Berichte u.a. auch der Flucht über die Ostsee 1945

Begonnen von Trimmer, 03 Dezember 2014, 14:14:49

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Olaf Berg Nielsen

Lieber Thomas,

ich versuche nicht zu sagen, dass von dänischer Seite alles damals richtig war und habe kein Interesse dänische Ärzte zu verteidigen.  Der Artikel und Buch von Kirsten Lylloff  hat in Dänemark zu großes Diskutieren geführt, besonders weil so viele Fehler waren. Es kamen nach Kopenhagen innerhalb 1½ Monat fast 250.000 Flüchtlinge und 100.000 verwundete Soldaten. In Voraus war die Situation in Kopenhagen schlecht. Die Wehrmacht hatten Lazarettschiffe in Hafen, aber es ist ja nicht unbekannt dass die Soldaten Vorrang hatten. Vor die Befreiung (5. Mai) waren in Kopenhagen deutsche Flüchtlingskrankenhäuser mit 20.000 Betten, 194 Ärzten, 46 Hebmuttern und 627 Krankenschwestern. 

Es kamen eine 800 Schiffe mit Flüchtlingen nach Kopenhagen. Das erste das geschehen wurde war Leiche am Kai zu stäbeln. Die Krematorien und Friedhöfen in Kopenhagen konnte nicht mitfolgen und Todesdatum wurde am meisten den Tag wo die Beerdigt waren.   Das war aber bei der Wehrmacht ganz üblich, das sehe ich oft in die Kirchenbücher.

So wenn Kirsten Lylloff  6000 Totenscheine untersuchen hat, soll man den Hintergrund zuerst kennen. Dass dänische Ärzte nicht helfen wollten wenn die Wehrmacht gefragt hat, war es weil die die viele Dänen (Polizei und Juden) in deutschen KZ ,,freikaufen" wollten. Außerdem wurden am gleichen Tag 10 dänische Ärzte als Clearingmord getötet. Trotzdem haben die dänischen Ärzte in alle Krankenhäuser Flüchtlingen geholfen. Wo ich (7 Jahre alt) und meine Eltern in Kopenhagen wohnten hatten wir zwei Ärzte, die jeden Tag für Flüchtlinge gearbeitet haben.

Bis zum Befreiung (5. Mai), wo die Wehrmacht für die Flüchtlinge Verantwortung hatten sind fast 7.000 gestorben. Ich habe mehrere Krankengeschichte kopiert für Deutschen, die ihre Verwandte suchen und jedes Mal gesehen, dass ein dänischer Arzt unterschrieben hat. Es ist ja auch nicht unbekannt, dass der Flucht von Preußen nach Dänemark ohne Essen und Wasser in bis 20 Grad Kälte für Kleinkinder ihren Leben kosten kann.

Ich habe so viel Materiale, dass ich sagen kann, dass unter die chaotischen Zustände damals wurde viel von dänische Seite getan. Ich kann etwas von es übersetzen, aber weiß nicht ob du lieber die Berichte von Frau Lylloff glauben willst.

Gutes Wochenende
Olaf

TW

Hallo Olaf,
das was Du schreibst ist sehr bewegend.
Ich habe sowieso sehr viel Respekt vor dem Widerstand der Dänen gegen das Nazi-Regime. Habe erst vor kurzem das Buch von Bo Lidegaard gelesen: "Die Ausnahme: Wie die dänischen Juden mit Hilfe ihrer Mitbürger der Vernichtung entkamen."

Nein, ich möchte auch Frau Lylloff nicht lieber glauben, sondern ich habe nur darauf hinweisen wollen, dass die Debatte und die Kritik an der dänischen Ärztevereinigung zunächst aus Dänemark selber kam. Ich habe aber die Schilderungen von Frau Lylloff zur Kenntnis genommen, und ich habe auch vor ihrem Bemühen um geschichtliche Aufklärung Respekt. Ich habe ihre Feststellung auf einer Seite der "Chronik" zitiert (Hintergrundinfo/Kriegsschauplätze/Ostsee/1945) , eingebettet in die Schilderung der fürchterlichen Umstände, die das dänische Volk und seine Regierung am Ende des Krieges überrollten.

Mir war nicht deutlich, dass die dänischen Ärzte durch das Verdikt der Ärztevereinigung noch mehr unter Druck gerieten. Aber ich habe die Ärzte nicht verurteilt, und ich kenne auch keinen deutschen Historiker (unberücksichtigt die Publikationen aus rechtsradikalen Kreisen), der das getan hat.

