Thermodynamische Kreisprozesse

Begonnen von Sven L., 15 April 2018, 15:02:13

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Sven L.

THERMODYNAMISCHE KREISPROZESSE

oder

wie kommt der Dampf vom Kessel zur Turbine




1.   VORWORT

Angeregt durch den Thread Falsche Leistungsangaben für Turbinenschiffe der KM in der (Fach)Literatur? habe ich mich tiefgreifender mit dem Thema thermodynamischer Kreisprozesse beschäftigt.

In oben genannten Thread wurde unter anderem erwähnt, dass die Speisewassertemperatur rund 140 Grad betrug. Da das Kondensat bei 0,05 bar eine Temperatur von 32,7 Grad hat, stellt sich die Frage welche Möglichkeiten bestehen, wie das Speisewasser auf eine Temperatur von 140 Grad oder höher erwärmt werden kann. Im Verlauf dieses Aufsatzes werden wir sehen welche Möglichkeiten der Speisewasseraufwärmung bestehen und wie unterschiedlich letzten Endes die jeweiligen thermischen Wirkungsgrade sein werden. Die in den unterschiedlichen Threads vielfach verwendeten Einheiten kcal und PS habe ich durch die Verwendung der passenden SI-Einheiten kJ und kW ersetzt.

Im ersten Teil befinden sich die Dampf-Tabellen. Mit diesen können alle Beispiele nachgerechnet werden. Gegebenenfalls muss Linear Interpoliert werden.
Hiernach wird der einfache Dampfkreisprozess – Clausius-Rankine-Prozess – im Ideal-und Realfall dargestellt. Formeln ließen sich nicht vermeiden. Ich hoffe jedoch, dass diese ausreichend und verständlich sind.

Im Anschluss werden mögliche Maßnahmen zur Wirkungsgradverbesserung aufgezeigt bzw. welche Maßnahmen möglich und notwendig sind um das den Dampfkesseln zugeführte Speisewasser einer höheren Temperatur zuzuführen.

Der nächste Abschnitt ist den Hilfsmaschinen, sofern diese Dampf betrieben sind, gewidmet. Um eine komplette Maschinenanlage durchzurechnen, muss bekannt sein, wie hoch der Dampfbedarf der Hilfsmaschinen ist.

Weil die Dampfkessel nicht fehlen dürfen, bekommen diese ebenfalls ein kurzes Kapitel. Diese werden hier aber nur im Zusammenhang mit der Speisewasservorwärmung behandelt.

Nachdem die wesentlichen Elemente des Dampf-Kreisprozesses bekannt sind, wird die Antriebsanlage eines Kreuzers als einfacher Clausius-Rankine-Prozess berechnet und den möglichen Wirkungsgradverbesserungen bei unterschiedlicher Speisewasservorwärmung gegenüber gestellt.

Zum Abschluss wird kurz die geplante IS-(Illies-Schichau)-Maschinenalge vorgestellt.

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2.   INHALTSVERZEICHNIS

   3.   Tabellen
   4.   Der Clausius-Rankine-Prozess
   5.   Maßnahmen zur Wirkungsgradverbesserung
   6.   Hilfsmaschinen
   7.   Dampfkessel
   8.   Beispiele einer Kreuzerantriebsanlage
   9.   Illies-Schichau-Anlage

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Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Solange man seinen Gegner nicht bezwungen hat, läuft man Gefahr, selbst bezwungen zu werden.
Clausewitz - Vom Kriege

t-geronimo

Sven, schreib ma was. Jetzt sollte das Thema zu sehen sein.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Sven L.

Da die Posts mit den Dampftabellen die Foren-Software arg strapaziert hatten, Stelle ich diese in einem zweiten Versuch als Excel-Tabelle zur Verfügung.
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Sven L.

#3
4.   DER CLAUSIUS-RANKINE-PROZESS

Aus verschiedenen Zustandsänderungen kann man einen Kreisprozess bilden. Entweder handelt es sich um eine gleichbleibende Menge eines Gases oder Dampfes, die nach mehreren Zustandsänderungen, z.B. Expansion, Abkühlung, Kompression, Wärmezufuhr) wieder in den Anfangszustand zurückkehrt, oder eine bestimmte Menge wird in die Maschine eingebracht – das entspricht der Wärmezufuhr, z.B. durch Dampf oder durch Verbrennung in der Maschine selbst – und nach der Expansion wieder ausgeschoben, worauf das Spiel mit einer neuen Gasmenge wieder beginnt. Es gibt viele Möglichkeiten, diese Zustandsänderungen teils innerhalb der eigentlichen Maschine (Zylinder oder Turbine) teils außerhalb (Kessel, Brennkammer, Kühler, Kondensator, Verdichter, Pumpe) durchzuführen. Die Vorgänge in diesem „offenen“ Prozess lassen sich mit einigen Hilfsannahmen als geschlossener Kreisprozess einer konstanten Menge darstellen.3  Der Vergleichsprozess für den Dampfturbinenprozess ist der Clausius-Rankine-Prozess. Ein einfacher Dampfturbinenprozess besteht aus folgenden Komponenten:


