Berichte u.a. auch der Flucht über die Ostsee 1945

Begonnen von Trimmer, 03 Dezember 2014, 14:14:49

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Trimmer

Falls noch nicht bekannt  www.z-g-v.de/doku/archiv/oderneisse1/inhalt.htm

Dort findet Ihr u.a.  Nr. 83 - Flüchtlingstransporte von der Insel Hela mit Angaben von Booten und Schiffen. Ich selbst würde Euch aber alles aus diesem Link empfehlen weil hier sehr gut die ganze Geschichte der Flucht und Vertreibung aus den Ostgebieten 1945 beschrieben wird

Gruß - Achim - Trimmer
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

smutje505


bettika61

Hallo Achim.
der Bericht Nr. 83 ist von Udo Ritgen.
http://www.forum-marinearchiv.de/smf/index.php/topic,7863.msg225893.html#msg225893
Erkennbar ist  der damalige und wohl auch noch spätere Zeitgeist und die Form der Wahrnehmung des Autors am Beispiel der Begegnung mit den Stutthof Häftlingen:
ZitatAls ich an einem der letzten Apriltage nachmittags durch den Wald zur Bunkeranlage Krakau fahre, stoße ich auf einen Pulk Menschen, die, wie alle andern auch, auf dem feuchten Waldboden lagern. In Abständen stehen Polizeileute herum. Es handelt sich um das ehemalige KZ.-Lager Stutthof, 750 Köpfe stark, das in der Nacht zum 30. April nach Hela herübergeholt wurde. Ich spreche mit den Leuten. Sie alle haben nur zwei Wünsche vorzubringen: Verpflegung und Abtransport nach dem Westen! — Noch am Abend werden ihnen Nahrungsmittel zugeführt, ihre Verschiffung erfolgt am 29. April 1945 auf dem Schiff ,,Ruth" und dem Schlepper ,,Pregel", der außerdem noch 30 Flüchtlinge mitnimmt. Hierbei waren zeitweise psychologische Widerstände in Anbetracht der Tausende von Zivilisten, die auch sehnsüchtig auf den Abtransport warteten, zu überwinden. Aber der Gedanke, daß im Falle eines plötzlichen Kampfendes eine Gruppe höchst unzuverlässiger Elemente auf der Insel zurückgeblieben wäre, führte dann doch zu der Entscheidung eines alsbaldigen Abschubs. In jedem Fall sollte die Zukunft dieser Menschen eine weitaus leichtere sein als die der ca. 80—90 Tausend Deutschen, die nach dem 8. Mai 1945 in russische Gefangenschaft gingen.[Hervorhebung von mir]

Die Realität für die Häftlinge sah anders aus, von den Häftlingen überlebten nur 630 den Schiffs-Transport.
ZitatDie Einschiffung der Haftlinge erfolgte in der Nacht vom 28. auf den 29. April, zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens. Unmittelbar zuvor waren nochmals 71 Personen, darunter 21 schwerkranke Jüdinnen, nach Einjagen in einen Bombentrichter durch Genickschüsse von den SS-Mannschaften ermordet worden." Von 1 .060 Häftlingen, die im Lager Stutthof aufgebrochen waren, gelangten lediglich noch 960 auf den Lastkahn "Ruth", wobei es durch fortgesetzte Brutalitäten zu weiteren Opfern kam. 50 wurden sämtliche Frauen derart in einen Laderaum verbracht, daß, man sie über einen schmalen Steg bis zur Luke gehen hiel'" um sie dort durch Kolbenschlage in den Laderaum hinabzustoßen. Ein Teil der Häftlinge kam dabei zu Tode, ein anderer Teil erlitt ernste Verletzungen. 18
Auch der ehemalige Häftling Erich Nagel berichtet von diesen Brutalitäten bei der Einschiffung. Da einige Haftlinge zudem erwarteten, auf der Ostsee in den Schuten versenkt zu werden, weigerten sie sich, an Bord zu gehen, woraufhin die Widerspenstigsten ins Wasser gestoßen und erschossen wurden, sofern sie nicht ertranken. 19
Quelle. Ulf Lüers ,,Die Toten über Bord geworfen"

Grüsse
Beate





Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

Trimmer

Hallo Beate - dem widerspreche ich überhaupt nicht. Aber ich denke das - genau wie in der heutigen Zeit - jeder Mensch ( oder zumindest die meisten ) seine Eindrücke so wieder gibt wie er sie empfunden hat. Und genau wie Du auch schreibst spiegelt sich in diesen Berichten auch der damalige Zeitgeist wieder. Wichtiger ist mir aber das man dort auch Fakten findet - siehe z.B. Schiffe - welche sonst nirgends auftauchen. So trägt m.M. nach auch dieser Link dazu bei in die Operation " Hannibal " etwas mehr Licht hinein zu bringen

Gruß - Achim - Trimmer
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

bodrog

Herr Ritgen ist doch ein klassisches Beispiel für die Indoktrination durch den Nationalsozialismus: Die Häftlinge sahen schlecht aus und galten als KZler (im KZ waren ja sowieso nur Leute, die schlimmes verbrochen hatten - sonst wären sie nie dort gewesen  :| ). Er unterhält sich sogar mit ihnen und sieht sie dennoch als "unzuverlässig" an (wobei er sie garnicht kennt) und beklagt abschließend, das die guten deutschen Flüchtlinge zurückbleiben mussten...

