Eisenbahntransport von Torpedos

Begonnen von lafet944, 15 Februar 2018, 08:57:43

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lafet944

Guten Morgen,

bekanntermaßen verfügte die Kriegsmarine über eine Anzahl von Eisenbahn-Spezialwagen für den Transport von Torpedos. In der Regel handelte es sich um zwei- oder dreiachsige Wagen in Güterwagenbauart mit einer Ladelänge von ca. 8 m, für die Kranentladung besaßen sie in der Regel ein abnehmbares Dach, das die gesamte Fläche freigab.
Die Wagen wurden als Fahrzeuge eines "privaten" Einstellers in den Güterwagenpark der Deutschen Reichsbahn eingestellt, der für die bahnamtlichen Anschriften erforderliche Eigner war die Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven.

Jetzt ist das Bild eines vierachsigen Wagens aufgetaucht, der deutlich länger ist und über dessen Verwendungszweck man sich in den Foren der Eisenbahnkenner nicht einig wird. Diente dieser Wagen ebenfalls für den Torpedotransport, wie das öffnungsfähige Dach vermuten lässt? Dazu passt allerdings nicht die Ladelänge von ca. 11m, für die zum Zeitpunkt der Beschaffung kein Bedarf bestand.
Die Anschrift des Ladegutes gibt dazu keinen Aufschluss, diese vermerkt lakonisch "Heeresgut".

Das Foto findet sich hier: https://arachne.dainst.org/entity/3656155/image/3656155?offset=600&fl=20&q=westwaggon&resultIndex=650

Kennt jemand im Forum Dokumente, die Einzelheiten über den Transport von Torpedos beinhalten, vielleicht sogar Verladeskizzen? Wurden die Torpedos "gebrauchsfertig" montiert transportiert oder gab es auch den Versand ohne Kopf?
Welcher alternative Verwendungszweck käme für den Wagen in Frage?

Vielen Dank und viele Grüße

Urs Heßling

moin,

Zitat von: lafet944 am 15 Februar 2018, 08:57:43
Jetzt ist das Bild eines vierachsigen Wagens aufgetaucht, der deutlich länger ist und über dessen Verwendungszweck man sich in den Foren der Eisenbahnkenner nicht einig wird. Diente dieser Wagen ebenfalls für den Torpedotransport, wie das öffnungsfähige Dach vermuten lässt? Dazu passt allerdings nicht die Ladelänge von ca. 11m, für die zum Zeitpunkt der Beschaffung kein Bedarf bestand.
Es gab ja den Langstreckentorpedo "Dackel" (L = 10 m).
Der Transportwagen paßt zeitlich nicht dazu ?

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Tostan

#2
Eingesetzt wurde Der Dackel ja erst 1944(?) - Aber wann wurde er entwickelt? Der Wagen stammt ja von 1941. "Aufschrift: Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven Ressort VI" deutet zumindest stark auf Torpedo hin (VI = Torpedo- und Navigationsressort)

bodrog

vielleicht haben sie damit auch die großen E-Messgeräte verschickt... (würden gerade so hineinpassen - 10,5 m)  :?

Tostan

#4
Zitat von: bodrog am 16 Februar 2018, 15:02:42
vielleicht haben sie damit auch die großen E-Messgeräte verschickt... (würden gerade so hineinpassen - 10,5 m)  :?

Die Kriegsmarine hatte ja einen recht umfangreichen Wagenpark, der bei den Kriegsmarinewerften Wilhelmshaven und Kiel angesiedelt war. Denn Transportkapazität war ja Mangelware, daher machte es schon Sinn, sich Kapazität exklusiv zu sichern. So wurden z.B. im besetzten Dänemark für die Kriegsmarine Kesselwagen gebaut. Leider weiss ich nicht wie die Verwaltung des Wagenparks organisiert war - wegen der Ressortangabe auf dem Wagen. Hier mal einer der dänischen Kesselwagen - ohne Ressortangabe. Wobei man natürlich beachten muss, dass der restauriert ist, die Beschriftung muss also nicht 100% original sein. http://www.sebtus.de/extern_drg_marine_dk8388.html

Evtl. war das auch nur ein "normaler" Güterwagen - also evtl. ein requirierter ausländischer Güterwagen - aber das können die Bahnexperten evtl. besser beantworten? Es ist kein deutscher Regelgüterwagen, das waren in Größenordnung die zweiachsigen "Dresden". Vierachsige Regelgüterwagen waren entweder Stallungswagen(Marinekavallerie?  :-D) oder deutlich länger als 11m. Auf alle Fälle aber absolute Exoten in der Reichsbahn 1941 - da gab es keine Großserien.

Wenn es also kein Güterwagen war, der einfach requiriert wurde "weil er da war" - dann gab es meiner Ansicht nach nur drei mögliche Gründe für einen vierachsigen Drehgestellwagen von 11m Länge.