  • Dampferzeuger
  • Turbine
  • Kondensator
  • Speisewasserpumpe

Im Dampferzeuger findet die Wärmezufuhr zum Arbeitsmedium (Wasser/Dampf) statt. In der Turbine expandiert der produzierte Dampf und gibt Arbeit ab. Im Kondensator wird der entspannte Dampf unter Wärmeabfuhr verflüssigt. Die Speisewasserpumpe erhöht den Druck des Kondensats und pumpt es zum Dampferzeuger zurück.4

Abb. 4.1 Schaltung eines einfachen Clausius-Rankine-Prozesses



Der thermische Wirkungsgrad des Kreisprozesses ist:
   ηth = 1 – (|Qab| / Qzu)

Der thermische Wirkungsgrad des Idealprozesses wird desto größer, je kleiner die Enthalpie h2 und je größer h1 ist.

Beispiel 4.1: Idealer Clausius-Rankine-Prozess (mit Überhitzung)

In einem idealen Dampfkreisprozess hat der überhitze Frischdampf am Turbineneintritt den Druck von 50 bar und eine Temperatur von 450°C. Am Turbinenaustritt herrscht der Druck von 0,05 bar. Die Kreisprozessleistung (Konstruktionsleistung einer Schiffsturbine) beträgt 10.000 kW. Für den Kreisprozess sind zu ermitteln:


  • Der thermische Wirkungsgrad
  • Der erforderliche Dampfmassenstrom
  • Der zuzuführende Wärmestrom
  • Der abzuführende Wärmestrom
  • Der Kühlwassermassenstrom bei der Aufwärmung des Kühlwassers von 15 auf 25°C.

Die Dampfdaten der Turbine können entweder aus dem h,s-Diagramm abgelesen werden, oder den Tabellen entnommen werden.
[tabular type=4]
[row][data]Turbineneintritt[/data][data]p1 = 50 bar[/data][data]ϑ1 = 450°C[/data][data]h1 = 3.317,0 kJ/kg[/data][/row]
[row][data][data] [/data][data] [/data][data]s1 = 6,7882 kJ/(kg K)[/data][/row]
[row][data]Turbinenaustritt[/data][data] [/data][data]p2 = 0,05 bar[/data][data]zu berechnen[/data][/row]
[/tabular]

Da die Expansion ins Nassdampfgebiet erfolgt, bestimmen wir den Dampfgehalt aus der Entropie. Die spezifischen Daten des gesättigten Kondensats s‘, h‘ und des Dampfes s“ und h“ und r finden sich in den Tabellen:
[tabular type=3]
[row][data]s‘ (0,05 bar)  = 0,4763 kJ/(kg K)[/data][data]h‘ (0,05 bar)  = 137,77 kJ/kg[/data][/row]
[row][data]s“ (0,05 bar) = 8,3939 kJ/(kg K)[/data][data]h“ (0,05 bar) = 2.560,8 kJ/kg[/data][/row]
[row][data]r (0,05 bar)  = 2.423,0 kJ/kg[/data][data][/data][/row]
[/tabular]

Somit wird x2 = (s1 – s‘) / (s“ – s‘) = (6,7882 – 0,4763) / (8,3939 – 0,4763) = 0,7972
Die spezifische Enthalpie h2 am Turbinenaustritt kann mit dem Dampfgehalt berechnet werden:

  h2 = h‘ + x2 * r = 137,77 + 0,7972 * 2.423,0 = 2.069,4 kJ/kg

Jetzt entnehmen wir noch die Zustandsdaten für den Punkt 3.
[tabular type=3]
[row][data]h3 = h‘ (0,05 bar) = 137,77 kJ/kg[/data][data]v3 = v‘ (0,05 bar) = 0,0010053 m3/kg[/data][/row]
[/tabular]

Die spezifische Pumpenarbeit (Speisepumpe) mit Wirkungsgrad ηP = 1 ist mit guter Genauigkeit:

wtP = (v3 / ηP) * (p1 – p2) = (0,0010053 / 1,0) * (50 - 0,05) * 100 kPa = 5,021 kJ/kg

