Hilfssperrbrecher - was ist das?

Begonnen von OWZ, 11 Dezember 2017, 16:02:05

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OWZ

  Hallo in die Runde!
Mir fällt kaum ein anderer dt. Kriegsschiffstyp ein, bei dem die Nomenklatur so chaotisch anmutet, wie bei den Sperrbrechern - zumindest in den ersten Kriegsjahren (A,B,C.. / I,II,III... / 1,2,3...); insbesondere stelle ich mir dabei jetzt die Frage, was man eigentlich genau unter einem "Hilfssperrbrecher" zu verstehen hat. Kann hier vielleicht jemand erklären?
Grüße OWZ

halina

#1
Moin OWZ

Die grösseren Sperrbrecher waren mit einer Kupferwicklung um das Vorschiff versehen die von starken Gleichstrom
gespeist wurde und je nach Ausführung ein magnetisches Vorausfeld bis zu 100 m und seitlich bis zu 40 m erreichte .
Der Verlust von einigen Sperrbrechern konnte durch Umbauten anderer Handelsschiffe nicht schnell wegen den recht
langen Werftarbeiten ausgeglichen werden , so dass man auch kleinere Einheiten wie MFP oder Küstenmotorschiffe
herrichten musste , diese waren dann als  sogenannte  Hilfssperrbrecher im Einsatz  Im Unterschied zu den grösseren
Einheiten hatten diese meistens auf dem Vorschiff 2 grosse Magnetstäbe mit einem jedoch geringeren Vorausfeld .

                                                                                                                                             Gruss  halina

Edit : Im Anhang ein Foto von dem kleinen Küstendampfer S/S "Martha" der nach einer erfolgreichen Erprobung mit
        den Magnetstäben im Küstengebiet vor Swinemünde als Spr. 104 erfolgreich eigesetzt wurde .
        Dieses  VES-System CAM  wurde von dem italienischen Professor Pestarine entwickelt und 1943 von der KM
        übernommen . Die Spulenkörper haben je nach Ausführung ein Gewicht von bis zu 70 t und  und benötigen für
        die Erregung eine Gleichstromleistung von ca. 50 KW , im Räummodus werden die beiden Stäbe um jeweils 45°
        ausgeschwenkt , in Parkstellung liegen sie längs der Schiffsachse .
        Diese Einrichtung wurde von der KM weiterentwickelt vom Dipol zur Kreuzpoleinrichtung mit einer grösseren
        Magnetfeld-Reichweite , das 2. Foto zeigt diese Anordnung auf dem nur 62 m langen Küsten-Motorschiff M/S
       "Kepler"  , das als Spr 192 mit starker Luftabwehr 1943 im Donau-Mündungsgebiet die Magnetminen und auch
        andere unschädlich gemacht hat . ( hier im Foto gut sichtbar )
" Man muss nicht unbedingt das Licht des Anderen ausblasen , um das eigene Licht leuchten
zu lassen"
                      Phil Borman

OWZ

 Hallo halina,
ich hatte auch schon vermutet, dass die Bezeichnung mit einem Minus an Technik einhergeht. Allerdings kam mir der Begriff bei den Sperrbrechern A u. B (xWaltraut bzw. Ingrid Horn) unter, bei denen man ja nun nicht gerade von kleineren Einheiten sprechen kann. Bei Material bzgl. 1941 zu beiden Schiffen habe ich praktisch keinerlei sperrbrecherspezifische Ausrüstung erkennen können.
Gruß OWZ

halina

#3
Hallo OWZ ,

Die von Dir hier genannten Frachter W. und Ingrid Horn wurden zusammen mit anderen Schiffen von der KM 1939
als Reserveschiffe eingestuft und missverständlicherweise sogar als Hilfssperrbrecher bezeichnet , obwohl sie auch
weiterhin lt. OKM als Handelsschiffe z.V. unter Reichdienstflagge in Fahrt waren und erst im September 1940 von der
KM übernommen und danach  zu einem Sperrbrecher umgebaut wurden der im August 1941 beendet war .
Erst 1943 sprach man von den von mir genannten kleineren Einheiten die zu Sperrbrechern umgebaut wurden und
nicht für den Hochseeeinsatz geeignet waren von "sperrbrecherähnlichem Fahrzeug" , was wohl nach üblicher
Lesart und Auslegung zutreffend ein "Hilfssperrbrecher" sein dürfte .

