Anordnung der Panzerung

Begonnen von Woelfchen, 17 August 2006, 14:27:14

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Woelfchen

Habe mal wieder ein paar Fragen.  :-D

Die Diskussion über die Qualität der Verschiedenen Panzerstahlsorten kam wohl zum Schluss das die Unterschiede nicht groß sind.

Große Unterschiede gab es aber bei der Anordnung der Panzerung.
Da scheint jedes Land eine andere Philosophie gehabt zu haben.

Mich interresiert es, warum es so unterschiedliche Systeme gab und wo die einzelnen stärken und schwächen lagen.

Im Moment denke ich vorallem an die Panzerung gegenüber Granaten und Bomben. Zieht man den Schutz gegen Torpedos/Minen mit ein wird es vielleicht zu komplieziert (neues Thema?).
Wenn ihr der Meinung seit, das zur Panzerung das gesamte System gehört und man den Unterwasserschütz miteinbeziehen muß, dann nur zu.

Ich freu mich schon auf eure Antworten,
Johannes

Huszar

Die verschiedenen Systeme könnte man auf die unterschiedliche Baufilosophie der einzelnen Lander zurückführen:

Für Dtl war wohl wichtiger, das Schiff unbedingt überwasser zu halten, während für die Englander eher wichtig war, dass ihre Schiffe bis zum letzten Moment schiessen konnten. usw.

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

ufo

Vielleicht eine Handvoll Aspekte dazu:

Warum die Deutschen nie vom Schulterdeck-Konzept abgegangen sind, darüber sind die "Unterlagen und Richtlinien zur Bestimmung der Hauptkampfentfernung und Geschosswahl", Heft A, herausgegeben vom Oberkommando der Kriegsmarine Berlin 1940 ganz erhellend.

Es heisst da:
"Das oberste geeignete Deck stark zu machen, ist auch aus schiffsbaulichen Festigkeitsgründen günstig zur Erzielung einer guten Längsfestigkeit; es schützt ferner die darunterliegenden Räume gegen die Wirkung einer Sprengbombe ohne Verzögerung.
Die Franzosen und auch die Engländer haben auf der 'Dunkerque' bzw. 'Nelson' einen grundsätzlich anderen Weg beschritten; sie haben das Deck über unserem Panzerdeck, also das Deck, das auf der Oberkante Gürtel aufliegt, besonders stark gemacht und darunter nur ein schwächeres Panzerdeck oder Splitterschutz angeordnet. Auf diese Weise wird die Wirkung schwerer Bomben mit Verzögerung und schwerer Artillerietreffer auf das Panzerdeck von einem möglichst grossen Teil des Schiffes fern gehalten. Das unter dem schweren Panzerdeck liegende leicht gepanzerte Deck soll Geschoss- und Plattentrümmer abfangen. Diese Panzeranordnung hat aber den Nachteil, dass das schwere Deck von der Artillerie unterschossen werden kann und bei schweren Treffern nicht mehr zum Tragen kommt. Ein Vergleich dieser Panzerdecksanordnung mit der deutschen spricht wegen dieser Nachteile sehr zugunsten der letzteren."

Hier wird also nochmal betont, dass das schräge Panzerdeck ein unverzichtbarer Teil des Seitenschutzes (!) im Deutschen Konzept ist.


Es gab in den 30er Jahren eine Diskussion ob die Kanone den Kampf mit der Panzerung gewonnen habe. Das war letztendlich wohl in dem Punkte richtig, als dass ein Gürtelpanzer nicht mehr so stark gemacht werden konnte, dass er einen optimalen Seitentreffer aufhielt.
In dem Punkt gingen die Deutschen dann einen anderen Weg, als die Mehrzahl der anderen Nationen. Wenn der Gürtelpanzer allein, das nicht leistet, dann muss ein Panzerdeck her, welches den Rest des Schutzes gewährleistet. Dadurch kann sogar der Gürtel eher dünn sein (Bismarck oder H-Klasse). Die anderen Nationen blieben bei dem so-dick-wie-möglich Ansatz und kalkulierten den theoretisch möglichen optimalen Durchschlag als ein durch interne Unterteilung und Redundanz in den Griff zu bekommenden Ausnahmefall.
Ein anderer – aber eher – halbherzig verfolger Weg, war der Einbau vorgesetzter Zerschellerplatten, die, die Kappe der Granate abreissen oder zumindest anknacken sollten. Iowa hat so ein Ding obwohl das eher lieblos dünn ist.