Mit dieser Näherung erhält man für die Enthalpie h4:

h4 = h3 + wtP = (137,77 + 5,021) = 142,79 kJ/kg

Hier nun alle verfügbaren Daten in tabellarischer Form:
[tabular type=4]
[row][data]Punkt[/data][data]Ort[/data][data]bekannt[/data][data]Aus Tabellen/berechnet[/data][/row]
[row][data]1[/data][data]Turbineneintritt[/data][data]p1 = 50 bar[/data][data]h1 = 3.317,0 kJ/kg[/data][/row]
[row][data] [/data][data] [/data][data]ϑ1 = 450°C[/data][data]s1 = 6,7882 kJ/(kg K)[/data][/row]
[row][data]2[/data][data]Turbinenaustritt[/data][data]p2 = 0,05bar[/data][data]h2 = 2.069,4 kJ/kg[/data][/row]
[row][data] [/data][data] [/data][data]x2 = 0,8013[/data][data] [/data][/row]
[row][data] [/data][data] [/data][data]s2 = s1 = 6,7882 kJ/(kg K)[/data][/row]
[row][data]3[/data][data]Pumpeneintritt[/data][data]p3 = 0,05bar[/data][data]h3 = 137,77 kJ/kg[/data][/row]
[row][data] [/data][data][/data][data]gesättigt[/data][data]v3 = 0,0010053 m3/kg[/data][/row]
[row][data]4[/data][data]Pumpenaustritt[/data][data][/data][data]h4 = 142,79 kJ/kg[/data][/row]
[/tabular]

a)  Berechnung des thermischen Wirkungsgrades:
     wtKP = wt12 + wt34 = (h2 – h1) + (h4 – h3) = (2.069,4 – 3.317,0) + (142,79 – 137,77) = - 1.242,6 kJ/kg

    Die spezifische zugeführte Wärme erhält man mit:

     qzu = q41 = h1 – h4 =
                                   3.317,0 – 142,79 = 3.174,2 kJ/kg

    Damit ist der thermische Wirkungsgrad:
     ηth = - wtKP / qzu = 1.242,6 / 3.174,2 = 0,391

b)  Der erforderliche Dampfmassenstrom beträgt
     m = PKP / wKP = 10.000 kW / 1.242,6 kJ/kg = 8,048 kg/s

c)  Zuzuführender Wärmestrom:
     Qzu = m * qzu = 8,048 kg/s * 3.174,2 kJ/kg = 25,546 MW

d)  Den abzuführenden Wärmestrom erhält man als:
     Qab = m * qab =m * (h3-h2) = 8,048 * (137,77 – 2.069,4) = -15,546 MW

e)  Betrachtet man den Kondensator als System, wird ihm weder Arbeit noch Wärme zugeführt. Da die Zustandsänderung stationär ist, erfolgt über die Systemgrenzen nur ein Energietransfer in Form von Enthalpieströmen, woraus folgt:

    mKW = m *[(h2 – h3) / (hKWa – hKWe)]

  Da der Druck des Kühlwassers nicht gegeben ist, kann für die spezifische Enthalpie deren Sättigungswert genommen werden.

    hKWa – hKWe = h‘(25°C) – h‘(15°C) = 104,92 – 63,08 = 41,86 kJ/kg

  Damit wird der erforderliche Kühlwassermassenstrom:

    mKW = 8,048 * [(2.069,4 – 137,77) / 41,86] = 371,4 kg/s

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3 Handbuch für Schiffsingenieure und Seemaschinisten, E. Ludwig/K. Illies, Seite 75
4 Technische Thermodynamik, 2. Aufl., Peter von Böckh/Matthias Stripf, Seite 261

Wird Fortgesetzt
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Sven


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Sven L.

Fortsetzung von Kapitel 4

Beispiel 4.2: Realer Dampfkreisprozess

Ausgehend vom Dampfkreisprozess in Beispiel 4.1 werden die Dissipationen in der Turbine und in der Pumpe berücksichtigt. Die Turbine wird jedoch in eine HD- und eine ND-Stufe aufgeteilt. Die Turbinen haben einen Wirkungsgrad von je 0,79, die Speisepumpe jenen von 0,87. Beide Turbinenstufen sollen annähernd die gleiche Leistung liefern.

Zu bestimmen ist die Verringerung des Prozesswirkungsgrades.

Abb. 4.2 Schaltung des realen Clausius-Rankine-Prozesses



Abb. 4.3 h,s-Diagramm zum obigen Kreisprozess



Durch die Aufteilung der Turbine in zwei Gehäuse ändern sich die Zustandspunkte und jeweiligen Dampfzustände.

