Originalpläne der GASCOGNE gefunden

Begonnen von harold, 02 November 2006, 01:33:16

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Wilfried

Moin Harold,

ich habe zwar überhaupt keine Ahnung von der Gascogne; aber versuche doch einmal auch den Dumas und andere zu verstehen; möglicherweise hat er nur Fragmente oder andere Stückwerke bekommen und hat versucht in der Anmutung dieses Schiff zu reproduzieren?
Ich schreibe dieses aus eigenem Erleben; bin gerade dabei eine Konstruktion des U-Boot-Tenders Tsingtau hinzubekommen ...

Mit einem lieben Gruß
der Wilfried

PS: Übrigens erst einmal Anerkennung, wie Du den Jungs aus dem frankophilen Bereich die Infos aus dem Bordeaux lutscht ...  :-D
... Tradition pflegen, bedeutet nicht, Asche aufzubewahren sondern Glut am Glühen zu halten ...
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harold

Wilfried, ich glaube, die Chronologie ist anders.

1962-74 reger Briefwechsel und Archivbesuche von Garzke/Dulin, der in G/D gegebene Schnitt der Gascogne entspricht dem Dokument S.T.1184 (reingucken und unter dieser Nummer finden, zum Vergrößern anklicken, Bruno hat's in http://www.phpbbplanet.com/warshipprojects/viewtopic.php?t=135&mforum=warshipprojects
online gestellt). Auch sonst recht informativ...

Späte 70-er Jahre, Recherchen von Dumas, fördert exakte Daten der Turmpositionen zutage, sowie die Information, dass das "Projekt 279" (unter diesem sind die Vorstudien und Endfassungen zu G zusammengefasst) offensichtlich in letzter Minute geändert wurde. Hat er einen Plan gesehen, oder "nur" den bekannten Vorplan "um die Geschützpositionen herum" umgezeichnet? Wir wissen's (noch) nicht. Anschreiben werd ich ihn...

Nach 1992, Rückkehr der Pläne aus der UdSSR an Frankreich.

Herbst 2006, Bruno Gire entdeckt und fotografiert die Pläne. Sowohl er als auch ich sind überzeugt davon, dass es sich um ein schon seeehr weit fortgeschrittenes Stadium handelt (ich darf die Dinger privat herzeigen, jedoch nicht online stellen oder Kopien davon versenden, so die Abmachung, und ich halte mich dran...).

Vor vier Tagen beginne ich mit der Umzeichnung, dauernder Mailkontakt Bordeaux-Wien, und als ich dann die Längsschnitte (1184) zu studieren beginne, kommen mir erste Bedenken.
Zwar stimmen die Schnitte mit den Umzeichnungen überein, jedoch im Bereich des vorderen Aufbaus sind irritierende Divergenzen.
Bruno entdeckt gleichzeitig, dass Unterbauten und Kompartimentierungen der Hauptdeckspläne (die hab ich nicht) nicht mit den Decksplänen übereinstimmen. Sie zeigen ein anderes Stadium ...
... ja, und ab jetzt qualmen die Köpfe.
Nachdenkpause bis montags (da ist er wieder im Archiv), und dann weitere Schritte.

@Alex, am Freitag oder Samstag siehst du die Dinger ... das wird sicher einer der Diskussionspunkte der Gansl-Runde! Bauen tu ich vorderhand mal gar nix - die im Modellbauthread angekündigte Chirurgie wird vorderhand sistiert, bis mehr Informationen da sind.

So weit der Stand der Dinge (ihr seht an der Tageszeit, es ist eher intensiv... :wink:)

Ciao,
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

winni

Mal ne dumme Frage.Wie wird "Gascogne" eigendlich im deutschen ausgesprochen ?  :roll: Gasonie ?  :?
Es sind immer die Abenteurer die große Dinge vollbringen.


Montesquieu.

Trakan

Modellbau ist wie eine Photographie ..Man braucht das Negative um sich zu entwickeln

Gruß Uwe

winni

Es sind immer die Abenteurer die große Dinge vollbringen.


