Entwicklung von Panzerstählen in der KM

Begonnen von scharrenberg, 07 Juni 2015, 17:20:53

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scharrenberg

Ich möchte hiermit ein neues Diskussionsthema eröffnen, der sich in mehreren Aspekten an die Diskussionen über die Panzerfrage bei Kreuzern und Schlachtschiffen anlehnt.
Meine Fragestellung lautet:
In welcher Form hat die Kriegsmarine die Entwicklung von Panzerstahl weiter vorangetrieben?
Die Panzerstähle ,,Wotan hart" und ,,Wotan weich" sind nach allen Recherchen, die ich betrieben habe, spätestens 1935 vorhanden gewesen. Es wurde ja bald deutlich, das es im Ausland andere Stahlsorten gab, die besser waren.
Außerdem ging die Entwicklung von panzerbrechenden Geschossen weiter. So ist in Deutschland sehr früh das Hohlladungsgeschoss entwickelt worden. Das Heer hat dazu ständig nach Methoden gesucht, diese Waffe zu neutralisieren.
Nun meine Fragen:
Was hat die KM in dieser Richtung unternommen?
     # Mehrschichtenpanzer mit unterschiedlichen Elastizitätswerten oder Brinellhärten?
     # Einsatz von sog. Kompositpanzern, bei denen neben Stahl auch keramische Materialien verwendet wurden?
     # Schutzschichten auf den vorhandenen Panzerplatten (Zimmerit)?
     # Neue Panzermaterialien, z. B. war es schon möglich, Titan in Verwendung einzubeziehen?
Ich hoffe, es gibt dazu einige Antworten.
Einen schönen Abend noch
Scharrenberg

Matrose71

Salve,

ich glaube, du bist hier zeitlich etwas auf dem Holzweg!

Die KM war von der Stahlgüte und dem Panzermaterial absolut auf der Höhe der Zeit mit KC n.A (Krupp zementiert ab 1935) und Wotan hart und Wotan weich (homogener Panzerstahl ab 1933 Admiral Graf Spee). Es gab keine Stahlsorten im Ausland, die besser waren, dass ist ein Mythos, der seit einigen Jahren widerlegt ist.

ZitatWas hat die KM in dieser Richtung unternommen?
     # Mehrschichtenpanzer mit unterschiedlichen Elastizitätswerten oder Brinellhärten?
     # Einsatz von sog. Kompositpanzern, bei denen neben Stahl auch keramische Materialien verwendet wurden?
     # Schutzschichten auf den vorhandenen Panzerplatten (Zimmerit)?
     # Neue Panzermaterialien, z. B. war es schon möglich, Titan in Verwendung einzubeziehen?

Wer hatte das bitte in jener Zeit oder forschte daran?
Wo bitte willst du Titan hernehmen und vor allen dingen wie verarbeiten?
Die deutschen Werften waren mit die ersten Weltweit die homogene Panzerstähle schweißen konnten (z.B. Wotan hart und weich), die Engländer haben ihre KGV Klasse noch genietet.
Komposit Panzerung wurde in den 1960er und 70er Jahren "erfunden", auch hier die Frage wie soll das um diese Zeit verarbeitet werden, hat das überhaupt Vorteile gegenüber KC n.A und Wotan hart und weich?

Auch hätte ich gerne mal gewußt, wer Hohlladungen ballistisch geschossen hat oder schießt?
Viele Grüße

Carsten

J.I.M

Mal abgesehen davon, dass eine passive Panzerung gegen eine Hohlladung mit einem Schlachtschiffkaliberdurchmesser ohnehin nicht realisierbar gewesen wäre.
Auf der anderen Seite ist eine Hohlladung sicher gegen ein großes Ziel wie ein Schlachtschiff wenig wirksam.(Weniger Wirkung hinter der durchschlagenen Platte als bsw. ein Panzersprenggeschoss)

