Frage zur GOEBEN

Begonnen von Ruhrpottpreuße, 30 November 2015, 04:50:40

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Ruhrpottpreuße

Hallo!
Am 27.7.1914 verließ die GOEBEN den Hafen von Pola und vereinigte sich am 1.8. mit der BRESLAU bei Brindisi. Am 2.8. kam der Mobilmachungsbefehl, am 3.8. die Nachricht vom Kriegsausbruch mit Frankreich und das mit England zu rechnen ist.
Churchill schreibt in seinem Buch "The world crisis" , daß die beiden Schiffe, die an die Türkei verkauft wurden, einbehalten wurden, damit sie in Verbindung mit der GOEBEN keinen feindlichen Verband stellen könnten.

Had we delivered them to Turkey, they would, as the event turned
out, have formed with the Goeben a hostile force which would
have required a force of not less than five British Dreadnought
battleships or battle-cruisers to watch them.
(Hätten wir sie an die Türkei geliefert, hätten sie, nach Kriegsausbruch, mit der GOEBEN einen feindlichen Verband gebildet, der eine Stärke von nicht weniger als fünf britische Dreadnoughts oder Kreuzer zur Beobachtung erforderlich gemacht hätte.)

Churchill befahl am 29.7., die beiden Schiffe einzubehalten. Lese ich das so, das Churchill bereits am 29.7. wußte (oder erahnt hat), daß die Goeben unter türkische Flagge kommen soll oder hat er nur vermutet, daß die GOEBEN zusammen mit türkischen Schiffen eingesetzt werden sollte? Wenn er es am 29.7. bereits wußte, woher hatte er diese Informationen?
Ist darüber etwas bekannt?
Vielen Dank!

Urs Heßling

#1
moin,

Zitat von: Ruhrpottpreuße am 30 November 2015, 04:50:40
Churchill befahl am 29.7., die beiden Schiffe einzubehalten.
Am 29.7. ging nach einer Sitzung des britischen Kabinetts, an der auch Churchill als Marineminister teilnahm, eine Warnung an die Marine- und Kolonialstützpunkte, die auf die Möglichkeit eines Kriegsausbruchs hinwies (Quelle: Massie, Dreadnought).
Möglicherweise war dies der Auslöser für Churchills Vorgehen.

Was genau Churchill am 29.7. befohlen hat, habe ich nicht herausfinden können. Im Buch "Seemacht" (Nimitz, Potter, Rohwer) heißt es nur, GB habe das Schiff nach Kriegsausbruch "beschlagnahmt".
Churchill hatte als Marineminister vielleicht gar nicht die Kompetenz, die Beschlagnahme eines von einer zivilen Werft für eine fremde Macht gebauten Schiffs anzuordnen und tat es trotzdem ?

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Albin

Zitat von: Urs Heßling am 30 November 2015, 08:50:34
moin,

Zitat von: Ruhrpottpreuße am 30 November 2015, 04:50:40
Churchill befahl am 29.7., die beiden Schiffe einzubehalten.
Am 29.7. ging nach einer Sitzung des britischen Kabinetts, an der auch Churchill als Marineminister teilnahm, eine Warnung an die Marine- und Kolonialstützpunkte, die auf die Möglichkeit eines Kriegsausbruchs hinwies (Quelle: Massie, Dreadnought).
Möglicherweise war dies der Auslöser für Churchills Vorgehen.

Da stellt sich mir die Frage; wieso gingen die Engländer davon aus, daß die Goeben an die Türkei geht und somit die Türkei an der Seite der Mittelmächte in den Krieg zieht. Immerhin war die Türkei zu dem Zeitpunkt noch Neutral. Hätten die Engländer den mit der Vertraglichen Ablieferung die Türken stärker an sich binden können oder zumindest die Neutralität stärken. Immerhin wäre somit der Zugang zum Schwarzen Meer gesichert geblieben.

