Heuer auf heutigen Containerschiffen / Tankern

Begonnen von Rheinmetall, 05 April 2013, 23:33:49

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Rheinmetall

Guten Abend zusammen,

zwar weiß ich dass man über Geld normalerweise nicht spricht (Geld hat man !  :-D ) aber mich würde dennoch interessieren, was heut zu Tage ein Besatzungsmitglied bei einer deutschen Reederei in etwa pro Monat / Fahrt auf einem Containerschiff / Tanker für eine Heuer bekommt.
Gibt es hierzu vielleicht eine Tabelle / Richtwert, der das vom Matrosen bis über die Offiziere zum Kapitän aufschlüsselt ?

Und gibt es hierbei große Unterschiede zwischen den einzelnen (europäischen / deutschen) Reedereien ?

Vielen Dank an jeden, der mir in diesem heiklen Thema weiter helfen kann.   :wink:

Rheinmetall
Ab Kapstadt ohne Kreiselkompass - Jürgen Oesten, U 861

kawa1705

Da ist bestimmt auch der Dienstplan interessant. Am Tag-Woche-Monat.

:MG:

Rüdiger

harold

#2
Meine Informationen dazu sind nun nur vom Mannschaftsdeck; auch bissl von Brücke und auch nur von einem einzigen Schiff.

Vor drei Jahren war ich mit CMA CGM Fortuna unterwegs, vom 8.3. bis zum 1.4. 2010.
http://www.shipspotting.com/gallery/photo.php?lid=1512497 , das ist sie.
Bereedert von NSB  http://www.reederei-nsb.de/  ...also ne deutsche Reederei.

Mannschaft warn 19 Philippinos, Bordsprache Tagalog und manchmal Englisch;
1 Captain, 3 Offiziere und 3 Engineers, 1 Electrician, 1 Cook, 1 Steward, 9 Able Seamen.
Die einfachen Jungs, die mit mir um die gekühlte Bierkiste saßen, hatten so um ihre 450 bis 570 us-$ pro Monat.-
Von den dreien Officers, mit denen ich so oft Brückenwache mitgestanden habe, weiß ich nur, dass das Salär im mittleren 1000-er-Breich lag (netto-$, wie auch bei den anderen); der Captain hielt sich in diesen Fragen bedeckt (vermutlich um die 2200+ us-$ netto).
Auf Finanz-Gespräche kamen wir nur deshalb, weil früher oder später jeder wissen wollte, was ich für meine owners's cabin denn so pro Tag zahlen täte.-

Dienstplan:
1800-2400-0400-0600-1000-1400-1800; in drei Wachen, also shift.
Ausnahme: Harbour without container bridge (öfters in der Karibik!), da waren dann die Jungs in den McGregor-Kränen aktiv;
und natürlich:
fast 45 Stunden in Cartagena (anschließend war die Pappendeckel-Box mit den Präservativen so gut wie leer), alle hatten ihre Freude, auch ich: "com'on, Master Hari, so puttiful goals, neva eava sea so fine women"; ...  :-D

... Cartagena ist der einzige Hafen, wo sich die Jungs ein wenig an Land austoben dürfen. ---

All die anderen Häfen sind Container-Anlege-Plätze weitab vom Schuss, werden zu irgendwelchen Zeiten angelaufen und so schnell wie geht wieder verlassen.

Soweit mal meine Beobachtungen, hoffe es kommt noch Qualifizierteres nach
:MG:




4 Ursachen für Irrtum:
- der Mangel an Beweisen;
- die geringe Geschicklichkeit, Beweise zu verwenden;
- ein Willensmangel, von Beweisen Gebrauch zu machen;
- die Anwendung falscher Wahrscheinlichkeitsrechnung.

bettika61

#3
Hallo,
der günstigste Fall für den deutschen Seemann ist der Manteltarifvertrag/Heuertarifvertrag See zwischen Verdi und tarifgebundenen deutschen Reedereien mit deutscher Flagge, das dürfte die Ausnahme sein.
http://www.bg-verkehr.de/dienststelle-schiffssicherheit/einflaggung/personal/arbeitsrecht

alternativ und schlechter:

