Ab wann ist ein Wrack ein Seekriegsgrab ?

Begonnen von Rheinmetall, 02 Dezember 2016, 12:59:51

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Rheinmetall

Moin, moin Männers !

Vorhin habe ich beim Stöbern im Fratzenbuch auf einer U-Boot-Seite ein Bild der geborgenen Enigma aus U 85 (Oblt.z.S. Greger) gesehen.
Sie wurde also aus dem Wrack durch Taucher geborgen.
Das Boot ging jedoch am 14. April 1942 als Totalverlust (46 Gefallene) verloren.

Jetzt meine Frage, bzgl. der Definition "Seekriegsgrab".
Muß ein Seekriegsgrab wie in dem hier vorliegenden Fall (U 85) speziell / namentlich geschützt werden, oder ist automatisch jede Ruhestätte (also gesunkenes Wrack) in welchem die Gebeine von Seeleuten liegen, also solches geschützt ?

Würde mich über Antworten von Euch sehr freuen.

Matze

Ab Kapstadt ohne Kreiselkompass - Jürgen Oesten, U 861

Hägar

Die Frage des 'ab wann' kann man sicher erweitern, nämlich dahin:
Wie lange ist ein Wrack ein Seemannsgrab, das unter Pietätsschutz steht?
Gibt es dazu irgendwelche offiziellen Regeln oder gar Vorschriften?

Wird eine Grabstelle an Land nach 30 Jahren Pacht aufgelöst und wiederverwendet, werden vielleicht noch vorhandene Gebeine schlicht eingesammelt und kremiert, ohne jede Gefühlsbelastung.

Warum entwirft man dagegen bei sog. Seemannsgräbern einen solchen Pietätsüberbau, auch noch nach 7 oder 10 Jahrzehnten?
Bei einem Wrack aus, sagen wir, dem 18.Jh. kommt doch eigentlich kein Mensch mehr auf die Idee, es noch im Sinne eines Seemannsgrabes als schützenswert anzusehen, auch wenn da seinerzeit Seeleute oder auch Passagiere mit untergegangen sind. (Andere Gründe für einen Schutz, etwa schiffsarchäologische, seien einmal ausgeblendet.)

Irgendwo dazwischen müsste also die 'Grenze' liegen, an der ein gesunkenes Schiff vom Grab zum simplen technischen Wrack mutiert.
Mit anderen Worten: Gibt es eine irgendwie allgemein akzeptierte Formel, die das Wesen eines Seemannsgrabes nach Zeit, Ort und Umständen beschreibt?

Gruß - Hägar

ufo

Tja – das ist halt ein Gordischer Knoten aus Recht, Gesetz, Brauchtum, Ansichten und Verfahren von zahllosen Staaten und Gesellschaften. Nichts daran ist einheitlich. Was einem Staat ein Altmetalldepot ist dem anderen eine Kultstaette.

Grad kuerzlich hatten wir hier im Forum einen Hinweis auf die drollige Episode wo Niederlaendische Presse sich ereiferte, dass ihre Schiffe in Suedostasien unter Wasser abgewrackt werden. Zeter und Mordio! Gleichzeitig klauen Niederlaendische Berger Buntmetalle von Britischen Jutland Wracks. Pot calling Kettle ...  :roll:

Hier auf der Insel fallen maritime Kriegsgraeber inzwischen unter den "Protection of Military Remains Act" von 1986. Im Prinzip funktioniert das so, dass Schiffe explizit aufgefuehrt werden muessen, um unter den Schutz des Gesetzes zu fallen. Im Jahre 2002 wurden aber zum Beispiel UB 81 und U 12 aufgenommen ausdruecklich mit dem Zusatz stellvertretend zu stehen fuer alle Deutschen U Boote welche in den Weltkriegen in Britischen Gewaessern gesunken sind. Nichtsdestotrotz wurden in 2006 UB 65 und in 2008 U 714 separat gelistet. Hier bin ich mit nicht sicher, ob die separate Auflistung auf Verstoesse hin erfolgte oder warum diese beiden Boote extra gelistet sind. Mit der Aufnahme jedenfalls fallen alle Deutschen U Boote in Britischen Gewaessern unter die Kategorie "Protected Places"; tauchen und gucken ist erlaubt. betatschen und klauen nicht.