Wenn das Diktum der Ärztevereinigung die Not der Flüchtlinge tatsächlich nicht entscheidend vergrößert hat, nehme ich den Satz auch ohne Zögern wieder aus meiner Darstellung heraus; ich wollte lediglich verdeutlichen, dass die Not der Flüchtlinge mit Ankunft in Dänemark noch lange nicht zu Ende war; dass nicht nur die Bevölkerung im Westen Deutschlands gegen die Flüchtlinge mauerte, was einen aus heutiger Sicht natürlich auch beschämt.

Herzliche Grüße,
Thomas

RonnyM

Moin,

es liest sich heute aus der warmen Stube heraus ja nicht unangenehm. Es ist unglaublich, welche Strapazen die Menschen durchstehen mussten.

Wie Olaf schrieb, kamen innerhalb von 6 Wochen über 250.000 Flüchtlinge. Auch die Dänen haben unter dem Krieg gelitten. Mit diesen Menschen musste das kleine Land fertig werden.

Wir schaffen es noch nicht einmal heute hier im Wohlfahrtsstaat Deutschland das Flüchtlingsproblem in den Griff zu bekommen. flop Dabei sind die Zahlen viel kleiner. :BangHead:

Dank Achims Links habe ich jetzt Ostpreussen viel besser kennengelernt. top Was ich heute besonders bedauere, ist, dass der breite Dialekt langsam ausstirbt. Damit auch das Marielsche... :cry:

Grüße Ronny
...keen Tähn im Muul,
over La Paloma fleuten...

Olaf Berg Nielsen

Hallo zusammen,

ich freue mich dass es hier Forum Teilnehmer sind, die die andere Seite von der dänischen Flüchtlingsgeschichte hören will. Als Mensch soll man aufpassen nicht auf solche Propaganda wie es in Nazizeit beim Juden war. Alles was schlecht von Juden erzählt war wurde akzeptiert und führte zum Massenmord.

Wie Ronny so richtig schreibt: ,,es liest sich heute aus der warmen Stube heraus ja nicht unangenehm". Man muss diese Zeit kennen. Die Flüchtlinge die nach Kopenhagen kam waren nicht wie heutige in guter Zustand, aber ausgehungert und kranke.

Kein dänischer Arzt war und ist von der dänischen Ärztevereinigung  verpflichtet, sondern von seinen Ärzten Eid. Es waren von der Ärztevereinigung nur ein Versuch dänische Juden und Polizei freizukaufen. Man darf auf nicht vergessen, dass man z.B. keine moderne Medikamente als z.B. Penicillin (Kam zuerst in die 50sigerjahren)hatten. Viele andere Behandlungsmetoden waren damals unbekannt. Hunger bei der Mutter wegen das Gravidität führen zum niedrigen Geburtsgewicht und wie es beim Churchill Livingstone: ,,Forfar and Arneil's Textbook of Paediatrics" geschrieben ist: »Low Birthweight status is a major factor influencing infant survival not only during the perinatal period but also up to the age of 6 months«.

In viele Todesurkunden stehen beim Kleinkinder:  Atrophische Kinder, Magen-Darmkrankheit. Wegen Hunger geht die Darmschleimhaut kaputt. Diesen Zustände kann nicht einmal heute Kuriert werden und führen zum Tot innerhalb Monaten.

Kopenhagen mit 1 Million Einwohnern war in den letzten Kriegstagen eingesperrt. Es waren Ausgangsverbot von 20Uhr Abend bis 5Uhr Morgen. Benzin war nur für die Wehrmacht und Ärzte. War man auf die Straße in dieser Zeit wurde man sofort erschossen. Alle Lebensmittel musste in diese wenige Tagesstunden von Lande (30 – 50 Km von Kopenhagen) auf kleine Pferdewagen transportiert werden.

Schon in Mitte Mai bekamen die Flüchtlinge 2.000 Kalorien pro Tag statt die Engländer nur 1.800 Kalorien befohlen haben. Ein paar Monate später wurde es bis 2.500 erhöht. Die Flüchtlinge sollen nicht arbeiten. In Deutschland mussten Flüchtlinge arbeiten und hat nur 800 – 1.000 Kalorien pro Tag bekommen.

