Schlachtschiffe im 2. Weltkrieg

Begonnen von Urs Heßling, 10 April 2017, 22:22:21

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maxim

Das Schlachtschiff war nun mal im Zweiten Weltkrieg nur noch eingeschränkt eine effektive Waffe.

a) es fehlte seine Daseinsgrundlage, eine Schlachtflotte, praktisch bei jeder Marine und entsprechende fehlte auch der Gegner, eine gegnerische Schlachtflotte.

b) sie war technologisch überholt, Schlachtschiffe waren nicht mehr die schlagkräftigsten Schiffe einer Flotte, sondern Flugzeugträger. Dazu waren Schlachtschiffe, wie alle Schiffe, durch Luftangriffe stark verwundbar (diese Verwundbarkeit wurde schon 1940 in Norwegen und danach immer wieder demonstriert).

c) entsprechend dienten Schlachtschiffe die meiste Zeit im Krieg als Geleitschiffe, Flugabwehrschiffe und dem Küstenbeschuss - Aufgaben, für die sie davor als viel zu wertvoll angesehen wurden. Deshalb waren Schlachtschiffe ironischerweise im Zweiten Weltkrieg sehr viel aktiver als im Ersten Weltkrieg.

Die Kriegsführung war drei-dimensional geworden (siehe auch die Ursachen für Beschädigungen und Versenkungen von Schlachtschiffen) und hier waren  Schlachtschiffe, die nur dazu entworfen waren andere Schlachtschiffe zu versenken, einfach aus der Zeit gefallen.

Big A

Zitatsie war technologisch überholt, Schlachtschiffe waren nicht mehr die schlagkräftigsten Schiffe einer Flotte, sondern Flugzeugträger

Sorry, das ist eine ex-post Analyse. Zu Beginn des WWII und dem Bau der Schlachtschiffe war das bei weitem eben nicht klar sondern diese Erkenntnis hat sich erst mit dem Verlauf des Krieges herausgeschält; nach den Einsätzen der Träger als selbstständiger  Offensivwaffe.

Axel
Weapons are no good unless there are guts on both sides of the bayonet.
(Gen. Walter Kruger, 6th Army)

Real men don't need experts to tell them whose asses to kick.

maxim

Mir ist schon klar, dass der Vorwurf der "ex-post Analyse" hier in diesem Forum extrem beliebt ist, dass man fast meinen könnte, es gäbe dafür eine automatische Einfügfunktion.

Aber warum steht diese Feststellung hier schon wieder? Was soll sie uns sagen? Ging es um die Frage, was man damals wissen konnte oder was heute? Ich hatte mich auf den HEUTIGEN Wissensstand berufen und mit keinem Wort damalige Entscheidungsträger auch nur erwähnt! Entsprechend finde ich es zumindest mal extrem befremdlich, mir vorzuwerfen, ich würde mit heutigem Wissensstand argumentieren. Das erwartete ich in diesem Kontext eigentlich von jedem!

Ob dies damalige Entscheidungsträger hätten wissen können, ist eine eine interessante Frage. Am ehesten kann man diese Erkenntnis in den Staaten erwarten, die a) eine starke, erfahrene Flugzeugträgerflotte hatten oder wenigstens sehr gute Kenntnisse über deren Einsatzmöglichkeiten hatten; b) (alternativ) Flugzeuge, die zur Schiffsbekämpfung trainiert und ausgerüstet waren und c) eine gute Kooperation zwischen Flugzeugen (Marineluftwaffe und/oder Luftwaffe) mit der Marine trainierten.  D.h. im damaligen Deutschland war eine solche Erkenntnis sehr unwahrscheinlich (fehlte alles drei), während sie sich in Japan entwickelt haben könnte. Es gab gut trainierte Trägerverbände, die im Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg schon im Einsatz waren und unmittelbar bei Kriegsbeginn ihren spektakulärsten Erfolg erzielten (Pear Harbor). Es gab sehr gut trainierte landgestützte Bomber zur Anti-Schiffsbekämpfung, die kurz nach Kriegsanfang das Schlachtschiff HMS Prince of Wales und den Schlachtkreuzer HMS Repulse auf offener See versenkten. D.h. die japanische Marine schalteten in den ersten Kriegstagen sieben Großkampfschiffe mit Flugzeugen aus. D.h. praktisch hatten sie verstanden, dass das Schlachtschiff gegen Luftangriffe empfindlich waren, da sie selbst effektive Methoden entwickelten hatten, um Großkampfschiffe aus der Luft zu versenken. Ob sie diese Schlussfolgerung vollständig und konsequent angewendet haben? Nein, was einerseits an fehlender Erfahrung liegt (es hatte z.B. noch keine Trägerschlacht gegeben) und andererseits gab es immer noch die, die an die große entscheidende Schlacht zwischen den Schlachtflotten glaubten (aber was hätte sie bei der materiellen Unterlegenheit auch sonst auch machen sollen außer das offensichtlichste: den Krieg nicht zu beginnen?). Aber die japanische Marine war eine der ersten, die den Bau von Schlachtschiffen zugunsten des Baus von Flugzeugträgern einstellte (nach Midway), während danach die US Navy und Royal Navy weiter munter Schlachtschiffe bauten.

