Kreuzer im 2. Weltkrieg

Begonnen von Urs Heßling, 08 April 2017, 16:01:40

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Urs Heßling

moin,

Ausgehend von den Alternativ-Kreuzer-Threads der letzten Tage werfe ich einmal eine drastisch verkürzte und bewußt etwas provokante Überlegung in die Runde :

Im 2. Weltkrieg waren Kreuzer bei den meisten Marinen "irgendwie" ein ziemlicher Fehlschlag

- die französischen Kreuzer schafften ein paar Küstenbeschießungen (die letzte im Mai 1945 :x) und wurden en masse in Toulon versenkt;

- die italienischen Kreuzer brachten nicht viel mehr zustande als sich von britischen U-Booten, Zerstörern oder Schlachtschiffen versenken zu lassen ( das ist jetzt ein wenig hart, ich weiß);

- die deutschen Kreuzer brachten angesichts der getätigten Investitionen wenig zustande: ich bin mir nicht sicher, ob alle 9 (3 CA + 6 CL, ohne Panzerschiffe gerechnet) insgesamt mehr als 100 wirkliche Feindfahrt-Tage zusammenbringen;

- die japanischen CA wurden in der Anfangsphase mM operativ geschickt eingesetzt und kämpften gut, später (ab 1944) waren sie nur noch Opfer von Flugzeugen, U-Booten und Zerstörern;

- die USN-Kreuzer mußten im 1. Jahr die fehlenden BB's ersetzen, mußten bittere (Nachtkampf-) Lektionen einstecken und waren dann für Küstenbeschießung und Trägerdeckung gut.

- operativ gut, sinnvoll und mit Erfolgen wurden die britischen Kreuzer eingesetzt : bei Kontrolle der Atlantikzugänge, Jagd auf Raider / Hilfskreuzer, Schutz wichtiger Geleitzüge (z.B. im Nordmeer, aber auch im Atlantik), Angriffe auf wichtige Gegnergeleitzüge (im Mittelmeer) und Küstenbeschuß

- insgesamt, finde ich, verdiente die RN den Preis für die im Allgemeinen beste "kreuzer-typische" Verwendung.

Andere Meinungen ?

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Matrose71

Moin Urs,

einigermaßen Zustimmung zu deiner Analyse.

Allerdings mußt du bei den Deutschen die Panzerschiffe mitzählen, sie wuden schon als Kreuzer entworfen und na ja was soll man zu den CLs sagen, wenn das eigene Oberkommando sagt, taugen nur als Ausbildungsschiffe und nicht als Kampfschiffe.
Vergessen hast du auch zu erwähnen, dass ein CA zu 90% fertiggestellt im Hafen verottete und der andere, das gleiche tat, nur bei einer anderen Nation.

Die deutschen Kreuzern insgesamt, erringen wohl die Medaille, die RN Capital ships and destroyer dazu gezwungen zu haben, den Oilverbrauch der RN sehr drastisch zu steigern!  :-D
Viele Grüße

Carsten

Urs Heßling

moin, Carsten,

Zitat von: Matrose71 am 08 April 2017, 16:22:25
.. mußt du bei den Deutschen die Panzerschiffe mitzählen, sie wuden schon als Kreuzer entworfen
Die kriegen dann einer "Sonder-Nische" für ihren Erfolg (siehe unten)


Zitat von: Matrose71 am 08 April 2017, 16:22:25
Die deutschen Kreuzern insgesamt, erringen wohl die Medaille, die RN Capital ships and destroyer dazu gezwungen zu haben, den Oilverbrauch der RN sehr drastisch zu steigern!  :-D
.. nur beim "Mitzählen" der Panzerschiffe :wink:


Zitat von: Urs Heßling am 08 April 2017, 16:01:40
.. die britischen Kreuzer
.. und dabei meine "Lieblingsschiffe" https://de.wikipedia.org/wiki/Arethusa-Klasse_(1934)


Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Matrose71

Moin Urs,

Zitat.. und dabei meine "Lieblingsschiffe" https://de.wikipedia.org/wiki/Arethusa-Klasse_(1934)

