Warum sank die Titanic??

Begonnen von Woelfchen, 01 November 2006, 14:16:36

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delcyros

Zitat von: ufo am 02 November 2006, 13:37:38
Das mit dem 'Stahl von minderer Güte' ist ja man so eine Sache ... ebenso wie die Versprödung in kalten Wasser.



Interessante Artikel zum Thema:

"Metallurgical Analysis of Wrought Iron from the RMS Titanic", Jennifer J. Hooper; Tim Foecke; Lori Graham & Timothy P. Weihs in 'Marine Technology' 2003.

Die Autor(in)en kommen zu dem Schluss, dass nicht spröde Metallplatten zum Verlust der Titanic beigetragen haben sondern minderwertige und teilweise zu kalt verarbeitete Nieten.
Auch sei es signifikant, dass Areale mit Gussnieten bei der Kollision nachgegeben hätten, während Areale mit Stahlnieten gehalten hätten.

Unterfüttert wird das in einem zweiten Artikel in der selben Ausgabe von Richard Woytowich: "Riveted Hull Joint Designs in RMS Titanic and other Pre WWI Ships"
Hier zeigt der Autor, dass die vor dem ersten Weltkrieg übliche Nietverbindung mit zunehmender Plattendicke abnahm. Im Falle der Titanic Bauweise ergeben einige Nietverbindungen noch etwa 27 % der Belastungsfähigkeit der Plattenareale.

Der Autor betont auch, dass die Titanic nicht nach den damals gültigen Lloyds Klassifikationen gebaut war. Diese hätten im Bereich des Aufpralls drei Nietreihen vorgesehen; vorhanden waren zwei. Er räumt jedoch ein, dass die betreffenden Lloyds Klassifikationen von 1909 datieren, die Bauaufträge für die Titanic Klasse von 1908, jedoch wurdn die Pläne bei Inkrafttreten der neuen Klassifikationsrichtlinien offenbar nicht umgearbeitet.


Diese Artikel zusammenfassend kommt man eher zu dem Schluss, dass teilweise minderwertige Nieten, teilweise schlampige Verarbeitung der Nieten und eine Ausführung unterhalb der Klassifikationsbestimmungen den Kollisionsbereich anfällig machten.

Die Stahlplatten von Titanic waren danach weder spröde noch kaltwasseranfällig.

Die Autoren betonen ausdrücklich, dass es nicht möglich sei beim derzeitigen Wissenstand vorherzusagen, ob einer andere Verarbeitung die Titanic gerettet hätte.

Ufo


Also so einfach würde ich die Theorie der mangelnden Kerbzähigkeit nicht vom Tisch wischen. Das bedeutet nicht, dass der Stahl "minderwertig sei", er entsprach den Anforderungen, leider waren die "Anforderungen" minderwertig, weil sie geringe Temperaturen nicht als Prüfkriterium in Betracht zogen.

Leighty meinte zwar das der Stahl schlecht sei, aber der "beste seiner Zeit sei" und das ist natürlich Unsinn, bedingt in der Aversion des englischen Wissenschaftlers vor französischen und deutschen Quellenstudium. Das Problem war bereits durch die Unglücke der CIMBRIA und ELBE antizipiert worden

Kerbzähigkeits-Temperaturdiagramme auf Basis des Charpy Pendelhammers wurden ja erst 1906 unter der Regide von Dr. Emil Ehrenberger (damals Krupp) für verschiedene Stahlsorten zur Einführung in Deutschland eingeführt! Außerhalb Deutschlands wurde der Charpy Test nur in Frankreich vor dem 1. WK eingeführt, in England erst 1919 und in den USA erst 1921. Das Material der Titanic wurde nur bei Raumtemperatur geprüft, und zwar nicht nach Kerbzähigkeit - da ein solcher Test noch gar nicht in den Anforderungen vorgesehen war!
In Deutschland scheint die Einführung des K-T Diagramms auch Auswirkungen in der art gehabt zu haben, dass Schiffbaustahl II & III unmittelbar darauf 1907 deutlich in der Mindestfestigkeit ermäßigt wurden, um eine höhere Zähigkeit im Bereich um 0°C zu gewährleisten, was zur Vermeidung von Sprödrissbildung bei tiefen Temperaturen für wichtiger erachtet wurde als eine erhöhte Festigkeit bei Raumtemperatur.

Stahl der Titanic ist mittels Charpy Tests und K-T Diagrammen untersucht und für gefährlich befunden worden. Die Aufnahme an Schlagarbeit (V-Kerb) betrug zwischen 45J und 75J bei 100°C und sank sehr steil auf nur noch 20-25J bei Raumtemperatur ab, wobei das Bruchaussehen bei 25°C Raumtemperatur bereits ein Mischgefüge zwischen mit überwiegend sprödem Korn und wenig zäher Sehne zeigte. Bei 0°C  folgte im Bruchaussehen bereits reines, sprödes Korn und eine Aufnahme von nur 4-7J Schlagarbeit.
Die ductile-to-brittle transition temperature war beim Stahl der Titanic zwischen +25°C und +35°C, d.h. durch Kälte bedingter Sprödbruch (=-1°C, ca. 30° unter der transition Temp.) bleibt daher die mit Abstand wahrscheinlichste Erklärung für strukturelles Versagen.