Trimmer

Nun bodrog  - welche Ausführungen hättest Du sonst von einem Major i.G ( im Generalstab ) der Wehrmacht erwartet  :?Waren doch nicht alle " Kreisauer Kreis " oder im Widerstand.

Gruß - Achim - Trimmer
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

bettika61

Hallo ,
um es vorwegzunehmen, die Erinnerungen des  Leiters Seeleitstelle Hela wären  informativ, daher ja meine Frage nach den fehlenden 23 Seiten und seinem geplanten Buch , aber wie die meisten Zeitzeugenberichte  kritisch zu hinterfragen.
Was kann man erwarten von einem späteren Brigadegeneral  :?
und von  einer Dokumentation Ausgabe 1954 Neudruck 1994 ?

Was bei mir bleibt, ist die Frage, ob Ritgen  was von den Verbrechen gesehen hat , die vor und bei der Einschiffung auf der "Ruth"  verübt wurden. Ich habe die Akten des Stutthof-Prozesses gelesen (dank an Theo  :MG:) , da fällt es mir schwer, sachlich zu bleiben.

Grüsse
Beate
Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

bodrog

Um jetzt meinen "Senf" nochmal dazuzugeben: Natürlich wird er was gesehen haben und war leider auch 10 Jahre später nicht in der Lage, zu reflektieren, welches Unrecht dort geschah...
es gab aber auch einfache Leute und Soldaten wie Wichard von Alvensleben oder Wilm Hosenfeld, die das durchaus erkannt haben

Trimmer

Selbst auf die Gefahr hin nun ins " Fettnäpfchen " zu treten - hier noch ein sehr interessanter Link.

www.klee-klaus.business.t-online.de/gumbinnen_bis_balga.htm

Gruß - Achim - Trimmer
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

Olaf Berg Nielsen

Hallo Trimmer und bettika61,

es war sehr interessant für mich Bericht Nr. 83 zu lesen. Auf Seite 320 ist eine Liste wo 4 Schiffe die nach Kopenhagen fuhren, angeführt sind. Jetzt wollte ich gern wissen ob es mehrere Seiten von dieser Schiffsliste existieren?

Ich habe versucht eine Liste über Flüchtlingsschiffe die nach Kopenhagen kamen zu machen. Ich habe in ,,Schiffsliste von Kopenhagener Freihafen" und in Polizeireport für Kopenhagen zu suchen. Beim Polizeireport ist das Problem, dass die dänische Polizei von der Wehrmacht in September 1944 verhaftet und in einem deutschen KZ eingesperrt war. Deswegen waren diese Reporte von CB (Zivilschutzleute) geschrieben.

Meine Liste gehen von 25.02.1945 bis 29.04.1945. Ich brauche diese Liste als Hilfe für die vielen Deutscher die mir bitten auszufinden wo die und ihre Verwandte in einen oder mehrere deutsche Flüchtlingslagern in Dänemark waren.
Ich finde z.B. nicht das Lazarettschiff ,,Adler", der am 15.04 nach Kopenhagen fahren sollen aufgegeben. Dagegen kamen ,,Pretoria" in Kopenhagen Freihafen am 21.04 und ,,Möwe" und ,,Merkator" am 18.04. Nur sind Antal von verwundete Soldaten und Flüchtlinge in meiner Liste nicht gleich.

Kann ich um Hilfe beten?

Mit freundlichen Grüßen
Olaf

Trimmer

Hallo Olaf - vermutlich meinst Du das Frachtschiff " Adler " der ARGO - Reederei.
Dieses Schiff war offizell kein Lazarettschiff  - nicht international notifiziert ( Trug kein Rotes Kreuz und hatte Flak- Waffen )
Es konnte bis 450 Verletzte transportieren und befand sich im Mai 1945 in Vordingborg/ Dänemark

soweit mal in Kürze

Viele Grüße - Achim - Trimmer
Auch Erfahrung erhält man nicht umsonst, gerade diese muß man im Leben vielleicht am teuersten bezahlen
( von Karl Hagenbeck)

Olaf Berg Nielsen

Danke Achim,
es war weil es in Bericht Nr. 83 steht das ,,Adler" war ein Lazarettschiff auf Weg nach Kopenhagen, dass ich es nicht in Schiffsliste von Kopenhagen finden konnte.

Infolge ,,Besatzungsbericht für Vordingborg" kamen ein Paar Lazarettschiffe in Hafen beim Kriegsende (5. Mai) mit 1400 schwer verletze deutsche Soldaten und wurde auf das psychische Krankenhaus behandelt. Viele sind Gestorben, bis 40 pro Tag. Dänische und deutsche Ärzte haben gekämpft um die zu retten. In Deutschland gibt man aber dänische Ärzte der Schuld dass so viele Gestorben sind.

Hallo Theo, Du bekommst eine E-Mail später.