Da sind wir schon zu zweit, denn hätte die RM solche Schiffe anstatt Königsberg- und Leipzig Klasse gebaut, wäre der Kampfwert der deutschen Kreuzerflotte insgesamt erheblich gesteigert worden, gerade rund um Norwegen und im Nordmeer! Dazu hätten die Zerstörer die richtigen Flottenführer und eine erhebliche Verstärkung gehabt.
Viele Grüße

Carsten

Mario

Hallo Urs
Wie wäre es, wenn Du statt an Kreuzer, an die Battleships denken würdest. Ich glaube, da würdest Du (fast) dasselbe schreiben.

t-geronimo

Das liegt u.a. aber auch daran, dass fast alle Kreuzer in wahren Leben ganz andere Aufgaben erledigen sollten/mussten als das, wofür sie eigentlich gebaut wurden.
So ziemlich alle wurden mit WW1-Gedanken gebaut und mit Beginn WW2 veränderte sich auf einmal alles. Darum war m.M. nach dann auch die RN noch mit am erfolgreichsten (und die Japaner anfangs auch): Hier glichen sich Planung und echter Einsatz noch am ehesten.

Ob die KM nun Arethusas gehabt hätte oder nicht: so lange die Schiffe nicht aus dem Hafen kommen, ist es egal von welchem Typ sie sind. Und ob sie sich bei der Bäreninsel im Dezember 1942 besser geschlagen hätten, ist rein hypothetisch.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Matrose71

Moin Thorsten,

sie wäe den ganzen Krieg und gerade zu Beginn (Norwegen Unternehmen ff) eine echte Verstärkung gewesen und die Zerstörer hätten nicht immer alleinen operieren müssen, dazu wären sie auch für den Geleitzugdienst aus Norwegen eine echte Verstärkung gewesen.
Viele Grüße

Carsten

halina

Wenn auch nicht alle Schweren Kreuzer den Erwartungen der Seekriegsleitung gerecht wurden , so
sollten aber durchaus die Erfolge der "Admiral Hipper" erwähnt werden :
Versenkt im Gefecht mit britischen Streitkräften wurde der Zerstörer HMS "Glowworm" , dann im Juni
1940 der Truppentransporter "Orama" und der Tanker "Oilpioneer" sowie der U-Jäger HMS "Juniper" ,
1942 kam hinzu der Zerstörer HMS "Achates" und der Minensucher HMS " Bramble"
Und Im Februar 1941 aus einem ungesicherten Geleitzug 7 Schiffe mit ca. 32.000 BRT versenkt .

Wenn wir die "Admiral Scheer" auch als Schweren Kreuzer einreihen , so gehen auf sein Konto eine
aus dem Verkehr gezogene Tonnage von insgesamt ca. 113.000 BRT , davon wurden ca.84.000 BRT
Handelsschiffsraum versenkt , hinzu kommt der versenkte Hilfskreuzer HMS "Jervis Bay" mit ca.
14.000 BRT und der Rest entfällt auf gekaperte Schiffe mit Prisenkommandos .

                                                                                                                            :MG:    halina
" Man muss nicht unbedingt das Licht des Anderen ausblasen , um das eigene Licht leuchten
zu lassen"
                      Phil Borman

Urs Heßling

moin, Mario,

Zitat von: Mario am 08 April 2017, 17:33:18
.. statt an Kreuzer, an die Battleships denken .. Ich glaube, da würdest Du (fast) dasselbe schreiben.
Ja, die Idee hatte ich auch, als ich meinen Beitrag vor dem Einsetzen noch einmal durchlas.

