Doku: Drogenkonsum im Dritten Reich

Begonnen von Pervitin, 09 März 2015, 15:03:49

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

kalli

ZitatUm die Angst zu betäuben, griffen im Verlauf des Krieges immer mehr Flieger zum Alkohol und »soffen wie die Blöden«.394  Oberfeldwebel Nitsch, Beobachter im Kampfgeschwader 100, gab im September 1943 zu, dass sie auch das Aufputschmittel Pervitin nahmen: »Vor jedem Einsatz ist bei uns eine tolle Sauferei losgegangen. Wir mussten uns doch Mut machen. [...] Also ich kann noch so besoffen sein, fliegen kann ich immer. Höchstens, dass ich müde geworden bin. Aber dann habe ich einfach so eine Tablette geschluckt und dann war man so frisch und vergnügt, als ob man Sekt gesoffen hatte. Eigentlich mussten die Dinger ja vom Doktor verschrieben werden, aber wir hatten immer welche bei uns.«395

Zitat aus Sönke Neitzel, Harald Welzer ,,Soldaten", S. 213, Anmerkungen S. 456 , ISBN 978-3-10-089434-2

bodrog

... da hat sich doch 1941 auch ein Kommodore beschwert, das seine Flieger jetzt schon versuchen würden ohne Flugzeug abzuheben...

:biggre:

Ulrich Rudofsky

Dieses Thema ist interessant, da es sich wirklich nicht nur auf die bösen Deutschen im 2. WK bezieht, sondern von der aktuellen Gegenwart in der NATO etc. bis in die Steinzeiten, die Egypter, Römer, Griechen, Hunnen usw...... handelt. 

In Gefahr kann ein Adrenalinschub nur auf eine bestimmte Grenze von selbst oder von einem brüllenden Feldwebel oder Leutnant ein bißchen erhöht werden.  Dann kommen die "Drogen" ran (hier politisch korrekt: "performance enhancing drugs")....

z.B. 24-48 Stunden geistig schweren Dienst ohne Schlaf zu leisten, kann man normaler Weise kaum aushalten, vorallem wenn es nach einer kleinen Pause von 4-7 Stunden schon wieder los geht.  Also, Drogen aller Art sind noch bis heute im Gebrauch.  Aber ein freiwilliges und dienstlich Drogen erzwungenes Wachsein  bedeutet lange nicht, daß man ein physiologisch-psychiatrisch normaler, zuverlässiger und vernünftiger Mensch bleibt. 

http://www.nbcnews.com/id/3071789/ns/us_news-only/t/go-pills-war-drugs/
Ulrich Rudofsky

Kaschube_29

Immer eine Handbreit Wasser unter den Kiel (Bcегда семь футов под кильем)!

Matrose71

Zitat von: Tostan am 10 März 2015, 14:32:25
Zitat von: Ulrich Rudofsky am 10 März 2015, 11:15:41
Ich glaube da war kein Pervitin in Schokakola, aber ich weiss nicht ob es "spezial" Ausgaben gab. Wir Kinder hatten von dieser Schokolade keine Schlaflosigkeit.

Ja, und auch heute ist keins drin. Aber es gibt im Netz Gerüchte, dass vor allem in der Anfangszeit des Krieges(Polen, Frankreich) der "Wehrmachts-Schokakola" Pervitin beigemischt wurde. Dafür gibt es aber keine belastbare Quelle, und ich würde das auch als unglaubwürdig bewerten. Wozu eine "Spezial-Schokakola wenn zu der Zeit Pervitin schon als Tablette sehr großzügig verteilt wurde.

Evtl. kommt das durch "Panzerschokolade", was beim Heer ja ein Spitzname für (normales) Pervitin gewesen sein soll, während Schokakakola bei der Luftwaffe als "Fliegerschokolade" bezeichnet wurde(Und Pervitin als "Göringpille") - auch dafür aber keine wirklich belastbaren Quellen.

