Untergang Scharnhorst

Begonnen von Manfred Heinken, 26 Dezember 2016, 16:17:11

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Hastei

habe noch was bei mir gefunden.

Hägar

 Im Nachgang zu Thorstens und Leipzigs Beitrag noch diese Anmerkungen:

In dem erwähnten Dokument ADM 1/16833 ist als Aussage von Überlebenden festgehalten, dass Hintze sich über Bordlautsprecher quasi von seiner Besatzung verabschiedet habe (I shake you all by the hand for the last time) und darüber informiert habe, dass er das 'Kampf-bis-zur-letzten-Granate'-FT habe absetzen lassen, dazu die Losung SCHARNHORST onwards, also das auch von Sträter für 17:45 kolportierte 'SCHARNHORST immer voran' (siehe Dok. von Hastei).
Shortly afterwards sei die Meldung über den Lautsprecher gekommen, that the Commander had taken over the ship.

Damit scheint deutlich, dass 'Commander' nicht den Verbandsbefehlshaber, sondern als Funktionsbezeichnung den I.Offizier meinte.
Auch entspricht 'Commander' als Rangbezeichnung dem deutschen Fregattenkapitän, was auf Dominik ebenfalls zutrifft.

Insofern dürfte also ein Verständnisirrtum bei Bredemeier vorliegen, wenn er die Passage in Frasers Gefechtsbericht (... the Captain and the Commander of SCHARNHORST ...) mit 'Kommandant und Befehlshaber' wiedergibt.
Als Indiz für ein Missverständnis bei Bredemeier mag auch gelten können, dass es im hierarchischen System der Royal Navy unwahrscheinlich wirkt, dass Fraser diese Reihenfolge gewählt haben sollte, also den untergeordneten Kommandanten vor einem vorgesetzten Befehlshaber zu nennen.
Auch war es damals wohl eher üblich, Verbandsbefehlshaber als Commander-in-Chief [+ Verband], Admiral Commanding [+ Verband], Senior Officer [+ Verband] oder Captain [+ Verband] zu titulieren.

Momentan darf man also davon ausgehen, dass es nicht Bey war, den kurz vor seiner Rettung die Kräfte verließen, sondern Dominik. Die Namenszuordnung bei Wikipedia erfolgte ohne Prüfung der Zusammenhänge – klassische Kurzschlussfalle bei Recherchen.

Ob Bey sich allerdings wirklich zusammen mit Hintze erschossen hat, bleibt dabei immerhin sehr fraglich.
Muss man sich vorstellen, dass die Offiziere auf der Brücke im Gefecht mit umgeschnallter Pistole agierten?
Oder gab es da irgendwo einen Waffenschrank für ausweglose Fälle?
Oder gingen die beiden auf ihre Kammer, holten die Waffen und erschossen sich erst dann auf der Brücke?

Der britische Berichterstatter fügt der Kommandoübernahme durch den I.O. gewissermaßen erläuternd hinzu, Überlebende hätten berichtet, that Captain Hintze and Admiral Bey shot themselves on the bridge.
Sträter berichtet hingegen mit klarem Bezug auf den Kommandanten noch Stunden später davon (nach 19:30), dass dieser die Vorbereitung der Versenkung befohlen habe.
Nach einem solchen Befehl blieb für den I.O. sicherlich kaum noch etwas, was man als Kommandoübernahme des Schiffes bezeichnen könnte.
Man wird es vermutlich nicht definitiv klären können, aber kritisch sollte man schon bleiben, zumal von der Brückenbesatzung niemand überlebt hat.

Gruß – Hägar


Manfred Heinken

Hallo Hägar, hallo Hastei
zusammen mit Hasteis Dokumente erklingt das, was Du berichtest, sehr einleuchtend.
Lassen wir es dabei bewenden und gönnen den Seeleuten der "Scharnhorst" ihre ewige Ruhe.
Besten Dank dafür.

Beste Grüße Manfred Heinken

AND1

#33
Auf TV gab es doch Berichte von Augenzeugeberichte von Überlebenden. Nord 3

bodrog

ZitatLassen wir es dabei bewenden...
- so kann man den Blödsinn des Unternehmens Ostfront auch schön reden  :BangHead:

Wie lautete den der OP-Befehl, welche Chancen (damals Möglichkeiten genannt) auf Erfolg wurden dem Unternehmen zugebilligt, wie wurde die Feindlage eingeschätzt pp.

