Rumpfform Bismarck

Begonnen von Sarkas, 05 Februar 2016, 15:47:01

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Sarkas

Hallo,

was bei der Bismarck sofort ins Auge fällt, ist die enorme Breite ihres Rumpfes. Zum Vergleich ein paar Länge-zu-Breite-Verhältnisse anderer Schiffe:

Hood:   L/b = 8,3
Repulse:   L/b = 8,0
Scharnhorst:   L/b = 7,5
Richelieu:   L/b = 7,5
Littorio:   L/b = 7,2
Dunkerque:   L/b = 6,9
North Carolina:   L/b = 6,8
King George V:   L/b = 6,8
Bismarck:   L/b = 6,7 (!)

Nun war die Bismarck alles andere als langsam, obwohl es immer heißt, dass schmale Rümpfe schneller sind als breite Rümpfe. Allerdings habe ich hier im Forum aufgeschnappt, dass deutsche Techniker in den 1930er Jahren Versuche mit breiteren Rümpfen machten und darauf kamen, dass sie sogar strömungsgünster sind als schmale Rümpfe. Eine Vermutung von mir als Laie hierzu ist, dass ein breiter Rumpf eine bessere Gestaltung der Schulter (die zwangsläufig immer auf Höhe der vorderen Turmbarbette liegt) zulässt.

Kann hierzu jemand etwas genaueres sagen?


109

#1
Hallo,

Bismarck und Tirpitz waren mittelschnelle Schlachtschiffe mit ca. 28 Knoten  . 

Vorschiff: Yourkevitsch-Form. U-Spantenriss im Unterwasserschiff, konkave Wasserlinien, nach vorne fallender Steven, Taylor-Wulst.
Mittelschiff: konvexe Wasserlinien, U-Spantenriss.
Achterschiff: konvexe Wasserlinien, V-Spantenriss und Krezerheck mit Abrisskante.

Yourkevitsch ging nach dem Bau der Normandie 1932 für ein paar Jahre nach Hamburg. Vielleicht kann Mitglied Schiffbauer mehr dazu sagen 

Grüße Bernd
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Matrose71

#2
Salve,

so ganz von der Hand zu weisen ist aber Sarkas Argumentation nicht. TP war mit etwas über 160000WPS 30.8 kn schnell, was nur 1,2kn langsamer war als Richelieu, die mehr Leistung hatte (fast 1800000 WPS bei Überlast und 32kn), ein besseres L/B hatte und leichter war (6000ts full load).

Und die französischen Schiffe dieser Zeit, werden in der Literatur oft als State of the Art beschrieben, was Rumpfform und Hydrodynamik angeht.

Also war die Rumpfform von BS und TP wohl eher gut bis sehr gut und nicht nur durchschnittlich.
Viele Grüße

Carsten

Peter K.

ZitatYourkevitsch ging nach dem Bau der Normandie 1932 für ein paar Jahre nach Hamburg.

Vladimir YOURKEVITCH (auch YURKEVICH) konnte meines Wissens nach bereits vor dem Ersten Weltkrieg die Schleppversuchsstation des Norddeutschen Lloyds in Bremerhaven besuchen, wo er sich Anregungen für seinen Entwurf der BORODINO-Klasse holte. Später wurde sein Rumpfentwurf für die NORMANDIE gegen zahlreiche französische Muster auch in der Hamburgischen Schiffbauversuchsanstalt getestet und stellte sich dort als überlegener Entwurf heraus. Dass er selbst danach länger in Deutschland gewesen sein soll, wäre mir neu und 1937 ging er dann ja nach Amerika.

Patent 1
Patent 2
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Peter K.

Zitat... obwohl es immer heißt, dass schmale Rümpfe schneller sind als breite Rümpfe.
Wo?
ZitatAllerdings habe ich hier im Forum aufgeschnappt, dass deutsche Techniker in den 1930er Jahren Versuche mit breiteren Rümpfen machten und darauf kamen, dass sie sogar strömungsgünster sind als schmale Rümpfe.
Quelle?
ZitatEine Vermutung von mir als Laie hierzu ist, dass ein breiter Rumpf eine bessere Gestaltung der Schulter (die zwangsläufig immer auf Höhe der vorderen Turmbarbette liegt) zulässt.
Wo liegt bei einem Schiff, das kein paralleles Mittelschiff hat, die vordere und hintere Schulter?

Grüße aus Österreich
Peter K.

