Schnelles Linienschiff 1911 - eine Alternative - Einsatzkonzept, Taktik und mehr

Begonnen von Urs Heßling, 26 August 2016, 21:02:10

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mudfladdy

ZitatDazu hätte es keines »drastischen Umschichtens der finanziellen Ressourcen« bedurft, sondern schlicht und einfach nur der Aufstellung von vier oder sechs zusätzlicher Armeekorps, um den angesichts der außenpolitischen Lage unhaltbaren Zustand abzustellen, daß Frankreich, das etwa ein Drittel weniger Einwohner als das Deutsche Reich hatte, eine gleich große Armee wie dieses unterhalten konnte. Dies wurde von u.a.  Ludendorff lange vor dem Kriege vorgeschlagen, von seinen Vorgesetzten im Generalstab, insbesondere dem Oberquartiermeister Stein, dem preußischen Kriegsministerium und, als man sich schließlich kurz vor dem Krieg - viel zu spät - entschloß eine (zu geringe) Heeresvermehrung durchzuführen und die allgemeine Wehrpflicht, die bislang nur unzureichend umgesetzt worden war, durch Einberufung eines größeren Teils eines jeden Jahrgangs umfassender durchzuführen, durch den Reichstag erschwert und behindert.
Mit diesen zusätzlichen Armeekorps hätte die Armee nicht 1914 mit zahlenmäßiger Unterlegenheit die Schlieffen-Operation beginnen müssen.
Und die Aufstellung dieser Armeekorps wäre auch zu finanzieren gewesen, Frankreich hat schließlich ein im Verhältnis zur Bevölkerungszahl und Wirtschaftsleistung viel höheres Militärbudget als Deutschland ebenfalls finanziert.
Ludendorff hat nach dem Kriege vollkommen zu Recht darauf hingewiesen, daß ein winziger Bruchteil der nach dem Kriege den Feindmächten ununterbrochen abgelieferten riesigen Geldbeträge »dem deutschen Volke die Freiheit erhalten« hätte.

Hätten dann noch die 1. OHL, ebenso wie die 2. OHL eine bessere Führungsleistung an den Tag gelegt, hätte man den Krieg nicht verlieren müssen.

Nun, die Preussen (Junker, Adlige) wollten keine bürgerlichen Offiziere, keine Armee, die man nicht länger gegen die Bevölkerung einsetzen könnte. DESHALB verweigerte sich die Armee gegen die Vergrößerung, deshalb - mit der Ausrede dass nicht genug fitte junge Männer da sein (nachher ging es problemlos!).

Es war nicht der Reichstag - der rebellierte gegen steigende Kosten für Flotte UND Armee.
Die SPD wäre über bürgerliche Offiziere einer vergrößerten Armee nicht unglücklich gewesen, ganz im Gegenteil.

Ob der Krieg dadurch gewonnen wird steht auf einem anderen Blatt, da ja alles Auswirkungen auf andere hat. Wenn die Osmanen neutral bleiben dann bekommt Russland ausreichend Nachschub und aus den "schwachen Truppen" werden mit der Zeit "unüberwindbare Horden aus dem asiatischen Raum". Man sollte doch immer den Gesamtzusammenhang sehen und nicht Rosinen picken.

Zitat von: mudfladdy am 10 September 2016, 14:35:14
Nun, die Preussen (Junker, Adlige) wollten keine bürgerlichen Offiziere, keine Armee, die man nicht länger gegen die Bevölkerung einsetzen könnte. DESHALB verweigerte sich die Armee gegen die Vergrößerung, deshalb - mit der Ausrede dass nicht genug fitte junge Männer da sein (nachher ging es problemlos!).

Es war nicht der Reichstag - der rebellierte gegen steigende Kosten für Flotte UND Armee.
Die SPD wäre über bürgerliche Offiziere einer vergrößerten Armee nicht unglücklich gewesen, ganz im Gegenteil.

Ach, diese klassenkämpferischen ollen Kamellen sollten wir doch besser lassen.

