Die Welt ohne Washington-Vertrag

Begonnen von Huszar, 01 März 2012, 08:52:50

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Huszar

Hallo, Leute,

Neues Jahr, neues spekulativer was-wäre-wenn-Konstruktionsthread – hatten wir lange nicht mehr!

Vor einigen Jahren hatten wir einen (?) Thread über die Umbaumöglichkeiten den kaiserlichen Grossen Kreuzer bzw SChlachtschiffen, unter der Prämisse, es kommt 1918 zu einem Kompromissfrieden und einer dt. Beteiligung am Washington-Vertrag.

Und jetzt kommt die neue Idee:
Es kommt zwar zu einem Kompromissfrieden, allerdings zu keinem Washington-Vertrag, jeder darf also bauen, was er will und kann.

Grundsätzliches:
-   kein Schiff muss an irgendjemanden abgeliefert werden
-   bis ca. 1922 ist überall Wirtschaftskriese, neue Schiffe werden also nicht auf Kiel gelegt, die begonnenen werden langsam weitergebastelt.
-   Es gibt keine grösseren Grenzänderungen in Europa (meinetwegen einige Kreise an Polen abgegeben)
-   Die k.u.k-Monarchie zerfällt (Rep. Tschechien, Rep. Österreich, Kön.Ungarn, Kön. Kroatien) allerdings nicht mit den realen Grenzen – Tschechien ist das heutige Tschechien, Kroatien ist in etwa das heutige Kroatien mit Bosnien, Österreich behält Südtirol, Ungarn behält Siebenbürgen und die Slowakei. Galizien fällt an Polen. Die Italiener können Trieste und Umgebung abstauben, aber nicht Istrien, Fiume und Zadar. Die k.u.k.-Flotte geht an Kroatien.
-   Dtl verliert die Kolonien bis auf sagen wir Togo und einigen Enklaven in Dt-Ost.
-   Bei der Türkei, Bulgarien und Russland ändert sich nix verlichen mit der REalität

Dann mal die Fragen:
1, welche Schiffe würden global zwischen 1919 und 1922 ausgesondert werden (Wirtschaftskriese!)
2, würden Fr, GB und It die US-Darlehnen zahlen können/wollen, und wie würde die USA reagieren
3, wie würde sich die Bautätigkeit ohne Washington bis ca. Mitte der 30er entwickeln?

:-D

Mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

oldenburger67

Hallo Huszar,

eine interessante Frage, in der Tat!

Bekanntlich halten sich Politiker an Abmachungen und Verträgen immer nur dann, wenn es ihnen nutzt, und brechen sie wenn es ihnen hilft.
Die Kriegsfolgen des ersten Weltkriegs, und deren Beseitigung sowie die ende der 20er Jahre einsetzende Weltwirtschaftskrise machte ein erneutes Wettrüsten wenn nicht unmöglich, so doch politisch schwer durchsetzbar.
Japan war nach dem schweren Erdbeben von 1923, das große Teile Japans verwüstete ( ich verweise an dieser Stelle auf den entsprechenden Wikipedia Artikel) ebenfalls kaum in der Lage sich auf eine groß angelegte Flottenrüstung einzulassen.
Einzig Amerika wäre in den 20er Jahren wirtschaftlich dazu in der Lage gewesen, aber zu diesem Zeitpunkt befand sich die USA bereits wieder auf einem isolationistischen Kurs und mit innenpolitischen Problemen beschäftigt, Prohibition, organisierte Kriminalität, Interesse fanden einzig die regelmäßigen Interventionen in Mittel- und Südamerika, und dazu brauchte man keine Großkampfschiffe. Zudem herrschte zumindest in den USA lange das Dogma, dass der (Erste) Weltkrieg "der letzte aller Kriege" gewesen wäre. Das mag aus heutiger Sicht naiv klingen, aber ich gebe zu bedenken, wie unbedarft die Amerikaner auch heute noch in manchen Fragen sind, sodass wir heute davon ausgehen müssen, dass zu dieser zeit viele Amerikaner wirklich daran glaubten. Somit wäre auch in den USA eine weitere Flottenrüstung politische nur schwer durchsetzbar gewesen.
Auf die Situation in der Sowjetunion muss ich an dieser Stelle nicht gesondert eingehen, zudem war die SU ohnehin nicht an dem Vertragswerk beteiligt.