Es gab 1935-39, also vor dem Krieg, schon viele Kritiker, die ein Ende der Schlachtschiff-Ära (auch aus finanziellen Gründen) vorhersagten.  Für die Kreuzer gab es das nicht.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Smutje Peter

Gelungene Analyse  top

Kann hier allem praktisch uneingeschränkt zustimmen!
Gruß

Peter aus Nürnberg

Urs Heßling

#10
moin, Günter,

Zitat von: halina am 08 April 2017, 18:16:17
Wenn auch nicht alle Schweren Kreuzer den Erwartungen der Seekriegsleitung gerecht wurden , so sollten aber durchaus die Erfolge der "Admiral Hipper" erwähnt werden :

Versenkt im Gefecht mit britischen Streitkräften wurde der Zerstörer HMS "Glowworm" , dann im Juni 1940 der Truppentransporter "Orama" und der Tanker "Oilpioneer" sowie der U-Jäger HMS "Juniper" ,
1942 kam hinzu der Zerstörer HMS "Achates" und der Minensucher HMS " Bramble"
Und Im Februar 1941 aus einem ungesicherten Geleitzug 7 Schiffe mit ca. 32.000 BRT versenkt .

Wenn wir die "Admiral Scheer" auch als Schweren Kreuzer einreihen , so gehen auf sein Konto eine aus dem Verkehr gezogene Tonnage von insgesamt ca. 113.000 BRT , davon wurden ca.84.000 BRT Handelsschiffsraum versenkt , hinzu kommt der versenkte Hilfskreuzer HMS "Jervis Bay" mit ca. 14.000 BRT und der Rest entfällt auf gekaperte Schiffe mit Prisenkommandos .
Rechnerisch richtig !
Aber :
a) zu Admiral Scheer :
Eine sehr erfolgreiche und zu recht gerühmte Einsatzfahrt ! Nur: Warum hat das mit dieser Art von Unternehmung im Sinn konstruierte Schiff im Zeitraum 1939-42 nur diese eine Unternehmung durchgeführt ?

b) zu Admiral Hipper :
Das Gefecht mit der Glowworm setzte ein wertvolles Schiff in einer Zeit gegnerischer Schwäche / Anspannung für 1 1/2 Monate außer Gefecht
Die Versenkung von Orama, Oil Pioneer und Juniper hätten auch die Zerstörer erledigen können.
Die Versenkungen während "Regenbogen" im Dezember 1942 waren nur ein Bruchteil dessen, was man evt. hätte erreichen können.
.. und die Versenkungen beim SLS.64 ... da haben die Fw 200 der I./KG 40 an einem Tag desselben Monats noch mehr geschafft :
[Zitat]
U 47 führt durch Peilzeichen am Mittag des 26.2. eine, am Nachmittag 5 Fw 200 der I./KG.40 heran, die aus dem sich auflösenden Konvoi die niederl. Frachter Amstelland (8156 BRT) und Heursplein (4368 BRT), die griech. Kyriakoula (4340 BRT), die norw. Solferino (2580 BRT) und die brit. Frachter Llanwern (4966 BRT), Mahanda (7181 BRT) und Swinburne (4659 BRT), insgesamt 7 Schiffe mit 36.250 BRT, versenken und 4 weitere mit 20.755 BRT beschädigen.
[Zitat Ende]
Ich will damit fragen : hat sich der Aufwand, einen Schweren Kreuzer mit 1400 Mann Besatzung während der gesamten Kriegszeit zu betreiben, dafür gelohnt ?
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

ede144

Zitat von: Urs Heßling am 08 April 2017, 18:45:38
moin, Mario,

Zitat von: Mario am 08 April 2017, 17:33:18
.. statt an Kreuzer, an die Battleships denken .. Ich glaube, da würdest Du (fast) dasselbe schreiben.
Ja, die Idee hatte ich auch, als ich meinen Beitrag vor dem Einsetzen noch einmal durchlas.

Es gab 1935-39, also vor dem Krieg, schon viele Kritiker, die ein Ende der Schlachtschiff-Ära (auch aus finanziellen Gründen) vorhersagten.  Für die Kreuzer gab es das nicht.

