Heute vor 100 Jahren : "Uneingeschränkter U-Boot Krieg"

Begonnen von Urs Heßling, 01 Februar 2017, 17:19:24

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Urs Heßling

moin,

heute vor 100 Jahren, am 1. Februar 1917, begann - nun endgültig - der sogenannte "Uneingeschränkte U-Boot-Krieg", der zwei Jahre zuvor schon einmal für 3 Monate geführt und nach der Versenkung der Lusitania eher stillschweigend wieder eingestellt worden war.

Die Erkenntnis der Vergeblichkeit des Einsatzes der Hochseeflotte nach der Skagerrakschlacht, eine falsche Hoffnung, den Handel Großbritanniens so entscheidend schwächen zu können und die Haltung der III. OHL waren Kernelemente dieser Entscheidung.

Er war ein Hauptgrund für den Kriegseintritt der USA und in dessen Folge auch wesentlich für die schließliche Niederlage des Deutschen Reiches im 1. Weltkrieg.

Der Fehlschlag dieser Strategie und der Irrtum bezüglich der möglichen Erfolge wurden noch innerhalb desselben Jahres sichtbar http://www.uboat.net/wwi/ships_hit/losses_year.html

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Matthias Strauß

#1
@Urs: ,,Er war ein Hauptgrund für den Kriegseintritt der USA ...

Widerspruch Euer Ehren! Ich glaubte immer, dass der Rahn'sche Erkenntnisstand betreffend dieses Ereignis in der deutschen Marinegeschichte überwunden sei. Es war sicher ein gewünschter Anlass für die Kriegserklärung der U.S. an Deutschland, wie auch die oft in diesem Zusammenhang zitierte Zimmermann-Depesche, aber kein Grund und schon gar nicht ein Hauptgrund. In den Archivalien des Admiralstabes und des AA ist ein exemplarisches Schreiben des Marine-Attachés für die nordischen Reiche, K.z.S. Reinhold von Fischer-Loßainen. (NARA T-1022-Roll 716, Schreiben vom 10. Januar 1917 aus Stockholm). Daraus einige interessante Fakten zum eigenen Durchdenken:
,,Ferner sind nach den Aufgaben der National City Bank of  New York per 1. November 1916 folgende Anleihen von den Vereinigten Staaten übernommen worden:
England          858.400.000 Dollar
Frankreich      656.200.000 Dollar
Rußland         117.200.000 Dollar
Italien               25.000.000 Dollar
Kanada           305.000.000 Dollar
Deutschland     20.000.000 Dollar"
(Diese Angaben stammen von Herrn Steinbach, langjähriger Leiter des amerikanischen Remboursgeschäfts der Deutschen Bank, nach Fischer-Loßainen. siehe genanntes Schreiben.)

Die Wallstreet (FED-1913!), die die Gläubiger der Kriegsparteien in bisher ungeahnten Größenordnungen waren, bekamen kalte Füße. Wer sollte denn die Schulden am ehesten zurückzahlen können? Ein großer Anteil des britischen Goldes (710.000.000 Pfund) wurde bereits von 1914-1916 an die U.S. überführt (Fort Knox). Alle Kriegsteilnehmer erhielten ab Ende 1916 nur noch kurzfristige Kredite (3-6 Monate Laufzeit). England konnte im Herbst 1916 nochmals 2 Anleihen bis 1925/28 bei U.S.-Banken platzieren (350.000.000 Pfund zu 3,5%, 592.345.604 Pfund zu 4,5%). Sollte England mit seinen Hilfsstaaten den Krieg nicht schnellstens gewinnen, wäre auch die USA pleite gewesen, trotz Dollarpresse bei der FED. Der Argumente sind noch viele für meine Feststellung (siehe auch Handelsbilanz der U.S. von 1914-1916), dass der Hauptgrund für den Kriegseintritt der U.S. im massiven Geldwertverlust  begründet lag. Mit dem Eintritt der USA in den Europäischen Krieg war dieser entschieden, dass erkennt jeder militärisch gebildete Mensch. Amerikanische Präsidenten (hier der Professor W. Wilson) schwafelten gern vom Frieden. Die politischen Führer der damaligen westlichen Welt waren früher wie sie es heute auch sind, Erfüllungsgehilfen der Macht. Sie sind die Darth Vaders, nicht die Imperatoren der Welt.