Damit bleibt den Deutschen Schiffen der 30er Jahre schon noch die Krone für den bestenmöglichen Seitenschutz gegen Artilleriebeschuss. Bismarcks wie auch Scharnhorsts Ende unterstreichen ja auch durchaus, dass das funktioniert hat wie's gedacht war.
Ob's die Kompromisse, die man dafür in der Sicherung gegen Bomben und Torpedos hinnehmen musste, wert war, bleibt sicher diskussionswürdig. 


Zur Reichweite des Gürtelpanzers nach unten:
Ich kenne keine zeitgenössiche Deutsche (Fach-)Quelle in der das Unterschiessen des Gürtelpanzers, wie bei Bismarck in der Dänemark Strasse passiert, als Gefahr analysiert wird. (Kennt jemand?)
Die Briten haben am Beginn des Ging George V Designs Studien angestellt wie tief der Seitenschutz reichen muss, um zündfähige Granaten draussen zu halten und die Tiefe des Panzergürtels entsprechend kalkuliert.
Aber meines Wissens nach haben lediglich die Japaner in der Richtung richtig  weitgehende Versuche angestellt vor allem in der Geschossentwicklung.   



Ich denke der von Alex angesprochene Punkt betrifft viel eher die interne Unterteilung und die Leckabwehr als das eigentliche Panzerschema.
Ich kann zumindest so ad hoc keinen Teil im Panzerschema von beispielsweise Scharnhorst erkennen, der direkten Einfluss auf eine erhöhte Schwimmfähigkeit unter Gefechtsschäden hat.

Sicher sehen wir in der Graduellen Panzerung Deutscher Schiffe eine Tendens die Seefähigkeit (!) der Schiffe unter Gefechtsschäden zu erhalten. Tross-Schiffe schleppen normalerweise kein Schwimmdock hinter sich her.  Und ein graduell gepanzerter Bug fällt eben nach Treffern mit Sprenggranaten oder Torpedos (Beispiel Gneisenau) nicht gleich ab. Dem ungepanzerten Bug eines All-or-Nothing gepanzerten Schiff mag das hingegen passieren. Aber ich denke da geht es eher um die Seefähigkeit nicht so sehr um die Standfestigkeit in einem Alles oder Nichts Showdown.   

Aber – ja – das kann man nur unterstreichen. Auf Standfestigkeit haben die Deutschen (vielleicht aus den Erfahrungen nach der Skagerakschlacht ?) grossen Wert gelegt. In Britischen Nachkriegsberichten hingegen wird Bismarck als nutzlos überkompartimentiert bezeichnet. (The Bismarck Operation – The German Aspect, Royal United Services Institute, 1952)


Zustimmern muss ich Alex in dem Punkt, dass der Schutz der Artillerie in der Deutschen Philosophie offenbar eher zweitrangig war. Deutsche Geschütztürme sind ja man selten so beeindruckend gepanzert.  Im Gegenzug heist es in oben genanntem Artikel ausdrücklich, dass die Britische Admiralität Wert darauf läge, dass ein Schiff unter Gefechtsbedingungen längstmöglich als kampffähige (!) Einheit erhalten bleibe.
Wortlich: "Our Admiralty are of the opinion that a floating hull is not much use. The ship must fight and therefore you have to protect her upperworks as well as the hull. It is a matter of opinion."
Das gibt dem Schutz der Geschütze entschieden mehr Gewicht (buchstäblich).

Ciao,
Ufo

Peter K.

#3
... eine "gewohnt feine UFO-Zusammenfassung"!  :-D
Herzlichen Dank dafür!

Zum Punkt
ZitatEin anderer – aber eher – halbherzig verfolger Weg, war der Einbau vorgesetzter Zerschellerplatten, die, die Kappe der Granate abreissen oder zumindest anknacken sollten. Iowa hat so ein Ding obwohl das eher lieblos dünn ist.
vielleicht noch ein paar Worte:

Die italienischen Schlachtschiffe der VITTORIO VENETO - Klasse hatten ebenfalls ein derartiges und offenbar sehr effektives System, weshalb ihr Vertikalschutz oftmals als das "beste" bezeichnet wird!
Das gesamte Gürtelpanzersystem war um 8° schräg gestellt, war insgesamt 675 mm breit und bestand von außen nach innen aus


  • 70 mm zum "Entkappen" von schweren Granaten
  • 10 mm als Unterlage der 70 mm Platte
  • 250 mm leerer Abstand
  • 280 mm eigentlicher Gürtelpanzer
  • 15 mm als Unterlage der 280 mm Platte
  • 50 mm Holzunterlage

Dahinter gab es noch ein paralleles 36 mm Splitterlängsschott und ein weiteres 24 mm starkes Schott, das jedoch nach innen schräg gestellt war.

