"5-Minuten-Schiffe" wirklich nur für 5 Minuten gut?

Begonnen von Leutnant Werner, 01 Januar 2007, 23:36:37

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Leutnant Werner

Über Konteradmiral Mauves 2.Geschwader bei Jutland hatten wir es ja schon diverse Male:

Klar, dass diese Schiffe wie ein Hemmschuh die deutschen Dreadnoughts behinderten und das Crossing-the-T der Briten durch die Herabsetzung der Geschwindigkeit sicherlich wenigstens mit verursachten.

Meine Fragen bezieht sich auf die Bezeichnung "Fünf-Minuten-Schiffe". Implizit versteht sich diese Bezeichnung so, als würden die Pre-Dreadnoughts der "DEUTSCHLAND-Klasse" nur 5 Minuten lang dem Feuer eines modernen Großkampfschiffes widerstehen können würden.

Ich frage mich erstens, wo die Bezeichnung herkommt: Wer hat sie erfunden?

Zweitens: Auch wenn die Erschaffer der Bezeichnung echte Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Protektion dieser Schiffe hatten, und Conway´s (1860-1905) platterdings behauptet, dass "The weakness in the protection and magazine arrangements of the secondary armament was almost certainly the cause of the loss of the Pommern (...)", so sprechen doch die Panzerungs-Schemata der DEUTSCHLANDS und die Empirie der Schlachten von Yellow Sea und Tshushima  dagegen.

Die DEUTSCHLANDS hatten einen recht ordentlichen Gürtelpanzer. Die Angaben der maximalen Dicke schwanken. Jane´s 1906-07 gibt 9 3/4 Zoll, also ungefähr 245 mm. Conway´s macht ungewöhnlicherweise keine genauen Angaben. Breyer (alt) gibt im Fließtext 225 mm max., im Querschnitt-Diagramm aber 240 mm. Weyer 1914 gibt 240 mm an. Gehen wir mal von 240 mm aus.

Von den Panzerstärken her waren die Schiffe also ziemlich nah dran an den frühen britischen Dreadnoughts wie der ST.-VINCENT-Klasse und NEPTUNE, sie waren durchweg stärker gepanzert und kompartmentiert als die Pre-Dreadnoughts des russisch-japanischen Krieges und die hatten sich schon als erstaunlich widerstandsfähig erwiesen.
Bei der Seeschlacht von Kap Schantung (Yellow Sea) schluckte beispielsweise der CESAREVICH insgesamt 13 schwere Treffer vom Kaliber 30,5 cm, und bis auf die letzten beiden quasi simultan erzielten, die das Schiff kurzzeitig manövrierunfähig machten, hatten die anderen die Kampfkraft nicht nennenswert herabgesetzt (Conway´s: "no very great damage had been caused"). MIKASA war in derselben Auseinandersetzung ähnlich oft getroffen worden und zeigte erst gegen Ende Wirkung.

Mit anderen Worten: Die alten Eimer konnten schon ganz gut einstecken, jedenfalls mehr, als man ihnen zugestehen möchte. Die 28 cm l/40 der BRAUNSCHWEIGS hatten eine ROF von fast 3 pro Minute, und da man für Gefechtsberührungen in der Nordsee auf deutscher Seite in der Regel von maximal 120 hm Gefechtsentfernung wegen schlechter Sichtigkeit ausging, spielt auch dies eine gewisse Rolle. Bis auf die schwachsinnige Kaliber-Erhöhung bei der Mittelartillerie war die Klasse also nicht so schlecht.

Hätten sie eine wirkliche Gefechtsberührung gehabt vor Jutland (also nicht gerade gegen Hugh-Evans Geschwader, aber gegen eine andere Battle Squadron der Grand Fleet), hätten sie sich nicht vielleicht besser geschlagen, als das gemeinhin vermutet wird?

"Although none of these ships managed to match their British contemporaries, they showed a distinct pattern of rapid improvement which was to become even more noticeable in the later German ships of the Dreadnought era" (Conway´s history of the ship: Steam, Steel and Shellfire, S. 125)

Gruß
Lt.

Huszar

Die pre-dreadnoughts waren mM gar nicht mal sooo schlecht, vor allem, wenn man sie mit den ersten Generation an Dreadnoughts vergleicht.

Um wenige Knoten langsamer, etwa gleiche Panzerung, lediglich die Feuerkraft war kleiner. Allerdings kann man auch mit 4*305 Zeugs kaputt machen, zwar icht so schnell, wie mit 10-12*305, aber immerhin.