Matthias

Götz von Berlichingen

Ich stimme Matthias bzgl. des Vorwandcharakters des dt. uneingeschränkten U-Boot-Krieges (01.02.1917) für die US-amerikanische Kriegserklärung (06.04.1917 - allein schon die zweimonatige Verzögerung bis zur Kriegserklärung läßt es unwahrscheinlich erscheinen, daß der U-Boot-Krieg der tatsächliche tiefere Grund war) zu und verweise neben den schon genannten Gründen auf ein weiteres wichtiges Ereignis, das in seinen Folgen für die Entente (und ihre Kriegskredite) von fataler Bedeutung zu werden versprach: den drohenden Zusammenbruch des Russischen Kaiserreiches (Februarrevolution ab dem 08.03.1917, Abdankung des Zaren und seiner Regierung am 15.03.1917).

Die dadurch aus Entente-Sicht "drohende" Entlastung Deutschlands und seiner Verbündeten sollte durch den US-Kriegseintritt überkompensiert werden.

bodrog

Alles nicht falsch - und jetzt lesen alle nochmal Joachim Schröder: Die U-Boote des Kaisers. Da wird nämlich die Sache von deutscher Seite aus betrachtet und vor allem der Gegensatz zwischen politischer Führung und den U-Boot-Fanatikern im Admiralstab und hinterher ist man dann schlauer...

Urs Heßling

moin, Matthias,

Zitat von: Matthias Strauß am 01 Februar 2017, 18:56:47
Widerspruch Euer Ehren!... Es war sicher ein gewünschter Anlass für die Kriegserklärung der U.S. an Deutschland, wie auch die oft in diesem Zusammenhang zitierte Zimmermann-Depesche, aber kein Grund und schon gar nicht ein Hauptgrund.
Widerspruch angenommen :MG:

Keine Frage, daß der Beginn des "Uneingeschränkter U-Boot Krieg" angesichts der genannten Zahlen und Umstände ein willkommener Anlaß für die Kriegserklärung der USA war.

Aber er war in politischer Hinsicht eindeutig auch ein Grund.

Es kommt auf die Sichtweise an .. und da gibt es eben mehrere.

Kein Staat und kein Staatschef in Verantwortung gegenüber der Bevölkerung kann es hinnehmen, wenn Leben und Eigentum der Bürger von einem anderen Staat rücksichtslos vernichtet werden.

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Matthias Strauß

Hallo Urs,

danke für Deine Antwort. Consensus!

Gruß
Matthias

juergenwaldmann

Der U Bootkrieg gegen Handelsschiffe war die Antwort auf die " Hungerblockade " !
Die Verhinderung  der Zufuhr von Lebensmitteln nach Deutschland , die führte dazu ,
dass die deutsche Bevölkerung sehr hohe Opfer an verhungerten Zivilisten hatte .
Die Bombenopfer im WW II erreichten niemals die Anzahl der verhungerten im WW I .
Es sind im ersten Weltkrieg mehr Menschen in Deutschland verhungert , als der
Bombenkrieg im zweiten Weltkrieg verursacht hat .
Aus dieser Sicht war der Handelskrieg gerechtfertigt , die Hungerblockade war
ein eklatanter Verstoß gegen das Kriegsrecht .
Gruss  Jürgen

Wendenburg


Hallo Urs,

Sie schrieben zu Recht:

Keine Frage, daß der Beginn des "Uneingeschränkter U-Boot Krieg" angesichts der genannten Zahlen und Umstände ein willkommener Anlaß für die Kriegserklärung der USA war.

Aber er war in politischer Hinsicht eindeutig auch ein Grund.

Es kommt auf die Sichtweise an .. und da gibt es eben mehrere.