Somit komme ich zurück zu meiner Ausgangsthese, die beteiligten Seemächte hielten sich nicht aus besonderer Vertragstreue solange an den Vertrag, sondern aufgrund wirtschaftlicher und innenpolitischer Befindlichkeiten.

Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass die Flottenrüstung abgesehen von den Großkampfschiffen ja durchaus in kleinerem Maßstab lief. Viele der später im Krieg berühmt gewordenen Kreuzer wurden schon in den 20er Jahren gebaut. Von den Zerstörern gar nicht zu reden. Die 20er Jahre waren eine Zeit der Experimente, nicht nur im Hinblick auf die Flugzeugträger. Ich erinnere an dieser Stelle nur an die verschiedensten U-Boottypen, mit und ohne Flugzeug und oder schwerer Bewaffnung, oder sogar Dampfturbinen. Auch wenn wir aus heutiger Sicht wissen, dass diese Technologien nicht immer ziel führend waren, so dürfen wir nicht die technische Leistung und Innovationsbereitschaft der Ingenieure und Mannschaften unterschätzen.
Für den Marineliebhaber sind Schlachtschiffe der Inbegriff der Seemacht, aber eine Seemacht bedarf mehr als nur dieser Großkampfschiffe.

Ich möchte an dieser Stelle sogar einmal die These aufstellen, dass die internationalen Verträge zur Begrenzung der Flottenstärken sich schlussendlich sogar positiv auf die technologische Entwicklung ausgewirkt haben, da die Ingenieure sich innerhalb der z.T. sehr eng gesetzten Tonnagegrenzen auf das effizienteste und innovativste Technologie einlassen mussten, und ncht einfach aus dem vollen Schöpfen konnten, wie sie dass vor dem Ersten Weltkrieg getan hatten.     

Freilich, was passiert wäre, wenn es keine Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahre gegeben hätte, steht auf einem anderen Blatt, aber damit würden wir den Boden der seriösen Spekulation verlassen, sodass man schon von Phantasieren sprechen müsste. Auch mit der Prämisse eines möglichen Verhandlungsfriedens bewegen wir uns auf sehr sehr dünnem Eis.
Das ist generell das Problem bei den berühmten Was wäre wenn Diskussionen, nicht nur in diesem Forum. Gerade in militärischen Fragen werden historische Situationen auf einzelne Aspekte und Faktoren vereinfacht, die den tatsächlichen Sachverhalt dahinter verfälschen. Wenn Admiral XY in der Schlacht sowieso noch zwei Schlachtschiffe mehr gehabt hätte, dann hätte man...., mich erinnern solche Phantomdiskussionen immer an das berühmte englische Gedicht  an das Gedicht For want of a Nail, das ich Euch an dieser Stelle nicht vorenthalten möchte:

For want of a shoe nail

For want of a nail the shoe was lost.
For want of a shoe the horse was lost.
For want of a horse the rider was lost.
For want of a rider the message was lost.
For want of a message the battle was lost.
For want of a battle the kingdom was lost.
And all for the want of a horseshoe nail.