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Matrose71

Hallo Peter,

naja,

es gibt ja schon die maritime "Weisheit", Länge läuft.
Und auch Alex und ich tendierten meistens zu einem "günstigen" L/B, wenn wir schnelle Schiffe konstruieren wollten, obwohl ich mittlerweile bei Kriegsschiffen der Meinung bin, dass 8 eher die Höchstgrenze ist, wenn man einen stabilen Rumpf möchte, eher sogar etwas niedriger. Die K-Kreuzer mögen als schlechtes Beispiel dienen und so schnell waren die nun auch nicht, bezogen auf ihre Leistung.

Edit:

Die Japaner waren da ja schon fast "Fetischisten" bei ihren Kreuzern und einem 10:1 Verhältnis, bewährt hat es sich m.M. nach nicht, da sie ständig mit massiven Instabilitäten bei ihren Schiffen zu kämpfen hatten.
Viele Grüße

Carsten

Peter K.

Das L/B-Verhältnis hat kaum einen widerstandserhöhenden Einfluß - es heißt ja auch nicht umsonst, dass "Länge läuft" und nicht etwa, dass "Breite bremst"! Ein geringes L/B-Verhältnis ergibt aber manövrierfreudige Schiffe, große Torpedoschutzbreiten und eine ruhige Waffenplattform, während es gleichzeitig zusammen mit B/T für die Stabilität wichtig ist.
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Peter K.

Welcher Wert für L/B als günstig zu bezeichnen ist, hängt meiner Meinung nach vom Schiffstyp und den Entwurfskriterien ab.
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Matrose71

#8
Damit hast du völlig recht,

aber m.M. nach haben sich Kreuzer mit einem 10:1 Verhältnis nicht bewährt, da ALLE unter sehr massiven Rumpf Instabilitäten litten und keiner ohne umfassende Nachbessrung auskam.

Siehe K-Kreuzer, Aobas, Myokos, Takaos, Mogamis, Tone etc.
Viele Grüße

Carsten

Peter K.

Ja, dennoch ist das L/B-Verhältnis alleine kein ausreichender Parameter für einen stabilen Rumpf! Er muss vor allem im Zusammenhang mit B/T und den Schwerpunkten gesehen werden, in Bezug auf die Längsfestigkeit auch mit L/H.

... könnte aber HAROLD sicher viel besser erklären!  :wink:
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Matrose71

#10
Salve,

man sollte auch nochmal darauf hinweisen, dass das K - Amt mit den Panzerschiffen wieder konservativ wurde, gemessen an den K-Kreuzern, was das L/B Verhältnis anbelangte. Man ging deutlich unter 9 eher 8,4 (Graf Spee), selbst eine Graf Spee mit  der (angedachten) Vorschiffsverlängerung wäre nicht auf ein 9 Verhältniss gekommen.
Der Prinz war nach den K. Kreuzern wohl der extremste Bau (neben Seydlitz und Lützow) mit einem 9,2 Verhältnis, hatte aber nach meinem Wissen keine Rumpf Probleme oder irgendwelche Instabilitäten.

Somit scheint es mir, hatte man beim K-Amt durchaus eine Lernkurve und der Prinz beweist, dass man dem Ritt auf der Rasierklinge nahe kam und wohl einigermaßen beherrschte. Zumindestens empfinde ich das ex post betrachtet so, wenn man das gegenüber den Japanern vergleicht.

Wobei ich noch hinzufügen möchte, dass den Schwestern eine 236m KWL (von Anfang an / somit 245m Lüa mit Atlantik Bug) durchaus gut getan hätte ( Original Pläne zur Bugverlängerung Gneisenau mit 38cm Geschützen), damit wären sie wesentlich trockener gewesen und die Bugwelle wäre Hydrodynamisch wesentlich günstiger gewesen, hier sprang man, im wahrsten Sinne des Wortes, etwas zu kurz, war aber wohl mitten in der Lernkurve. Hier verweise ich auf Harolds Einlassungen zu dem Thema.
Viele Grüße

Carsten

109

Carsten: ich denke auch dass die Rümpfe gut gelungen waren, allerdings bin ich kein Fachmann . 

Ich dachte,  dass Yourkevitsch in Hamburg war,  kann sein dass ich mich irre.

Auf alle Fälle ein interessantes Thema ,  die King George Klasse hatte z.b. keinen Taylor-Wulst.
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Matrose71

#12
Salve,

was noch auffällig ist, wäre ein Vergleich zwischen Iowa und einer fiktiven TP mit dem "Graf Zeppelin Antrieb", sprich 16 Wagner Kessel und 4 Turbinen (4 Schrauber).
Vergleicht man den Geschwindigkeitszuwachs von BS zu TP und rechnet dann mit ~ 200000 WPS, wäre TP wohl zwischen 32 -32,5kn glandet.
Wenn man bedenkt, dass die Iowas nach Primär Quellen nie schneller als 32,5kn in See waren, ist es recht interessant ob eine Länge über ~250m oder ein besseres L/B Verhältnis (Iowa ~ 8 und~ 240000 WPS), wirklich zu wesentlich besseren Resultaten führen.

