse und Zeiten wird bei rd. 50 km liegen und das deckt sich mit den obigen Angaben.

(2) Das NHG
,,Navigationshorchgerät" war die Tarnbezeichnung für ein Gerät, dass im Prinzip gleich dem GHG arbeitete. Sein Frequenzbereich war jedoch auf die viel schneller laufenden Propeller von Torpedos, die einen helleren Ton erzeugten, eingestellt. Somit konnte man unabhängig vom GHG anlaufende Torpedos erkennen und verfolgen. Die dazu erforderlichen Mikrofone waren in der Abtlg. XXI eingebaut. Das ebenfalls von den Bremer Atlas-Werken hergestellte Gerät des Typs NHG 38 hatte eine Reichweite bis 2 km und lieferte nur eine grobe Seitenpeilung.


(3) Die S-Anlage
Die ,,Sonderfernsteueranlage" war die Tarnbezeichnung für ein aktiv und passiv arbeitendes Gerät, das man als Vorläufer des heutigen Sonar bezeichnen kann. Sie bestand aus dem Ausfahrgerät mit zusätzlich abgesetzten Schwingern, diversen Peripheriegräten und dem stromliefernden Generator. Das um 270° schwenkbare Ausfahrgerät befand sich in Abtlg. XVI, die abgesetzten Schwinger im Bereich des Stevenfußes. Im Fuß des Ausfahrgerätes waren Sende- und Empfangselemente integriert, deren Arbeitsmodus von einer sich ständig drehenden Nockenscheibe gesteuert wurde. Im Sendemodus wurde ein horizontaler Impuls abgegeben, dessen Echo im Empfangsmodus wieder aufgenommen wurde. Das Echo wurde über eine Braunsche Röhre zu einer Spiegelscala geleitet, von der die Entfernung in Hektometer abgelesen wurde. Das Gerät konnte auch zum Peilen genutzt werden. Die Richtung ergab sich aus den Lautstärken des Echos. Die Geräte wurden den Atlas-Werken, Bremen, den Kieler Elac-Werken und AEG hergestellt, welche Ausfertigung auf Bismarck eingebaut war, steht nicht fest. Sie hatten eine Reichweite bis zu 15 km und eine Peilgenauigkeit von +/- 2°. 
(Siehste, also 270°, keine 360° wie zu schnell geschrieben.)

Freundschaftlich
Josef

Albatros

Hallo Josef,

ganz große Klasse das Du das mal hier rein gestellt hast,das Interessiert bestimmt viele von uns,Danke. :=D>

Zum NHG : 2 km Reichweite bei anlaufenden Torpedos,da blieb ja nicht viel Zeit zum Reagieren!,aber immerhin.Ist Dir auch bekannt auf welchen Einheiten dies eingebaut war?.

Gruß, :MG:

Manfred

Josef

@ Albatros

Nee, Manfred,

welche schweren Einheiten mit welchen Geräten ausgerüstet waren oder nachgerüstet wurden, kann ich Dir nicht sagen. Anhand der entsprechenden Pläne weiß ich nur 100%-ig, dass BS und TP damit ausgerüstet waren. Nach Angaben von Schmalenbach hatte PG auch alle 3 Geräte.

Freundschaftlich
Josef

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