Sarkas

@maxim: Natürlich geht es hier darum, was man unter der damaligen Wissenlage entscheiden konnte! "Ex post" ist immer ein Zirkelschluss: "Schlachtschiffe waren überflüssig, weil die Geschichte gezeigt hat, dass sie überflüssig waren." So kann man kaum eine sinnvolle Diskussion führen.

Was konnte man damals wissen? Wie Du es selbst geschrieben hast, hatten bestenfalls die Japaner die Voraussetzungen, um Flugzeugträger als die schlagkräftigere Waffe zu erkennen. Den Amerikanern fehlte dazu die Erfahrung, und die übrigen Länder hatten nicht einmal das Gerät, um so einen Gedanken überhaupt aufzustellen.

Was wusste man damals noch? Man wusste, dass ein modernes Schlachtschiff auf See eigentlich von einer von einem Flugzeug mitgeführten Waffe überhaupt nicht versenkt werden kann, zumindest nicht von Waffen mit einer relevanten Trefferquote. Alle tatsächlichen Fälle von Versenkungen sind auf "Glückstreffer" oder Konstruktionsfehler zurückzuführen. Das änderte sich erst Ende 1943 mit "Fritz".

maxim

Nein, darum ging es in meinem Beitrag SICHER nicht und in vielen anderen Beiträgen in diesem Thema ging es auch nicht um die damalige Wissenslage! Es ging um eine Diskussion der damaligen Rolle der Schlachtschiffe - und es macht keinerlei Sicht dabei die heutige Wissenslage zu ignorieren!

Das gilt übrigens auch für Dein Fritz X-Argument.

Damalige Schlachtschiffe wurden VOR Fritz X durch Flugzeuge versenkt. Ich hatte gerade sieben alliierte Großkampfschiffe aufgezählt gehabt, die davor von Flugzeugen versenkt worden waren. Dazu kamen z.B. noch die in Taranto versenkten Schiffe. Durch mehrfache Torpedotreffer - eine Waffe mit einer relativ hohen Trefferwahrscheinlichkeit! - konnte jedes Schlachtschiff versenkt werden. Und durch eine Kombination von Torpedo- und Bombentreffer noch besser. Wie die Japaner eben gleich mit einigen ihrer ersten Angriffe demonstrierten - oder die US Navy später dann mit Musashi und Yamato. Das waren keineswegs alles Glückstreffer wie die Zerstörung der einen Welle der Prince of Wales. Im Gegenteil hatten die meisten Schlachtschiffe Glück, dass es nie jemanden schaffte gegen sie einen derartigen Angriff wie auf USS West Virginia zu fliegen, die durch sieben Torpedos versenkt wurde. Oder den Angriff, der HMS Repulse mit vier bis fünf Torpedotreffern versenkte. Solche Angriffe hätte auch kein einziges anderes Schiff überlebt, die meisten hätten auch die Hälfte davon nicht überstanden.


Und noch eine Anmerkung für ein Beispiel einer typischen Unverschämtheit, die man in ähnlicher Form hier im Forum leider auch sehr oft findet:
Zitat von: Sarkas am 20 April 2017, 16:24:00
"Ex post" ist immer ein Zirkelschluss: "Schlachtschiffe waren überflüssig, weil die Geschichte gezeigt hat, dass sie überflüssig waren." So kann man kaum eine sinnvolle Diskussion führen.
Kein Mensch hat so argumentiert, aber Sarkas unterstellt es einfach...