JIM

MarkusL

Hallo,
der erwähnte "Zimmerit"-Anstrich war ein reiner Schutzanstrich auf gepanzerten Fahrzeugen gegen (Magnet-) Hafthohlladungen, die allerdings nur von deutscher Seite eingesetzt wurden.
Allerdings wurde ein Einsatz von Hohlladungen in Mistel-Gespannen Ju 88 (erprobt 1943 gegen die "Ocean" deutlichem Erfolg, gegen Beton ca. 18m Durchschlag) gegen die britische Flotte noch für Dezember 1944 geplant. Der Gefechtskopf hatte hier 4 t Gewicht.
In Bau sollen weiterhin zwei Mistel-Kombinationen mit He 177 mit 6t-Gefechtskopf gewesen sein, davon 4t Sprengstoff. Da wäre bei einem Treffer auf einem Seeziel schon von beträchtlicher Wirkung auszugehen. Allerdings waren die schwerfälligen Gespanne auch ein leichtes Ziel für organisierte Luftabwehr, also ein ziemliches Himmelfahrtskommando.
Bei "Griehl: Deutsche Flugzeugbewaffnung" finden sich noch Hinweise auf 28 cm luftgestützte "Leichtgeschütze". Dort ist allerdings nur von "panzerbrechender Munition" die Rede.
Mglw. war auch hier der Einsatz von Hohlladungsgeschossen vorgesehen.
Gruß
Markus

Thoddy

#4
ZitatDie Panzerstähle ,,Wotan hart" und ,,Wotan weich" sind nach allen Recherchen, die ich betrieben habe, spätestens 1935 vorhanden gewesen. Es wurde ja bald deutlich, das es im Ausland andere Stahlsorten gab, die besser waren.

Beispiele?
Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

scharrenberg

@Thoddy
Guten Morgen.
Ich habe u.a. folgende größere Quellen verwendet:
1. www.whq-forum.de/cms/189.html
2. www. Forum.schlachtschiff.com/Topic 29be.html
3. http://battleship.org/html/Articles/IowaClass/Armor.html
4. http://www.navweaps.com/index_nathan/metalprp2002.htm
      Anm. zu 4.: Querverweis dort direkt nicht zu öffnen. Habe über Google "index_nathan " eingegeben und den Artikel
                        geöffnet, ist sehr umfangreich.
Einen schönen Tag noch
Scharrenberg

Thoddy

http://www.navweaps.com/index_nathan/metalprpsept2009.htm
Herr Okun hat für deutsche Panzerplattenstähle die Mindestspezifikationen berücksichtigt
das heißt wenn da für Wotan h 18% Bruchdehnung steht hat er nicht beachtet das es mindestens 18% heißt. Analog  für Streckgrenze und Dehngrenze.

Bei Bruchdehnungstests nach DIN im Vergleich zu solchen in den USA /Großbritanien wurden Proben unterschiedlicher Längen/ durchmesserverhältnisse verwendet, die Resultate sind damit nicht vergleichbar, je nach DIN verwendet man Proben z.B. mit der 5-fachen Länge des durchmessers. In USA hat die Prüfprobe nur das 4 Fache des durchmessers
Da bei sehr zähen Stählen der Bruch durch Einschnürung und Kaltverfestigung vor sich geht ist die Dehnung bis zum Bruch stark lokalisiert, somit dehnen sich kurze Proben relativ mehr.

Die Kalkulation/Schlußfolgerungen von Herrn Okun weist für homogene Stähle die besten Werte für amerikanische und britische Stähle aus. Diese sind jedoch anzuzweifeln
Realer Test
man beachte insbesondere auch die Höhe der Bruchdehnung (Elongation)
im Vergleich zu den von Herrn Okun postulierten Werten.




Zusammenfassung des deutschen Wissens über  ballistischen Schutz/Panzerung /panzerbrechender Munition "Bericht 166 der Lilienthalgesellschaft
rund 400mb
https://drive.google.com/file/d/0B12aaMD-x_k_U3J5Q0cyVFh2SjQ/view?usp=sharing
Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

Matrose71

Salve,

wie in diesem Forum schon öfter besprochen, als auch im Navweapons Forum, ist Nathan Okun durch Primär Quellen widerlegt worden.

Seine gesamte Einschätzung beruht auf Quellen die er nie preisgegeben hat, und die umfangreichen Untersuchungen und Beschusstests von Britischen und US Nachkriegs-Tests massiv widersprechen.

Hier ist insbesondere Wotan hart und Wotan weich zu benennnen!
Herr Okun stützt seine Behauptung nach eigener Aussage, auf Krupp Unterlagen und einer einzelnen 400mm dicken experimentellen Wotan hart Platte aus dem Jahre 1944, die nach dem Krieg in Dahlgren Beschusstests unterzogen wurde.
Dadurch kommt er zu dem Schluss, dass Deutsche/Krupp/KM homogene Stahlplatten eine wesentlich mindere Qualität in Bezug auf Zerreißfestigkeit/Elongation haben, als britischen und US homogene Stahlplatten. Darüber hinaus hat er Beschusstests und metalurgische Untersuchungen durch die britische Admiralität von original Tirpitz Platten nach dem Krieg glattweg ignoriert.

