Österreich nach dem WK II

Begonnen von Mario, 22 Juni 2006, 20:44:04

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Mario

Vor ein paar Tagen hörte ich nebenher im Radio, daß wohl dieser Tage (oder dies Jahr ? ) unser kleines Nachbarland das 50-jährige Jubiläum seiner Neutralität beging. Die Neutralität sei wohl der Preis für die Unabhängigkeit und das Ende der Besatzung gewesen.
Dabei fiel mir auf, daß ich so gut wie gar nix über die Zeit nach 1945 in Österreich weiß. Wurde dieses Land ebenso wie Deutschland in Besatzungszonen aufgeteilt, oder zog sich die Rote Armee kurz nach Kriegsende wieder zurück ? ? ?
Welche Pläne hatten die Alliierten mit diesem Land, als der Krieg noch im Gange war. Deutschland sollte ja von vorneherein in vier Teile zerschlagen werden. Wenn es nach den Briten gegangen wäre, dann wäre Deutschland ein Agrarland ohne nennenswerte Industrie geworden. Sollte dies auch mit den Österreichern geschehen, oder gab es da seperate Pläne ? ? ?


Peter K.

#2
Wenn ich´s richtig im Kopf habe, beschlossen die Alliierten bereits 1943 den "Anschluss" Österreichs vom März 1938 rückgängig zu machen!

Nach Kriegsende wurde Österreich, wie auch Wien, in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Erst 10 Jahre später - 1955 - war Österreich nach Unterzeichnung des Staatsvertrages mit der darin manifestierten "immerwährenden Neutralität" und dem Abzug der letzten Besatzungstruppen wieder frei!

... soweit die Kurzform!  :wink:
Grüße aus Österreich
Peter K.

www.forum-marinearchiv.de

DHEO

Nicht nur die Briten, auch einige Amerikaner befürworteten den Morgentau-Plan, Deutschland nur noch als Agrarland ohne Industrie für immer Schachmatt zu setzen. Dem Gegenüber stand der Marshall-Plan, allen Kriegsbeteiligten (ob Freund oder ehem. Feind) Hilfe in finanzieller und Materieller hinsicht zu gewähren.

Nun etwas Offtopic:
Kurios ist z. b., daß einige deutsche Maschinen-Hersteller bisin den 80er bis 90er Jahren noch Ersatzteile für Drehbänke und Maschinen lieferte, die z. B. als Reparationsleistungen nach England gingen... was hätten die gemacht, wenn der Morgentau-Plan verwirklicht worden wäre  :-D

Grüße

Dirk

harold

Die "Moskauer Deklaration" (as far as I remeber) gab Österreich den etwas irreführenden Status "erstes Opfer der deutschen Aggression" (als ob nicht schon 1934 österreichische Nazis einen Staatsstreich versucht hätten...).

Demzufolge sollte das Land in seiner Vorkriegs-Gestalt wieder erstehen ... sicherheitshalber mal mit ner satten kommunistischen Regierungsbeteiligung unter einem sozialistischen Kanzler.

Als jedoch die ersten Wahlen die Kommunisten zur Unscheinbarkeit reduzierten und eine Koalitionsregierung unter einem konservativen Kanzler brachten, wurde der Besatzungs-Status (den Frankreich bereit 1948 aufgegeben hatte, die USA und GB nominell kurz darauf) der östlichen Regionen von der UdSSR betont (in der Folge war Ostösterreich noch lange bis in die 60-er-Jahre standardmäßig weit hinter dem Westen zurück).

Die endgültige Unterzeichnung des "Staatsvertrags" zur Wiederherstellung der vollen Souveränität gelang erst, nachdem der UdSSR zugesichert werden konnte, dass das Land blockfrei bleiben würde (die "immerwährende Neutralität", die nicht nur durch Nato-Abhörstationen östlich von Wien, sondern auch durch Überflugsgenehmigungen für den Nato-Luftverkehr etc bereits in den 60-ern gebrochen wurde) und noch bis 1964 Reparationen zahlen sollte (Erdgas, Mineralölveredelungen, Schwerindustrie).