Für die der Englischen Sprache nicht mächtigen, es geht in dem Gedicht darum dass der Krieg, und mit ihm das ganze Königreich verloren geht , weil ein Meldereiter aufgrund eines fehlenden Hufnagels nicht rechtzeitig eintrifft.
Wenn wir nur lange genug suchen wollen, könnten wir zweifelsohne den Ausgang des ersten oder auch zweiten Weltkriegs (wahrscheinlich aller Kriege), auf diese einfache Ebene herunterbrechen (Wenn Lütjens im April 1941 nur richtig gef...., DANN!!!!!!!!!!) aber damit würden wir an der historischen Realität einfach nur vorbei laufen.
Um dann klar zu stellen, ich halte diese Diskussion durchaus für Legitim, aber ich denke, jeder Beteiligte sollte sich selber seine Grenzen innerhalb dieser Spekulationen setzen, den sonst läuft er, und mit ihm die ganze Diskussion aus dem Ruder. Zudem habe ich als stiller Mitleser schon häufig erlebt, dass die Beteiligten gerne ihre Frustrationen aus Berufs - und Privatleben mit in die Diskussion einfließen lassen, von persönlichen Animositäten ganz zu schweigen. 
Daran sollten wir uns Alle halten, nicht nur in diesem Thread.

So [Klugscheißmodus aus]
   
In diesem Sinne

Viel Spass

Der Oldenburger



toppertino

Zitat(Wenn Lütjens im April 1941 nur richtig gef...., DANN!!!!!!!!!!)

Ähmm, was wolltest du sagen?
Lebensende mit 3 Buchstaben: EHE!

Huszar

Hallo, Oldenburger,

Hast einige interessante Aspekte aufgebracht - Danke!

Bei der Flottenrüstung zwischen den beiden Kriegen muss man allerdings bedenken, dass die Washington-Kreuzer ein Notbehelf waren, da man keine eigentlichen Schlachtschiffe bauen durfte (bis auf einige wenige Ausnahmen). Glücklich war kaum einer mit ihnen. Für die Engländer wäre die Fortsetzung der leichten Kreuzer für ihre Kolonien eigentlich wünschenswerter gewesen, als die 8"-Kreuzer hinzusetzen (oder, wenn vorhanden, irgendwelche älteren Schlachtschiffe dorthin schicken). Da aber dieses und jenes Land welche baut, sollten wir auch welche haben (Gipfel dieser Herangehensweise waren ja bekanntlich die Hippers)
Die haben sich gegenseitig in etwas reingesteigert, ohne die Schiffe wirklich zu wollen und zu brauchen. Schlachtschiff-Ersatz eben. Ob es ohne Washington CAs in grösseren (=der realen) Menge gegeben hätte...?

Und damit sind wir schon wieder am Ausgangspunkt: wenn keine CAs gebaut werden, steht (theoretisch) Geld zV, um was grösseres zu bauen. Was würde zB aus den Nelsons, wenn man nicht an 35k und die 16" gebunden wäre?  :wink:

Das Ganze wird dann noch dadurch kompliziert, dass es eine dt. Marine gibt, die nicht aus einem Sammelsorium aus Museumsschiffen besteht...


mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Urs Heßling

moin,

Zitat von: Huszar am 01 März 2012, 08:52:50
Es kommt zwar zu einem Kompromissfrieden, allerdings zu keinem Washington-Vertrag, jeder darf also bauen, was er will und kann.
Grundsätzliches:
-   kein Schiff muss an irgendjemanden abgeliefert werden
-   bis ca. 1922 ist überall Wirtschaftskriese, neue Schiffe werden also nicht auf Kiel gelegt, die begonnenen werden langsam weitergebastelt.
-   Es gibt keine grösseren Grenzänderungen in Europa (meinetwegen einige Kreise an Polen abgegeben)
-   Die k.u.k-Monarchie zerfällt (Rep. Tschechien, Rep. Österreich, Kön.Ungarn, Kön. Kroatien) allerdings nicht mit den realen Grenzen – Tschechien ist das heutige Tschechien, Kroatien ist in etwa das heutige Kroatien mit Bosnien, Österreich behält Südtirol, Ungarn behält Siebenbürgen und die Slowakei. Galizien fällt an Polen. Die Italiener können Trieste und Umgebung abstauben, aber nicht Istrien, Fiume und Zadar. Die k.u.k.-Flotte geht an Kroatien.
- Dtl verliert die Kolonien bis auf sagen wir Togo und einigen Enklaven in Dt-Ost.
- Bei der Türkei, Bulgarien und Russland ändert sich nix verlichen mit der Realität
...
alex

Zitat von: Huszar am 01 März 2012, 13:45:28
Das Ganze wird dann noch dadurch kompliziert, dass es eine dt. Marine gibt, die nicht aus einem Sammelsorium aus Museumsschiffen besteht...