Wie bei allem Recht und Gesetz ... wo kein Klaeger ... 
Geklaut wird natuerlich immer noch. Und machen kann man da meist wenig gegen. HMS Prince of Wales und HMS Repulse werden so nach und nach abgetragen.

http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/asia/malaysia/11187603/Celebrated-British-warships-being-stripped-bare-for-scrap-metal.html

Tja ... darf man das? Die Bewohner der Staaten dort weit weg in Suedostasien haben die Kolonialmaechte wahrhaftig nicht gebeten ihren Kriegsschrott in ihre Gewaesser zu schmeissen. Liegt da ein toller Schlachtkreuzer am Grund des Meeres erwarten wir Ehrfurcht, liegt da ein rostender Fleet Oiler – eine tickende Umweltzeitbombe - sollen sich doch die Eingeborenen drum kuemmern. Gar nicht einfach.   

Tja und die Rechtslage ist oft verworren – manche Wracks sind ganz banal in Zeiten knapper Kassen an Verwerter vekauft worden. Die Rechtslage von Wracks in internationalen Gewaessern wiederum ist eine ausgesprochene Grauzone. Der Britische Act von 1986 zum Beispiel schuetzt zuverlaessig nur Schiffe in Britischen Hoheitsgewaessern und Schiffe gegen Uebergriffe Britischer Staatsbuerger.

Von daher – nein – es gibt keinerlei akzeptierte Formel, die den Schutz von Seekriegsgraeberstaetten beschreibt. Das geht von Land zu Land und von Fall zu Fall und vor allem danach was denn durchsetzbar ist.   

Ufo

großneffe

Hallo Rheinmetall,
hier findest du noch mehr Bilder zu diesem Thema.
http://www.intelligenia.org/u-85gal.htm
VG Sven

ufo

Wobei ja nu grad die Geschichte um U85 offenbar noch relativ wuerdig gehandhabt wird. Ob die Taucher nun tatsaechlich nicht wusten, dass man das Wrack nicht ausraeumen darf, oder ob sie erst spaeter feststellten, dass so eine Enigma ohne gueltigen Eigentumsnachweis etwas schwer zu verticken ist, sei nun dahingestellt aber zumindest ist die 'Beute' im 'Graveyard of the Atlantic' Museum ja doch recht wuerdig ausgestellt:

http://www.navy.mil/submit/display.asp?story_id=6660

Man koennt ja schon froh sein, wenn mit allen Artefakten so umgegangen wuerde.

Ufo

thommy_l

Hallo,

zu Hägars Beitrag möchte ich kurz etwas sagen. Mein Opa mütterlicherseits wurde 1968 in sehr toniger Erde beigesetzt. Nur 15 Jahre später lief die Grabmiete ab, wurde um 8 Jahre verlängert und das wars dann. 1992 wurde eine sogenannte "Wachsleiche" samt Sarg ausgebuddelt und entsorgt. Die Friedhofsordnung sah das so vor! Da gab es keine Möglichkeit das zu verhindern.

Thommy

Ferenc

Die "Bewirtschaftung" eines Friedhofes, d.h. die Einnahmen durch die Gebühreneinhebung bzw. Neubelegung einer Grabstelle sind wichtiger als die Totenruhe und der pietätvolle Umgang mit den Überresten unserer Vorfahren. :x
Am Meeresboden gibt es nach einigen Jahren meist keine Überreste der Leichen mehr aber es wird nach Jahrzehnten noch immer wild diskutiert. Es sollten daher solche Stellen/Wracks, wie in U.K.,  offiziell als Kriegsgräber aufgelistet werden.

Ferenc

Rheinmetall

Hallo zusammen !

Danke für Eure Beiträge.
Das bringt schon wieder etwas Licht ins Dunkel.  top
Im Bezug auf heute, die USS Arizona, welche heute vor 75 Jahren beim Angriff auf Pearl Harbor versenkt wurde, liegt als Kultstätte immer noch mit den 1177 darin gefallenen Seeleuten im Hafenbecken.
Pro Tag verliert das Wrack durchschnittlich zwischen 3-4 Liter Schweröl, wenn ich mich recht erinnere, welche als "Tränen der Arizona" bekannt sind und ungefiltert in den Pazifik gelangen.
Hingegen ist das hineinwerfen von LaiLai`s (Blumenkränzen) verboten, weil diese Beschädigungen an Schiffsschrauben verursachen könnten....

Matze
Ab Kapstadt ohne Kreiselkompass - Jürgen Oesten, U 861

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