Da genügt das Zitat aus der Reichstagsrede von Noske (SPD): »Keinen Mann und keine Mark für dieses System!«

Eine solche Aussage eines Abgeordneten einer Partei würde heutzutage den sog. "Verfassungsschutz" auf den Plan rufen und Grundlage für einen Verbotsantrag der betreffenden Partei vor dem Bundesverfassungsgericht bieten. So viel zum angeblich so schrecklich "undemokratischen" Kaiserreich, in dem es möglich war, daß eine Partei 1912 stärkste Fraktion im Reichstag wurde, die ganz offen den Umsturz und die Errichtung einer Republik anstrebte. Versuchen Sie das heute mal...

Zitat von: mudfladdy am 10 September 2016, 14:35:14
Ob der Krieg dadurch gewonnen wird steht auf einem anderen Blatt, da ja alles Auswirkungen auf andere hat.

Zwischen "gewinnen" und "nicht verlieren" (wie ich es formuliert hatte) ist ein himmelweiter Unterschied:
ZitatHätten dann noch die 1. OHL, ebenso wie die 2. OHL eine bessere Führungsleistung an den Tag gelegt, hätte man den Krieg nicht verlieren müssen.

Zitat von: mudfladdy am 10 September 2016, 14:35:14Wenn die Osmanen neutral bleiben dann bekommt Russland ausreichend Nachschub und aus den "schwachen Truppen" werden mit der Zeit "unüberwindbare Horden aus dem asiatischen Raum". Man sollte doch immer den Gesamtzusammenhang sehen und nicht Rosinen picken.

Wenn die Schlieffenoperation nicht scheitert, ist es völlig egal, wieviel Nachschub Rußland bekommt, da es dann schlicht die Zeit nicht hat, die es im realen Verlauf des 1. Weltkrieges hatte.

Huszar

Hallo, Urs,

Schön geschrieben!
Ist zwar etwas off-topic, aber ein kleiner Schwenker zu Landkrieg.
Der Schliefen-Plan war eigentlich nicht schlecht, hatte aber einige Schwachstellen:
- die französische Armee hätte unbedingt ostwärts der Marne vernichtet werden müssen, denn für einen Vorstoss über der Marne fehlte es an der Logistik.
- um dies zu erreichen, müsste der deutsche Vormarsch schneller sein, als der französische Rückzug. Da jeder damals zu Fuss unterwegs war, waren die täglichen Marschleistungen auch identisch, bzw die Franzosen konnten auf die E-Linien zurückgreifen, womit sie schneller waren, als die Angreifer. War dann 25 Jahre später umgehekehrt  :-D

Da im Vergleich zum Schliefen-Plan die rechte Flanke sogar noch geschwächt wurde, hatte man noch schlechtere Karten.
Spätestens an der Marne hätte klar sein müssen, dass der ganze Plan gescheitert ist. Ein weiterer Vormarsch auf Paris (Überschreitung der Marne) war in diesem Sinne illusorisch und schlicht falsch. Mit einem Vormarsch an der Marna nach Süden hätte man die französischen Festungen vom Rücken her fassen können (Verdun zB war zu diesem Zeitpunkt de facto schon abgeschnitten, mit dem Rückzug wegen der Marne-Schlacht wurde der Belagerungsring wieder gelockert. Und wer war zufällig dort? Rommel  :-D).
Aber auch mit dieser Richtungsänderung kann Frankreich nicht noch 1914 besiegt werden.
Wäre eine interessante Frage, ob England in den Krieg eingetreten wäre (zumindest 1914), wenn der Einmarsch in Belgien nicht erfolgt wäre.
off topic ende

Gesamtstrategisch müsste Serbien so schnell, wie nur möglich besiegt werden (falls nötig, auch mit dt. Hilfe!), um die Italiener und Rumänen von einem Kriegseintritt abzuhalten, die Verbindung zur Türkei herzustellen, und die Ö-U Armee für den Osten freizumachen.
Im Osten wäre es zwingend notwendig, das bessere Eisenbahnnetz ausnutzend, noch im Spätsommer/Herbst eine koordinierte Offensive zu starten, und mindestens Kongress-Polen zu besetzen (wenn möglich, Vormarsch bis zur realen Linie vom September 1915!).

ZitatHierzu ist es aber unbedingt nötig, dass Russland,genauso abgeschnitten bleibt von jeglicher Hilfe, wie in der Realität, dass beinhaltet die Ostsee genauso wie die Dardanellen.

War dort die HSF mitentscheidend als Fleet in being, oder bekommt man das wesentlich preiswerter hin?