Treffen war damals allerdings noch praktisch reine Glückssache, insofern...

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Woelfchen

5 min stimmt wohl nicht, aber es gab ein paar Gründe die gegen die Schiffe sprechen:
- langsamer als Dreadnoughts (behinderung der eigenen Flotte)
- wesentlich schwächer bewaffnet
- ehr schwächer gepanzert

Bei zahlmäßigen Überlegenheit können sie sich gegen Dreadnoughts zur wehr setzen.
Sieht das Zahlenverhältnis nicht so gut aus so muß man damit rechnen das sie versenkt werden.
Wer möchte schon Schiffe verlieren? Dann doch lieber verrosten lassen?

Nicht nutzlos, aber gegen modenere Schiffe klar unterlegen.

Die Goben wurde doch mal von mehreren russischen Predreadnoughts in die Flucht geschlagen. Mehr allerdings auch nicht.

Johannes

Huszar

Höchstgeschwindigkeit ca. 2-3 Knoten niedriger, Marschgeschwindigkeit praktisch identisch. Bis auf die Ausnahme, dass die Flotte über 18 Knoten fahren will, sehe ich keine Beeinträchtigung.

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Langensiepen

Hallo Johannes, laß bitte die MMD aus einem Vergleich mit technischen Daten heraus. Das Vor- bzw  Weglaufen der YAVUZ hatte zwei Gründe: die sauschlechte Schießleistung, hauptsächlich wohl durch fehlende Übungen, bedingt durch lange Reparaturzeiten und Kohlemangel. Sowie die `politischen Auflagen `. Selbst das Wegschießen von TBooten gelang ja nicht und das hat nix mit Panzerstärke u.ä. zu tun. Letztlich halte ich von theoretischen im nachherein Diskussionen nicht viel. Papierwerte sagen nix aus. So bekam um 1980 herum Nigeria ne ganz moderne Fregatte , ich hatte die Freude mit der Besatzung über einige  Zeit eng ``zusammen zu arbeiten`` . Ich glaube selbst Herrn Nelson  hätte den Dampfer in einer 1/2 Stunde versenkt.  Etwas übertrieben,aber..  :-o
BERND 

Leutnant Werner

Johannes spielt auf die Seeschlacht von Kap Sarych vom November 1914 an. Ja gut, die Russen hatten ihre Schießleistungen nach dem russisch-japanischen Krieg enorm gesteigert und Methoden einheitlicher Feuerleitung eingeführt, was insbesondere für die Linienschiffsbrigade von Admiral Eberhardt zutraf. Es gab noch ein weiteres unentschiedenes Gefecht am 9. Mai 1915 zwischen diesen und Yavuz. Alles sehr schön nachzulesen in Bernds Buch auf den Seiten 29 ff und 48 f.
Breyer behauptet, Yavuz habe auch am 9. Mai 1915 ein russisches Schlachtschiff getroffen, in Bernds Buch steht das Gegenteil.

Natürlich hat Bernd recht, wenn er sagt, die Yavuz durfte in solchen Gefechten nicht riskiert werden. Kann mir schon vorstellen, dass eine risikoreichere Gefechtsführung den einen oder anderen Pre-Dreadnought zum Sinken bringt. Aber die Russen haben gut geschossen und sich bewährt.

Meine Folgerung: Pre-Dreadnoughts waren auch im WK1 noch für Flottenoperationen in eingeschränktem Maße zu gebrauchen, hätten aber nicht zusammen mit Dreadnoughts eingesetzt werden sollen, um nicht deren Stärken, insbesondere die Geschwindigkeit, zu beschneiden.

Langensiepen

Eben! Einfach gesagt, die Russen schossen besser und wurden erfolgreicher geführt, die MMD schoss saumiserabel und ihre Führung war halt etwas sehr abwägend. Also war das benutzte Gerät nicht der alles entscheidende Faktor. Ich möchte aber keine neue Runde einläuten unter dem Motto: Mit Hipper oder Scheer als Chef der MMD wäre alles anderes verlaufen. Gewiss wäre alles anders verlaufen, aber wie bleibt unergründet, erweil es eben Souchon war, der der MMD vorstand und nicht Hipper oder Scheer.  Neben rein technisch-wissenschaftlichen Annahmen sind doch meist die mentalen Gründe sehr entscheidend. So auch bei der Frage nach der 5 Minuten Absauferei.  Was ich beim Studium der WK1 T-Bootsakten an unglaublichen ( oder doch schon glaublichen ) menschlichen Schwächen , Fehlleistungen u.a.g.m. gelesen haben hat bei mir die Meinung verstärkt, das alles in der Welt so abläuft wie es abläuft und man nachher immer schlauer ist.
BERND

rosenow

,,Kurze Bemerkung nicht ganz zum Thema"