Selbstverständig waren  die deutschen Flüchtlinge nicht erwünscht, es hat eine Menge Geld gekostet und wenn die ein Schule oder Lager verlassen haben war alles kaputtgemacht. Unsere neue Schule (Baujahr 1942) war so zerstört, dass wir ein halbes Jahr in anderen Lokalen unterrichtet wurden bis es Umgebaut war.

Wir hatten aber Mitleid mit die arme Kinder und es war ab und zu Einsammlungen von Kleider und Spielzeug und Jedesmal kam eine Menge ein. Ich muss zugeben, dass die Flüchtlingskinder auf unsere Schule besser gekleidet als ich waren.

,,Vergewissert euch aller Dinge; haltet an dem fest, was vortrefflich ist" 1. Thessalonicher 5:21

Gutes Wochenende
Olaf





TD

Hallo Olaf,

deine für alle Seiten wertvolle Arbeit soll auf keinen Fall hier zu Diskussionen um Todeszahlen oder um Einsatz der Ärzte auf beiden Seiten ausarbeiten.

Wichtig ist das diese mangels KTB's und Berichten so arme Zeit noch weiter aufgehellt wird.


Neben den großen Lazarettschiffen liefen auch viele kleine Küstendampfer aus den Ostgebieten ein, sogar aus Kurland liefen ja bei Kriegsende noch Schiffe nach Dänemark aus.

Dazu kam ja auch noch das aus Norwegen in diesen Tagen manches Schiff Richtung Heimat fuhr und auch Station in Kopenhagen machte.

Ich bin mir ganz sicher dass mancher Familienforscher gerne deine Daten in Empfang nimmt.

Also, nochmals Dank für deinen Einsatz
und ein schönes Advent - Wochenende

Theo

...ärgere dich nicht über deine Fehler und Schwächen, ohne sie wärst du zwar vollkommen, aber kein Mensch mehr !

bettika61

Zitat von: TW am 05 Dezember 2014, 14:06:24
Zitat von: bettika61 am 03 Dezember 2014, 18:26:45
Hallo ,
um es vorwegzunehmen, die Erinnerungen des  Leiters Seeleitstelle Hela wären  informativ, daher ja meine Frage nach den fehlenden 23 Seiten

Hi Beate,
Damals schrieb René:

Zitat von: Zerstörerfahrer am 18 November 2008, 07:35:24
Einzige Chance, die ich für dich sehe, ist das Bundesarchiv Bayreuth. Dort liegt die Sammlung (Ost-Dokumentation) des Admirals (Namen leider vergessen, glaube Konteradmiral Ehrhardt). Dieser Admiral hat in der Nachkriegszeit viele Kriegsmarine-Angehörige befragt und Erlebnisberichte von Flüchtlingen gesammelt.

Hast Du Dich in Bayreuth mal nach dem kompletten Bericht erkundigt?
https://www.bundesarchiv.de/bundesarchiv/dienstorte/bayreuth/index.html.de
Hallo,
im zusammenhang mit  http://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,19876.msg317322/topicseen.html#new
habe ich mich an den Hinweis von TW  :MG: erinnert.
Die suche mit invenio hat ergeben, der Aktenbestand der Ost-akademie befindet sich in Bayreuth unter
ZitatBestandssignatur :OSTDOK 4 Bestandsbezeichnung :Flucht über die Ostsee 1944/45 Laufzeit :(1944/1945) 1964-1958 Zitierweise :BArch OSTDOK 4/... Benutzungsort :Bayreuth

Bestandsbeschreibung :

Im Auftrag der Ost-Akademie e. V. in Lüneburg hatten Dr. Hanns Detlef Karsten von Krannhals sowie auch Konteradmiral a. D. Conrad Engelhard eine Materialsammlung mit dem Titel ,, Rettung der Flüchtlinge über See" über die Beteiligung der deutschen Kriegs- und Handelsmarine an der Rettung von Flüchtlingen und Vertriebenen zusammengetragen. 1971 übernahm das Bundesarchiv zusammen mit dem Nachlass Dr. von Krannhals diese Materialsammlung.
Inhaltliche Charakterisierung :
Der Bestand enthält sowohl regional als auch nach Schiffsnamen geordnete Erlebnisberichte, Korrespondenzen sowie Karteien über Schiffe, Flüchtlingstransporte und Zeitzeugen.
Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

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