[tabular type=4]
[row][data]Eintritt HD-Stufe[/data][data] p1 = 50 bar[/data][data] ϑ1 = 450°C[/data][data] h1 = 3.317,0 kJ/kg[/data][/row]
[row][data] [/data][data] ηi = 0,79[/data][data] [/data][data] s1 = 6,8205 kJ/(kg K)[/data][/row]
[row][data]Austritt HD-Stufe / [/data][data] p2 = 3,0 bar[/data][data] [/data][data] h2 = 2.783,9 kJ/kg[/data][/row]
[row][data]Eintritt ND-Stufe[/data][data] ηi = 0,79[/data][data] [/data][data] h2s = 2.642,2 kJ/kg[/data][/row]
[row][data]Austritt ND-Stufe /[/data][data] p3 = 0,05bar[/data][data] [/data][data] h3 = 2.307,5 kJ/kg[/data][/row]
[row][data]Eintritt Kondensator[/data][data] [/data][data] [/data][data] h3s = 2.180,8 kJ/kg[/data][/row]
[row][data]Austritt Kondensator/[/data][data] p4 = 0,05bar[/data][data] ϑ4 = 32,88°C[/data][data] h4 = 137,77 kJ/kg[/data][/row]
[row][data]Eintritt Speisepumpe[/data][data] v4 = 0,0010053 m³/kg[/data][data] [/data][data] [/data][/row]
[row][data]Austritt Speisepumpe[/data][data] p5 = 50 bar[/data][data] [/data][data] h5 = 143,54 kJ/kg[/data][/row]
[/tabular]

h2 = h1 – ηi * (h1 – h2s) = 3.317,0 – 0,79 * (3.317,0 – 2.642,2) = 2.783,9 kJ/kg
h3 = h2 – ηi * (h2 – h3s) = 2.783,9 – 0,79 * (2.783,9 – 2.180,8) = 2.307,5 kJ/kg
h5 = h4 + [(v4 / ηiP) * (p5 – p4)] = 137,77 + [(0,0010053 / 0,87)* (50 – 0,05)] = 143,54 kJ/kg

Die spezifische innere Kreisprozessarbeit ist.

wKP = wt12 + wt23 + wt45 = (h2 – h1) + (h3 – h2) + (h5 – h4)
   = (2.783,9 – 3.317,0) + (2.307,5 – 2.783,9) + (143,5 – 137,8) = -1.003,8 kJ/kg

Um die gegebene Prozessleistung von 10.000 kW zu erreichen, benötigt man folgenden Dampfmassenstrom:

  m = PT / wKP = 10.000 kW / [1.003,8 kJ/kg - (143,5 – 137,8)] = 9,906 kg/s

  PTHD = m * (h1 – h2) = 9,906 * (3.317,0 – 2.783,9) = 5.280,8 kW
  PTND = m * (h2 – h3) = 9,906 * (2.783,9 – 2.307,5) = 4.719,2 kW

  PT = PTHD + PTND = 5.280,8 + 4.719,2 = 10.000 kW

Die spezifisch zugeführte Wärme ist:

  qzu = (h1 – h5) = 3.317,0 – 142,8 = 3.174,2 kJ/kg

Somit ergibt sich für den thermischen Wirkungsgrad:

  ηth =  |wtKP| / qzu = 1.003,8 / 3.174,2 = 0,316

Mit der spezifischen zugeführten Wärme erhält man den Wärmestrom:

  Qzu = m * qzu = 9,906 * 3.174,2 = 31,444 MW

Der abgeführte Wärmestrom wird ähnlich bestimmt:

  Qab = m * qab = m* (h4 – h3) = 9,906 * (137,77 – 2.307,5) = -21,493 MW

Damit wird der erforderliche Kühlwassermassenstrom:

  mKW = 9,906 * [(2.180,8 – 137,77) / 41,86] = 483,5 kg/s

Wie man erkennen kann, beträgt der thermische Wirkungsgrad des realen Dampfkreisprozesses nur noch 0,316 gegenüber dem idealen von 0,391. Ebenso erhöht sich der Dampfmassenstrom um 1,858 kg/s.

