ABC Schutz bei der Bundesmarine/Deutsche Marine

Begonnen von Seelöwe, 22 November 2017, 11:30:53

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Seelöwe

Hallo in die Runde
Ich würde annehmen, dass alle Kampfeinheiten des Bundesmarine /Deutsche Marine ABC Schutz bekommen haben. Das ist bei Breyer/Koop nur sporadisch zu finden. Weiß jemand etwas genaueres darüber?
Vielen Dank!
Peter

Urs Heßling

moin,

Betr.: Schnellboote

Die Boote der Klassen 149 (Möve), 140 (Jaguar) und 141 (Seeadler) hatten keinen ABC-Schutz, allerdings gab es ABC-Schutzanlagen-Erprobungen mit dem Boot Geier.

Die Boote der Klasse 142 (Zobel) hatten ABC-Schutz, allerdings konnten die 40 mm-Geschütze im Alarmfall nur mit 18 Schuß vorgeladen werden und mußten dann (in Fernsteuerung geschaltet) verlassen werden.

Die Boote der Klasse 148 (Tiger) hatten eine Sprühanlage, um Kampfstoffanlagerungen zu verringern bzw. zu entfernen, aber keinen ABC-Schutz.

Die Boote der Klassen 143 (Albatros) und 143A (Gepard) hatten wiederum ABC-Schutz.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

beck.Schulte

Tach Urs: Solang Verschlüsse (Türen, usw) mit statischer Dichtung verwand werden, ist die Gasdichte ( eine Voraussetzung für den ABC Schutz) kaum gewährleistet. Ich habe oft erlebt, dass selbige bei der Abnahme noch gut zu Wege war, dann aber nach öfterem Gebrauch nicht mehr gewährleistet ist. Da must dann die Abteilung "Überdruck" fleißig werkeln. Fällt "Klima" aus ( soll es ja im ABC- Krieg geben) ist man mit der statischen Dichtung ganz schön am Mors. Die aktive Dichtung hält, solange die Bio-Waffe nicht das Gummi zerlegt, oder wie bei der BM erlebt, unsere Jungen und Mädels daselbst mit dem Messer rumstochern. Da aber alles nur kein Krieg ansteht, muß man sich keinen Kopf über ABC Schutz machen.   :-D

Urs Heßling

moin und tach, Bernd,

ich habe es selbst als Kommandant auf Wiesel ausprobiert (wie so vieles andere, z.B. Schießen mit
optischer Richtsäule, auch) und "wir" hatten gute Überdruckwerte, allerdings auch mit LtzS Gerd Rieper (sicher einigen mitlesenden S-Boot-Fahrern als "Lütten" bekannt) einen absolut hervorragenden STO top :MG:

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

beck.Schulte

Urs, unbenommen. Wir haben als die Frage von der BM an uns kam, ob man  z.B. Außentüren  nicht leichter und besser verschließbar machen könne, uns ja mit diesem Problem  ( auch was die schocksicheren Türen anging ) intensiv und langfristig beschäftigt. Ich habe u.a. Dauertext mit statischer Dichtung durchgeführt. Wenn man sich dann noch die Ansprengteste der Schocksicheren Türen ansah, dann wusste man, das wenn so ein Fahrzeug auf ne Mine läuft es mit der ABC "Dichte" vorbei war. Aber alles Theorie. Du auf deinem Boot und ich auffn Werft, wir wären schon in den ersten Stunden so verstrahlt oder schon verglüht, alles mit oder ohne ABC Schutz  :roll:

Urs Heßling

moin,

Zitat von: beck.Schulte am 22 November 2017, 20:26:09
Du auf deinem Boot und ich auffn Werft, wir wären schon in den ersten Stunden so verstrahlt oder schon verglüht, alles mit oder ohne ABC Schutz  :roll:
Tja, das ist die Frage (sagte Hamlet)

Der Sinn des ABC-Schutzes war u.a. sicherlich, uns in die Lage zu bringen, unsere Torpedos noch gegen einen Landungsverband "loszuwerden" ...

Ich stimme Dir vollkommen zu, es war sicher besser, es nicht ernsthaft testen zu müssen ...