Ruhrpottpreuße

Hallo Ihr beiden!
Vielen Dank für Eure Mitarbeit!
Ich habe noch einen Befehl von Churchill vom 30.Juli (!) gefunden, der besagt:
"Your first task should be to aid the French in the transportation of their african army by covering and if posisble bringing to action individual german ships, particularly Goeben, which may interfere with the transportation."
(Ihr erster Auftrag lautet, die französischen Transporte ihrer afrikanischen Armee zu schützen und wenn möglich einzelne deutsche Schiffe  zum handeln zu bringen, besonders die Goeben, welche die Transportmaßnahmen stören könnte.).
Wie gesagt, dieser Befehl, auch deutsche Kriegsschiffe, insbesondere die GOEBEN zu Handlungen (Kampfhandlungen?) zu bringen, stammt vom 30.Juli, vier Tage vor dem Kriegszustand mit England!
Das britische Kabinett brachte diesen aber zu Fall, um die moralische Integrität des britischen Empires nicht anzukratzen.
Auf Grund des Befehls Churchills glaube ich nicht daran, daß ihm etwas an "Apeasement politic" mit den Mittelmächten lag.
Offen bleibt also wirklich die Frage, ob Churchill von der Übernahme der GOEBEN durch die Türkei gewußt hat oder es nur eine Ahnung war.

Urs Heßling

moin,
Guter Fund top :MG:

Zitat von: Ruhrpottpreuße am 30 November 2015, 16:37:10
Ich habe noch einen Befehl von Churchill vom 30.Juli (!) gefunden, der besagt:
"Your first task should be to aid the French in the transportation of their african army by covering and if posisble bringing to action individual german ships, particularly Goeben, which may interfere with the transportation."
(Ihr erster Auftrag lautet, die französischen Transporte ihrer afrikanischen Armee zu schützen und wenn möglich einzelne deutsche Schiffe  zum handeln zu bringen, besonders die Goeben, welche die Transportmaßnahmen stören könnte.).
"bring X to action" bedeutet allerdings nicht "X zum Handeln zu bringen", sondern "das Gefecht mit X aufnehmen ", was dann doch eine andere Bedeutung mit sich bringt.
Es war übrigens nicht Churchills Aufgabe als Marineminister, einem Seebefehlshaber einen derart spezifischen Befehl zu erteilen, das war Aufgabe der Admiralität (war aber ein typischer Churchill).

Gruß, Urs
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Ruhrpottpreuße

Hallo Urs!
Ja, mein englisch ist nicht das beste...
Aber wie Du schriebst, dadurch wird der Befehl ja noch verschärft.

Urs Heßling

moin,

Zitat von: Albin am 30 November 2015, 11:55:17
Hätten die Engländer den mit der Vertraglichen Ablieferung die Türken stärker an sich binden können oder zumindest die Neutralität stärken.
DAS ist die heute nicht mehr zu beantwortende Frage.
Das tatsächliche, entgegengesetzte Vorgehen tippte dann die "Wagschale der Entscheidung" im Osmanischen Reich wohl zur  anderen Richtung hin an.
Ob das Osmanische Reich den Krieg als Neutraler "unbeschadet" überstanden hätte, ist eine weitere Frage. Sicher waren die Meerengen für Rußland und die irakischen Ölquellen für GB "Objekte der Begierde".

Zitat von: Ruhrpottpreuße am 01 Dezember 2015, 04:05:59
Aber wie Du schriebst, dadurch wird der Befehl ja noch verschärft.
Ja, ich fühle mich ein klein wenig an den (späteren!) Befehl Halseys erinnert.
http://www.cv6.org/1941/btlord1/btlord1.htm

Gruß, Urs
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maxim

Geht es nicht eher um eine Rechtfertigung Churchills, die er lange später geschrieben hat?

Weil er kritisiert wurde, dass die Beschlagnahme die Türkei in die Hände der Deutschen getrieben hätte?

Die britische Flotte im Mittelmeer ging ja gerade nicht davon aus, dass die Goeben in die Türkei fahren würde, da sie primär in der anderen Richtung (westliches Mittelmeer) suchte und die stärksten Schiffe (Schlachtkreuzer) deshalb auch keine Chance mehr hatten, die Goeben abzufangen.

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