Big A

Zitatwährend danach die US Navy und Royal Navy weiter munter Schlachtschiffe bauten.

Für die RN weiß ich es nicht genau (da habe ich zugegebenermaßen große Lücken) aber die IOWAs waren schon auf Kiel gelegt, als der Krieg im Pazifik losging. Es wäre sicher zu teuer und angesichts der dringenden Eile der nötigen Aufrüstung gegen Japan zu aufwändig gewesen, diese abzuwracken und / oder umzubauen (z.B. zu Trägern à la SHINANO).
Und selbstverständlich muss man bei der Analyse immer auf den zur Zeit der Entscheidungsfindung vorherrschenden Sachstand eingehen.

und nein, ich habe keine automatische Einfügefunktion :-P

und ja, Japan hätte es nach den Erfolgen besser wissen können, wobei der japanisch-chinesische Krieg ein eher fragwürdiges Argument ist, denn hier wurden die Träger zur Unterstützung der Landkämpfe und zum "realistischen Training" der Piloten der IJN vor der chinesischen Küste eingesetzt oder haben sogar als landgestützte Staffeln "geübt".

Axel
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maxim

Es stimmt, dass die ersten vier Schiffe der Iowa-Klasse schon angefangen waren, als Pearl Harbor angegriffen wurde. Zwei weitere Schiffe wurden dann noch nach Midway, im Dezember 1942, auf Kiel gelegt, kein Schiff war vor Midway vom Stapel gelaufen. Die Energie, die in die Schiffe danach noch investiert wurde, hätte man sicher nützlicher verwenden können - aber bei den gewaltigen industriellen Kapazitäten waren relativ überflüssige Luxusbauten wie die Iowa- oder die "Großen Kreuzer" der Alaska-Klasse relativ egal. Es konnte ja trotzdem eine gigantische Übermacht aufgebaut werden. Die US Navy konnte sich diese Inkonsequenz locker leisten.

Der Bau der Vanguard wurde sogar erst am 2. Oktober 1941 begonnen, sie lief erst am 30. November 1944 vom Stapel und erst im August 1946 fertig. Also haufenweise Gelegenheit, den Bau zu Überdenken. Und leisten konnte sich die Royal Navy diese Verschwendung eigentlich nicht und der Bau von deutlich nützlicheren Schiffen war gestoppt worden, z.B. Träger der Eagle-, Majestic- und Centaur-Klasse (verständlich, damals gab es genügend).

Die Erfahrungen im Chinesisch-Japanischen Krieg waren sicher für die japanische Marine wertvoll, da Trägerkampfgruppen im Einsatz (übrigens sehr wohl auch gegen die kleine chinesische Marine) erprobt werden konnten. Und wenn es in Europa 1940-42 derartige trainierte, landgestützte Bomber gegen Schiffe, wie die von der japanischen Marine gegeben hätte, wären die Verluste an Schiffen sicher noch viel dramatischer ausgefallen. Dramatisch waren sie sowieso, z.B. in Norwegen oder vor Kreta.

Sarkas

@maxim: Du hattest geschrieben:

Zitat von: maxim am 20 April 2017, 13:28:54
Das Schlachtschiff war nun mal im Zweiten Weltkrieg nur noch eingeschränkt eine effektive Waffe.

a) es fehlte seine Daseinsgrundlage, eine Schlachtflotte, praktisch bei jeder Marine und entsprechende fehlte auch der Gegner, eine gegnerische Schlachtflotte.

b) sie war technologisch überholt, Schlachtschiffe waren nicht mehr die schlagkräftigsten Schiffe einer Flotte, sondern Flugzeugträger. Dazu waren Schlachtschiffe, wie alle Schiffe, durch Luftangriffe stark verwundbar (diese Verwundbarkeit wurde schon 1940 in Norwegen und danach immer wieder demonstriert).

(...)

Das sind keine Argumente, das ist die These, über die hier diskutiert wird. Das ist der von mir erwähnte Zirkelschluss. Wenn das kein Zirkelschluss sein soll, dann musst Du die These mit anderen Argumenten begründen.

Und ich hatte bewusst "ein modernes Schlachtschiff auf See" geschrieben. Da fallen mir nur Yamato, Musashi, Roma - alle erst 1944/45 - und PoW ein.

maxim

#38
Wo ist da bitte der Zirkelschluss?