Ich halte das Ganze zwar für zu hypothetisch, aber eines wäre doch für mögliche Rüstungsprioritäten im Deutschen Reich unbedingt zu klären:

"Kompromißfrieden" ... heißt das, Wilhelm II. bleibt oder er geht und "es kommt" eine Republik ?

... und u.A. : "Bei ... Russland ändert sich nix verlichen mit der Realität" heißt im Herbst 1918: Entwicklung zur Sowjetunion

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

Huszar

Hallo, Urs,

Ich bezweifle, dass der Olle Willy sich an der Macht halten könnte, nach einem solchen Krieg (wo es im Endeffekt nur Verlierer gibt). Die Monarchie würde mM so oder so fallen, möglicher Weise auch in Italien. Nicht unbedingt im November 1918, aber bis Mitte der 20er.

Auch die Elite in den anderen Ländern (jetzt an Frankreich und England gedacht) würde es zu spüren bekommen, dort halte ich allerdings eine grundsätzliche Änderung des Systems für weniger wahrscheinlich. Unsere Monarchie war so oder so am Ende, eure hätte einen "verlorenen" Krieg auch nicht lange überlebt - wie in der Realität. In Italien sehe ich auch noch die Chance, dass V.E. verjagt wird - und dann wird der Duce nicht Nr. 2 sondern Nummero Uno/Capo di Capi/wasauchimmer.

Die Jahre 1919-1922/23 würden dann "interessante Zeiten" werden.  :wink:

Zitat.. und u.A. : "Bei ... Russland ändert sich nix verlichen mit der Realität" heißt im Herbst 1918: Entwicklung zur Sowjetunion

genau.

mfg

alex
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Urs Heßling

#6
moin,

Zitat von: Huszar am 01 März 2012, 17:39:11
Ich bezweifle, dass der Olle Willy sich an der Macht halten könnte, nach einem solchen Krieg (wo es im Endeffekt nur Verlierer gibt).

ich auch ... aber wenn Du den Thread eröffnest, solltest Du auch über die hypothetischen Vorgaben entscheiden ...
also dann: Haus Hohenzollern abtreten :MG:

Zitat von: Huszar am 01 März 2012, 13:45:28
Das Ganze wird dann noch dadurch kompliziert, dass es eine dt. Marine gibt, die nicht aus einem Sammelsorium aus Museumsschiffen besteht...

das konkretisieren wir jetzt mal ... Folgendes kommt in den Schrott:
Schlachtschiffe: alle vor "Kaiser" (Thüringen-, Nassau-, Deutschland-, Braunschweig- und die noch älteren sowieso)
Große Kreuzer: alle vor "Moltke" ("von der Tann" und alle Panzerkreuzer)
Kleine Kreuzer: alle vor "Wiesbaden", d.h. alle, die nicht mit 15 cm-Bewaffnung entworfen wurden;
das Quartett Straßburg/Stralsund/Graudenz/Regensburg steht für Umbauten zu Schulkreuzern und (Seeflugzeug-)Trägern zur Verfügung
Zerstörer: alle vor "V 25"

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

bodrog

@Urs Hessling

- Flugzeugdampfer "I" ex Ausonia bitte nicht vergessen... ("ist allen anderen Umbauprojekten vorzuziehen")
- UD 1 (ob von Nutzen sei dahingestellt)

die Frage die sich mir stellt ist, ob sich aufgrund der Kriegserfahrungen nicht auch eine andere Struktur und damit andere Rüstungsschwerpunkte ergeben. Zum Beispiel für Dtl. mehr U-Boote - weniger Dickschiffe.
Tirpitz (Risikoflotte) ist ja weg vom Fenster, kommt jetzt Wolfgang Wegener zum Zuge? usw.