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Elektroheizer

Ergänzend dazu:  es gab das Konzept der "ABC-dichten Zitadelle" mit Überdruck durch mit Gebläse gefilterte Außenluft. Ohne Quellenangabe, diese Bezeichnung habe ich erst nach meiner Wehrdienstzeit im Dunstkreis dieses Forums gelesen. Zusätzlich werden partikelförmige und flüssige, zum Teil auch wasserlösliche gasförmige Kontaminationen durch einen Sprühnebel außenbords abgefangen. Letzteres kann man auch ohne zusätzlichen ABC-Schutz machen, dann natürlich auch ohne weitergehende Abhaltung von Schadstoffen.

Neben den erwähnten Schnellbooten gab es diesen ABC-Schutz auf Minensucher-Tender Saar, auf dem ich gefahren bin, und ich nehme an auf allen Tendern der Rhein-Klasse und auch den meisten anderen Schiffsklassen. Die Wichtigkeit des ABC-Schutzes war mir natürlich bewußt, und so hatte ich als E-Gast meine Lampenronde im Backbord-Wellentunnel immer besonders sorgfätig gemacht. Da lagerten die ABC-Filtermatten, ca 1x2 m aus etwas kratzigem, aber weichen  Kunststoff-Material  :MV: Ich musste nur aufpassen, keine SLA-Durchsage zu verpassen. Ich schweife ab...

Durch Zufall hab ich in einem Motorrad-Forum einen GaWaSch = Verwendungsreihe 44 Schiffsbetriebstechnik = Schifssicherer von Zerstörer Schleswig-Holstein kennengelernt, den ich wie folgt zitiere: "War eh nur 'ne Mogelpackung. Also ABC-Filter raus, damit die Gebläse ordentlich pusten können. Kontrollampen der ABC-Klappensteuerung abklemmen, die Klappen der wichtigsten normalen Gebläse von Hand wieder auffahren und Gebläse einschalten und schon haste 'nen super Innendruck !! Man muß natürlich wissen, wo das alles verbaut und versteckt ist, aber als Schiffssicherer kennt man schließlich das ganze Schiff in- und auswendig." Ist sicher nicht im Sinne des Erfinders  :-D  Halte ich aber für plausibel, daß im längeren Schiffsbetrieb eine gasdichte Verbindng nicht so einfach zu erreichen ist, insbesonders mit der Kombination von Stahl und Aluminium Aufbauten.

Ich habe das Grauen gesehn

Big A

Zumindest für Klasse 122 (von den anderen Nachfolgeklassen  weiß ich es nur aus Erzählungen, nicht eigenem Erleben) kann ich festhalten, dass das Schiff ständig Überdruck fuhr (nur bei Hafenliegezeiten nicht) Betreten und Verlassen der Zitadell nur über (recht geräumige) Schleusen.
Brachte und immer das Lästern der alten Dergls ein, dass wir nur aufgeblasen zur See fahren können.
Aber durch die Anlage hatten wir auch alle individuell einzuregelnde Klimaanlagen auf den Kammern und in den Decks, das wiederum hat so manchen neidischen Blick insbesondere bei den Manövern in wärmeren Gefilden nach sich gezogen

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

Dergl

Moin,

an Bord eines 331er Minenjäger war ich im Rahmen der PME für die ABC zuständig.

Es gab eine Zitadelle (siehe oberen Beitrag), bereits kommend aus der 330er Bauform. Das bedeutete z.B. daß für den Umbau zum 331er zusätzlich erstellten 13-Mann-Deck und die Tauscher-Stores auf dem Hauptdeck nicht zur Zitadelle gehörte, welche mit der Achterkante des Leitstandes aufhörte. Gemessen wurde der Unterdruck durch U-förmige- mit Wasser gefüllte Skalen.

Auch war ich für die Wartung der Berieselungsköpfe zuständig. Wir hatten 2 Typen: einen zylinderförmigen Typ ca. 60mm Durchmesser x 100mm hoch, und einen flachen Typ ca. 100mm Durchmesser x 30 hoch (der hatte innenliegend eine Schleuderscheibe).
Regelmäßig musste ich im Rahmen der PME die Sprühköpfe prüfen (alle - auch die im Mast!) und dann die Berieselung anwerfen durch Druck auf die Feuerlösch und sinnvollem auf- und zudrehen an diversen Ventilen. Mit ABC Schutzausrüstung (diese wurde damit nebenbei geprüft) wurde dann alles abgegangen und nachgeschaut, wie der Berieselungsbereich jedes Sprühkopfes funktionierte.
Alles im Hafen mit Seewasser, bzw. dem dort vorhandenen brackigen Zeugs. Keine schöne Sache wenn man bedenkt, daß alles "Menschliche" der Schiffe und Boote einfach außenbords ging.