1.) bezieht sich auf das taktische Konzept und zwar nicht darauf, dass dies nicht mehr effektiv war, sondern, dass es nicht mehr existierte. Die Gründe für ein Fehlen einer Schlachtflotte sind divers, z.B. die Reduktion der Zahl der Schlachtschiffe durch die Flottenverträge, die herben Verluste bei Kriegsausbruch bei der US Navy, fehlende Gegner (im Falle der Royal Navy im Atlantik und Nordsee)... Aber ohne Schlachtflotte fehlte dem Schlachtschiff automatisch die Daseinsberechtigung, da diese nur dafür entworfen waren, gegnerische Schlachtflotten zu zerstören.

2.) bezieht sich auf die technische Ausstattung. Die Zerstörungskraft von Bomben und Torpedos war größer als die von schweren Granaten, d.h. Schlachtschiffen waren mit weniger effektiven Waffen ausgerüstet und entsprechend weniger effektiv, als eine Trägerkampfgruppe. Ausgerechnet gegen diese Waffen waren Schlachtschiffe besonders empfindlich, da ihr Panzerschutz nicht gegen sie ausgelegt war.


Moderne Schlachtschiffe waren in der frühen Phase des Kriegs selten und nur wenige wurden von Flugzeugen angegriffen und noch weniger von größeren Verbänden. Ich wüsste aber nicht, warum Prince of Wales z.B. vier bis fünf Torpedotreffer auf einer Seite hätte überleben sollen - selbst wenn es nicht den Glückstreffer auf der Welle gegeben hätte.

War die Versenkungen  - also die späteren - von Yamato und Musashi Glück? Was spricht dagegen, dass ähnliche Versenkungen nicht schon 1940-42 möglich gewesen wären? Deutsche Maschinen setzten gegen Illustrious relativ schwere Bomben ein - es fehlte aber die koordinierten Angriffe mit Torpedobombern, um sie auch zu versenken. Etwas ähnliches wäre auch mit Schlachtschiffen möglich gewesen. Die Schäden bei der Littorio-Klasse wirst du wahrscheinlich als Konstruktionsfehler werten, aber das waren im Vergleich auch schwache Angriffe mit nur wenigen Maschinen und Torpedos. Die Nelson, die im September 1941 von einem italienischen Torpedobomber ausgeschaltet wurde und nur mit etwas Mühe nach Gibraltar eingebracht wurde, ist wohl wieder nicht modern genug. Aber gibt es Beispiele dafür, dass moderne Schlachtschiffe gut koordinierte Luftangriffe überlebt haben?

Klar, gab es abgesehen von Prince of Wales kein Beispiel für einen frühen Totalverlust durch einen Luftangriff - nur halt noch Bismarck, die durch einen Luftangriff auf hoher See praktisch gefechtsunfähig wurde, die beiden Fälle von Torpedotreffern auf Vittorio Veneto, die beides Mal das Schiff kampfunfähig machten (einer von einer Swordfish, einer aber von einem U-Boot) und die drei im Hafen auf Littorio (auf hoher See wäre sie verloren gewesen; dafür überlebte sie dann ausgerechnet einen Fritz X). Aber die Menge an Treffern, die auf alten Schlachtschiffen erzielt wurden, z.B. auf der Repulse oder West Virginia, hätten auch jedes moderne Schlachtschiff zerstört.

Benjamin

Zitat von: maxim am 20 April 2017, 18:36:25
1.) bezieht sich auf das taktische Konzept und zwar nicht darauf, dass dies nicht mehr effektiv war, sondern, dass es nicht mehr existierte. Die Gründe für ein Fehlen einer Schlachtflotte sind divers, z.B. die Reduktion der Zahl der Schlachtschiffe durch die Flottenverträge, die herben Verluste bei Kriegsausbruch bei der US Navy, fehlende Gegner (im Falle der Royal Navy im Atlantik und Nordsee)... Aber ohne Schlachtflotte fehlte dem Schlachtschiff automatisch die Daseinsberechtigung, da diese nur dafür entworfen waren, gegnerische Schlachtflotten zu zerstören.