"Das im Jahr 1989 eingeführte Internationale Seeschifffahrtsregister (ISR) ist ein Zweit-register für Seeschiffe unter deutscher Flagge. Für nichtdeutsche Seeleute auf im ISR registrierten Seeschiffen (ISR-Schiffe) gilt das deutsche Arbeits- und Tarifvertragsrecht unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich nicht...
Seit 1994 bestehen für Heuerverhältnisse auf ISR-Schiffen Mustertarifverträge, die zwi-schen der International Transport Worker´s Federation (ITF) und dem Verband Deut-scher Reeder ausgehandelt worden sind. Diese Tarifverträge, die als ,,GIS Fleet Agree-ment" (ISR-Flottenvertrag) und ,,Special Agreement to the GIS Fleet Agreement" (Son-dervertrag zum ISR-Flottenvertrag) bezeichnet werden, gelten auf den ISR-Schiffen, die zwischen der jeweiligen Reederei und der ITF entsprechend vereinbart werden. Reeder, die sich mit der ITF auf diese Musterverträge verständigt haben, erhalten das so genann-te ,,blue certificate". Die Heuern der nichtdeutschen Besatzungsmitglieder auf ISR-Schiffen richten sich dann nach ,,GIS wage scale",

http://www.kbs.de/DE/20_arbeitgeber/08_Infos_fuer_Unternehmen_d_Seefahrt/084_rundschreiben_und_merkblaetter/10_rundschreiben_ISR_gesamt_2012.pdf?__blob=publicationFile&v=5

für Billigflaggen  der ITF Mindeststandards mit Mindestheuern
http://www.billigflaggenkampagne.de/mustervertraege.php
http://www.itfseafarers.org/what_wages.cfm
minimum wage scale
http://ebookbrowse.com/itf-isf-ilo-interpretation-minimum-wage-scale-xls-d135836529


Grüsse
Beate
Grüße
Beate

,,Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." George Santayana

Captain Hans

#4
@ Beate

danke für die ausführlichen links  top

ich selbst bin nicht mehr ganz up to date kann also nur etwas aus der Vergangenheit berichten.

Mal abgesehen von Schiffen unter deutscher Flagge (Erstregister) gibt es international die unterschiedlichsten
Vergütungsstrukturen für Seeleute.
Es hängt sehr stark vom Flaggenstaat, dem Sitz der Reederei aber auch  manchmal vom Schiffstyp ab.
Feste Arbeits- oder Angestellten Verträge gibt es schon seit den 70er Jahren fast gar nicht mehr.
Es werden Zeitverträge zwischen 4 und 9 Monaten abgeschlossen.
Crews, Offiziere, Ingenieure ja sogar Kapitäne werden meist über Crew Agencies weltweit vermittelt.
Diese Agencies haben zum größten Teil eigene Tarife für die jeweiligen Positionen.
Bei Spezialschiffen wie z.B: Gas-,Chemie, VLCCs, ULCCs, Bohrschiffen oder auch Versorger haben vile
Reedereien oft eigene bessere Tarife. Das soll sicher stellen, daß man erfahrenes und gut qualifiziertes Personal
aber trotzdem mit Zeitverträgen sicher stellt.
So habe ich in den 70er Jahren 10 Jahre lang für die gleiche Reederei immer mit Zeitverträgen von 6 - 9 Monaten
gearbeitet. Allerdings waren dies Spezialschiffe in einem besonderen Einsatzgebiet.

Bei den Zeitverträgen ist der Seemann Kranken- und Unfallversicherheit solange er sich an Bord befand oder an ein
Land Krankenhaus abgegeben wurde.
Die Versicherungen erlöschen sobald er in sein Heimatland zurückgekehrt ist.

Die Heuern sind für die meisten Seeleute steuerfrei allerdings gilt das nur bedingt für EU und besonders deutsche Seeleute und dann nur unter bestimmten Vorraussetzungen.
(Hierbei spielte z. B. Zypern bis vor kurzem ebenfalls eine Rolle)
Die Verpflegung und die Unterkunft sind an Bord frei. An Bord kann man private Dinge darunter auch Tabakwaren
und Spirituosen (letzteres bei einigen Flaggen und Reedereien nicht) Zoll und steuerfrei kaufen.

Nach Ablauf eines Zeitvertrags war man also arbeitslos und konnte nur hoffen einen weiteren Zeitvertrag zu
bekommen. Eine freiwillige Arbeitslosenversicherung gibt es nicht.

Eine Rentenversicherung mußte man in seinem Land privat abschließen d.h. man mußte Arbeitgeber- und den
Arbeitnehmeranteil bezahlen.

Die Heuer konnte man komplett in bar an Bord ausgezahlt bekommen jedoch hatte man fast immer einen Ziehschein (Allotement) mit dem man monatlich 60 - 70 % der Heuer auf die eigene Bank überweisen konnte)
Für jeden Monat auf See erhielt man einen Urlaubsanspruch von 10 - 11 Tage (2 Urlaubstage plus die auf See (an Bord) verbrachten Samstage und Sonntage.)
Das Urlaubsgeld wurde pauschal und komplett bei Vertragsende ausgezahlt.