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Fortsetzung

5. MASZNAHMEN ZUR WIRKUNGSGRADVERBESSERUNG

Mit steigendem Dampfdruck vergrößert sich der Anteil der im Flüssigkeitgebiet zugeführten Wärme an der Gesamtwärme. Der ungünstige Einfluss auf den thermischen Wirkungsgrad kann – wenigstens teilweise – dadurch ausgeschaltet werden, dass man vom Clausius-Rankine-Prozess abgeht und den Regenerativprozess anwendet. Damit kann der thermische Wirkungsgrad ohne Erhöhung von Frischdampfdruck und –temperatur um 10% und mehr verbessert werden. Eine weitere Verbesserung kann unter Umständen durch Zwischenüberhitzung erreicht werden. 
Der Gesamtwirkungsgrad der vollständigen Dampfantriebsanlage ist nun nicht nur von dem hier besprochenen theoretischen Dampfkreisprozess, sondern auch davon abhängig, in welcher Weise die vorgeschriebenen Zustandsänderungen in den Maschinen und Apparaten ausgeführt werden können. Während bei älteren Anlagen, die grundsätzlich nach dem Clausius-Rankine-Prozess arbeiteten, neben den Verlusten durch angehängte Hilfsmaschinen nur noch der Kesselwirkungsgrad und der innere und mechanische Wirkungsgrad der Hauptmaschine eine Rolle spielten, kamen nach der Einführung wirtschaftlicher Verfahren mehrere Faktoren hinzu, die sich nicht mehr in einfacher Weise darstellen, berechnen und analysieren lassen. Zunächst wurde die Speisewasservorwärmung durch den Abdampf von Hilfsmaschinen eingeführt, später ging man  nach dem Vorbild der Landkraftwerke zur Anzapf-Speisewasservorwärmung und in einzelnen Fällen auch zur Zwischenüberhitzung über.

Betrachten wir zunächst die Möglichkeiten zur Speisewasservorwärmung.

  • Offener Speisewasserbehälter bzw. Wasserkasten
    Im Vorwärmer herrschen nur dann Druck und Temperatur des gesättigten Heizdampfes, wenn Dampf- und Wassermenge in dem durch Flüssigkeits- und Kondensationswärme gegebenen Verhältnis stehen, oder Dampf im Überschuss vorhanden ist. Würde mehr Wasser an der Mischung teilnehmen, als notwendig ist, um den zutretenden Dampf niederzuschlagen, somit bliebe die Temperatur und somit auch der Druck und den zum Heizdampf gehörigen Sättigungswerten. Beispielsweise kann Turbinenabdampf in einen offenen Speisewasserbehälter eingeblasen werden, ohne dass dessen Inhalt bis auf 100° erwärmt wird. Bei Änderung des Verhältniswertes ist der Beharrungszustand im Vorwärmer gestört und es muss dann auch der zweite Mischungsanteil geändert werden. Nimmt etwa die Speisewassermenge ab, so wird ein Teil des Heizdampfes nicht mehr niedergeschlagen, es tritt in der Dampfzuleitung ein Stau auf, der Druck im Vorwärmer steigt und die zutretende Dampfmenge wird vermindert, wodurch ein neuer Gleichgewichtszustand angebahnt wird. Eine Zunahme der eingespeisten Wassermenge, die mehr Dampf niederzuschlagen vermag als zufließt, hat eine Drucksenkung zur Folge.
  • Der ideale Regenerativprozess
    Beim idealen Regenerativprozess denkt man sich die Maschine während der ganzen Expansion in unendlich vielen Stufen angezapft. Der Anzapfdampf wärmt in jeder Stufe das Speisewasser jeweils bis zur Sättigungstemperatur des Anzapfdruckes auf. Dadurch wird die gesamte Flüssigkeitswärme im inneren Wärmeaustausch von Dampf, der schon mehr oder weniger Arbeit geleistet hat, an das Speisewasser übertragen. Diese Wärme braucht nun nicht mehr vom Brennstoff aufgebracht zu werden, sondern die Wärmezufuhr im Kessel beginnt erst bei dem Punkt, ab dem die Verdampfung eintritt. Die Anzapfvorwärmung führt also zu einer Verringerung der je kg Dampf geleisteten Arbeit. Gleichzeitig wird aber auch die im Kondensator abgeführte Wärme Qab verkleinert, denn der Anzapfdampf strömt nicht in den Kondensator und seine ganze Wärme bleibt im Kreislauf erhalten. Diese Verringerung des Kondensatorverlustes überwiegt bei weitem die Verminderung der je kg Dampf geleisteten Arbeit. Hierauf beruht der Vorteil des Regenerativprozesses.7
  • Der reale Regenerativprozess
    Bei dem idealen Regenerativprozess war unendlich vielstufige Vorwärmung vorausgesetzt. Wird die Maschine nur in wenigen Stufen angezapft, so kann der thermische Wirkungsgrad des idealen Prozesses nicht erreicht werden. Es bestehen gewisse Gesetzmäßigkeiten zwischen der Anzapfstufenzahl, der Höhe der Vorwärmung und dem thermischen Wirkungsgrad, die sich am einfachsten graphisch darstellen lassen.