Das ist halt eine sehr allgemeine Aussage für eine große Zeitspanne von ca Ende der 1920er bis 1945. In diesem Zeitraum hat sich eine Menge verändert, neue Technologien, neue Doktrinen und Einsatzprofile etc und das sollte nicht so einfach abgetan werden bzw. pauschalisiert werden. Die IOWAs sind garantiert nicht gebaut um ein zweites Skagerrak zu bestreiten, haben aber mE aus damaliger Sicht eine Daseinsberechtigung gehabt und, im Nachhinein betrachtet sogar noch mehr (siehe die zahlreichen Refits und Einsätze in der "Neuzeit").


Zitat von: maxim am 20 April 2017, 18:36:25
2.) bezieht sich auf die technische Ausstattung. Die Zerstörungskraft von Bomben und Torpedos war größer als die von schweren Granaten, d.h. Schlachtschiffen waren mit weniger effektiven Waffen ausgerüstet und entsprechend weniger effektiv, als eine Trägerkampfgruppe. Ausgerechnet gegen diese Waffen waren Schlachtschiffe besonders empfindlich, da ihr Panzerschutz nicht gegen sie ausgelegt war.

Auch hier: Konnte man damals nicht wissen. Dieses Wissen haben die seefahrenden und kriegführenden Nationen erst nach und nach erlangt (und auch nicht zeitgleich sondern in parallen Prozessen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten). Im Vorfeld mag sich zwar das Einsatzprofil der Schlachtschiffe geändert haben, aber das geschah nicht 1:1 mit der Entwicklung der Trägerwaffe. Effektiv gab es von '41-42 nur eine Trägerkampfgruppe -> Kido Butai. Vorher keine, bzw Kampfgruppen, die *auch* Flugzeugträger enthalten konnten.

Zitat von: maxim am 20 April 2017, 18:36:25
Moderne Schlachtschiffe waren in der frühen Phase des Kriegs selten und nur wenige wurden von Flugzeugen angegriffen und noch weniger von größeren Verbänden. Ich wüsste aber nicht, warum Prince of Wales z.B. vier bis fünf Torpedotreffer auf einer Seite hätte überleben sollen - selbst wenn es nicht den Glückstreffer auf der Welle gegeben hätte.

War die Versenkungen  - also die späteren - von Yamato und Musashi Glück? Was spricht dagegen, dass ähnliche Versenkungen nicht schon 1940-42 möglich gewesen wären?

Du gibst dir die Antwort schon selbst :)

Zitat von: maxim am 20 April 2017, 18:36:25
Deutsche Maschinen setzten gegen Illustrious relativ schwere Bomben ein - es fehlte aber die koordinierten Angriffe mit Torpedobombern, um sie auch zu versenken. Etwas ähnliches wäre auch mit Schlachtschiffen möglich gewesen.

Das Wissen, die Doktrinen dafür, waren schlichtweg noch nicht existent. Wiederum haben die Japaner mE die massiven koordinierten Angriffe einer hohen Anzahl von Flugzeugen von mehreren Trägern auf mobile Ziele erst "salonfähig" gemacht, um nicht zu sagen "erfunden".
If there's more than one possible outcome of a job or task, and one of those outcomes will result in disaster or an undesirable consequence, then somebody will do it that way.

t-geronimo

@ maxim:

Vergleicht man die Anzahl der erzielten/benötigten Treffer auf Yamato und Musashi mit der Anzahl der eingesetzten Kampfflugzeuge, so wären sie 1940-42 vermutlich(!!) wohl auch arg humpelnd wieder in einen Hafen gekommen wie VV, vorausgesetzt es hätte keine Folgeangriffe gegeben.
Aber auch nur, weil man da eher nicht die Masse an Flugzeugen zusammen bekam. Einzelne Träger konnten das nicht leisten, Verbände waren selten oder die Ziele zu vielfältig (wenig Ziele = Konzentration von mehr Fliegern auf ein Ziel). Von Land aus ging das schon eher mal, siehe PoW.

Zählt für Dich z.B. der Angriff von Victorious' Albacores auf Tirpitz als "gut koordinierte Luftangriff auf ein modernes Schlachtschiff"? Einigermaßen gut in sich koordiniert war er m.W., letztlich aber zu klein. Daher mußte TP mit einer ordentlichen Portion Glück und auch ebenso einer Portion Können nicht zeigen, wie viel sie hätte einstecken können.