Thoddy

zusätzlich wurden auch Probleme bei den Nieten aufgezeigt. Durch Verunreinigungen bedingt durch das Fertigungsverfahren sind nach aktuellen Erkenntnissen auch hier Festigkeitsprobleme zu erwarten.
Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

mini

Die Theorie mit dem Bunkerbrand ist aber auch schon ein paar Jahre alt. Wann war die Ausstellung in Hamburg? Meine da wäre das schon ein Thema gewesen. In den Büchern der Hafenfeuerwehr von Southampton soll sich ein entsprechender Eintrag finden, der das bestätigt.
Und um an den Brandherd zu gelangen wurde der entsprechende Bunker schneller geleert als vorgesehen --> höhere Geschwindigkeit.

Keine Garantie, ist alles aus hinteren Kopfecken zusammengesucht, was vor Jahren mal dort gespeichert wurde :D

Ingo

Auf spiegel.de gibt's zum Bunkerbrand einen Artikel zumindest von 2004. ;)
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/neue-theorie-kohlefeuer-soll-titanic-katastrophe-ausgeloest-haben-a-326932.html

Neu ist jetzt wohl die Theorie, daß der Brand die Bordwand an der Stelle entscheidend geschwächt haben soll. :roll:

Olaf

Waren nicht kurz vor dem Auslaufen noch Inspektoren des Board of Trade an Bord, um dem Schiff die volle Seefähigkeit zu bescheinigen? Vielleicht bringe ich da einiges durcheinander, bin in dem Thema nicht mehr so richtig drin. Allerdings empfinde ich es als völlig abwegig, dass man außen oberhalb der Wasserlinie erkennen kann, wenn´s innen unter der Wasserlinie ... schwelt. Das scheint ja kein offenes Feuer gewesen zu sein, auch wenn die "Fach"presse davon spricht, dass ein Feuer tagelang loderte. Zudem halte ich es angesichts der damaligen Fototechnik für äußerst schwierig, heutzutage auf den alten Fotos schwarze Verfärbungen an einem schwarz gestrichenen Rumpf zu erkennen. Die Kohlebunker waren vor bzw. hinter den Kesselräumen angeordnet, die meisten Kessel waren Zweiender, mussten also von beiden Seiten mit Kohle gefüttert werden. Am 2. April verließ das Schiff Belfast zur Probefahrt, am 5. (Karfreitag) lag es bereits in Southampton. Am 10., also am Auslauftag, war der Schwelbrand lt. Aussage von überlebenden Heizern (angeblich) bereits gelöscht (was auch immer das heißen mag, aber den allgemeinen Begriff "unter Kontrolle", denn das ist ein Feuer niemals, erspare ich mir). Ob das vor oder nach dem Auslaufen oder erst abends vor Cherbourg der Fall war, weiß ich nicht.

Einen Bunker so schnell leeren, also die Kohle verfeuern, dass das Schiff schneller wird? Blödfug. Dazu müsste man ja versuchen, die Kohle auch irgendwie von vorne, wo's brennt, nach achtern bis zum letzten Kesselraum transportieren. Was nützt es denn, wenn man nur die vorderen Kessel beschickt? Und wie heiß soll's denn in den Kesseln brennen? Man kann da nicht sinnlos ohne Ende Kohle reinschaufeln. So schnell kann die Kohle in den Kesseln nun auch nicht wegbrennen und riskiert man nicht Überdruck, der ab und an abgeblasen werden muss (wie nach dem Aufstoppen kurz nach der Kollision geschehen)? Und den Krach soll keiner der Passagiere in den Tagen vor der Kollision mitbekommen haben?

Bereits vor Jahren habe ich es aufgegeben, mir stets das neueste Titanic-Buch zu kaufen, bin also nicht auf dem neuesten Stand aktueller "Entdeckungen". Von jenen, die in meinem Regal stehen (etwas über 20), könnte ich jenes von Susanne Störmer empfehlen (Titanic – Mythos und Wirklichkeit, 1997). Eine Paradelösung gibt sie auch nicht, aber sie deckt Widersprüche zwischen den Aussagen der Überlebenden auf, die sich zwischen der amerikanischen und späteren britischen Anhörung auftun. Ob ein Bunkerfeuer behandelt wird, müsste ich aber nochmal nachschlagen.

Happy reading ~ Olaf!
Stau ist nur hinten blöd, vorne geht´s ...

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