                                                                                                                                                Gruss  halina

Edit: Zu den beiden Schiffen noch kurz die zeitlichen Abläufe bis zur Indienststellung : Quelle - deutsche Spbr. 1914-45

M/S  "Waltraud Horn" , am 17.5. 1940 im Dienst als "Hilfssperrbrecher"  A  unter Reichdienstflagge in Fahrt bis zum
1.9. 1940 , ab dann unter Kriegsflagge , am 15. 11. 1940 Bezeichnung  "Sperrbrecher"  A  , ab diesem Datum der
längere Umbau zum eigentlichen Sperrbrecher mit Indienststellung 20.8. 1941 als Spbr. 24 mit Eingliederung in die
2.  Spbr.-Flottille .
Für das Schwesterschiff "Ingrid Horn"   , Spbr. B  gelten die gleichen Daten , am 20.8 1941 als Spbr.  25  in Dienst
gestellt und im Einsatz bei der 3. Spbr- Flottille .
" Man muss nicht unbedingt das Licht des Anderen ausblasen , um das eigene Licht leuchten
zu lassen"
                      Phil Borman

Urs Heßling

moin,

Zitat von: halina am 11 Dezember 2017, 16:54:02
Edit : Im Anhang ein Foto von dem kleinen Küstendampfer S/S "Martha" der nach einer erfolgreichen Erprobung mit den Magnetstäben im Küstengebiet vor Swinemünde als Spr. 104 erfolgreich eigesetzt wurde .
.. und auf dem, das darf hier nicht unerwähnt bleiben, der spätere Professor und Autor der "Chronik des Seekriegs 1939-1945" und damalige Leutnant zur See Jürgen Rohwer eingesetzt war.
:MG:

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

thommy_l

Hallo,

gibt es irgendwo Infos zu diesen Magnetspulen und Magnetstäben? Was sollen die bewirken? Unter einer vom Magnetdetektor gezündeten Mine/Bombe/Granate/SonstEtWas kann ich mir durchaus etwas vorstellen aber im WK2?

Thommy

Lothar W.

Guten Abend,

Kleine Anmerkung von meiner Seite  :-D  Ich sehe die Sache so, daß die Bezeichnung "Hilfssperrbrecher" nichts mit der Räumanlage der Minen zu tun hat.

Bevor die ersten Sperrbrecher als MOB-Sperrbrecher zur Verfügung standen, behalf man sich mit zivilen Handelsschiffe die unter ziviler Besatzung und mit 2 Signalgasten besetzt waren. Diese Schiffe wurden vor allem im Gebiet von Elbe und Jade eingesetzt. Sie bekamen die Bezeichnung "Handelsschiffe z.B.V.

Diese Schiffe dienten nach der Indienststellung der ersten MOB-Sperrbrecher als Transporter für die vorgesehene Operation "Seelöwe" und für das Unternehmen "Weserübung". Diese Schiffe wurden auch nicht später zu Sperrbrecher umgebaut.

Die angesprochenen Hilfsperrbrecher A und B wurden als Hilfssperrbrecher im Mai 1940 in Dienst gestellt und kurze Zeit später zu Sperrbrecher umgebaut. Sie bekamen die Schutzstauung, die VES-Anlage und die dazugehörige Ausstattung und eine Bewaffnung.
Hilfssperrbrecher A (Waldtraut Horn) kam als Sperrbrecher 24 im November 1940 in Dienst und Hilfssperrbrecher B (Ingrid Horn) als Sperrbrecher 25 im September 1940.