Montesquieu.

harold

Der bekannteste Gascognard ist meines Wissens der mit der langen Nase, Cyrano de Bèrgerac.
Im Übrigen: die Gegend um Toulouse herum; und als "running gag" natürlich auch die Heimat des (damals entscheidungstragenden) Admirals Darlan.-

Die "Quellenlage" kann jetzt auch mal graphisch belegt werden.



Ganz oben die Planumzeichnungen nach Brunos Funden (die vorletzte Variante), dann
der Querschnitt aus G/D, der von S.T.1184 abgezeichnet zu sein scheint,
und drunter Tony Gibbons, aus "Enceclopedia of BB's & BC's", 1983

Dass die Planumzeichnungen von S.T.1184 und der neue Fund einander entsprechen, war bald mal klar.
Auch, dass in S.T.1184 nach dem 13.1.39 keinerlei Änderungs-Ergänzungen mehr eingetragen sind, obwohl der
Plan wesentlich detailreicher geworden ist = ein Indiz auf Aufgabe dieser Projektstufe, aber eindeutig!

Nun kommt das Interessante:
Tony Gibbons, als (genauer!) Illustrator bekannt, gibt eine ganz kleine Skizze von Gascogen (grade mal 8 cm).
Und siehe da : in den Proportionen stimmt sie mit Brunos Planfund überein!

D.h. also, es wird Zeit, Herrn Gibbons zu kontaktieren...

Nächster Fund:

Garzke/Dulin geben im Textverlauf eine kleine Skizze von Gascogne, die nicht mit ihrem Längsschnitt (=S.T.1184) übereinstimmt;
bisher haben wir die ignoriert, aber skaliert man sie auf die selbe Größe, dann wirds erstaunlich (oben G/D, unten D):



Die Dinger stimmen weitgehend überein! D.h. G/D und Dumas hatten die gleiche graphische Quelle, nur sie verschieden interpretiert,
kann auch sein, dass Dumas einige Informationen zusätzlich einfließen lässt, die G/D nicht hatten...
(wir haben auch schon Vermutungen, welche!).

Bruno kontaktiert jetzt Herrn Dumas über seinen Bekannten Jean Moulin (einen der top-10 der französischen Marineautoren),
um die Quelle für seine Zeichnungen rauszukriegen.

Jedenfalls ist inzwischen klar, dass
die oberen drei aus zwei Primärquellen (der gefundene Plan und S.T.1184) sowie aus zwei Sekundärquellen speisen (Gibbons, Garzke),
die unteren beiden Sekundärquellen sind,
jedoch aufgrund diversester sehr exakten Angaben von Dumas auf eine gemeinsame Primärquelle verweisen,
die eindeutig die "Endversion" ist.

Díe wollen wir nun eruieren ... (naja, "wir": Bruno sitzt vor Ort...nicht ich!)

Naja, und ich ... mach mal weiter an den Decksplänen zur "vorletzten Version".

Ciao,
Harold

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- der Mangel an Beweisen;
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- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Ralf

Sehr spannend, muss ich sprechen... Liesst sich, wie ein Krimi... :ML:
Gruß
Ralf
___________________________________________
,,Du kannst Dein Leben nicht verlängern und Du kannst es auch nicht verbreitern. Aber Du kannst es vertiefen!"
Gorch Fock

Jefgte

Salut Harold,


C'est très bien, c'est très très bien
Es ist sehr gut, es ist sehr sehr gut.

:OuuO: :OuuO: :OuuO:



Jef ::Y>
1/700 WL scratchbuilt in progress
- HMS Lion
- SMS Friedrich dre Grosse
- USS Arkansas

harold

Nach einigen Wochen Pause (jedoch nicht Untätigkeit!) kam heute morgens ein Mail von Bruno. Ich übersetz mal die wichtigsten Passagen:

>>Gestern ein Anruf von Hrn Dumas; ein über 1-stündiges Telefongespräch:
Ich (=Bruno) hatte ihm geschrieben, von unseren Recherchen erzählt, und ihm die offenen Fragen dargelegt.
Deine (=Harold) Umzeichnungen der Planfotografien hat er mit großem Interesse wahrgenommen, ebenso die Darlegung unserer Ideen.
Er selbst baut immer noch Modelle in 1/500 (Japan, Frankreich, US) und ist freundlicherweise bereit, seine Informationen mit uns zu teilen.