Nicht umsonst behaupten einige Leute mich eingeschlossen, dass die Schwestern neben den Iowas die Schnellsten Schlachtschiffe waren, die Jemals im Wasser waren und das auch Real unter Beweis (Schwestern gegen Glorious, Schwestern gegen Renown in einem Sturm mit Windstärke 9) gestellt haben und die hatten wesentlich weniger Leistung als eine Iowa und auch ein "schlechteres" L/B Verhältnis.
Auch kann man Yamato mit hinzufügen, die von ihrem L/B und ihrer Leistung ~ ungefähr auf Tirpitz Nivau war, aber fast 3,5-4kn langsamer, dafür aber auch wesentlich schwerer.

Sprich ein wirklich interessanter Thread.
Viele Grüße

Carsten

Sarkas

Hallo Peter,

es ist schon richtig, dass der allgemeine Satz "schmale Rümpfe sind schneller" hydrodynamisch so pauschal nicht stimmt. Allerdings hat man sich offensichtlich lange an diesem Satz orientiert, was man schon an meiner kleinen Liste - in der sogar die langsamen, breiten Pötte wie Nelson und ihre Vorgänger fehlen - ablesen kann. Die Bismarck (übrigens auch die Yamato) sind da ziemlich auffällige Ausreißer, gerade wenn man die installierte Maschinenleistung mit berücksichtigt.


Zitat von: Peter K. am 06 Februar 2016, 00:01:27
ZitatAllerdings habe ich hier im Forum aufgeschnappt, dass deutsche Techniker in den 1930er Jahren Versuche mit breiteren Rümpfen machten und darauf kamen, dass sie sogar strömungsgünster sind als schmale Rümpfe.
Quelle?

Es ging um die Panzerschiffe, sowohl um den ursprünglichen Entwurf von "D" als auch einen geplanten Umbau von "A" bis "C", der wohl eine Rumpfverbreiterung vorsah. Wenn gewünscht, kann ich nochmal raussuchen, wo ich das hier gelesen habe.


Zitat
Wo liegt bei einem Schiff, das kein paralleles Mittelschiff hat, die vordere und hintere Schulter?

Darauf will ich ja hinaus. Bei der Bismarck läuft die Wasserlinie von der breitesten Stelle des Rumpfes bis über die äußeren Barbetten mit einer praktisch konstanten Krümmung. Bei vielen anderen Entwürfen ist die Krümmung im Mittelschiff viel kleiner und an den Barbetten deutlich zunehmend, was dann durchaus eine "Schulter" ergibt.


Sarkas

Zitat von: Matrose71 am 06 Februar 2016, 05:52:40
was noch auffällig ist, wäre ein Vergleich zwischen Iowa und einer fiktiven TP mit dem "Graf Zeppelin Antrieb", sprich 16 Wagner Kessel und 4 Turbinen (4 Schrauber).

Hallo Carsten,

Iowa und Yamato hatte ich bewusst nicht in meine Liste aufgenommen, weil bei beiden die Breite durch andere Überlegungen vorgegeben wurde.

Von der Iowa habe ich gelesen (Friedman: US Battleships), dass selbst die amerikanischen Entwickler nicht sehr glücklich mit dieser Rumpfform waren, dass aber bei der durch den Panamakanal begrenzten Breite die gewünschte Geschwingigkeit nur mit diesem extrem langen Vorschiff zu erreichen war. Die Iowa ist deshalb aus hydrodynamischer Sicht ganz bestimmt kein Wunderkind.

Bei der Yamato hat wohl das große Gewicht der Zitadellpanzerung und der Türme die große Breite erzwungen. Es ist aber tatsächlich auffällig, dass sie trotzdem - für ihre Größe und die eingebaute Maschinenleistung - ziemlich schnell war.

Das Verhältnis L/b = 10:1 bei Kreuzern und kleineren Schiffen hat übrigens, wenn ich das richtig verstanden habe, einen anderen Grund: die "Rumpfgeschwindigkeit". Kleine Schiffe sind wohl eigentlich zu kurz, um Geschwindigkeiten von >30 kn zu erreichen, was sich aber angeblich mit extrem schmalen Rümpfen umgehen lässt. Schlachtschiffe sind in der Regel lang genug, um kein Problem mit der Rumpfgeschwindigkeit zu bekommen.

Ich bin wie gesagt nur Laie auf diesem Gebiet, lasse mich also gerne korrigieren, wenn ich hier Unsinn schreibe!


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