Gruß
Lothar



halina

#7
Moin Thommy ,

Bereits 1937 begann man in GB und auch in der Kriegsmarine mit der Konstruktion der sogenannten "Magnetminen" ,
diese waren aber nicht magnetisch , sondern detonierten beim Überlaufen eines eisernen Schiffes durch einen nahe
am Gehäuse angebrachten Sensor der schon auf schwache Magnetfelder reagierte .
Diese Minen waren im Gegensatz zu Treib-und Ankertauminen Grundminen die nicht von den Minensuchern und
Räumbooten erfasst und unschädlich gemacht werden konnten . Bis zu Beginn des Krieges waren daher fast alle
grösseren Einheiten der KM  mit einer MES-Anlage ausgestattet , die bei gut eingestellter Kompensation das Zünden
der Magnetmine verhinderte .
Leider mussten unsere Handelsschiffe auf diese Technik verzichten , so dass für die Erkennung und Eleminierung
dieser gefährlichen Minen auf den Hauptschifffahhrtswegen eine neue Abwehr entwickelt werden musste .
Wurde mit der MES-Einrichtung der Schiffs-Magnetismus neutralisiert so brauchte man nun ein  starkes Magnetfeld
mit einer weten Vorauswirkung des Magnertfeldes um diesen Minentyp unschädlich zu machen , was dann unter der
Bezeichnung als VES-Systeem auf den Sperrbrechern zum Einsatz kam .
1938 wurde eine derartige Einrichtung erstmalig auf dem Kreuzer "Nürnberg" erprobt und sogar mit gutem Ergebnis ,
dazu wurden ca. 6.200 m Kabel ringförmig um das Vorschiff verlegt und mit einer Leistung von ca.250 KW und einer
Stromstärke von ca. 700 Ampere . Bei einer Wassertiefe von 28 m wurde die deutsche Magnetmine ca. 50 meter
vor dem Kreuzer zur Explosion gebracht .
Diese Installation wurde dann ab 30.9. 1939 auf dem Motorschiff M/S "Oakland" im Vorschiff eingebaut dazu noch
die notwendige Kernstauung , bestehend aus schweren Eisenteilen , darunter auch Eisenbahnschienen , ausserdem
noch die Schutzstauung bestehend aus leeren Fässern .
Nach Beendigung der Umbauarbeiten wurde die "Oakland" im April 1940 als Spbr. IV in Dienst gestellt und erreichte
eine Magnetfeld-Vorauswirkung von 100 meter bei einer Wassertiefe von 30 meter , im gleichen Monat wurde auch
die erste britische Magnetmine unschädlich gemacht .
Nachdem nun weitere Sperrbrecher umgerüstet wurden und mit guten Räumerfolgen unterwegs waren , gab es 1942
einen Rückschlag , da einige Sprb. verloren gingen oder schwer beschädigt wurden .
Die RN hatte nämlich in den Minen eine Zweifach-Aktivierung eingebaut die speziell auf das Überlaufen der Sperrbrecher
abgestimm war , die erste Aktivierung erfolgte dann ca. 100 meter vor dem Spbr. und ca. nach 8-10 sek. die zweite
Aktivierung mit Detonation unter dem Schiff . Dieses Problem konnte gelöst werden durch die ständige Umpolung der
Magnet -Wicklung innerhalb eines Intervalls von wenigen Sekunden von Nord-auf Südpol .

Im Anhang  2 Fotos , Bild 1  zeigt die Anordnung der Spulenwicklung , ein enorm grosser Zeit-und Materialaufwand .
ausserdem konnten diese Arbeiten nur im Dock erfolgen .
Im Bild 2  ein allgemeines Schema eines Dauermagneten mit den Feldlinien von Nord nach Süd , dieser Stab soll die
Längsachse des Sperrbrechers sein und der Nordpol der Bug desselben, durch das enorm starke Magnetfeld erreichen
die Feldlinien vom Bug ausgehend eine Weite bis zu 100 meter , der Rückfluss erfolgt zum Südpol der sich nach der
Schiffsmitte befindet .

                                                                                                                                               Gruss  Günter


Edit : weitere Infos hier   http://de.wikipedia.org/wiki/VES-Anlage
" Man muss nicht unbedingt das Licht des Anderen ausblasen , um das eigene Licht leuchten
zu lassen"
                      Phil Borman

thommy_l

Hallo Günter,

danke für die Info. Die Arbeitsweise von Magnetzündern war mir bekannt, nicht aber, dass im WK2 schon solche empfindlich genug und damit funktionsfähig waren. Siehe Torpedokrise. Wieder dazu gelernt.

Bezüglich Nürnberg und Zündung 50m voraus, die Gasblase müßte das Schiff immer noch kräftig durchkneten. Wie schwer war die Mine?

GrüßeThommy

halina

#9
Neben Sicherungs-und Begleiteinsätzen war die Hauptaufgabe natürlich die Räumung von Magnetminen , so wurden
von der Sperrbrecher-Flotte mit etwa 100 Einheiten bis Kriegsende ca. 2.500 Minen unschädlich gemacht .
                             
Zum Schicksal dieser Schiffe  einige Angaben :  24 Sperrbrecher gingen durch Minentreffer verloren , von Flugzeugen
der Allierten wurden  19  Schiffe versenkt oder in Häfen zerbombt und weitere  7  Spbr. durch  feindliche Kriegsschiffe .
50  überstanden den WK II und wurden nach Entmilitarisierung an die Reedereien zurückgegeben , einige davon waren
noch nach Kriegsende in der Nord-und Ostsee zum Minenräumen im Einsatz .

                                                                                                                                                    :MG:  halina

Edit :  Die erfolgreichsten waren die "Schwanheim"  Sprb. 5  mit 158 Räumungen , die "Belgrano"  Sprb. 11  mit  125
          zerstörten Minen und die  "Oakland"  Spbr. 4 machte  118  unschädlich .
" Man muss nicht unbedingt das Licht des Anderen ausblasen , um das eigene Licht leuchten
zu lassen"
                      Phil Borman

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