Bei seiner Einschätzung sind ihm allerdings mehrere entscheidende Fehler, die durch Primär Quellen gedeckt sind, unterlaufen.
Nach Krupp Unterlagen wurde die Zerreißfestigkeit/Elongation in DIN Form (18%) angeben, die DIN Form unterscheidet sich allerdings grundlegend von der Form/Maßgabe in der dieser Wert bei britischen und und US Stählen angeben wurde.
Bei Beschusstests und metalurgischen Analysen von original, aus dem Schiffsrumpf  der Tirpitz herausgeschnittenen homogenen Wotan hart Platten, wurden eine Zerreißfestigkeit von 25-28%, nach britischer und US Form/Angabe erreicht. Keine Platte hatte weniger als 25%.
Das Fazit der britischen Admiraltät war/ist, dass Wotan hart gleich gut oder besser war, als ihr eigener homogener WWII Panzerstahl.
Desweiteren ignoriert Herr Okun, dass die 1944 hergestellte und 400mm dicke experimental Wotan hart Platte, keine genauen Rückschlüsse auf Wotan hart Platten zuläßt, die nur in einer Dicke zwischen 20-200mm und von 1933 bis 1938 für die KM produziert wurden.

1. Hatte Deutschland 1944 einen sehr ernsten Mangel an Molybdänerz, welches eine entscheidende Rolle bei der Güte aller Stähle im WWII spielte, weshalb auch die Stahlgüte aller deutschen Panzerstähle ab 1944 zum Teil massiv einbrach. Daraus kann man aber keine Rückschlüsse auf die Stahlgüte und Qualität vor 1944 ziehen.
2. Hatten alle hochtechnisierten Industrie Nationen (Deutschland, GB und USA), Probleme sehr dicke Panzerplatten (egal ob homogener oder zementierter Stahl) in gleicher Güte (Schussresistenz), wie dünnere Platten herzustellen. Bei deutschen Platten lag der Breakeven Punkt zwischen 360-380mm, Dicke, ab wann das Verhaltniss zwischen Dicke und Qualität abnahm. Bei US class A Stahl (zementierter Stahl) lag er schon bei 320-350mm, weshalb die US Marine für alle Plattendicken oberhalb von 350mm, class B (homogenen Panzerstahl) verwendete.
Insoweit sind die Beschusstests der experimentellen 1944 hergestellten Krupp Wotan hart Platte in Dahlgren, völlig irrelevant, um daraus Schlussfolgerungen, auf die Güte und Qualität der Wotan hart Platten aus den Jahren 1933-1938 zu ziehen.

Auch ist Nathan Okun mittlerweile dafür bekannt, dass er eine eindeutige Anti Krupp/KM Agenda hat, da er noch wesentlich mehr britische und US Primär Quellen zum Thema KM Schiffsbau, Panzererungsqualität, bzw Layout und Granatetntechnology, schlichtweg ignoriert hat oder diese bestreitet, obwohl er keinen wissenschaftlichen Background, noch Titel hat.

Viele Grüße

Carsten

Spee

Servus,

das alte Lied, neu vertont.
Alle Nationen, die in der Lage waren Panzerstähle herzustellen, haben entsprechende Entwicklungen der einzelnen Hersteller/Nationen genau verfolgt. Somit dürfte jedes Land über entsprechende Fähigkeiten verfügt haben, gute bis sehr gute Panzerstähle herzustellen. Deutschland (oder einem anderen Land) zu unterstellen, dass es definitiv minderwertigen Panzerstahl hergestellt haben soll (außer äußere Bedingungen zwangen dazu) halte ich für Unsinn/Propaganda.
Selbst die besten Tests sind Prüfungen unter Idealbedingungen, welche die Realität nicht wiedergeben können (Mir fehlt z.B. eine temperaturabhängige Prüfung).
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Matrose71

Salve Spee,

grundsätzlich stimme ich deiner Aussage zu, allerdings gab es schon "gravierende" Unterschiede z.B. zwischen UDSSR und deutschen Panzerstahl bis 1943, was Brinell härte und Elastizität anbelangt.
UDSSR Panzerstahl war dafür bekannt, dass er sehr brüchig war unnd er konnte nie die Qualität der anderen großen 3 Industrie Nationen im WWII erreichen.
Ähnliches gilt für Japan im Stahlbereich des Schiffsbau, hier gab es schon einen qualitativen und spürbaren Unterschied. Zu normalen Panzerstählen der Japaner kann ich keine Angaben machen.