Filipinische Besatzungsmitglieder, die über nationale Agenturen (sehr korrupte Bande) angeheuert wurden
müssen ca 70 % ihrer Heuer nach Hause überweisen. (Damit sichert sich der Staat Deviseneinkünfte)

In vielen asiatischen Staaten werden aber alle Regeln gebrochen und Seeleute werden wie Vieh auf den
Schiffen gehalten. (besonders schlimm bei der Fischerei)
Gesetze und Regeln gibt es genug und selbst die Minimal Löhne der ITF (International Transport Federation)werden oft nicht eingehalten)

Wie gesagt: ich schreibe aus internationalen Erfahrungen und nicht nur über deutsche Verhältnisse.

Da ich nun auch schon recht lange (9 Jahre) aus dem Geschäft bin, sind meine Kenntnisse nicht mehr ganz
up to date.

Ich kannte mal einen Kapitän der "Emma Maersk" der verdient 8000 € bei 6 monatigem Zeitvertrag.

Der Sohn meines holländischen Freudes Peter ist 3. Offz. auf einem Passagierschiff bei der Holland Amerika Linie und der verdient zur Zeit 2800€ Netto allerdings nur mit Wohnsitz auf der Isle of Man. :wink:

Zu meinem Freudeskreis gehören auch 3 deutsche Kapitäne, die hier ihren festen Wohnsitz haben.
Sie verdienen, je nach Reederei, zwischen 6 und 7200 €.

ich hoffe das fand euer Interesse

viele Grüße

Hans
,Nur wer sich ändert,bleibt sich treu"!!!
,,Nicht was du bist,ist das was dich ehrt,wie du bist,bestimmt den Wert"!!!

f28

was mich mal weiterhin interessieren würde: welche Zeugnisse (wenn überhaupt) werden eigentlich vom einfachen Decksmann verlangt (also nicht den "höheren Chargen" wie nautischen Offizieren bzw. Ingenieuren) ? Könnte man als Nicht-Berufsseemann heutzutage auf einem deutschen bzw. ausländischen Dampfer noch anheuern?

Rheinmetall

Hallo zusammen !

Vielen Dank für Eure ausführlichen Beiträge, Harold, Beate und Hans.

Ich hätte nicht gedacht, dass man als Seemann in so bescheidenen Arbeitsverhältnissen (immer nur Zeitverträge über ein paar Monate hinweg) lebt und dann auch noch dementsprechend wenig als einfaches Besatzungsmitglied verdient.

Bei einer Dokumentation über die "Emma Maersk" wurde die Aussage getätigt, dass man für zwei Monate auf See zwei Monate Urlaub bekommen würde.
Aber wie ist das bei so begrenzten Zeitverträgen möglich ?

@ Hans: Bekam der Kapitän für diese enorme Verantwortung über mehrere hundert Millionen Euro zur See die 8000 € pro Monat oder für das gesamte halbe Jahr ?

Vielen herzlichen Dank nocheinmal für Eure Hilfe.

Rheinmetall
Ab Kapstadt ohne Kreiselkompass - Jürgen Oesten, U 861

Captain Hans

@Rheinmetall

Die von mir beschriebenen Gehälter sind natürlich pro Monat.
Maersk hatte eigene Tarife besonders für Führungspersonal.

Die Seefahrt ist seit tausenden von Jahren ein total globalisiertes Geschäft.

Man kann die Gehälter nicht in Relation zu deutschen Verhältnissen setzen.
(Für deutsche Seeleute muß das aber gelten)

Hierzu ein eigenes Beispiel aus den 80er Jahren.

Als Kapitän eines VLCCs von 180 000 dtw verdiente ich damals 7000 DM/Monat netto.
Der sehr gute und erfahrene filipinische erste Offizier hatte ein Gehalt von 1500 US$
damals ca 2400 DM/Monat.
Da wir uns sehr gut verstanden erzählten wir uns viel über unseren Lebensstandard
in unseren Ländern

Ich zeigte ihm Bilder von meinem Einfamilien - Haus, meinem Auto, ich war geschieden und hatte
nur ein Kind zu versorgen.
Dann zeigte er mir Bilder von seiner Villa am Strand von Mindanao, er hatte 2 Nissan Fahrzeuge, 3 Kinder,
die zur Universität gingen, sowie einen Gärtner und Hausangestellte.
Sein Gehalt entsprach dem eines Bankdirektors einer großen Bank in den Philipinen.