  • Enge Kurvenradien - der war für eine Strecke bestimmt, die für den normalen Gedeckten großräumigen Güterwagen "Dresden"(Ladelänge 10,72m) zu enge Kurvenradien aufwies. Drehgestellwagen ermöglichen engere Kurvenradien.
  • 2) Schwere, empfindliche/geheime Fracht - Er war für eine Fracht bestimmt, die zu empfindlich oder zu geheim war für einen offenen vierachsigen Wagen(SSla / SSy Köln), aber zu schwer (mehr als 15t) für den "Dresden". Im Gegensatz zu ausländischen Bahngesellschaften hatte die Reichsbahn zu der Zeit keine schweren gedeckten Güterwagen, die kamen erst ab 1942(GGths Bamberg, Ladelänge 16,62m, 51t Ladegewicht) - und auch da nur in Kleinserie.
  • 3) sehr empfindliche Fracht - ein Drehgestell ermöglicht eine bessere Federung als normale Blattfedern - Es wurde z.b. eine Kleinserie des "Dresden"(GGhs Dresden) mit Drehgestellen von Schnellzug-Personenwagen(Typ Görlitz III) gebaut ... Ladelänge 15,52m aber nur 15,5t(!) Ladegewicht bei 22,7t(!) Eigengewicht - da wurden aber nur 3 Stück gebaut(1934). Bestimmt für Eilgutbeförderung in Schnellzügen. Auch die oben erwähnten Stallungswagen(GGvwehs Dresden, Gesamtlänge(über Puffer) 11,94m, Ladegewicht 3,5 t) hatten wohl aus diesem Grund Drehgestelle - davon wurden 5 Stück für Olympia '36 gebaut.

Trifft keiner dieser Gründe zu, hätte man eher einen zweiachsigen Güterwagen als Grundlage genommen und diesen entsprechend umgebaut(abnehmbares Dach etc. pp.) - Punkt 3 könnte eventuell für E-Messgeräte zutreffen? Allerdings spricht das verwendete Drehgestell dagegen - das sind keine Personenzug-Drehgestelle mit besonderem Federungskomfort(z.B. Görlitz III: https://de.wikipedia.org/wiki/Drehgestell_Bauart_G%C3%B6rlitz#/media/File:Drehgestell_Goerlitz_III_leicht.JPG), sondern die sehen eher den Schwerlast-Drehgestellen der offenen Schwerlastwagen "Köln" sehr ähnlich. Nur sieht der Wagen selbst nicht allzu stabil aus, also Ladegewicht >35t wie beim Köln ist sicher nicht möglich.

Evtl. helfen diese Überlegungen ja bei der Eingrenzung der möglichen Fracht....

bettika61

Zitat von: Urs Heßling am 16 Februar 2018, 11:01:38
Es gab ja den Langstreckentorpedo "Dackel" (L = 10 m).
Der Transportwagen paßt zeitlich nicht dazu ?

Gruß, Urs
Hallo ,
der TIII d "Dackel"  hatte eine Länge von 11.000 mm
http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Waffen/UTorpedos.htm
Die gleichen Daten so auch bei Oliver Krauß "Rüstung und Rüstungserprobung in der deutschen Marinegeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Torpedoversuchsanstalt (TVA) "
Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

Tostan

#6
Hallo,

so habe mich mal auf der Seite umgeschaut und mich da mal angemeldet um das Bild genauer anschauen zu können. Allgemein ist das die Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln, und diese sammeln Archivmaterial von Firmen ... Das bild gehört zum Bestand "Abt. 107 KHD (Westwaggon)" - also die Vereinigte Westdeutsche Waggonfabriken AG, die später(1959) von der Klöckner-Humboldt-Deutz AG übernommen wurde. Die Vermutung, es könnte sich um einen ausländischen Wagen handeln, ist daher wenig wahrscheinlich.

Gleichzeitig wurden mit dem anmelden und der damit höheren Auflösung die "Technischen Daten" lesbar:
Ladegewicht 21000kg
Tragfähigkeit 22000kg
Länge über Puffer 13,74m (die Ladelänge kann auso durchaus etwas mehr als 11m betragen)
Gewicht des Wagens mit Zubehör 24220 kg
Bremsgewicht 46700 kg

Unten rechts ist etwas nur undeutlich lesbar was ich nur teilweise als Funkenschutz ******* ??? deuten kann. Anbei mal der Bildausschnitt, evtl. kann ja jemand mehr entziffern. (Lizenz: Das Foto steht zwar unter CC-BY-NC-ND 3.0 aber meiner Ansicht nach ist der Ausschnitt keine Bearbeitung sondern nur eine Hervorhebung als Zitat.)

Zum einen bestätigen sich so meine obrigen Vermutungen zur Tragfähigkeit - etwas mehr als die zweiachsigen "Dresden". Die Reichsbahn hatte zu der Zeit keine gedeckten Regelgüterwagen dieser Tragfähigkeit. Das Gewicht des gesuchten Transportgutes liegt also zwischen 15 und 21t.
Es sind auch keine Seiten- oder Stirntüren erkennbar - wenn die nicht nur auf der Rückseite vorhanden sind(was ungewöhnlich wäre). Be- und Entladung konnten also nur per Kran erfolgen. Schüttgut können wir vermutlich trotzdem ausschließen, dafür hatte die DR verschiedene Regelgüterwagen ähnlicher Tragkraft. Könnten auch Geheimhaltungsvorschriften für das Fehlen von Türen verantwortlich sein? Denn das schränkt ja das Einsatzgebiet ein. Oder waren die Transporte so häufig dass der nur dafür eingesetzt wurde und das somit kein Nachteil war.

Torpedos und alls andere was Bumm macht(Geschütz-Treibladungen, Minen...) können wir als Transportgut vermutlich ebenfalls ausschließen. Das Dach des Wagens ist zwar abnehmbar, aber scheinbar ein simples ungedämmtes Wellblechdach. Munitionstransportwagen(und damit auch die Torpedo-Transportwagen der KM) waren meines Wissens nach gedämmte Klimawagen.

Hier mal ein ehemaliger Torpedotransportwagen: http://www.bahndienstwagen-online.de/bahn/BDW/BDW/DR/DR_SZ/html/dr_sz970.html

Ach ja, nebenbei ... "Torpedotransportwagen" ist die korrekte Bezeichnung - ein "Torpedowagen" transportiert das, was eventuell mal ein Torpedo werden soll - flüssigen Stahl. :-D

Tostan

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