Nun das, was er über ,,seine" Gascogne erzählt:

-die Positionsangaben der Geschützaufstellungen sind exakt, er hat sie aus einem ,,devis d'armement" (=Pflichtenbuch) übernommen, das er im Augenblick nicht bei der Hand hat (viele Umzüge, Material in Kartons);  kann aber die Originalquelle bestätigen.

-zwar wurde er von SHM 1992 eingeladen, die aus Potsdam rückgestellten Pläne zu begutachten, doch in seine Bücher floss das nicht mehr ein. Den von mir (=Bruno) nun gefundenen Plan kennt er auch noch nicht.

-die Aufbauten von GASCOGNE hat er schlicht und einfach nach den ihm vorliegenden Plänen von CLEMENCEAU gegißt – er gibt gerne zu, dass da ein bisschen Phantasie mit im Spiel war. Einen detaillierten Plan (1/100) von C schickt er mir noch diese Woche per Post – ich mach dir (=Harold) dann scans davon.

-unseren Rekonstruktionsversuchen und unserer ,,Verschiebetheorie" von 6.7m stimmt er voll und ganz zu und gratuliert uns.

-ursprünglich hatte er keinen so guten Plan wie wir nun zur Verfügung ... seine Ausgangsquelle war Henri LeMasson, French Warships of the Second World War; McDonald; etwa vor 30 Jahren publiziert;  sowie eben der sehr detaillierte Plan von Clémenceau. Es ist mehr als erstaunlich, dass er mit so vagen Quellen eine beinahe exakte Übereinstimmung mit den nun gefundenen Plänen erzielt hat (wenn man von der Verschiebung absieht)!

-wir stimmen nun überein, dass wir die Aufbauten von Clémenceau an den von dir (=H) umgezeichneten Rumpf (bis Aufbaudeck) adaptieren werden ... insofern Glückwunsch, ohne deine Rekonstruktion wären wir nicht so nahe dran!
[...]

Voilà, das Geheimnis ist gelüftet! Jetzt geht's nur noch darum, die Pläne entsprechend umzuzeichnen und sowohl dein Modell 1/400 als auch meins 1/700 zu fabrizieren.<<

...Dem hab ich wenig hinzuzufügen, bevor ich mich nicht wieder graphisch betätige ... vermutlich können Bruno und ich den Interessierten dann bald mal einen von M.Dumas "abgesegneten" Plan der Gascogne unter den Weihnachtsbaum legen ... vermutlich.
Aber da mich die Recherche nun mal gepackt hält, werd ich auch noch versuchen, über die Quellen von Gibbons und G/D etwas in Erfahrung zu bekommen.
Lieber "der" endgültige Plan ins Osterhasen-Nest, als eine "Zwischenversion" zum Christkindl!

Ja, soweit mal aus der "franko-austriakischen Forschungsabteilung",
Ciao,
Harold

(edit: à la tienne, Jef! pas su que tu pourrais lire l'allemand si bien sans grands problèmes - mais sois sûr que Bruno lui va donner un commentaire au marineforum francais. Au moins, je l'espère - mon francais suffit pas pour expliquer tous les finesses; desolé...  :| )
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harold

Tja, jetzt geht die Umzeichnerei los - Ziel sollte sein, so nahe an die Orginalpläne wie möglich zu kommen...



ganz oben, als Referenz, der von G/D 1980 von LeMasson (1969) übernommene Plan, der ja relativ genau ist,
darunter der Plan von Dumas, rot darüber gelegt die bisherigen Korrekturen, blau eine Metrierung ab Achterkante Heck
(dazu gleich Anmerkungen!),
unten die Umzeichnung der von Bruno gefundenen "vorletzten" Pläne.