Als ich bei Vertragsende abmusterte wurde er zum Kapitän mit einem Gehalt von ca 3500 DM, befördert.
Es war klar, daß ich keinen weiteren Vertrag bekommen würde :| :-)

Dieses Beispiel zeigt, daß wir Seeleute die Globalisierung schon viel früher zu spüren bekommen haben
als die Bürger an Land.

Zu Anfang war die Qualität (Ausbildung etc.) der Seeleute aus diesen oder auch anderen Ländern sehr
schlecht, aber sie wurde zusehends besser und stehen heute der deutschen nichts nach sogar im Gegenteil
sind häufig besser. Diese Länder haben gewaltige Ausbildungszentren mit internationalen Ausbildern (so auch viele Deutsche) gebaut. Solche Zentren gibt es nicht mal vergleichsweise in Deutschland. (siehe Taiwan,Singapore und den Filipinen usw.)
Deutsche Seeleute sind einfach zu teuer im internatinalen Seefahrtsgeschäft.
Um die absolute Kontrolle über die Schiffe zu behalten haben viele Reedereien über Jahrzehnte die Positionen des Kapitäns und des Chiefs Ings. mit Deutschen besetzt.
Doch auch das stirbt langsam aus, denn die Russen, Ukrainer, Kroaten und viele asiatische Staaten haben
eben auch sehr gute Seeleute, die aber wesentlich billiger sind als Deutsche.

Das gleiche Problem, wie heute auf dem deutschen Arbeitsmarkt, hatte die Seefahrt schon vor 30 Jahren.
Heute verlegen Landfirmen ihre Hauptsitze oder Teile ihrer Produktion in Billigländer oder sogar Steueroasen ähnlich den Postkastenfirmen von hunderten von Reedereien weltweit. (Deutschland ist da auch ganz groß) 
Da der Konkurrenzdruck wahnsinnig groß ist bleibt den Reedern oft auch gar nichts anderes übrig.

Die heutigen modernen Schiffe sind natürlich auch nicht vergleichbar mit den damaligen.
Die Vollautomatisierung der Schiffe hat das Fahren der Schiff sehr vereinfacht. (wenn man weiß welchen
Knopf man drücken muß, machen die Schiffe eigentlich alles selbst)
Deswegen heißen die heutigen deutschen Seeleute, gemäß offiziellen Jargon,
Überseetransportbegleiter

in diesem Sinne

viele Grüße aus dem sonnigen Costa Rica

Hans

,Nur wer sich ändert,bleibt sich treu"!!!
,,Nicht was du bist,ist das was dich ehrt,wie du bist,bestimmt den Wert"!!!

Captain Hans

noch ein kleiner Nachtrag und ein link zu einer typischen auf Deutschland (Fonds)basierenden
Reederei.

auf der Webpage kann man rechts unten sehen, daß allein diese Reederei in
8 verschiedenen Ländern eigene Crew Agencies unterhält.
Dies dient zum Erhalt eines von der Reederei festgesetztem Qualitätsstandard gemäß
STCW96 und dem ISM Code.

http://www.columbia-shipmanagement.com/our-fleet.html

viele Reeder haben ähnliche Systeme

Die Reederei sitzt auf Zypern wegen der dortigen Steuervergünstigungen.
Wie das allerdings nach dem neuesten Euro Rettungsmanöver aussieht kann ich noch nicht beurteilen :wink:

viele Grüße

Hans
,Nur wer sich ändert,bleibt sich treu"!!!
,,Nicht was du bist,ist das was dich ehrt,wie du bist,bestimmt den Wert"!!!

kawa1705

Super Einblicke in die Vergütungswelt der Seemänner. top top top

:MG:

Rüdiger

Rheinmetall

Moin Hans !

Auch ich danke Dir für diesen genialen und ausführlichen Einblick in die Finanzwelt der heutigen Seeleuten.  :-D

Mit den besten Grüßen,

Rheinmetall 
Ab Kapstadt ohne Kreiselkompass - Jürgen Oesten, U 861

smutje505

Hallo Hans ich schließe mich den Worten von Rheinmetall an top top top :MG:

junor

#12
Ich denke am einfachsten ist es wohl wenn man sich einfach bei einer Reederei bewirbt und dann hoffentlich eingeladen wird und persönlich nachfragt. Das was hier geschrieben wurde sind vermutlich aber gute Anhaltspunkte!

Ich fand auch den Vergleich der Lebensstandards interessant! :) Ähnliches Gehalt, doch ganz andere Häuser ;)

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