Wie Europa in den Krieg wandelte

Begonnen von Matrose71, 27 Oktober 2013, 06:03:45

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Langensiepen

Wer allerdings die Meinung vertritt, in der Skagerrakschlacht seien die Verluste beider Seiten etwa gleich gewesen und wer Lettow-Vorbeck als Oberleutnant (sic!) zum Kommandeur der Schutztruppe macht, sollte sich vielleicht doch anderen Themen zuwenden..guck ma Urs. Die PC-korrekten Schreiber haben es aber auch schwer. Da war bisher die Welt in Ordnung ( der gerade Weg von Kalkriese nach Auschwitz). Da die Guten, hie die Bösen. Und jetzt zeigt sich das zu minderst das Kaiserreich sich ganz anderes darstellt als es bisher Staatslehre war. Clark, Fergason und die ganze angelsächsische Bande versauen ihnen doch ständig ihr Weltbild.  Ein Volk das gewohnt ist  zu fragen " darf ich das sagen ", dem fehlt es natürlich an Leichtigkeit.  Gib ihnen doch, in christlicher Demut, etwas Zeit.  :angel:

Urs Heßling

moin Bernd,

Zitat von: Langensiepen am 13 Februar 2014, 15:30:39
Gib ihnen doch, in christlicher Demut, etwas Zeit.  :angel:
Da hast Du natürlich - wie fast immer - Recht  :wink: top :MG:

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Langensiepen

Da gibt es ein österreichisches Buch was ich so Mitte der 70ziger  "verschlugen" habe , weil es eines der ersten Bücher gegen den dazumaligen Mähn-Strimm war:   Die Spur führt nach Belgrad - Sarajevo 1914  enthält recht viel über das verschieben und vernichten Ö-U entlassender Akten nach 1918 und dann nach 1945 noch einmal. Vielleicht heute historisch überholt aber in den Aussagen immer noch stimmig.

Teddy Suhren

Och, inne Süddeutschen hab ich neulich gelesen, das allein am Douaumont 500000 Tote lägen.
Zugegeben ein Leserbeitrag aber...spricht Bände.
Gruß
Jörg

WoWs Nick: Teddy191

maxim

Zitat von: Urs Heßling am 25 November 2013, 22:50:00
Das Bündnis Frankreich-Rußland, das sich mM mit zunehmender Stärke von einem Defensiv- in ein Offensivbündnis wandelte, liegt zeitmäßig vor der deutschen "Selbst-Isolierung".
Wann datierst Du die deutsche Selbst-Isolierung?

Die deutsche Regierung hat mehrfach um 1900 Bündnisse mit Großbritannien ausgeschlagen, stattdessen laufend versucht die britische Regierung zu erpressen (unter Bismarck mit Ägypten, später mit der Flotte), das Bündnis mit Russland wurde nicht erneuert, Frankreich und Großbritannien in Bezug auf Marokko vollkommen unnötig bedroht etc.

Ich denke, dass die These einer Alleinschuld sicher falsch ist. Aber es ist sicher richtig, dass die deutsche Regierung massiv an der Eskalation mitarbeitete, d.h. aktiv auf einen Krieg hinarbeitete. Einerseits aufgrund der militärischen Strategien, denen Priorität gegeben wurde, statt zu versuchen die Krise zu lösen. Andererseits sah die damalige Regierung Deutschland damals auch nicht als saturiert an, sondern wollte weitere Eroberungen, siehe u.a. die Haltung in Bezug auf Marokko oder die Eroberung der französischen Industriegebiete und die Schaffung eines Europas unter deutscher Vorherrschaft als Kriegsziel.

Ich verstehe übrigens nicht, warum manche hier in Bezug auf Deutschland und den Ersten Weltkrieg das Wort "uns" benutzen. War hier einer hier aktiven vielleicht damals an verantwortlicher Position? Oder sonst irgendwie beteiligt? Schon geboren?