Also sehr spannend

MfG

Ulli

Götz von Berlichingen

Zitat von: Huszar am 01 März 2012, 17:39:11
Ich bezweifle, dass der Olle Willy sich an der Macht halten könnte, nach einem solchen Krieg (wo es im Endeffekt nur Verlierer gibt). Die Monarchie würde mM so oder so fallen, möglicher Weise auch in Italien. Nicht unbedingt im November 1918, aber bis Mitte der 20er.

Auch die Elite in den anderen Ländern (jetzt an Frankreich und England gedacht) würde es zu spüren bekommen, dort halte ich allerdings eine grundsätzliche Änderung des Systems für weniger wahrscheinlich. Unsere Monarchie war so oder so am Ende, eure hätte einen "verlorenen" Krieg auch nicht lange überlebt.

Zitat von: Huszar am 01 März 2012, 08:52:50
-   Es gibt keine grösseren Grenzänderungen in Europa (meinetwegen einige Kreise an Polen abgegeben)
-   Die k.u.k-Monarchie zerfällt (Rep. Tschechien, Rep. Österreich, Kön. Ungarn, Kön. Kroatien) allerdings nicht mit den realen Grenzen – Tschechien ist das heutige Tschechien, Kroatien ist in etwa das heutige Kroatien mit Bosnien, Österreich behält Südtirol, Ungarn behält Siebenbürgen und die Slowakei. Galizien fällt an Polen. Die Italiener können Triest und Umgebung abstauben, aber nicht Istrien, Fiume und Zadar. Die k.u.k.-Flotte geht an Kroatien.

In dem Falle wäre das aus deutscher Sicht ganz gewiß kein »verlorener« Krieg gewesen, sondern ein Erfolg (das Beste, was man nach dem Abbruch der Marneschlacht im September 1914 noch erreichen konnte; vgl. Friedensangebot vom 12. Dezember 1916, Antwort auf Wilson-Note Dez. 1916, Friedensresolution des Dt. Reichstages Juli 1917).

Ich bezweifle, daß nach einem solchen Erfolg "gegen eine Welt von Feinden" (keine Gebietsverluste, keine Auslieferung der Hochseeflotte, keine Rüstungsbeschränkungen, keine Reparationen) die Monarchien in Deutschland gestürzt worden wären.

Des weiteren wäre bei einem Auseinanderbrechen der Donaumonarchie davon auszugehen gewesen, daß Deutsch-Österreich, wie → am 12. November 1918 tatsächlich geschehen den Anschluß an das Reich erklärt hätte (einschließlich des → Sudetenlandes).

Zitat von: bodrog am 01 März 2012, 20:18:31
Zum Beispiel für Dtl. mehr U-Boote - weniger Dickschiffe.

Bezüglich der U-Boote empfehle ich die Lektüre der Denkschrift der Abteilung B III des Admiralstabes vom 6. Januar 1916 (auszugsweise abgedruckt bei Eberhard Rössler, »Geschichte des deutschen U-Bootbaus« Bd. 1, Weltbild, Augsburg 1996, S. 89 ff.).

Huszar

Hallo, Urs,

Eine so grosse Verschrottungsaktion halte ich dann für ein wenig übertrieben. Zumindest in der ersten Runde. In den Mitte-20ern wären einige weitere Ausmusterungen durchaus wahrscheinlich.