Bei einem Vergleich 1940-42 mit 1944-45 kommt doch letztendlich wieder das gleiche Argument zum Tragen, das auch das Schlachtschiff an sich obsolet gemacht hat: die rasante technische Entwicklung, sowohl was Masse angeht als auch Klasse.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

maxim

@ Benjamin: meine Liste bezog sich auf das heutige Wissen, warum Schlachtschiffe überholt waren - nicht das damalige! Das hatte ich schon mehrfach geschrieben.

Die Iowa-Klasse wurde entworfen, um schnelle Trägerkampfgruppen gegen Angriffe durch schnelle Schlachtschiffe (wie die Kongo-Klasse) zu schützen, also Überwasserangriffe abwehren zu können. Die Iowa-Klasse war als Schlachtschiff nicht optimal, da die Panzerung eigentlich zu schwach und zu wenig umfangreich war, um die hohe Geschwindigkeit zu ermöglichen. Die Montana-Klasse wären richtige Schlachtschiffe geworden.

Die richtigen Schlachtschiffen waren immer entworfen, um gegnerische Schlachtschiffe zu bekämpfen - aber dafür braucht es nun mal Schlachtflotten, die sich bekämpfen. Und keine Marine konnte im Zweiten Weltkrieg einen solchen Verband aufstellen.

Die japanische Marine hatte 1941 ausgebildeten Verbände, sowohl träger- als auch landgestützte Verbände. Diese wurden für koordinierte Bomben- und Torpedoangriffe trainiert. Es gab solche Verbände, im Falle von Prince of Wales und Repulse wurden 34 Torpedobomber, 54 Bomber und drei Aufklärer eingesetzt. Insbesondere in Europa reichten landgestützte Verbände meist aus, da die meisten Gewässer von Land aus erreichbar waren (!). Die italienische Luftwaffe hatte solche, aber schlecht trainiert und mit der Marine koordiniert. Die Luftwaffe hatte nur wenige solche Staffeln, die gut trainiert waren, aber die waren auch schlecht mit der Marine (sowohl mit der Kriegsmarine als auch der Regia Marina) koordiniert. Die Briten hatten mit dem Coastal Command im zunehmenden Umfang sehr gute Schiffsbekämpfungsstaffeln.

@ t-geronimo: wie oben geschrieben, die japanische Marine hatte solche Verbände und setzte sie auch ein, sowohl träger- als auch landgestützt.

Den Angriff der Albacore auf Tirpitz würde nicht als guten, koordinierten Angriff werten - viel zu wenige, schlechte Flugzeuge. Aber es stimmt natürlich, dass auch die Tirpitz von Flugzeugen ausgeschaltet wurden. Aber da wäre der Angriff während Operation Tungsten ein besseres Beispiel - aber natürlich auch ein Beispiel von 1944.

Big A

Zitatda Trägerkampfgruppen im Einsatz (übrigens sehr wohl auch gegen die kleine chinesische Marine) erprobt werden konnten.

Wenn Trägerkampfgruppen sich auf die eingesetzten Bordstaffeln bezieht, einverstanden, wenn aber der koordinierte Einsatz mehrerer Träger gemeint ist, dann war das wohl eher nicht der Fall.
Und die "chinesische Marine" war ja nun wirklich kein ernsthafter Gegner, das glich schon eher dem Versenken von Frachtern oder Küstenmotorschiffen und Sampans aus der Luft. Die Nagelprobe kam erst nach Pearl Harbour.

Nochmal, mit damaligem Wissen und denken hatten die Schlachtschiffe ihre begründete Daseinsberechtigung; und sei es nur als latente Bedrohung als Fleet in being (wieviele Ressourcen hat beispielsweise Tirpitz gebunden??