    Der Vorwärmgrad ist das Verhältnis der betreffenden Vorwärmung zur maximal möglichen Vorwärmung – bis zur Verdampfungstemperatur beim Kesseldruck.
    Beispiel: Bei 50 bar beträgt die Verdampfungstemperatur etwa 264 °C. Die Kondensat-temperatur sei tk = 35 °C. Die maximal mögliche Vorwärmung ist also 264 – 35 = 229 °C. Ein Vorwärmgrad von 50% bedeutet dann, dass das Speisewasser um 0,5 * 229 = 114,5 °C, also von 35 °C auf 149,5 °C, vorgewärmt wird.
    Als Vorwärmgüte bezeichnet man das Verhältnis der im betreffenden Falle erzielten Wirkungsgradverbesserung – ausgehend vom Clausius-Rankine-Prozess ohne Vorwärmung – zur maximal möglichen Wirkungsgradverbesserung, die bei Anwendung des idealen Regenerativprozesses erreichbar wäre. Die Vorwärmgüte gibt an, wie weit man sich dem Idealfall nähert. Es wird also mit dem Clausius-Rankine-Prozess eine Vorwärmgüte von 0% und mit dem idealen Regenerativprozess die Vorwärmgüte von 100% erreicht. Mit diesen beiden Verhältniswerten ist man vom Dampfzustand und von thermischen Wirkungsgrad des Einzelfalles unabhängig. Außer der Anzahl der Anzapfstufen haben jetzt nur noch die Art und die Schaltung der Vorwärmer einen Einfluss. Mit dem Vorwärmgrad (also mit der Speisewassertemperatur) steigt auch die Vorwärmgüte (also auch der thermische Wirkungsgrad). Das Optimum wird umso später erreicht, je mehr Anzapfstufen (n) angewendet werden. Die günstigsten Punkte sind in der Grafik durch Kreise hervorgehoben und liegen etwa auf einer Geraden. Da die Kurven im Optimum sehr flach verlaufen, hat man einen gewissen Spielraum für die Speisewassertemperatur und kann ohne spürbaren Verlust mit dem Vorwärmgrad etwas unter dem theoretischen besten Wert bleiben. Die durch Vergrößerung der Anzapfstufenzahl erreichbaren Gewinne werden  mit höherer Stufenzahl immer kleiner. Da die Anlagenkosten für Vorwärmer, Rohrleitungen, Armaturen und Regeleinrich-tungen sowie für die Ausbildung der Entnahmestellen an der Turbine etwa proportional zur Stufenzahl wachsen, wäre es unwirtschaftlich für Schiffsanlagen mehr als 4 bis 5 Stufen anzuordnen.8

    Die in der Grafik dargestellten Kurven sind für folgende Verhältnisse gezeichnet:

    • Die Vorwärmung erfolgt in gleich großen Temperaturstufen.
    • In jedem Vorwärmer wird das Speisewasser bis zur Sättigungstemperatur des Anzapfdruckes erwärmt.
    • Die gesamte Vorwärmung, beginnend bei tk, erfolgt nur durch Anzapfdampf.
    • Die Vorwärmer sind so geschaltet, d.h. bei n = 1 Stufe ist ein Mischvorwärmer, bei mehreren Stufen sind über diesen Mischvorwärmer n-1 Oberflächenvorwärmer angeordnet.

    Jede Abweichung von den Punkten 1 bis 3 ist mit Verlusten verbunden. Der oberste Grundsatz für die Anzapfvorwärmung lautet: Es soll insgesamt eine möglichst große Dampfmenge für die Vorwärmung aus der Maschine entnommen werden, damit die in den Kondensator strömende Abdampfmenge so klein wie möglich wird.9
Sehen wir uns jetzt die möglichen Arten von Vorwärmern für die regenerative Vorwärmung an. Zunächst den unter 5 c) iv. genannten Mischvorwärmer:


Der Massenstrom des Mischvorwärmers definiert sich wie folgt:

  m3 = m1 + m2

Wird statt Abdampf aus Hilfsmaschinen Anzapfdampf aus der Turbine verwendet, bleibt das Prinzip-Schaltbild unverändert, jedoch muss die Anzapfdampfmenge bestimmt werden.

  da2 = (h3 – h1) / (h2 – h1)