Was haben die Herrn SKL, der Flottenchef, das MOK Nordmeer, der Admiral norwegische Nord- resp. Polarküste und Seebefehlshaber sich so gedacht und geplant sowie die Lage eingeschätzt... derlei Fragen gibt es viele - ist bisher alles ausgeklammert...

Hallo Hastei, danke für deinen Beitrag bzgl. der OP-Verlaufs aus Sicht eines einfachen Dienstgrades  top er erklärt (leider) auch nur die Sicht dannach und nicht das davor... dennoch Danke

Götz von Berlichingen

Zitat von: Hägar am 31 Dezember 2016, 16:18:02Ob Bey sich allerdings wirklich zusammen mit Hintze erschossen hat, bleibt dabei immerhin sehr fraglich.
Muss man sich vorstellen, dass die Offiziere auf der Brücke im Gefecht mit umgeschnallter Pistole agierten?
Oder gab es da irgendwo einen Waffenschrank für ausweglose Fälle?
Oder gingen die beiden auf ihre Kammer, holten die Waffen und erschossen sich erst dann auf der Brücke?

Der britische Berichterstatter fügt der Kommandoübernahme durch den I.O. gewissermaßen erläuternd hinzu, Überlebende hätten berichtet, that Captain Hintze and Admiral Bey shot themselves on the bridge.
Sträter berichtet hingegen mit klarem Bezug auf den Kommandanten noch Stunden später davon (nach 19:30), dass dieser die Vorbereitung der Versenkung befohlen habe.
Nach einem solchen Befehl blieb für den I.O. sicherlich kaum noch etwas, was man als Kommandoübernahme des Schiffes bezeichnen könnte.
Man wird es vermutlich nicht definitiv klären können, aber kritisch sollte man schon bleiben, zumal von der Brückenbesatzung niemand überlebt hat.

Gruß – Hägar

M.W. hat der überlebende Obermaat Gödde berichtet, daß er im Wasser treibend wiederholt Schreie von Kameraden gehört habe mit der Aufforderung, den Kmdt. und den I.O. zu retten, diese hätten ihre Schwimmwesten an Matrosen abgegeben, die keine gehabt hätten und trieben jetzt nahe dem Schiff im Wasser und könnten sich nicht mehr halten.

klaushh

Moin, moin!
Das Dokument über die Vernehmung des Matr. Gefr. Sträter (siehe #30 am 31.12.2016) finde ich sehr interessant und aufschlußreich. Beim Lesen ergeben sich für mich jedoch einige Fragen. Vielleicht kann ein Leser etwas zur Klärung beitragen:

1.   Sträter muss wohl zwischen dem 26.12.43 und dem 6.10.44 als Kriegsgefangener ausgetauscht worden sein. Sind Gründe dafür bekannt (war er z.B. verwundet)?
2.   Das Dokument ist zwar nicht ausdrücklich als ,,Protokoll" bezeichnet, aber Sträter hat es genehmigt und unterschrieben. Es enthält viele Informationen, die Sträter m.E. unmöglich selbst (unter Berücksichtigung von Dienstgrad und –stellung) an Bord mitbekommen hat. Sollte Sträter  während der Gefangenschaft in britischem Lager Informationen von anderen Gefangenen gehört und sie bis zur Vernehmung im Kopf behalten haben, müßte er ein geradezu fotografisches Gedächtnis gehabt haben (bewundernswert!),
Ich vermute eher, dass in das Dokument auch Informationen aus Funksprüchen von SH und weiteren, im Flottenkommando vorliegenden Informationen eingeflossen sidn.
3.   Sind weitere Aufzeichnungen von oder über überlebende Besatzungsmitgliedern  bekannt?
4.   Ist etwas über das weitere Schicksal von Sträter bekannt?
Die Gräbersuche beim Volksbund meldet (verständlicherweise) Fehlanzeige.
Ist er evtl. als Gefallener im Gedenkbuch im Marineehrenmal Laboe verzeichnet?