Beschußtests sollen bewiesen haben, daß dieser Vertikalschutz der 885 kg schweren 38,1 cm Panzersprenggranate bis 16.000 m herunter widerstanden haben soll. Außerdem soll der 70 mm "Vorpanzer" 20,3 cm Sprenggranaten, also NICHT Panzersprenggranaten, widerstanden haben.
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Woelfchen

Danke, auf solche Informationen habe ich gehofft.
Aber wie meistens habe ich noch ein paar Fragen.

1. Gibt es Bilder zum Panzerschema der VV im Internet?
Ist zwar sehr gut beschrieben, aber mit einer Zeichnung wäre es noch anschaulicher.

2. Warum die Unterlagen, oder leichte Panzerplatten hinter den schweren?
Ich habe mal gelesen das eine massive Panzerplatte Granaten besser wiedersteht als 2 dünnere Panzerplatten hintereinander. (gleiche Gesamtstärke)

3. Warum Holzunterlagen? Schock, Splittern der Stahlplatte?

4. Wieder VV.
Wenn man die ganzen Platten usw zusammenzählt (70+10+280+15+36+24), kommt man auf 435mm.
Das wäre ja mehr als bei der Yamato. Oder hatte die auch noch ein paar Platten hinter der 410mm Panzerplatte?

Huszar

Hallo,

Sowohl die Unterlagen, als auch die dünnen Platten hinter der Hauptpanzerung hatten das Ziel, Splitter aufzufangen, bzw eine eventuelle unvollständige Explosion einzudämmen.
Die Unterlage variierte je nach Land, einige benutzten Holz, andere Zement, wieder andere etwas anderes (diese Kunststoffüllung der Franzosen)

(BTW: bei der VV kannst du als "Panzerung" nur 70+280mm zählen, der Rest war "normaler" Schiffbaustahl)
Yamato hatte praktisch nix hinter dem GP.
http://www.combinedfleet.com/okun_biz.htm


mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Peter K.

@ WÖLFCHEN

Im Anhang der gewünschte Hauptspant der VITTORIO VENETO mit den Panzerstärken!
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Peter K.

#7
Ach ja, zur Erklärung:

AER = Acciaio Elevato Resistenza
... ein hochwertiger Schiffbaustahl  und homogener Panzerstahl, ähnlich dem britischen D- und D1-Stahl, von hoher Elastizität
... üblicherweise in Stärken unter 50 mm verwendet

PONCV = Piastro Omogenee Nichel-Cromo-Vanadio
... ein homogener Panzerstahl höherer Qualität
... üblicherweise in Stärken von 50 bis 70 mm verwendet

AOD = Acciaio Omogenee Duttile
... ebenfalls ein homogener Panzerstahl, aber von höchster Qualität
... üblicherweise ab 70 mm Stärke verwendet

TC = Terni Cemented
... ein oberflächengehärteter Panzerstahl, ähnlich dem deutschen KC (n.A.)
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Spee

Oh, ein "Über-Wotan" als Zerschellerplatte. Das war mir neu.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Peter K.

Na ja, THOMAS, also wenn ich mich nicht arg irre, steht DAS sogar im (neuen) Breyer ...
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Peter K.

#10
@ WOELFCHEN und HUSZAR

Zitat3. Warum Holzunterlagen?
Darauf wurden üblicherweise die schweren Gürtelpanzerplatten verbolzt! ... sollen ja auch irgendwie halten!  :-D
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

Spee

@Peter,

den ich nicht habe.
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Peter K.

Grüße aus Österreich
Peter K.

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Spee

Ich weiß ja wer einen hat  :-D .
Dafür werde ich in nächster Zeit sicher kein Geld ausgeben (eh schon wieder viel zu viel diesen Monat für Bücher ausgegeben).
Btw. habe mir heute aber ein B wie Borghese (Sea Devils) gekauft. Kannst du etwas dazu sagen?
Servus

Thomas

Suicide Is Not a War-Winning Strategy

Peter K.

ZitatBtw. habe mir heute aber ein B wie Borghese (Sea Devils) gekauft. Kannst du etwas dazu sagen?

Leider NEIN, denn auch ich hab´ diesen Monat - wie beinah´ jeden - schon zu viel für Literatur ausgegeben!  :|  :-D
Grüße aus Österreich
Peter K.

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