Ich hatte zumindestens als belastbare Quelle einen meiner Großväter bis 2009.
Der hatte noch diese Schokolade in Dosenform, soweit ich mich erinnere Weiß/Rot.
Teilnehmer am Polenfeldzug, Frankreichfeldzug und Russlandfeldzug bis Dezember 1941. Erst 22. ID, danach 20 ID mot.
Er sagte mir, dass diese Schokolade auf alle Fälle aufputschende Wirkung hatte, von Pervertin war nie die Rede und er war leider schon verstorben, als mir der Begriff Pervertin richtig bekannt wurde durch die öffentliche Diskussion, auch im Zuge von Crystal Meth.
Er erklärte mir das als Kind und Jugendlicher eher mit einer Art von sehr starkem Koffein, aber immer ausweichend und das Thema eher meidend. Da er auch sehr viel mit dem medizinischen Dienst zu tun hatte, glaube ich schon, dass in der Schokolade Pervertin sein könnte, die aufputschende Wirkung hat er nie bestritten und an die Dose durfte ich nie.

Allerdings ist das jetzt meine persönliche Interpretation, da ich mir Koffein eher weniger vorstellen kann als Pervertin, nach dem heutigen Wissen.
Viele Grüße

Carsten

AND1

Transport Ostasien
Elsa Essberger 1942  190 t Hanf
Cortelasso 1942        285 t Canabis

bettika61

Hallo,
aus den Erinnerungen von Gert Schubert http://historisches-marinearchiv.de/sonstiges/berichte/schubert.php
auf T 21
ZitatEin ,,Drogenerlebnis"
...
Während unseres Zusammenseins kam der Kommandant des Bootes in die Messe. Er wirkte ziemlich fahrig und fragte meinen Bruder allen Ernstes, wie er an Pervitin herankommen könne.
Er brauche es sofort (Pervitin war ein Aufputschmittel, das in der Wehrmacht legal für besondere
Belastungssituationen bereit gehalten wurde). Als mein Bruder ihm nicht helfen konnte oder
wollte, schlug der Kommandant vor, an einem der Rettungsflöße den Seenotrettungsbeutel zu
öffnen und das zu dessen Ausstattung gehörende Pervitin ,,vorübergehend auszuleihen". Mein
Bruder sollte das zur Kenntnis nehmen, damit alles seinen ordentlichen Gang hätte. Er lehnte das
selbstverständlich ab. Wir waren wieder allein. Ich war ehrlich erschrocken, daß ein Kommandant
dem ranghöchsten seiner Seeoffiziere in Gegenwart eines kleinen ihm fremden Kadetten so
etwas vorzuschlagen wagte. Der Mann muß ganz schön süchtig gewesen sein! War das unser
,,großartiges" Offizierskorps?

Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

kalli

von Axel schon einmal erwähnt "Die Wunderpille der Wehrmacht" ist heute um 20:15 Uhr bei Phönix zu sehen:

http://www.phoenix.de/content/phoenix/die_sendungen/983752

Ulrich Rudofsky

Ausser "Pep-Pills" (Aufputschmittel),  gab und gibt das US Militär manchmal auch Selbstmord-Pillen aus  - - "L-Pills".  Man kann die ja auch u.U. dem Feind eingeben.  :wink:   https://en.wikipedia.org/wiki/Suicide_pill

Solche lethale Pillen gab es natürlich auch im Dritten Reich... z.B. Rommel, Göring usw......
Ulrich Rudofsky

Karlchen

http://www.scho-ka-kola.de/

Schokakola gibts immer noch ist aber wie Ulrich Rudofsky schon sagte total harmlos.

kalli

gerade bestellt:

"Der totale Rausch: Drogen im Dritten Reich"

bei Amazon

t-geronimo

"...Ohler hat bislang gesperrte Materialien ausgewertet..."