/edit:
Eine Anmerkung zu den neueren britischen Arbeiten: man sollte da vielleicht realisieren, dass dort ein allzu positives und einseitiges Sicht auf die damalige britische Politik revidiert wird - was nun nicht gerade ein Anlass gibt, auf eine einseitig positive Sicht auf die damalige deutsche Politik zurück zu fallen. Es ist eines, die damalige Politik der Entente-Staaten kritisch zu hinterfragen, aber etwas ganz anderes, die damalige Politik des Deutschen Reichs zu verherrlichen - auch der Hinweis, dass andere Dreck am Stecken haben, entfernt den Dreck an einem anderen Stecken nicht.

Langensiepen

#50
Selten solch Unsinn gelesen !  :-D
Herr Maxim, etwas mehr Gelassenheit und weniger ideologische Färbung. Locker bleiben! Mehr kann man zu Ihren Auslassungen nicht sagen. Da ist Halb- und Nichtwissen vermengt  zu diesem typischen deutschen Jammer- Sühne- und Leidequark 
Bin ich froh, das meine Enkel halbe Polen sind..da kennt man solch "Diskussionen " nicht!  :angel:

Zu "uns" . guck ma Herr Maxim. Meine Vater starb 1972. Mein Sohn und meine Enkel haben ihn nicht erlebt, trotzdem ist es für sie "unser" . Und die deutschen Menschen der Jahre 14-18 sind für mich "uns" und das nicht nur, weil einer der Großväter im RIR123 und der andere bei einem westfälischen Regiment Fronterfahrungen gesammelt haben. Einer mit tödlichen Erfolg. 
Aber wie gesagt: Ist jedem seine Sache  :-P

maxim

Und was war an diesen Ausführungen jetzt gelassen und nicht ideologisch? Und wo waren überhaupt Fakten, Argumente? Die Behauptung, dass etwas Unsinn sei, ist ehrlich nur eine Beleidigung. Und damit ziemlich primitiv, da in diesem Beitrag nicht einmal der Hauch eines Ansatzes zu finden ist, diese Behauptung auch zu begründen.

Ich sehe hier übrigens keinen Jammer, Sühne und Leiden. Warum auch? Ich habe damals nicht gelebt. Ich bin dafür nicht verantwortlich, ich muss dafür keine Sühne leisten. Ich habe nur keine Lust, dass eine ähnliche Politik hier noch mal gibt. Deren Folge wird sicher Jammer und Leiden sein. Und der Grund wird nicht sein, dass die Politik von Deutschen ausginge, sondern dass es eine nationalistische, imperialistische und militaristische Politik wäre. Die hat überall, also egal in welchem Staat, ähnliche Folgen.

Also: erst einmal gelassen nachdenken, dann länger überlegen und dann Argumente bringen!

Langensiepen

#52
Die deutsche Regierung hat mehrfach um 1900 Bündnisse mit Großbritannien ausgeschlagen, stattdessen laufend versucht die britische Regierung zu erpressen (unter Bismarck mit Ägypten, später mit der Flotte), das Bündnis mit Russland wurde nicht erneuert, Frankreich und Großbritannien in Bezug auf Marokko vollkommen unnötig bedroht etc.das reicht doch schon um zu zeigen was Sie an Sachkenntnis bewegt.
Ich habe nur keine Lust, dass eine ähnliche Politik hier noch mal gibt. ..das ist ja wohl die absolute Lachnummer.
......später mit der Flotte !! dat tut weh!  Konnte mir schon vor 50 Jahren keiner so recht erklären wie
das bei der Betrachtung der realen Machtverhältnisse möglich gewesen ist.

Dat wärs von mir gewesen!   :birthday:


Urs Heßling

moin,

Zitat von: maxim am 26 Februar 2014, 16:29:40
Wann datierst Du die deutsche Selbst-Isolierung?
Nun, sie war ja nicht "freiwillig", aber sie fand tatsächlich statt, ganz wesentlich durch den Kaiser selbst und die Reaktionen im Ausland. Daher setze ich den Beginn mit dem "Krüger-Telegramm" an, aber das ist, wie schon gesagt, meine persönliche Meinung.