Kein Staat und kein Staatschef in Verantwortung gegenüber der Bevölkerung kann es hinnehmen, wenn Leben und Eigentum der Bürger von einem anderen Staat rücksichtslos vernichtet werden.

Anmerkung:
Deutschland wusste, dass die USA mit einer Kriegserklärung reagieren würde, wenn Bürger der USA wegen des uneingeschränkten U-Bootkrieg sterben würden. Deutschland hoffte, dass das Eintreten der USA als Kriegsgegner nicht so schnell auswirken würde. Diese Wunschvorstellung erfüllte überhaupt nicht.
Da eine Kriegserklärung der USA 1917 an Deutschland immer wahrscheinlicher wurde, wäre jeder Monat in dem diese Kriegserklärung später erfolgt für Deutschland zusätzlich gewonnene Zeit gewesen.

Gruß Wendenburg


bodrog

man sollte auch die überaus optimistische Sichtweise von Herrn Holtzendorff & Co erwähnen, wie lange denn Engelland durchhalten würde. Bei den Überlegungen kam mW nicht mal ansatzweise in Bedacht, wie man dort reagieren würde (dazu hätte übrigens ein Blick in die Ostsee genügt, wie das Reich seine Dampfer nach Schweden lotste)...

Mich würde jtzt mal interessieren, wer auf dt. Seite für die Fehlplanungen den Kopf hinhalten musste (jedenfalls keiner der verantwortlichen Militärs)

Urs Heßling

moin,

Zitat von: bodrog am 02 Februar 2017, 15:40:05
Mich würde jtzt mal interessieren, wer auf dt. Seite für die Fehlplanungen den Kopf hinhalten musste
u.a.: die Besatzungen der Boote, die von den Konvoisicherungen vernichtet wurden

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

beck.Schulte

#10
Kein Staat und kein Staatschef in Verantwortung gegenüber der Bevölkerung kann es hinnehmen, wenn Leben und Eigentum der Bürger von einem anderen Staat rücksichtslos vernichtet werden... das war und ist selten bis gar nie der Fall. Es ist immer die Frage ob der oder die Toten von Nutzen sind. Siehe 1972/73  USA-Chile.  Die USA haben, vielleicht nicht vom ersten Tage an, aber spätestens Frühjahr 1915 ( vor Lusitania) an aktiv die Feindmächte unterstützt und die Mittelmächte behindert wo es nur möglich war. . Gibt sehr schönes darüber zu lesen. So bei Schröder und auch in Fachzeitschriften. (  :-D ) Neben Geld die "Special relationship" , die vom Kaiser über  Hitler bis zum Irak & Co. beide Staaten eng verbindet. Ob dies im Sommer 1914 schon zu erkennen war, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall das Deutsche Reich konnte machen was es wollte, als die Briten ins Boot einstiegen waren die Amis mit beiden Füßen schon dabei.

Urs Heßling

moin, Bernd,

Zitat von: beck.Schulte am 02 Februar 2017, 17:14:07
.. und die Mittelmächte behindert wo es nur möglich war. .
mini (!) - Gegenbeispiel : die beiden Fahrten der "U-Deutschland"
.. man läßt sich eben kein Geschäft entgehen :-D


Zitat von: beck.Schulte am 02 Februar 2017, 17:14:07
.. als die Briten ins Boot einstiegen waren die Amis mit beiden Füßen schon dabei.
.. um der Metapher willen : mit einem Fuß  :wink:


Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

beck.Schulte


beck.Schulte

U- Deutschland? Na ja. Aber Lebensmitteltransporte schon von Anfang an nicht Dafür Munition nach Frankreich. Das ist gelebte Neutralität.  :-D

juergenwaldmann

Mein Urgroßvater starb mit 86 Jahren Jahren , er meinte immer , dem Bombenkrieg
im WWII konnte man im Bunker entgehen , dem Hunger im ersten Weltkrieg nicht !
Die Hungerblockade wurde erst aufgehoben , als Deutschland die Schulden der
Sieger bei den amerikanischen Banken Ende 1919 übernahm .
Bis dahin verhungerten weiterhin sehr viele Menschen in Deutschland .
Jürgen

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