ZitatVon Langensiepen
,,.........das alles in der Welt so abläuft wie es abläuft und man nachher immer schlauer ist."
Bernd
Sehr gut, finde ich!
Fehler sind dazu da um sie zu machen und hinterher ist man immer schlauer.
Genau darum geht es doch und natürlich um geschichtliche Richtigstellungen und Aufklärungen, oder?
Das macht es doch erst interessant!
mit freundlichen Gruß
Michael


,,Macht`s gut und denkt daran!
Es gibt drei Sorten von Menschen:
Die Lebenden.
Die Toten.
Und die, die zur See fahren."
Hein Schonder

harry


Hallo,

die Waffen, die die größten Fortschritte in den Jahren vor dem 1.WK gemacht haben
waren der Torpedo und die Mine. Die meisten Vor-Dreadnoughts sanken nach Unterwassertreffern.
In einem reinen Geschützduell mögen sie auf ihre Größe bezogen ähnlich gut einstecken können
wie die ersten Dreadnoughts, konnten aber weniger austeilen.
Mein Fazit: Die Vor-Dreadnoughts waren nicht mehr effektiv, sie einsetzen hieße ein wesentlich höheres
Risiko eingehen(im Verhältniss zum Dreadnought entschieden mehr Personal und Materialeinsatz).

Einige Länder sind dieses Risiko gegangen(Dardanellen, Skaggerak) und waren über die Ergebnisse
mit Sicherheit nicht erfreut.

Nur mal am Rande:  Etliche Vor-Dreadnoughts waren noch keine 10 Jahre in Dienst und gehörten schon
zum alten Eisen. Man stelle sich unseren Finanzminister vor, nachdem ihn unser Verteidigungsminister
erklärt hat, daß er alles was vor 1996 gebaut wurde eigentlich nicht mehr brauchen kann. :O/Y

Gruß
Harry     

Leutnant Werner

Wettrüsten gab es in im letzten Jahrhundert zweimal in Europa - mit den bekannten Folgen. Was da an Leben und an Werten weggeschmissen wurde, geht auf keine Kuhhaut, Harry. Und es war so sinnlos, weil die, die sich bekämpften, sich so sehr ähnlich waren.
Mein Lieblingsautor in militärischen Sachen, der Brite John Keegan, nannte das erste Kapitel seines Buches über den ersten Weltkrieg " A European Tragedy", und der erste Satz darin lautet: "The 1st world war was a tragic and unnecessary conflict". Das ist genauso richtig, wie die Tatsache, dass common sense darüber herrschte, dass man politische Konflikte militärisch regeln kann (im Clausewitz´schen Sinne) und alle sich darauf vorbereitet haben. Besonders in der Seerüstung. Deswegen waren die Verfallsdaten für den Kampfwert von Schiffen im Dreadnought-Zeitalter immer schneller ablaufend.

Sogar alte Schiffe, und das war gerade bei den mit Kolbenmaschinen laufenden Pre-Dreadnoughts nicht durchgehend üblich, konnten sich auch nach mehr als zehn Jahren Indienststellung in einem technisch einwandfreien Zustand präsentieren.  Nottelmann nennt in seinem weithin bekannten Buch einige Beispiele. Der Verlegungsmarsch der beiden an die Türkei verkauften Schlachtschiffe wurde in 1910, also deren 15. oder 16. Lebensjahr, noch mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 12,5 Knoten durchgeführt. Und die beiden in Deutschland verbliebenen Brandenburgs konnten bei Ostsee-Operationen zu Beginn des WK1 bei 13 oder 14 Knoten noch Station halten, und das tagelang, obwohl die konstruktionsbedingte Höchstgeschwindigkeit bei nur 16 Knoten lag. Die DEUTSCHLANDS waren 10 Jahre jünger als die Brandenburgs, und galten dennoch als hoffnungslos veraltet zu Kriegsbeginn, weniger als 10 Jahre nach ihrer Indienststellung. Das war das Wettrüsten.