Wenn Du es durch hast, schreib mal, wer da was warum gesperrt hat, falls Ohler darauf eingeht.
Gruß, Thorsten

"There is every possibility that things are going to change completely."
(Captain Tennant, HMS Repulse, 09.12.1941)

Forum MarineArchiv / Historisches MarineArchiv

kalli

Ich komme drauf zurück, Thorsten.
Vorerst 2 Fotos, die ein wenig zum Thema gehören. Bei der Wrackbergung fand man auch dies und jenes. Ich hab es im Flugzeugmuseum-Sola (Flyhistorisk Museum Sola) fotografiert.

bettika61

#28
Zitat von: bettika61 am 09 März 2015, 16:41:13
....
Erprobt wurde die Wirkung u.a. im KZ-Sachsenhausen durch
Marineoberstabsarzt Prof. Dr. Orzechowski , nachzulesen hier
Hallo,
Informationen über diese Menschenversuche an KZ-Häftlinge, die Ärzte der  Kriegsmarine in Sachsenhausen durchgeführt hat,
in
"Astrid Ley: "Arzneimittelversuch zur Hebung der Leistungsfähigkeit und Wachhaltung". Humanexperimente der Marine auf der Schuhprüfstrecke des KZ Sachsenhausen  " http://www.offenes-archiv.de/de/medium-ansicht?id=7251
zitiert
Verantwortlich Richert Dr., Hans-JoachimMar.St.Arzt.d.R. vom KdK
Als Quelle verwendet  Ärztliches Kriegstagebuch der Kleinkampfverbände RM 103/10
(Die Quelle liegt mir leider nicht vor, wenn jemand das KTB hat, wäre ich sehr interessiert)

Das KTB  wird als Quelle auch in
"Der Sanitätsdienst in der deutschen U-Boot-Waffe und bei den Kleinkampfverbänden : Geschichte der deutschen U-Boot-Medizin / Hartmut Nöldeke ; Volker Hartmann" verwendet, von den Menschenversuchen im KZ ist dort nichts zu lesen.
Zufall oder Absicht  :MZ:
Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

kalli

Zitat von: t-geronimo am 09 Juli 2020, 15:42:09
"...Ohler hat bislang gesperrte Materialien ausgewertet..."

Wenn Du es durch hast, schreib mal, wer da was warum gesperrt hat, falls Ohler darauf eingeht.

So eindeutig gibt es im Buch darauf keine Antwort. Ohler schreibt dazu in der Bibliografie Seite 344: Zitat ,,Die wichtigsten Quellen dieses Buches bilden unveröffentlichte Dokumente. Speziell für diese Recherche entsperrte Archivalien, bislang unveröffentlichte Materialien und zahllose Reports und Akten aus bundesdeutschen und US-amerikanischen Staatsarchiven wurden ergänzt durch Gespräche mit Zeitzeugen und Militärhistorikern. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass in Londoner Archiven infolge von Sperrfristen Archivalien zu bestimmten Aspekten des Dritten Reiches noch immer nicht einsehbar sind. Und in Moskau gibt es für Wissenschaftler nach wie vor nur streng begrenzten Zugang in die Geheimarchive der früheren Sowjetunion."
Allerdings erstreckt sich die Bibliografie auf 10 Seiten. Sehr umfangreich ist auch der Anmerkungsapparat. Das Nachwort stammt von Hans Mommsen und hebt besonders die Schilderung der Beziehung zwischen Hitler und Leibarzt Morell, die einen großen Teil des Buches ausmacht, hervor.
Anschaulich und z.T. mit Zahlen belegt, wird die massenhafte Drogenverwendung in allen Teilen der Wehrmacht und der SS beschrieben.
Beispielhaft seien hier nur genannt:
-Verstrickung Heye mit SS, Arzneimittelversuch KZ Sachsenhausen, Anwendung Kleinkampfverbände
-Ausgabe von Pervitin beim Kanaldurchbruch am Beispiel ,,Prinz Eugen"
Das Buch ist ,,flott" geschrieben. Auch das Kapitel Volksdroge Methamphetamin (1933-1938) war für mich eine Überraschung. Ist schon erstaunlich, wieviel in dieser Zeit der ,,Normalbürger" so geschluckt hat.

Impressum & Datenschutzerklärung