Bei den Italienern ist der Unterschied zwischen Panzerstählen im Schiffsbaubereich und bei normaler Waffentechnik (Panzerbau) auch eklatant.
Viele Grüße

Carsten

Spee

Servus Carsten,

natürlich gab es Unterschiede.
Aber ich behaupte, selbst die UdSSR und Japan waren bei entsprechenden Möglichkeiten (speziell Zusätze) durchaus in der Lage guten Panzerstahl herzustellen. Das dem nicht so war, hat verschiedene Gründe, die Fähigkeiten dazu hatten sie.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

scharrenberg

@Alle.
Vielen Dank für die vielen Antworten auf meine Frage. Ich habe extrem viel Neues dadurch gelernt.
Dafür das Flaggensignal ,,BRAVO ZULU"

Aber jetzt zurück zu meiner Ausgangsfrage, die ist nach meinen Empfinden noch nicht beantwortet.
,,Wotan hart" und ,,Wotan weich" waren spätestens 1935 entwickelt und für den Kriegsschiffbau verfügbar.

Was tat sich auf den Sektor Metallurgie für Stähle danach?

Siehe die Entwicklung von Ersatzstoffen für spezielle Legierungselemente, siehe "Sparstoffe"?

Grüße und ein schönes Wochenende

Scharrenberg

Thoddy

Lese dir den Lilienthalbericht durch
Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!
WoWs : [FMA]Captain_Hook_

Leopard2A6EX

Hallo liebes Forum - ich greife nach langer Zeit mal dieses Thema auf:

Allgemein die Zwischenkriegsentwicklung von cementierten/uncementierten Stählen: kann man das zumindest teilweise evtl prozentual darstellen in wie weit sich die ballistischen Eigenschaften der neuen Sorten verbessert haben? Bsp: navweaps gibt für die 38L45c13 einen Durchschlag von 336mm (analog zu Koop/Schmolke) gegen (deutsches) KCaA und 265mm KCnA an. Das wären schon ein paar % Verbesserung - konkret für diese Paarung. (die Geschosseigenschaften haben sich ja auch drastisch verbessert)

Als zweites: die oben erwähnten britischen Nachkriegstests zwischen eigenen und erbeuteten Tirpitz (KC?) Platten - gibt es da ein Testprotokol oder irgendwas "handfestes"?

Gruß Frank

delcyros

#14
Ja, die Ergebnisse der britischen Untersuchungen liegen vor. Problematisch ist dagegen die Interpretation, die sich offensichtlich auch von Seiten der Engländer mehrfach änderte. Vermutlich ist eine Ursache in der geringen Testzahl zu suchen, welche nicht den zugegebenermaßen strikten Erfordernissen der Statistik entspricht (zentraler Grenzwertsatz).

Auf einen pauschalen %-igen Unterschied in der ballistischen Wiederstandskraft oder Qualität der älteren und neueren KC Materialen ist dringend zu verzichten. Im Anhang habe ich einen vergleichende G(D) -Graphen für KC/a (in rot) und KC/n.A. (in blau) vs. 15cm L/3.7 Psgr wiedergegeben. Deutlich wird darin, dass der KC/a. relativ gut bei vertikalen Auftreffen ist und sich hier nur minimal vom KC/n.A. unterscheidet, aber mit zunehmenden Winkel der tiefgehärtete KC/n.A. deutlich besser gegen dieses (etwas schwache) Panzergeschoss wirkt.

Um die Sache komplizierter zu machen: Es gibt Hinweise, die nahelegen, dass die 1912 eingeführten Kappengeschosse L/3.2 (28.3cm) bis L/3.6 Psgr (35cm) etwas besser waren als die erst nach dem ersten Weltkrieg eingeführte L/3.7 Psgr. Serie (15cm der Leichten Kreuzer & 28.3cm der Panzerschiffe).   


Im Grunde genommen war der (ab ca. 1906) verbesserte KC/a.A. Panzer bereits ein gutes Material, welches in vier Qualitätsgruppen (K1 bis K4) gefertigt wurde und sich hinsichtlich der ballistischen Eigenschaften nur wenig vom verbesserten US class A unterscheidet, welches aber erst deutlich später, d.h. 1921 eingeführt wurde (für die nicht mehr verwirklichte CC-Kreuzer und die BB49-Klasse). KC/n.A. wurde in mindestens drei Qualitätsgruppen hergestellt (tief- und normal gehärtet, sowie nicht-zementiert) und wies noch einmal eine erhebliche Stegerung gegenüber KC/a.A. auf, was es in die Lage versetzte auch die neuesten Geschosse wirksam zu Bruch gehen zu lassen.

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