Dumas gibt als Referenz die exakten Positionen der einzelnen Geschützstellungen an (ab Heck). Nun, in jeder Marine oder schiffbaulichen Anstalt werden diese Metrierungen ab achterem Perpendikel (=CWL achterster Punkt) gemessen.
Erstaunlicherweise hier nicht - denn wenn man die exakten Werte der gunpositions einträgt, kommt man (bei 80% der Positionen) auf die von LeMasson und Dumas eingezeichneten Werte nur dann, wenn man die Achterkante als Messpunkt nimmt.
Interessant, interessant! - offenbar hat Dumas LeMasson's Zeichnung weitgehend kopiert, ohne die ihm bekannten Messpunkte nachzuprüfen ... das kann nur heißen, dass LeMasson zwar eben diese Messpunkte kannte, sie jedoch falsch (ab Spitze Heck) eingetragen hatte.

Ich tendiere nun dazu, die Umzeichnung strikt nach den Messangaben des Artillerie-Pflichtenheftes ("devis d'armement") vorzunehmen, und vermute, dass
a) LeMasson (oder sein Graphiker) gepfuscht hatte (aber so ca 2.3m fallen ja kaum auf, oder??), oder
b) Dumas nur brav abgezeichnet hatte, ohne viel nachzurechnen; oder (und da gibt es einige Indizien!) er einen Graphiker angestellt hatte, der nicht nur vom Ganzen keine Ahnung , sondern auch noch versucht hatte, Fehler beim Kopieren zu vertuschen (der Plan ist nicht nur asymmetrisch, sondern im vorderen Teil auch noch schwerst "auf's Picken hin" zurechtgeschustert).

Von wegen Ende der Detektiv-Arbeit! Die fängt eben erst grade an ... aber inzwischen hab ich Bluuut geleckt (wann gibt's eigentlich einen Werwolf-Smiley?  :-D`., )

Ciao,
Harold



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harold

So "nebenbei" klärt sich auch die Frage, WO denn die Zitadelle um diese 6.7m gekürzt worden ist, um den Gewichtsausgleich für die stärkere Panzerung der 152mm-Türme zu machen.



Diese mir von Bruno zur Verfügung gestellte Originalzeichnung (Grundlage übrigens für Garzke/Dulin's Längsschnitt s.151v) hab ich entsprechend überarbeitet - durch Neugruppierung der Turbogeneratoren lassen sich 5.5m herausholen, und das dadurch nach vorne verschobene 380-er-Magazin wird ein wenig breiter, so dass auch hier nochmals 1.2 m an Länge eingespart werden können.
Eine entsprechende Gewichtskalkulation ist in Vorbereitung, um das auch mal von hydrostatischer Seite her zu beleuchten...

...work in progress,
Harold
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Ralf

Leude, leude... Wahnsinn, hier wird gerade Marinegeschichte gelebt und ich darf zugucken! Herrlich!!  :MLL:
Gruß
Ralf
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Gorch Fock

harold

...na ja, Ralf, ist wohl eher so n Privatspäßchen, nix große Geschichte...

Immerhin, der Herr Dumas freut sich wie ein Schneekönig, dass die "jeunes" (das sind wohl Bruno und ich, beide in unserm 5. Lebensjahrzehnt... die Jungen also) "reprennent le flambeau", die Fackel weitertragen.
Nu, um ihm mal keine Schande zu machen, hier der Stand der Dinge



rot die Umzeichnung der von Bruno gefundenen Pläne,
hellblau sowohl Skala als auch Waffenpositionierung nach dem "Pflichtenheft" für G,
darunter die Umzeichnung auf einen Seitenriss.
Unterlegt sind die Zeichnungen mit ST 1184, dem letzten bekannten Längsschnitt durch G.

Ciao,
Harold

4 Ursachen für Irrtum:
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- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Ralf

Nene, harold, große Geschuchte vielleicht nicht... Aber irgend wann, wenn Du mal nicht mehr bist, wird einer diese Pläne hervorkramen und was Du sonst noch so vor hast  :wink: und sich über die gute Recherche freuen! Das nenne ich lebende Geschichte!
Gruß
Ralf
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Gorch Fock

Ulrich Rudofsky

Zitat"bisschen an mich und meine Anfrage nach 37mm-1938-Modell" 

Mich würde die 37ger  auch sehr interessieren zum Bau eines 1:1250 Modells.  John Youngerman  http://miniaturemodeling.smugmug.com/gallery/224697
i.A. Ulrich Rudofsky :MG:
Ulrich Rudofsky

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