Belgien 1914, ein neuer Blick.

Begonnen von Matrose71, 05 November 2017, 16:28:04

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Matrose71

Salve,

ich bin heute durch einen kostenpflichtigen Spiegelonline Artikel

http://www.spiegel.de/spiegel/belgien-massaker-im-ersten-weltkrieg-studie-entlastet-deutsche-teilweise-a-1176413.html

auf ein neues Buch aufmerksam geworden, dass einen neuen Blick auf das Verhalten der deutschen Armee in Belgien 1914 wirft und vor allen dingen das Verhalten der belgischen Regierung und Zivilisten.

Schuldfragen: Belgischer Untergrundkrieg und deutsche Vergeltung im August 1914 von Ulrich Keller
https://www.amazon.de/dp/3506787446/ref=nosim?tag=wwwspiegelde-21

Zitate:
ZitatKeller bestreitet nicht deutsche Kriegsverbrechen, aber er sucht mit kühlem Blick nach den Gründen der Eskalation und weist den Belgiern vielfach eine Mitverantwortung zu. Die Deutschen hätten keineswegs aus dem Nichts gewütet, sondern als Reaktion auf völkerrechtswidrige Aktionen der Belgier: Als Zivilisten verkleidete Soldaten und einfache Bürger hätten einen völkerrechtswidrigen Freischärlerkrieg geführt, dem rund 2600 Landser zum Opfer gefallen seien.

Die etablierten Historiker nehmen die neue Studie ernst. Sie sei eine "Herausforderung", urteilt Gerd Krumeich, Doyen der deutschen Forschung zum Ersten Weltkrieg. Ende Oktober diskutierten Experten auf einer hochkarätig besetzten Konferenz an der Potsdamer Universität bereits Kellers Thesen.

Krumeich räumt jedenfalls ein, auch er habe "ab und an" Zweifel an der völligen Unschuld der Belgier gehabt. Doch dem nachzugehen wäre "äußerst unbequem" gewesen, weil dann eine Isolation "in der internationalen Scientific Community" gedroht hätte. Das klingt nach einem Schweigekartell unter Historikern.

Ich werde es mir wohl unter den Weihnachtsbaum legen lassen oder anderweitig besorgen.

Ich bin in Zukunft gespannt was noch alles grundsätzlich an der Geschichtsschreibung zum WWI in Frage gestellt werden muss und wird, nach Clark scheint auch dieses Buch ziemlich revolutionär zu sein, und die etablierten Historiker stehen wieder Kopf, wie schon so oft beim WWI.
Viele Grüße

Carsten

bodrog

Die Erkenntis ist ja wohl nichts Neues - außer vielleicht im bundesdeutschen Geschichtsdiskurs

die Gefechtsberichte der sächischen Armee (hier geht es um Dinant) liegen im Sächs. Hauptstaatsarchiv Dresden vor; die Herrn Horne/Kramer haben diese Berichte bedauerlicherweise ignoriert und mehr auf die Argumentation des War Propaganda Bureau von Herrn Masterman gesetzt!

So long

Matrose71

#2
Salve bodrog,

für Eingeweihte wie dich schon, auch ich hatte da Zweifel.

Wichtig ist doch aber, dass das Thema einer breiten oder breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird (Spiegel) und es in der Historiker Zunft ernsthaft diskutiert wird, dass wird hoffentlich weitere Forschung zu diesem Thema anstoßen.

Ich darf daran erinnern, das in sehr weiten Teilen dieser Welt und auch hier in Deutschland, die deutsche Sonderwegsthese (begründet von John C Röhl) mit dem direkten Weg von 1871 nach Auschwitz, sich großer Beliebtheit erfreut und da passten ja die Kriegsverbrechen in Belgien und die alleinige deutsche Schuldfrage (Juli Krise), perfekt ins Raster.

Dazu kommt, dass Röhl so lange er gelehrt hat in seinen Vorlesungen behauptet hat, der deutsche Militärgeheimdienst hätte Sarajevo inzeniert!

Es ist doch wichtig, das aufzubrechen und die Geschichte korrekt wiederzugeben!
Viele Grüße

Carsten

maurice voss

Hallo,

Gespannt, das zu lesen !


ich wohne in Belgien, nur 200 Meter von der alten deutsch-belgischen Grenze entfernt.

Gruss

Maurice

bodrog

Röhl ist seit über 20 Jahren im Diskurs tot - nur ganz Linke zitieren seine Thesen noch - leider vor allem Journalisten. Mittlerweile wird das erheblich nüchterner gesehen und wer z. Bspw. was zum U-Boots-Krieg im WK I und zu dessen Protagonisten lesen will, der besorge sich Joachim Schröders "Die U-Boote des Kaisers" mit einer nüchternen wie erhellenden Quellenkritik und genauso einer Umwertung bisher vielfach bestehender Urteile und sattelfesten Konsequenzen für die Historik

Das jetzt auszuführen ist mir zu lang, da ich ansonsten groß ausholen müsste, was ich nicht mag  :MG:

maurice voss


Matrose71

#6
Hallo brodog,

dass Röhl seit 20 Jahen im Diskurs tot ist, sehe ich ganz anders!

Zu Clarks Buch kamen ja wieder Fischers und Röhls Thesen auf und Annika Mombauer als Schülerin von Röhl hält ja auch voll dagegen und bezeichnet Clark öffentlich als Revisionisten.
Leider ist eben besagte Frau Mombauer auch Authorin für die Bundeszentrale für politische Bildung und das sind die Unterichtsrichtlinien in der deutschen Sekundarstufe II (Abitur).
http://www.bpb.de/apuz/182558/julikrise-und-kriegsschuld-thesen-und-stand-der-forschung?p=all
Insoweit sehe ich das nicht als "tot" an.

Somit können gar nicht genug "neue" Erkenntnisse wie die von Ulrich Keller oder das von dir beschriebene Buch von Joachim Schröders in die breitere Öffentlichkeit gelangen, damit objektiv über den WWI geschrieben wird.
Viele Grüße

Carsten

kalli

Sönke Neitzel: Rezension zu ,,Die U-Boote des Kaisers" von Joachim Schröder

hier

bodrog

Ich habe mich auf Dirk Nottelmann bezogen:

http://www.buchschapp.seekrieg14-18.de/Die_U-Boote_des_Kaisers.htm

zumal ich beim Lesen selber überrascht war, wie ernst Willi eigentlich sein Christentum gelebt hat

RePe

Hallo Maurice,

ich habe wegen deiner Antwort mal bei Google Maps nachgeschaut, wo Herbesthal und Welkenrath liegt.
Dann ist das ja nicht sehr weit bis Moresnet, und dieser Ort war von 1816 bis 1919 ein Unikum,
s. https://de.wikipedia.org/wiki/Neutral-Moresnet

     Gruss

          RePe

t-geronimo

Das kannte ich noch nicht.
Vielen Dank für den Hinweis.  :TU:)
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

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maurice voss


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