Zitat von: maxim am 26 Februar 2014, 16:29:40
Die deutsche Regierung hat .. stattdessen laufend versucht die britische Regierung zu erpressen (unter Bismarck mit Ägypten, später mit der Flotte), das Bündnis mit Russland wurde nicht erneuert, Frankreich und Großbritannien in Bezug auf Marokko vollkommen unnötig bedroht
Erpressen ?  nein, man hat vielleicht (fälschlicherweise) geglaubt, man könne GB zu einer bestimmten Haltung "zwingen", aber "erpressen" paßt mMn nicht.
GB in Bezug auf Marokko bedroht ? Aus britischer Sicht, für die ein deutscher Atlantikstützpunkt außerhalb von Europa als unangenehm empfungen wurde ?
Auch hier halte ich "bedroht" für zu scharf.

Zitat von: maxim am 26 Februar 2014, 16:29:40
Aber es ist sicher richtig, dass die deutsche Regierung massiv an der Eskalation mitarbeitete, d.h. aktiv auf einen Krieg hinarbeitete.
Belege ? .. und wann ? .. hier ist die Rede von einem fast 20-jährigen Zeitraum.

Zitat von: maxim am 26 Februar 2014, 16:29:40
Andererseits sah die damalige Regierung Deutschland damals auch nicht als saturiert an, sondern wollte weitere Eroberungen, siehe u.a. die Haltung in Bezug auf Marokko oder die Eroberung der französischen Industriegebiete und die Schaffung eines Europas unter deutscher Vorherrschaft als Kriegsziel.
Noch einmal: Welche ? Du vermischst meiner Meinung nach (in mir nicht ganz verständlicher Weise) Friedens- und Kriegszeiten.

Zitat von: maxim am 26 Februar 2014, 16:29:40
etwas ganz anderes, die damalige Politik des Deutschen Reichs zu verherrlichen -
Wer tut das denn ?

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

maxim

Mit dem aktiv auf den Krieg hinarbeiten meine ich die Zeit zwischen dem 28. Juni und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Die deutsche Regierung hat alles gemacht, um eine Eskalation zu bewirken.

Die Bündnisangebote von Großbritannien kann man z.B. in Reichsgewalt bedeutet Seegewalt von Heiko Herold nachlesen. Da man aber "Weltmacht" sein wollte, schlug man diese aus. Die Selbst-Isolierung war im Endeffekt schon freiwillig, da man eben nicht auf andere Mächte angewiesen sein wollte.

Ob man für die deutsche Außenpolitik "erpressen" oder "zwingen" verwendet, ist mir egal. Die Haltung dahinter ist ähnlich und hat auf jeden Fall die Isolierung gefördert.

Und natürlich war die Flotte als Mittel gedacht, andere Staaten, insbesondere Großbritannien, dazu zwingen die deutsche Außenpolitik zu akzeptieren. Und wenn man die deutsche Kolonialpolitik betrachtet, sollte es offensichtlich sein, dass Deutschland nicht saturiert war, sondern eine imperialistische Expansionspolitik verfolgte.

/edit: eine Anmerkung: ich behaupte nicht, dass es hier um eine deutsche Besonderheit geht. Aber ich finde es seltsam, dass manche doch meinen, dass die Analysen z.B. der damaligen britischen Politik die Analyse der damaligen deutschen Politik widerlegen würde.

bodrog

@maxim

Fischerianer?

Welches Bündnisangebot? - und bitte nicht die Zeitschienen durcheinander bringen... fünf oder zehn Jahre Außenpolitik können unendlich lang oder kurz sein (so mal als Beispiel: NATO-Doppelbeschluss und Deutsche Einheit)

MfG

maxim

Bitte! Ich hatte oben extra geschrieben, dass es nicht um eine deutsche Besonderheit oder eine deutsche Alleinschuld geht! Allerdings bin ich der Meinung, dass die damalige deutsche Politik expansiv war und aktiv auf den Krieg hingearbeitet hat, dessen Ausbruch also wesentlich mitzuverantworten hat.

Es gab drei Bündnisangebote um 1900, zuletzt die Möglichkeit sich am Britisch-Japanischen Bündnis von 1902 zu beteiligen. Natürlich war dies 1914 nicht mehr relevant. Da hatte man sich schon isoliert, hat aber daraus nicht etwa die Schlussfolgerung gezogen, dass man einen Krieg verhindern müsse.

bodrog

Als Problem sehe ich generell hier (in Dtl.) erstmal die germanozentristische Sichtweise...