Wird am Ende der Hochdruck-Stufe der in Beispiel 4.2 verwendeten Turbine angezapft, beträgt der Anzapfdampfdruck 3,0 bar und die Enthalpie 2.783,9 kJ/kg. Die Enthalpie des Speisewassers am Zustandspunkt 3 beträgt 561,46 kJ/kg und die des Kondensats 137,77 kJ/kg.
Somit wird die Anzapfdampfmenge:
  da2 = (561,46 – 137,77) / (2.783,9 – 137,77) = 0,1601 kg/kg

Als nächstes schauen wir uns den Oberflächenvorwärmer an:


Der einfachste Oberflächenvorwärmer besitzt nur eine so genannte Kondensationszone. Der eintretende Anzapfdampf kondensiert an den Rohroberflächen. Das Kondensat verlässt den Vorwärmer in gesättigtem Zustand. Das Speisewasser erreicht Temperaturen die 1,5 bis 2,5 K unterhalb der Sättigungstemperatur des Anzapfdampfes liegen. Um die Wärme des Anzapf-dampfes besser zu nutzen, kann das Kondensat, das viel wärmer als das eintretende Speisewasser ist, in einem Unterkühler unterkühlt werden. Der Unterkühler besteht aus einem internen Gehäuse, in dem das Kondensat im Eintrittsbereich der Rohre umgelenkt und gekühlt wird. Die Kondensattemperatur nähert sich bis auf etwa 4 bis 8 K der Eintrittstemperatur des Speisewassers. Der Anzapfdampf kann sehr stark überhitzt sein (mehr als 200 K). Ist dies der Fall, kühlt man den Dampf in einem Enthitzer ab. In einem inneren Gehäuse wird der eintretende Dampf im Austrittsbereich des Speisewassers um die Rohre gelenkt und dabei abgekühlt. Das Speisewasser erwärmt sich dabei auf bis zu 2 K über der Sättigungstemperatur des Anzapfdampfes



Das entstehende Kondensat kann entweder auf ein höheres Druckniveau gepumpt (a) werden, oder via Regelventil entspannt einem Ort tieferen Druckes zugeführt werden (b).

Betrachten wir zuerst die Speisewasservorwärmung durch Abdampf von Hilfsmaschinen.
Wir nehmen aus Beispiel 4.2 die Speisewasserpumpe, welche mit einer kleinen Dampfturbine angetrieben wird. Die zu pumpende Speisewassermenge beträgt rd. 35,7 t/h. Im Speisewasservorwärmer herrscht ein Druck von 2 bar und die Speisepumpenturbine arbeitet mit diesem Wert als Gegendruckmaschine.
Berechnen wir zunächst die erforderliche Kupplungsleistung:

  G = 9,906 kg/s * 3.600 s / 1.000 = 35,66 t/h
  Δp = 4 bar;  ηp = 40%
  Nk = (G * Δp) / (27 * ηp* 1) * 0,7355 = 9,71 kW

Turbinenwirkungsgrad gemäß Tabelle 5 = 22,5%

  N = 43,2 kW

Die Dampfdaten der Turbine können entweder aus dem h,s-Diagramm abgelesen werden, oder den Tabellen entnommen werden.
[tabular type=4]
[row][data]Turbineneintritt[/data][data]p1 = 50 bar[/data][data]ϑ1 = 450°C[/data][data]h1 = 3.317,0 kJ/kg[/data][/row]
[row][data][/data][data][/data][data]s1 = 6,7882 kJ/(kg K)[/data][/row]
[row][data]Turbinenaustritt[/data][data]p2 = 2,0 bar[/data][data]h2 = 3.148,7 kJ/kg[/data][/row]
[/tabular]

Die spezifische Kreisprozessarbeit der Pumpe ist:

WpKP = wt12 = (h2 – h1) = (3.148,7 – 3.317,0) = - 168,3 kJ/kg

Der erforderliche Dampfmassenstrom für die Speisepumpe beträgt:

m = PKP / wpKP = 43,2 kW / 168,3 kJ/kg = 0,257 kg/s

Im Vorwärmer/Wasserkasten mischt sich das Turbinenkondensat mit dem Abdampf der Hilfsturbine:

   DT * tk = 35.662 kg/h *    137,77 kJ/kg = 4.913.154 kJ/h
+ Dt * ht  =      925 kg/h * 3.148,70 kJ/kg = 2.912.548 kJ/h
= D * h'sp =  36.587 kg/h * h'sp               =  7.825.702 kJ/h

   h'sp = 7.825.702 kJ/h / 36.587 kg/h = 213,9 kJ/kg  ~ 51,1 °C

Ausgehend von atmosphärischem Druck beträgt die mögliche Speisewassertemperatur (ϑs = 99,09°C), somit ist es möglich diese und noch weitere Abdampfwärme unterzubringen, ohne das Abdampfüberschuss auftritt.
Die spezifische innere Kreisprozessarbeit ist.