Mit Gruß, Olaf

TW

#12
Zitat von: bettika61 am 03 Dezember 2014, 18:26:45
Hallo ,
um es vorwegzunehmen, die Erinnerungen des  Leiters Seeleitstelle Hela wären  informativ, daher ja meine Frage nach den fehlenden 23 Seiten

Hi Beate,
Damals schrieb René:

Zitat von: Zerstörerfahrer am 18 November 2008, 07:35:24
Einzige Chance, die ich für dich sehe, ist das Bundesarchiv Bayreuth. Dort liegt die Sammlung (Ost-Dokumentation) des Admirals (Namen leider vergessen, glaube Konteradmiral Ehrhardt). Dieser Admiral hat in der Nachkriegszeit viele Kriegsmarine-Angehörige befragt und Erlebnisberichte von Flüchtlingen gesammelt.

Hast Du Dich in Bayreuth mal nach dem kompletten Bericht erkundigt?
https://www.bundesarchiv.de/bundesarchiv/dienstorte/bayreuth/index.html.de

Der Admiral hieß Conrad Engelhardt und war Transportchef Ostsee.
Seine Bemühungen werden in dem Buch "Ostsee '45" von Heinz Schön gewürdigt, der momentane Stand der historischen Diskussion, geprägt von der Zurückweisung der von Dönitz vorgegebenen Verdienste, hat leider auch Engelhardts Wirken verschüttet. Ich denke aber, man muss die beiden Personen getrennt von einander in Augenschein nehmen, auch wenn sie später bei der Erstellung der Ostdokumentation viel in Kontakt standen und Engelhardt in der Korrespondenz mit Dönitz einen (nach heutigen Gepflogenheiten) außerordentlich devoten Eindruck macht. Da darf man sich nicht täuschen lassen.

Momentan bin ich der Meinung, dass Engelhardt an Dönitz vorbei eine Menge für die zivilen Flüchtlinge organisiert hat; nach dem Krieg hat sich Dönitz die Leistung von Engelhardt ans Revers geheftet, hätte er das zu Kriegszeiten mitgekriegt, wäre Engelhardt möglicherweise von ihm vors Kriegsgericht gezerrt worden.

Dass die Kriegsmarine (und dabei nehme ich Dönitz aus) nichts für die zivilen Flüchtlinge getan hat und alles Einzelleistungen waren, wie es jetzt wieder in SCHIFF CLASSIC von der DGSM behauptet wird, das erscheint mir naiv und unglaubwürdig. Man bekam als Kapitän eines Schiffes nicht eben mal Bunkerkohle ohne Nachweis, für welche Fahrt und zu welchem Zweck.
Aber, und damit wieder zum Thema, Engelhard hat natürlich auch die Transporte der KZ-Schiffe gelenkt.

Gruß, Thomas

http://www.wlb-stuttgart.de/seekrieg/ksp/ostsee/seetra.htm

TW

Zitat von: Olaf Berg Nielsen am 04 Dezember 2014, 16:10:42
Viele sind Gestorben, bis 40 pro Tag. Dänische und deutsche Ärzte haben gekämpft um die zu retten. In Deutschland gibt man aber dänische Ärzte der Schuld dass so viele Gestorben sind.
Mit Gruß, Olaf

Lieber Olaf,
Nicht primär deutsche Historiker geben den dänischen Ärzten Schuld, nein, nicht alle Schuld, sondern ein gewisses Maß an Mitschuld. Sondern die dänische Ärztin Kirsten Lylloff stieß 1999 diese Debatte an.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40325388.html
Die dänische Ärztin und Historikerin Kirsten Lylloff, 64, hat jetzt die bislang unerzählte Geschichte der toten Kinder aufgeschrieben. "Die größte humanitäre Katastrophe der Neuzeit in Dänemark" nennt sie das massenhafte Sterben. Der Leiter des nationalen Roten Kreuzes, Jörgen Poulsen, spricht von einem "düsteren Kapitel" der dänischen Geschichte, "für das wir uns schämen müssen".
Zumindest wirft der erstmals dokumentierte Leidensweg der "tyske flygtningebørn" Fragen auf, zum Beispiel nach der Hilfsbereitschaft der dänischen Ärzte, aber auch der einheimischen Bevölkerung. Über die Antworten wird emotionsgeladen wie selten gestritten, späte Vergangenheitsbewältigung auf Dänisch.

Und hier noch ein Auszug aus dem Buch von Karl-Georg Mix:
http://books.google.de/books?id=OM8qpZNByxcC&pg=PA119&lpg=PA119&dq=Lylloff+Kirsten&source=bl&ots=dD_qwN_8Rh&sig=ZIpjkwApbqfKkZqfRZqFPYXDZhs&hl=de&sa=X&ei=lr2BVLrvJoLMO8OIgLAP&ved=0CDQQ6AEwBQ#v=onepage&q=Lylloff%20Kirsten&f=false

Nichts für ungut,
Thomas

TW

Alle Familienforscher möchte ich noch auf diese Personen-Datenbank hinweisen:

http://www.westpreussen.de/cms/ct/fluechtlinge-in-daenemark.php

Viele Grüße, Thomas

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