Expansive Politik gilt mindestens auch für das Zarenreich (allein die Marinerüstungspläne für die Ostsee ab 1910 sprechen da Bände - gegen wen eigentlich? - Schweden?)

Meiner Meinung nach waren die meisten, wenn nicht alle, Politiker beider Seiten absolut übfordert die Komplexität der Situation zu erfassen. Dazu kommen dann noch solche Sachen wie Gesichtsverlust beim Zurückstecken, perönliche Befindlichkeiten usw.

Ich halte aber absolut nichts von Verschwörungstheorien a la Kriegsrat vom 08.12.1912 in Berlin... Wenn ich mir Rosinen rauspicke, komme ich auch zu jeder mir genehmen These...

maxim

Mag sein, dass es dieses Problem gibt - z.B. wenn man meint, dass es wichtig ist, auf die expansive Politik anderer Staaten hinzuweisen. Was würde das ändern? Eine solche Argumentation ist genauso einseitig wie die Behauptung, dass Militarismus, Nationalismus und Imperialismus eine deutsche Besonderheit gewesen seien.

Abgesehen ist gerade das Zarenreich nach der vernichtenden Niederlage im Russisch-Japanischen Krieg am wenigsten von allen europäischen Großmächten zu einer expansiven Politik 1914 in der Lage gewesen - was natürlich kein Argument ist, dass Russland irgendwie besser war.

Die These von der Überforderung stimmt natürlich zum Teil. Man könnte die gesamte deutsche Außenpolitik unter Wilhelm II so charakterisieren. Aber das ändert nichts daran, dass man an im Juli 1914 massiv an der Eskalation mitwirkte und mehr damit beschäftigt war, Eroberungen zu planen, als etwas gegen den drohenden Krieg zu machen.

Matrose71

Salve,

noch ein paar gefundene Zitate, die mir so noch nicht bekannt waren und die einseitige Betrachtung auf eine "imaginären" deutsche Provokation zum Ausbruch des WWI deutlich in Frage stellen.

ZitatIm Jahre 1910 gab es zwischen den ehemaligen Premier und amtierender Parteichef der Konservativen Balfour und den amerikanischen Botschafter White ein interessantes Gespräch.

Balfour führte aus, "Wir sind wahrscheinlich töricht, dass wir keinen Grund finden, um Deutschland den Krieg zu erklären, ehe es zu viele Schiffe baut und uns unseren Handel wegnimmt."

Daraufhin White: "Sie sein im privaten Leben so ein hochherziger Mensch. Wie ist es möglich, das sie politisch etwas so Unmoralisches erwägen können, wie einen Krieg gegen eine harmlose Nation zu provozieren, die ein ebenso so gutes Recht auf eine Flotte hat wie Sie? Wenn Sie mit dem deutschen Handel konkurrieren wollen, so arbeiten Sie härter."

Balfour:" Das würde bedeuten, das wir unseren Lebensstandard senken müssten. Vielleicht wäre ein Krieg einfacher für uns."

White: "Ich bin erschrocken, dass gerade Sie solche Grundsätze aufstellen können."

Balfour: "Ist das eine Frage von Recht und Unrecht? Vielleicht ist es nur eine Frage der Erhaltung unserer Vorherrschaft."

Im Original abgedruckt bei Allan Nevins, Henry White - Thirty Years of American Diplomacy


ZitatBriefwechsel Colonel House mit Präsident Wilson.
House schrieb am 29.Mai 1914 aus Europa an Wilson das Folgende:

"Die Situation ist außerordentlich. Es handelt sich um einen geradezu verrückt gewordenen Chauvinismus. Solange es nicht jemand, der in ihrem Auftrag handelt, schafft, ein anderes Verständnis der Dinge durchzusetzen, wird es eines eine schreckliche Katastrophe geben. Niemand in Europa kann das verhindern. Dort gibt es Zuviel Haß, zu viele Eifersüchteleien. Wann immer England dem zustimmt, werden Frankreich und Rußland über Deutschland und Österreich herfallen."

Ferguson, Der falsche Krieg, S.199
Viele Grüße

Carsten

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