Bei den Dardanellen hatte die HSF mM eigentlich überhaupt keinen Einfluss, moderne englische Flotteneinheiten waren da nicht benötigt. Im Falle der Ostsee auch weniger. Einen Durchbruch hätten die Englander auch in der Realität machen können, eine ständige Versorgung könnte aber auch mit einer schwächeren HSF aufgebaut werden. Seeraum ist einfach zu beengt, um Geleitzüge durchzubekommen.

Preiswerter ginge es ohne grössere Probleme: Dtl baut ca. 8 Dreadnoughts bis 1912, dazu weitere acht Küstenpanzerschiffe, mit 18Kn, starker Panzerung und nur 2*II 35cm. Dazu eine sehr hohe Zahl relativ kleiner T-Boote mit (für damalige Verhältnisse) vielen T-Rohren.

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Götz von Berlichingen

Zitat von: Huszar am 10 September 2016, 14:48:22Der Schliefen-Plan war eigentlich nicht schlecht, hatte aber einige Schwachstellen:
- die französische Armee hätte unbedingt ostwärts der Marne vernichtet werden müssen, denn für einen Vorstoss über der Marne fehlte es an der Logistik.

Das bestreitet General Groener in »Das Testament des Grafen Schlieffen«.

ZitatDa im Vergleich zum Schliefen-Plan die rechte Flanke sogar noch geschwächt wurde, hatte man noch schlechtere Karten.

Der rechte Flügel hatte die von Schlieffen vorgesehenen Divisionen und wurde nicht geschwächt. Allerdings wurde der linke Flügel gestärkt durch seit Schlieffens Zeiten neuaufgestellte Verbände und der Feind war seither ebenfalls stärker geworden.

ZitatSpätestens an der Marne hätte klar sein müssen, dass der ganze Plan gescheitert ist. Ein weiterer Vormarsch auf Paris (Überschreitung der Marne) war in diesem Sinne illusorisch und schlicht falsch.
Wurde auch bis 1918 nicht mehr versucht.

ZitatWäre eine interessante Frage, ob England in den Krieg eingetreten wäre (zumindest 1914), wenn der Einmarsch in Belgien nicht erfolgt wäre.

Mit absoluter Sicherheit. England hatte sich - informell unter Umgehung des Parlaments und sogar eines Teils des Kabinetts - Frankreich gegenüber dazu verpflichtet.

»Das Auftreten Englands an der Seite Frankreichs hat schon damals kein einsichtiger Militär bezweifelt.« (Ludendorff)

Ebensowenig Graf von Schlieffen.

Und ebensowenig Churchill. Oder weshalb hat der einen »baldigen Krieg mit Deutschland«bereits am 19.02.1913 gegenüber dem Präsident der Cunard-Reederei, Alfred Booth, angekündigt? (Colin Simpson, »Die Lusitania«)

Und weshalb hat die britische Admiralität bereits am 27.07.1914 einen Funkspruch an die Royal Navy erlassen, wonach die Schiffe der Mittelmächte zu beschatten seien? (R.K. Lochner, »Kampf im Rufiji-Delta«, Heyne, München 1987, S. 34]

Das war volle acht Tage, bevor der erste deutsche Soldat seinen Knobelbecher auf belgisches Gebiet setzte!

ZitatGesamtstrategisch müsste Serbien so schnell, wie nur möglich besiegt werden (falls nötig, auch mit dt. Hilfe!), um die Italiener und Rumänen von einem Kriegseintritt abzuhalten, die Verbindung zur Türkei herzustellen, und die Ö-U Armee für den Osten freizumachen.

Nein, dazu müßten diejenigen, die den Krieg ausgelöst hatten (Österreich-Ungarn) an der Ostfront ebenso defensiv bleiben wie der deutsche Verbündete und mit ihren besten Verbänden zusammen mit jenen sich an der Schlieffen-Operation beteiligen.

Egal ob nun die Kaiserjägerdivision in den Vogesen die Badener und Bayern ablöst, damit jene - wie eigentlich geplant - auf den rechten Flügel verlegt werden, oder ob die österreichisch-ungarische Armee selbst rechts von der 1. deutschen Armee eingeschoben wird: Rechts vor der 1. Armee stand Ende August / Anfang September nichts mehr - die Kanalhäfen hätten bis mindestens Boulogne, wahrscheinlich sogar bis zur Seinemündung besetzt werden können.