Auch gehörte zu dem Paket der PME die Prüfung des ABC Atemluftfilters. Das war ein großer Zylinder ca. 500mm Durchmesser und 1000hoch. Der war in der Offz Toilette Stb in einer Ecke verbaut und war im Zuluftbereich vor der HiPress. Zur Prüfung wurde die HiPress abgeschaltet, der Zylinder ausgebaut, durch die Türen und Gänge gewuchtet, auf einer Pritsche zur Werkstatt gefahren und ... gewogen. Dann wieder zurück und alles einbauen, wenn das Maximalgewicht noch nicht erreicht war. Irgendwann verschwand auch der mittlerweile angesammelte Mief.

Auch noch zu erwähnen die "Deckung". Das bedeutet daß sich die wachfreie Besatzung unterhalb der Flurplatten von Abt. 7 zwischen den Wassertanks zusammenkuschelte. Geübt wurde neben der Absenkung der körperlichen Toleranzschwelle u.A. auch der Austausch der reduzierten Wachen, damit es nicht allzu viel Wuhling gab.

Detlef

Seelöwe

Vielen Dank für die reichlichen Auskünfte, die Herren!
Beste Grüße
Peter

Urs Heßling

moin,

Zitat von: Dergl am 23 November 2017, 08:30:56
.. die Sprühköpfe prüfen (alle - auch die im Mast!)
Exkurs (aber für Dich passend :wink:) : Die fehlen bei den meisten (ausgenommen die besten) Modellen.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Dergl

Hallo,

hier mal ein paar Fotos von Sprühköpfen aus 1984 von FULDA (331er A) und der WEILHEIM (331er B) im Museum aus meiner selbstgeknipsten Sammlung.
Nebenbei bemerkt: Rohrkennzeichnung grün-blau-grün.


Grüße
Detlef

The Voice

Zitat von: Urs Heßling am 22 November 2017, 19:57:33
moin und tach, Bernd,

ich habe es selbst als Kommandant auf Wiesel ausprobiert (wie so vieles andere, z.B. Schießen mit
optischer Richtsäule, auch) und "wir" hatten gute Überdruckwerte, allerdings auch mit LtzS Gerd Rieper (sicher einigen mitlesenden S-Boot-Fahrern als "Lütten" bekannt) einen absolut hervorragenden STO top :MG:

Gruß, Urs
Ich nehme an, es spricht nichts dagegen, dass ich Lütten das Lob persönlich mitteile?
Wir treffen uns Morgen mit unseren Frauen zum Brunch!

Gruß aus Kronshagen
In God we trust - all others we track

Urs Heßling

moin,

Zitat von: The Voice am 24 November 2017, 20:11:17
Ich nehme an, es spricht nichts dagegen, dass ich Lütten das Lob persönlich mitteile?
Wir treffen uns Morgen mit unseren Frauen zum Brunch!
Absolut nicht  top
Herzliche Grüße an Marianne und Gerd von Ulrike und mir  :birthday:
Danke :MG:

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

smutje505

ABC Schutz bei der Volksmarine
Ich kann mich weitläufig erinnern das man 1966 oder 1967 auf Oberdeck irgend eine "Radioaktive" Flüssigkeit verschüttete und wir mußten solange schruppen bis der Geigerzähler nichts mehr anzeigte. Anschließend  mußten wir unter die Dusche die Steuerbord-siehe Bild 3-angebracht war.
Wer kann genaueres darüber sagen? Oder war es nur Angstmache!
Bei Atomalarm mußten wir noch die Gammastiefel unter den Kampfanzug ziehen. Wir bekamen auch noch Spezial-Gummihandschuhe.
Bild 2 unser Gasi mit Geigerzähler
Bild 4 Gefechtssignale an Bord- mußten wir auswendig lernen.

Impressum & Datenschutzerklärung