  wKP = wt12 + wt23 + wt45 = (h2 – h1) + (h3 – h2) + (h5 – h4)  = (2.783,9 – 3.317,0) + (2.307,5 – 2.783,9) + (143,5 – 137,8) = -1.003,8 kJ/kg

Die spezifisch zugeführte Wärme ist:

  qzu = (h1 – h'sp) = 3.317,0 – 213,9 = 3.103,1 kJ/kg

Somit ergibt sich für den thermischen Wirkungsgrad:

  ηth =  |wtKP| / qzu = 1.003,8 / 3.103,1 = 0,323

Durch das wärmere Speisewasser konnte der thermische Wirkungsgrad um rd. 2,2% verbessert werden.
Mit der spezifischen zugeführten Wärme erhält man den Wärmestrom:

  Qzu = m * qzu = 10,163 * 3.103,1 = 31,537 MW

Der Wärmestrom erhöht sich dabei nur um rd. 0,3%

_______________________________________________________________________________
7 Handbuch für Schiffsingenieure und Seemaschinisten, E. Ludwig/K. Illies, Seite 83
8 Handbuch für Schiffsingenieure und Seemaschinisten, E. Ludwig/K. Illies, Seite 84
9 a.a.O., Seite 84
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wird fortgesetzt
Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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Solange man seinen Gegner nicht bezwungen hat, läuft man Gefahr, selbst bezwungen zu werden.
Clausewitz - Vom Kriege

ReiMar

#6
Hmm, mal (wieder) 'ne dumme Frage vom Dampf-Dummie.

In deinen Tabellen und Grafiken scheints Du "nur" bis zu überhitztem Dampf zu gehen ... aber immer im unterkritischen Bereich zu bleiben.

Das besondere an den (scheinbar nur kurz/begrenzt) erprobten Benson-Kesseln (Zerstörer 1934 [ich gehe jetzt mal davon aus, dass die Betriebsprobleme mit den Benson-Kesseln im Großen und Ganzen dieselben waren, die sie auch bei den Wagner-Kesseln auftraten: zu viele und zu komplizierte Dampfleitung für zu viele Verbraucher auf zu engem Raum]) war ja, dass diese auch im überkritischen Bereich von ca. 100 bar+ und ca 410°C+ "fahrbar" waren. ... bzw. Benson genau diesen "überkritischen" Bereich mit seiner Erfindung anpeilte.
Das die dafür gebauten Zwangsdurchlaufkessel auch unterkritisch gefahren werden konnten ... war eine interessante bis scheinbar willkommene Entdeckung der Siemens-Leute bei den Erprobungen.

Wie auch immer :
Was wäre den der Vorteil bzgl. Leistung/Verbrauch etc. durch den überkritischen Dampf im Betreib von Kraftmaschinen/Turbinen (wie es ja heutzutage in vielen Kraftwerken, z.T mit 330bar+ und 600°C+ stattfindet) ?


Oder kommt das noch ?  :wink: :-D

Nebenbei :
Laut wiki wurde der 1930 in der Uckermark eingebaute Benson-Kessel (als einer von vieren) auch bereits im überkritischen Bereich erprobt ( https://de.wikipedia.org/wiki/Uckermark_(Schiff,_1930) ).
Am I a man ? And isn't a man stupid ?
So, I am a man.....house, wife, children.....

THE FUUULL CATASTROPHY

Sven L.

Hallo Nicolai,

nein, das kommt nicht. Was du mit "überkritisch" bezeichnest, ist beim Dampf vom überkritischen noch weit weg. Hier fängt überkritisch erst bei 225 at. mit 374 °C (Sättigungstemperatur) an.

Ich habe nun keine Dokumente darüber, aber ich nehme stark an, das nicht die Drücke bzw. Temperaturen das eigentliche Problem gewesen sind, sondern schlicht und einfach das Material.

Da wir hier keine Landanlagen behandeln, sondern Schiffsanlagen, halte ich es nicht für erforderlich hierfür Beispiele zu bringen. Du kannst ja gerne anhand der aufgezeigten Berechnungsschritte eine solche Anlage berechnen.

An das Gewicht der Kessel möchte ich lieber nicht denken  :roll:

Grüße vom Oberschlickrutscher
Sven


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