Gruß, Urs

Wenn es keine Schlachtschiffe gegeben hätte, dann wären die Kreuzer die Schlachtschiffe gewesen. Und Kreuzer sind noch empfindlicher gegen Luftangriffe als Schlachtschiffe. Wie gesagt, wäre BS nach Hause gekommen, hätte man den Erfolg von flugzeugen erst einige Jahre später wirklich spektakulär nachweisen können. Ein weiterer Faktor war Pearl Harbor, hätten die Japaner die amerikanische Schlachtflotte auf die offene See gelockt und dort versenkt, danach noch die Infrastruktur von Pearl Harbor angegriffen, wäre die schnelle Aufrüstung der USN an Personalmangel gescheitert und der Krieg im Pazifik wäre sehr wahrscheinlich anders verlaufen.

Albin

Zitat von: ede144 am 09 April 2017, 01:52:18
Wenn es keine Schlachtschiffe gegeben hätte, dann wären die Kreuzer die Schlachtschiffe gewesen. Und Kreuzer sind noch empfindlicher gegen Luftangriffe als Schlachtschiffe. Wie gesagt, wäre BS nach Hause gekommen, hätte man den Erfolg von flugzeugen erst einige Jahre später wirklich spektakulär nachweisen können. Ein weiterer Faktor war Pearl Harbor, hätten die Japaner die amerikanische Schlachtflotte auf die offene See gelockt und dort versenkt, danach noch die Infrastruktur von Pearl Harbor angegriffen, wäre die schnelle Aufrüstung der USN an Personalmangel gescheitert und der Krieg im Pazifik wäre sehr wahrscheinlich anders verlaufen.

Das ist so nicht richtig, denn bei dem britischen Luftangriff auf Tarent Nov 1940 wurden italienische Schlachtschiffe versenkt bzw. schwer beschädigt. Somit musste es jedem Marinestrategen spätestens hier die Gefahr durch Flugzeuge bekannt gewesen sein.

Albin

#13
Zitat von: Urs Heßling am 08 April 2017, 19:26:29
Ich will damit fragen : hat sich der Aufwand, einen Schweren Kreuzer mit 1400 Mann Besatzung während der gesamten Kriegszeit zu betreiben, dafür gelohnt ?

Das kann man ganz einfach beantworten. Das Wissen, welches wir heute haben, stand die Verantwortlichen zur Planung und Konstruktion damals nicht zur Verfügung.
Nach den WV und der Zahlbeschränkung der Schlachtschiffe, wurde der schwere Kreuzer ohne Zahlenbeschränkung als neuer Aktiver Kern der Flotten der 20-30er Jahre. Diesem Muster der Typologie folgten alle Marinen und als mit dem deutsch-britischen Abkommen, die Kriegsmarine auch die Flotte nach allgemeinen Muster aufbauen konnte, kam die Abkehr des Nischenmodells um das Panzerschiff und hin zum schweren Kreuzer.

ede144

Zitat von: Albin am 09 April 2017, 08:02:19
Zitat von: ede144 am 09 April 2017, 01:52:18
Wenn es keine Schlachtschiffe gegeben hätte, dann wären die Kreuzer die Schlachtschiffe gewesen. Und Kreuzer sind noch empfindlicher gegen Luftangriffe als Schlachtschiffe. Wie gesagt, wäre BS nach Hause gekommen, hätte man den Erfolg von flugzeugen erst einige Jahre später wirklich spektakulär nachweisen können. Ein weiterer Faktor war Pearl Harbor, hätten die Japaner die amerikanische Schlachtflotte auf die offene See gelockt und dort versenkt, danach noch die Infrastruktur von Pearl Harbor angegriffen, wäre die schnelle Aufrüstung der USN an Personalmangel gescheitert und der Krieg im Pazifik wäre sehr wahrscheinlich anders verlaufen.

Das ist so nicht richtig, denn bei dem britischen Luftangriff auf Tarent Nov 1940 wurden italienische Schlachtschiffe versenkt bzw. schwer beschädigt. Somit musste es jedem Marinestrategen spätestens hier die Gefahr durch Flugzeuge bekannt gewesen sein.

Nein war es nicht. Es ist ein Unterschied ob Schiffe im Hafen liegen oder auf offener See manövrieren können. Da war die BS eine Art Präzedenzfall.

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