Und wenn die Schlieffen-Operation erfolgreich ist, denkt niemand in Italien oder Rumänien auch nur im entferntesten an einen Kriegseintritt auf seiten der Entente. Die Türkei ist ja sogar nach gescheiterter Schlieffen-Operation auf seiten der Mittelmächte in den Krieg eingetreten, um wieviel mehr nach erfolgreichem Frankreich-Feldzug!

Urs Heßling

moin,

falls diese Gedanken weitergeführt werden sollen ... bitte nicht in diesem schönen Thread.

Wenn jemand einen Thread zu einer "Landpartie" starten will, bitte sehr, ich bin gern bereit, die letzten Beiträge abzutrennen und verschiebe sie dorthin.

Aber hier geht es mit diesem abweichenden Kurs nicht weiter !

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Huszar

Hallo,

Hab mir die letzten Paar Tage einige Gedanken gemacht.

Deutschland ist (war) eine Land/Kontinentalmacht. Punkt. Fakt. Jeder Euro-Cent ( :-P), der ins Militär, aber nicht in die Armee gesteckt wird, ist verschwendetes Geld. Heutzutage nicht wirklich, aber damals eindeutig.
Militärausgaben konnte man damals nicht beliebig erhöhen, irgendwann war dann schluss - unbedingt viel Raum nach oben gabs damals nicht.
England kann mehr und schneller bauen, als Deutschland. Punkt. Fakt. Auch muss sich England nicht viel Gedanken um eine Armee machen, im Gegensatz zu Deutschland.

Und jetzt zum Schiff.
Ein Schiff mit 25-25,5Kn und 8*30,5cm in der Mittschifflinie konnte man damals ohne Probleme technisch hinbekommen. (oder hätte man können). Die Kosten pro Schiff werden/würden aber steigen, würden aber sehr wahrscheinlich unter 50miRM bleiben, und wären somit noch zu verkraften. Mit zugehörigen Grossen und Kleinen Kreuzern und Zerstörern/T-Booten würden sich die zusätzlichen Kosten aber summieren - da die Militärausgaben nicht beliebig erhöht werden können, müsste man bei der Armee einsparen. Keine gute Idee für eine Land/Kontinentalmacht.

Um bei den Kosten ein Nullsummenspiel zu haben, müsste man also auf ein oder einige Schiffe verzichtet werden. Dazu müsste aber das leidige Flottengesetz angetastet werden.

Wenn wir aber
a, sowieso schnelle Linienschiffe bauen, und
b, das leidige Flottengesetz antätscheln, und
c, England sowieso nicht totbauen können,
wieso dann nicht einen weiteren Schritt zum Einheitsschiff machen, Grosse/Panzer/Schlacht/Schwere Kreuzer gleich streichen, UND Mittel für die Armee frei machen?

Will heissen:
- statt 9+4 grosse Schiffe nur 8 Stück bauen
- einige mittel in zusätzliche Kreuzer (2-4 Stück á 9miRM), Zerstörer (8-16 Stück) und vor allem U-Boote (0,5-2miRM/Stück) stecken
- was übrig bleibt (sagen wir mal 200-250miRM), in die Armee stecken

Da das Einheitsschiff jetzt auch auch Kreuzeraufgaben übernehmen müsste, wären 25-25,5Kn nur noch bedingt ausreichend, ohne Ölkessel (wir sind ja 1908/1909!) wären aber mehr, als 26Kn nur schwer möglich, wenn noch 8*30,5cm in der Mittschiffslinie mitgeführt werden sollen. Panzerung könnte auch nur knapp über 30cm gebracht werden. Kosten würden sich aber auch so unter 50miRM halten.
(ja, ich spreche hier praktisch über eine vorgezogene, kohlegefeuerte Derfflinger, die Kosteten auch in Realität 45,65-47,1miRM, allerdings mit Werftnachlass. Die letzten 2-4 Stück könnte man dann mit teilweiser Ölfeuerung bauen - als eine Original-Derfflinger).
Technisch wäre es möglich.

Nachteil: wir brauchen kein neues Schiff zu entwerfen.  :-D :-D :cry:


mfg

aelex
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