1956 kam es -bedingt durch den niedergeschlagenen Aufstand in Ungarn- zu einer Flüchtlingswelle aus dem Osten - ca. 150000 ungarische Staatsbürger wurden hierzulande heimisch; um "konterrevolutionäre" Bestrebungen dieser Flüchtlinge zu unterbinden, wurde die bis zu diesem Zeitpunkt freie Ostgrenze Teil des eisernen Vorhangs.
Ahnlich 1968 bei der Besetzung der CSSR ... nur mit wesentlich geringeren Flüchtlingszahlen (meist transitierende).

In der Folge etablierte sich das Land v.a. unter Kanzler Kreisky zu einem bedeutenden Vertreter der Blockfreien (u.a. Interventionen im Nahost-Konflikt); wurde zur Drehscheibe für Ost-West-Geschäfte ...
... mit dem Bekanntwerden sowjetischer Durchmarschpläne durch Ostösterreich nach Jugoslawien (um dort ähnlich wie andernorts für eher orthodoxe Verhältnisse zu sorgen) verschlechtert sich das Verhältnis zur SU dramatisch; die sogenannte "Spanocchi-Doktrin" (eine Art Berg-Guerilla-Miliz, gekoppelt mit Zerstörung sämtlicher relevanter Verkehrsachsen) bringt Ö endgültig zu einer bewaffneten Neutralität, die aber eindeutig pro-westlich orientiert ist.

Spätestens die sehr lasch (trotz heftiger Proteste aus weiten Bevölkerungskreisen) durchgeführte Kontrolle und Überwachung von Nato-Transporten auf Land- und Luftweg von der BRD nach Italien im Zuge der Vorbereitung des ersten Golfkriegs 1990/91 führt die Neutralität ad absurdum.

Österreich, schon immer ein Schmelztigel von Orient und Okzident, von Balkan, Mittel- und Südeuropa (man beachte die Küchentraditionen!) kam im letzten Jahrzehnt durch eine zunehmend ausländerfeindliche Politik in Verruf. In den letzten sieben Jahren hat eine rechtspopulistische Kleinstpartei einer konservativen Minderheit die Regierungsbildung ermöglicht... no comment on this. It´s a shame.
"Vergangenheitsbewältigung" á la autrichienne war, die "Belasteten" ab 1949 als eigene Partei zuzulassen ... und die Opfer der Nazi-Zeit erst sehr zögerlich, ca. ab 1988, "abzufertigen". Im Übrigen definierte man sich selbst als "Opfer" -angesichts der massiven Prozentsätze an (freiwillig-opportunistischen) Parteizugehörigkeiten ein Hohn!

Dass trotzdem noch Wien Sitz internationaler Organisationen wie OPEC oder UNO ist, hat historische Wurzeln in der Politik der 60er und 70er-Jahre, ist vor diesem Hintergrund allerdings ebenso unverständlich.

Tja - soweit mal n Blick auf meine Heimat, ungeschönt.

Harold



4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Mario

ich wußte es doch, auf harold ist Verlass  :-)

Eine wirklich interessante Zusammenfassung. Erstaunlich, wie wenig man im sozialistischem Geschichtsunterricht darüber gelernt hat. Lag wohl daran, das unsere Lehrer genug damit zu tun hatten, uns zu erzählen, wie doch die armen Bürger in den westl. Besatzungazonen ausgebeutet und unterdrückt wurden.

Im Grunde genommen hat doch Österreich nach dem Krieg in 10 Jahren diesselbe politische Entwicklung durchgemacht, wie Deutschland nun schon seit 60 Jahren. Dann sollten Merkel und die Minister mal nachfragen, wie ihr die Lebensverhältnisse in Ost und West so schnell angleichen konntet.
Lag denn damals Wien auch inmitten der sowj. Besatzungszone ? ? ?

harold

Wien : inmitten der sowjetischen Zone ... aber nicht "geteilt" (obwohl es Sektoren gab), sondern "gemeinsam verwaltet" (na lange gíng das nicht gut...!).
Harold
4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Tri

Hallo,

Harold ein ganz hervorragender Beitrag.

Grüße
Tri
Wozu brauchen wir Bürgerrechte, wir leben doch in der EU.

harold

Danke-danke, Jörg!

Mario, zu dem hier-
„Im Grunde genommen hat doch Österreich nach dem Krieg in 10 Jahren diesselbe politische Entwicklung durchgemacht, wie Deutschland nun schon seit 60 Jahren. Dann sollten Merkel und die Minister mal nachfragen, wie ihr die Lebensverhältnisse in Ost und West so schnell angleichen konntet.“
-noch einige Anmerkungen, aber da muss ich weiter ausholen... OK?