Heutzutage muss so eine Fregatte erst mal 30 Jahre und 2-3 Midlife-Refits durchhalten, ehe sie an eine Dritte-Welt-Marine verkloppt wird, wo sie dann noch mal einen Zwanziger dranhängt. So ändern sich die Zeiten

Woelfchen

Pre-Dreadnoughts einsetzen oder nicht?
Was haltet ihr von den folgenden Ideen:

1. Bevor sie im Hafen verrosten....dann lieber kämpfen und die Besatzung riskieren.
2. Nö, lieber verrosten lassen/in Reserve (für was?) halten.
3. Besatzungen damit Ausbilden.
3. Geschütze ausbauen und woanders verwenden.
4. Irgendwas anderes.

Man hat ja die Schiffe, als was damit machen?

harry


Für einige Aufgaben bestimmt noch verwendbar, z.B. Ausbildung aber
nicht mehr für die 1.Linie geeignet.
Gleiches gilt denke ich auch für Panzerkreuzer(Skaggerak, Doggerbank)


Gruß
harry

Huszar

Ich würde immernoch sagen, dass sie noch in (fast) der ersten Linie eingesetzt werden konnten. Es gab schlicht SO viele von ihnen, dass sie zwangsläufig eingesetzt werden MUSSTEN.
Ganz krass gesagt: ich schicke meine Pre-Dreadnoughts in die Schlacht, und kann mir sicher sein, dass mein Gegner sie auch einsetzt - aus dem einfachen Grund, dass es sie gibt.
Für zweitrangige Aufgaben - Küstenbeschiessung, Station in Nebenkriegsschauplätzen, usw - waren sie perfekt.

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Leutnant Werner

Kommt darauf an, würde ich sagen:
1. Dreadnought-Dichte im Einsatzgebiet
Ein oder zwei Dreadnoughts sind für ein Geschwader von Pre-Dreadnoughts noch nicht unbedingt eine Gefahr. Aber da, wo Dreadnoughts geschwaderweise eingesetzt werden, kann man die älteren Schlachtschiffe nicht einsetzen.

2. Panzerung des Pre-Dreadnought
Schiffe, die in der frühen französischen Manier gepanzert waren (starker, aber sehr dünnflächiger Gürtelpanzer auf Höhe der Wasserlinie, ansonsten hohe ungepanzerte Bordwände), wären von einem Dreadnought in wenigen Minuten in brennende Scheiterhaufen verwandelt worden. Bei den deutschen Schiffen gilt das z.B. für die alte Kaiser-Klasse und die Beowulfs.
Dann gab es auch Pre-Dreadnoughts mit einem 6-Zoll-Gürtelpanzer wie z.B. die britische Canopus, dass ist dann schlicht und einfach ebenfalls zuwenig Protektion

3. Besteht die SA des Pre-Dreadnought aus Schnellfeuerkanonen?
Ohne solche kann man Pre-Dreadnoughts nicht rausschicken. Wenn ein Schiff schon weniger SA hat als ein Dreadnought, und kann mit diesen Kanonen nur einmal alle zweieinhalb Minuten feuern, während der Dreadnought zweimal pro Minute und Rohr feuern kann, dann sind auch mehrere Schiffe der vorgenannten Art chancenlos. Ebenfalls entscheidend ist die maximale effektive Reichweite der SA, die bei 150 hm liegen sollte.

harry


@Huszar:
da kann ich überhaupt nicht zustimmen. :-o
Das hört sich so an, als ob die Schiffe alle im Kampf untergehen sollten, mit ihren Besatzungen(immerhin ein paar hundert Mann pro Schiff)!!!
Es gibt immer wieder technologische Sprünge, die eine Vielzahl von Schiffen zum alten Eisen gehören lassen,
z. B. Explosivgranaten, Flugzeuge oder SSM`s(adios Holzschiff und BB).
Die Marine, die das zuletzt erkennt zahlt mit Menschenleben!!!
Zu deinem zweiten Satz: Wo waren die britischen Dreadnoughts in der Skaggerak-Schlacht?
Zum dritten Satz:
Na ja, da muß man Differenzieren:
Küstenbeschießung?  Dardanellen!!! Der Ort der Beschießung ist fix, die Schiffe müssen dorthin, also
kann ich mich beruhigt auf die Lauer legen(Anfahrtsweg oder Zielpunkt) oder Minen legen.
Station in Nebenkriegsschauplätzen?  Falls keine oder fast keine Dreadnoughts da sind, vieleicht. 

@Leutnant Werner: weitgehendst Zustimmung


Gruß
Harry





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