Um es noch einmal klar zu sagen: ich bezweifle nicht den Inhalt des Dokumentes. Mich interessiert vielmehr, wie es zu dem Dokument gekommen ist.
Gruß
klaushh

Hastei

hallo,

habe noch was gefunden, vielleicht von Interesse. Diese Unterlagen bekam ich vor ca.35 Jahren. Wie schon gesagt, unser Schriftführer in der MK, ehem. Oberpumpenmeister auf Scharnhorst und Vorsitzender der Scharnhorst-Kameradschaft , hatte Verbindung zu allen Personen, die irgendetwas mit Scharnhorst zu tuen gehabt hatten. Bedenkt bitte, es gab noch lange kein Internet, alles per Post, Telefon oder pers. Gespräche. Die Qualität der Blätter, es sind ca.20 , läßt zu wünschen übrig. Werde das in Etappen einstellen. Wenn das für Euch ein alter Hut ist, seid ehrlich und sagt es mir,kann mir dann die Arbeit sparen
Es grüßt der vom Scannen erschöpfte H :-D :-Dastei

Rudergänger

Hallo Hastei,

danke für die interessanten Dokumente.
Mach weiter.

Gruß

Harald

Matrose71

Zitat von: bodrog am 02 Januar 2017, 21:24:05
ZitatLassen wir es dabei bewenden...
- so kann man den Blödsinn des Unternehmens Ostfront auch schön reden  :BangHead:

Wie lautete den der OP-Befehl, welche Chancen (damals Möglichkeiten genannt) auf Erfolg wurden dem Unternehmen zugebilligt, wie wurde die Feindlage eingeschätzt pp.

Was haben die Herrn SKL, der Flottenchef, das MOK Nordmeer, der Admiral norwegische Nord- resp. Polarküste und Seebefehlshaber sich so gedacht und geplant sowie die Lage eingeschätzt... derlei Fragen gibt es viele - ist bisher alles ausgeklammert...

Hallo Hastei, danke für deinen Beitrag bzgl. der OP-Verlaufs aus Sicht eines einfachen Dienstgrades  top er erklärt (leider) auch nur die Sicht dannach und nicht das davor... dennoch Danke

Hallo Brodog,

neben deinen Fragen, deren kritische Sichtweise ich unterstütze, war für mich schon immer völlig unverständlich, warum man Bey mit der Führung eines Schlachtschiffes beauftragte, obwohl er keinerlei Erfahrung damit hatte. Auch kannte er sich als Zerstörerfahrer wohl weit weniger mit Funkmess/Radar aus, als erfahrene Offiziere der Dickschiffe. Alternativen mit Kampferfahrung hätte es genug gegeben.

Warum wurde Prinz Eugen nicht zu dem Unternehmen hinzugezogen?

Und es gibt noch einen Haufen anderer ungeklärter Fragen, warum man Scharnhorst im Dezember alleine rausschickte, mit einer Zerstörereskorte, bei der man wußte, dass sie für diese Jahreszeit und Wetter nur sehr bedingt taugte.
Viele Grüße

Carsten

J.I.M

Zitat von: Matrose71 am 03 Januar 2017, 09:46:07

neben deinen Fragen, deren kritische Sichtweise ich unterstütze, war für mich schon immer völlig unverständlich, warum man Bey mit der Führung eines Schlachtschiffes beauftragte, obwohl er keinerlei Erfahrung damit hatte. Auch kannte er sich als Zerstörerfahrer wohl weit weniger mit Funkmess/Radar aus, als erfahrene Offiziere der Dickschiffe. Alternativen mit Kampferfahrung hätte es genug gegeben.

Warum wurde Prinz Eugen nicht zu dem Unternehmen hinzugezogen?

Den Fehler hat man Beispielsweise auch mit Kapitän Langsdorff auf der Graf Spee gemacht. Er kam auch von den leichteren Seestreitkräften und hatte daher bei der Leitung des Schiffs im Seegefecht teilweise unglückliche Entscheidungen mit negativen Auswirkungen auf den Einsatz der Artillerie getroffen. Es hat sicherlich etwas für sich, dass die militärische Führung eines Schlachtschiffs große Erfahrung im Einsatz der Artillerie haben.

Man wusste, dass die Alliierten sehr gute Radargeräte hatten, dazu viele Torpedoträger und sehr schlechte Sichtbedingungen. Deutlich schlechtere Rahmenbedingungen kann ein einzelnes Schlachtschiff ohne Begleitung nicht haben!

JIM

t-geronimo

Zitat von: Matrose71 am 03 Januar 2017, 09:46:07
Warum wurde Prinz Eugen nicht zu dem Unternehmen hinzugezogen?

Weil PG in der Ostsee war und erst seit Oktober 1943 langsam von einem Schulschiff wieder in ein Frontschiff umgewandelt wurde - bereits im Hinblick auf die Ostsee-Einsätze.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

Hastei


Hastei


Hastei


Impressum & Datenschutzerklärung