Was nach 1918 nach der Sezession des Königreichs der Südslawen, der Republik Ungarn und der Czechoslovakischen Republik (und nach den Annektionen Polens, Italiens und Rumäniens) noch übrigblieb, gab sich kläglich den Namen „Republik Deutsch-Österreich“. Teile davon gierten nach Anschlüssen an Nachbarländer (Vorarlberg –meine Heimat- an die Schweiz; Tirol, Salzburg und West-Oberösterreich an ein ebenso vom Deutschen Reich sezessioniertes Bayern),
was schließlich nach dem Vertrag von St.Germain „Österreich“ hieß (nach 900 imperialen Jahren dieses Namens) war ein zusammengewürfelter Rest aus hinterwäldlerisch-konservativen Agrargebieten sowie zweier moderner Industriemonopolen (Wien und Linz).
Zahlen dazu? Gesamtbevölkerung 6,1 Mio; „Wasserkopf“ Wien davon 2,3 Mio Einwohner.

Konsequenzen: stets eine christlich-soziale Zentralregierung, klerikal-antiliberal geprägt – und das „Rote Wien“, damals die modernste, fortschrittlichste und utopiefreudigste (denn was hatte man noch zu verlieren...?) Metropole Europas.

Und weiters: die Schaffung von paramilitärischen Vorfeldorganisationen der beiden Kräfte („Heimwehr“ konservativ / „Republikanischer Schutzbund“ marxistisch) und natürlich : Auseinandersetzungen. In der Folge einer solchen, bei der die Todesopfer ein alter Mann und ein Kind waren, kam es durch ein staatliches Gericht zum Freispruch der konservativen Täter.
Da dies in Wien geschah, wurde daraufhin der Justizpalast von entrüsteten Menschen in Brand gesetzt, die begleitende Demonstration von der Zentralregierung mit einigen hundert Todesopfern niedergeknüppelt.
Ab diesem Zeitpunkt war der Bürgerkrieg latent ... flackerte mal da, mal dort auf, wurde vertuscht ... und neben den beiden „staatstragenden“ Lagern „Christlichsozial“ und „Sozialistisch“ begannen so manche nach Deutschland und dem dort diese Gegensätze scheinbar vereinenden „Natonal-Sozalismus“ zu schielen.

Als sich 1934 eine austrofaschistische Diktatur unter Engelbert Dollfuß formierte, der sogenannte „Ständestaat“, kam es zu einer letzten verzweifelten Gegenwehr der Sozalisten Mitte Februar ...oft als „Bürgerkrieg“ zitiert, war es doch nicht mehr als nur ein Zugestehen der eigenen Machtlosigkeit in einem heroischen Widerstand.
Kurz darauf versuchten nationalsozalistische Organisationen einen Staatsstreich, wurden jedoch vom Bundesheer (das kurz zuvor die wiener Arbeiterviertel bombardiert hatte) daran verhindert – Dollfuß erlag einem Attentat, wurde von Schuschnigg abgelöst ... und der hatte nicht Besseres im Sinn, als das faschistische Italien zur militärischen Schutzmacht Österreichs gegen eine drohende deutsche Invasion zu gewinnen (Mussolini spielte mit Freuden mit; und Hitler verhängte daraufhin die 1000-Mark-Sperre über den österreichisch-deutschen Grenzverkehr [mit katastrophalen Folgen für die Wirtschaft]).

Kurzes Fazit : Sebstzerfleischung von etwa 1925 bis 1938 (bis die Deutschen einmarschierten); und die späte Erkenntnis : a bissl mehr Einigkeit und Kompromissbereitschaft hätte gut getan (und zu solchen Erkenntnissen kam man Zelle an Zelle, Baracke an Baracke in deutschen KZ´s).