Axel
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Sarkas

Ich finde die Richtung, in welche die Diskussion sich bewegt, wenig ergiebig. Fakt ist, dass es in den 1930er Jahren in genügend Marinen einsatzbereite Schlachtflotten gab: GB, USA, Japan, Frankreich, Italien. Es handelte sich um eine erprobte Waffe mit eingespielten Taktiken und Abläufen, und die Schiffe stellten ein nicht unerhebliches Investment (in heutiger Währung im zweistelligen Milliardenbereich) dar. Das Argument, dass man BB braucht, weil der potentielle Gegner (dazu gehörten z. B. für GB auch die USA!) welche hat, ist also zutreffend. In diese Zeit fällt das Aufkommen des Flugzeuges als ernstzunehmende Waffe, und damit auch der Flugzeugträger. Das Potential dieser neuen Waffe haben wohl viele gesehen, es wurden ja auch entsprechende Geldmittel in die Entwicklung und den Bau von Trägergruppen gesteckt (wozu wohl auch die Flottenverträge beigetragen haben). Auch bei neuen Schlachtschiffen wurde nicht unerhebliche Anteile der Kosten in die Verteidigung gegen diese neue Waffe gesteckt. Es gab also eine neue Waffe (Flugzeug) und die dazu passende Abwehr (Panzerung, Torpedoschutz, Flak, eigenes Jagdflugzeug). Bei der Erfindung des Torpedos war es das gleiche, diese neue Waffe machte die Schlachtschiffe auch nicht obsolet, auch wenn sie eine erhebliche Bedrohung für diese darstellte, sondern führte nur zu neuen Taktiken und Begleitschiffen. Letztendlich wurden mehr Schlachtschiffe durch Torpedos versenkt als durch Artilleriebeschuss, aber waren sie deshalb obsolet? Nein, weil nur ein Schlachtschiff ein Seegebiet beherrschen konnte - bis zum Auftreten großer, gut geführter Trägergruppen.

maxim

#44
Sicher hatten die Schlachtschiffen mit dem Wissen der 1930er eine Daseinsberechtigung. Aber im Zweiten Weltkrieg sah es dann real ganz anders aus. Keine der genannten Marine schaffte es je eine Schlachtflotte auf See an den Feind zu bringen, die meisten schafften es nicht einmal eine Schlachtflotte zu bilden. Verbände aus 3-5 Schlachtschiffen - im Ersten Weltkrieg winzige Kleinverbände - waren im Zweiten Weltkrieg schon maximale Konzentrationen, die sehr, sehr selten waren.

Schlachtschiffe konnten im Zweiten Weltkrieg auch schon vor dem Auftreten gut geführter Trägergruppen Seegebiete nicht beherrschen - es reichte, wenn diese Gebiete in Reichweite landgestützter Bomber waren (siehe z.B. Norwegen, das Zentralmittelmeer oder Kreta). In der Regel gab es in diesen Gebieten dann keine Schlachtschiffe und insgesamt tagsüber nur mit maximaler Fahrt fliehende Schiffe.

Das ist auch der große Unterschied zur Entwicklung des Torpedos: damals konnte man durch Einführung entsprechender Geleitschiffe und Torpedobootabwehrbatterien trotzdem noch operieren. Das Torpedoboot und später der Zerstörer erwiesen sich als relativ ineffektive Waffe gegen Schlachtschiffe (was die Zeitgenossen ganz anders erwarteten!). Der Torpedobomber und Sturzkampfbomber war etwas anderes, nicht wegen der Waffe, sondern wegen der Geschwindigkeit. Die meisten Marinen waren dann nach Kriegsbeginn überrascht, wie wenig effektiv die eigene Flak war und wie verwundbar die eigenen Schiffe waren.

/edit: die Beherrschung von Seegebieten durch Schlachtschiffe waren schon immer schwer zu realisieren, weil es dafür meist an Schlachtschiffen mangelte - selbst als es noch größere Schlachtflotten gab. Dafür gab es Kreuzer und die machten nur Platz, wenn mal tatsächlich eine Schlachtflotte eingesetzt wurde.


@ Axel: klar waren die winzigen, alten Kreuzer und Kanonenboote der chinesischen Marine kein ernsthafter Maßstab. Aber offensichtlich gelang es der japanischen Marine ihre Flieger so gut zu trainieren, dass sie unmittelbar bei Kriegsbeginn ohne andere Erfahrung als aus dem Chinesisch-Japanischen Krieg gleich mal sieben Großkampfschiffe auszuschalten. Diese Marine scheint mir die einzige gewesen zu sein, die das Potential von land- und trägergestützten Flugzeugen halbwegs erkannte und auch im großen Umfang entsprechende Maschinen entwickelte plus entsprechend trainierte. Bei den anderen Marinen fehlte meist eine Komponente, z.B. bei der Royal Navy und auch der französischen Marine fehlte es an modernen Flugzeugen, bei der deutschen und italienischen Luftwaffe am entsprechenden Training und Koordination. Am ehesten war auch die US Navy relativ weit.

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