So, und nun zu den Nachkriegsjahren (und auf das zielt ja die obige Bemerkung ab...):

Was Wunder, dass nun ein Schmusekurs Rot-Schwarz gefahren wurde (Koalitionsregierungen, aber noch tiefer : die sogenannte „Sozalpartnerschaft“ als gemeinsames Gremium von Arbeitgebern und Gewerkschaften) ??
Und was Wunder, dass Gewerkschafter, die dieser Verlogenheit nicht die Stange halten wollten, als „Kommunistenhörige“ diffamiert wurden (Olah-Krise); oder zB. die Gewerkschafts-Spitze offiziell Chile ab 1976 ächtete, jedoch frohgemut ihre Stahlwerker das neueste Steyr-Panzermodell als „wie für den Straßenkampf geschaffen“ ebendorthin exportieren ließ (ab da sprach der Volksmund von „Sozialpanzerschaft“...) (und auch die Hirtenberger-Munitionslieferungen nach Noch-Jugoslavien 1991 ff sind erwähnenswert [Bürgerkriege sind n gutes Geschäft, wir wissen´s...])??
Gute Zeiten für populistische Parolen ... Herr Haider hat weidlich profitiert davon.

Es stimmt schon, von 1969 bis 1983 hatte Österreich eine beinahe progressive sozialistische Regierung, und der Name Kreisky wird heutzutage im Kontext mit Allende oder Olaf Palme glorifiziert (und n rechter Rand hätte damals nur homerisches Gelächter hervorgerufen-!).

Und ich erinnere mich, als ich 1978 aus dem Westen nach Osten kam, dacht ich, ich säße in einer Zeitmaschine ... immer noch Bombenlücken, die Preise etwa 60% des Gewohnten, 250-m²-Wohnungen (zu ca. 70€!!) mit einer Beamtenwitwe, ihrem Dutzend Katzen, „und Sie können ruhig drei Zimmer nehmen, eines zum Schlafen, eins als Atelier, und eins als Salon...“ (geschlafen auf ner Luftmatratze auf 2 Paletten, Atelier war ca. 80 m², und im „Salon“ speiste ich hauptsächlich Büchsen-Ölsardinen...mit polnischem Bier. Dafür gabs kein fließendes Wasser, und natürlich auch kein Bad. Aber Raumhöhe 4.5m, Jugendstil-Stukkatur an der Decke).

„Arbeitslosigkeit“? – hier im Osten Österreichs nie gekannt.- Natürlich : nicht die finanzamtskundige Form davon... von all den Jobs, die ich als Student so hatte, war nie einer offiziell (auch nicht bei Kollegen...), einfach durchwurschteln, und das ging.
„Sozialhilfe“? – öhh, was´n dees??? (aber ½ -Preis bei der Bahn, Gebührenbefreiung Rundfunk, Telefon, etc ... einkommensabhängig, siehe vorige Bemerkung).

Heutzutage : das alles gibt´s nicht mehr.
Ostösterreich: eine florierende Wirtschafts-Drehscheibe für Geschäfte mit den Balkan-Staaten, Distributions- und Management-Logistik bis zum Schwarzen Meer ... ah ja, es gibt auch noch Konkurrenz, ein-zwei deutsche Firmen ... na ja, die dürfen mittun.-
Soziales Klima:
Zwei-Klassen-Gesellschaft. Die einen naschen an allem&jedem mit. Und die anderen?- die Zuwanderer, die Jugos, die Tschuschen?- haben ihre eigenen Märkte, ihr eigenes autarkes Wirschaftssystem, an dem sie die dropouts aus unserer Wohlstandsgesellschaft gnädig mitknabbern lassen.

Unter der derzeitigen Regierung gilt es als very hip, wenn man Ostinitiativen mit Beteiligung und Garantien befreundeter (und abhängiger) osteuropäischer Banken startet.
Vor zehn Jahren noch wurde man gefördert für derlei Initiativen, mit inländischen Bankgarantien und Optionen auf Verlustausgleichs-Refundien ...  war wohl ehrlicher.

Nu, und derley Roßtäuscherei gilt nun dem „Spiegel“ oder der „Zeit“ als das nachahmenswerte „österreichische Modell“.

-Soweit mal, wenn auch verwirrend, zur „Osteingliederung“ hierzulande österreichischerseits.

(Wenn mich jetzt jemand "Nestbeschmutzer" nennen will:

: solllange noch / ein vaterllländisches
Häärz klllopft unter dainem Hämde /
besssudllle niee / das aigne Nest -/
besudle liieeber : fräämde!    ( (c) )   ... Harry Pirchner)

Harold









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