Meine erste Runde (bis 1922 herum) wäre:
- alles vor Braunschweig, die 9 Braunschweig/Dtls als Reserve auflegen (diese und die Hexagonal-Schiffe gehen dann wahrscheinlich bis 1930 herum ebenfalls in die Presse. Ev. 1-2 Überlebende als Schulschiffe)
- alles vor VdT (bis wann VdT selbst behalten wird, gute Frage)
- alles vor Stettin/Stuttgart, ev. auch noch diese beiden. Erst wenn weitere Neubauten zur Flotte stossen, geht eine weitere Verschrottung (in den 30ern?)
- alle Vorkriegs-T-Boote (in etwa vor V25) und alle A-Boote. Zusätzlich noch einige der kleineren Kriegsboote
- alle Vorkriegs-U-Boote, und die Masse der kleinen Kriegsboote
- Grundsätzlich alle Schiffe, die noch im XIX.Jh gebaut wurden (zB die Küstenpanzer)

Immerhin wäre so etwa die Hälfte der Flotte weg, die Abwrackfirmen haben für Jahre was zu tun. Interessant wäre noch England, Frankreich, Italien und die ku.k.-Restflotte.
(Im Anhang die dt. Flotte 1918)

mfg

alex


PS:
@GvB:
Naja, immerhin ist das dt. Kolonianreich weg, alle Eroberungen sind weg (Belgien, Nordfrankreich, Russland), Versorgungskatastrophe im Land, usw, usw. Ich sehe da schon eine gewisse Möglichkeit, dass die Monarchie (aber zumindest der Olle Willy) weg ist. Wenn die Demokratie ausbricht, dann aber bitte nicht die Weicheier von Weimar...
Reginam occidere nolite timere bonum est si omnes consentiunt ego non contradico
1213, Brief von Erzbischof Johan von Meran an Palatin Bánk von Bor-Kalán

Urs Heßling

#10
moin,

Zitat von: Huszar am 02 März 2012, 08:25:24
Meine erste Runde (bis 1922 herum) wäre:
- alles vor Braunschweig,
- alles vor VdT
- alles vor Stettin/Stuttgart, ev. auch noch diese beiden.

Das wäre in Anbetracht der Qualität der möglichen Gegner (zumindest GB mit Super-Dreadnoughts) schon 1914 fällig gewesen ...

Was soll, nach einem Frieden, nach dem sich alle erholen, neu sortieren und ihre Schulden abbauen müssen, eine Riesenflotte ?

Auch eine (eigene) Luftwaffe ist aufzubauen und zu finanzieren ...

Alles, was in einem Gefecht, in dem Dreadnoughts auftreten, nicht mithalten oder mit überlegener Geschwindigkeit entkommen kann, muß weg. (die "Deutschlands" hatten am Skagerrak noch Glück) ... Also ich halte an meinem Vorschlag fest.

Zitat von: Huszar am 02 März 2012, 08:25:24
... bitte nicht die Weicheier von Weimar...

das halte ich für "ziemlich daneben" :roll: :| ... Erzberger, Müller, Noske, Rathenau, Stresemann und Wirth waren keine Weicheier !

Gruß, Urs
"History will tell lies, Sir, as usual" - General "Gentleman Johnny" Burgoyne zu seiner Niederlage bei Saratoga 1777 im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg - nicht in Wirklichkeit, aber in George Bernard Shaw`s Bühnenstück "The Devil`s Disciple"

ufo

Ich denke die politische Annahme eines Vertragsfriedens stellt schon eine ganz erhebliche Massgabe fuer die ganze Diskussion dar:

Genau wie der Goetz bin ich der Ansicht, dass ein Vertragsfrieden 'gegen eine Welt von Feinden' ein ungeheuerlicher Prestigesieg fuer das Reich gewesen waere. Der Kaiser haette massiv Oberwasser gehabt. Die Risikoflotte haette voll funktioniert. Genau die Flotte haette allueberall als diejenige dar gestanden, die die Flotten der ganzen Welt soweit gebunden hatte, dass die glorreiche Armee einen Remis erringen konnte.

Im Gegenzuge waere ein Vertragsfrieden ein Cannae fuer die RN gewesen. Den Krieg zu Ende zu bringen ohne als Siegeslorber die Schiffe der Hochseeflotte kentern zu sehen – das waere schlicht und ergreifend ein verlorener Krieg gewesen. Man kann nicht in der Ueberzahl kaempfen und dann gehen alle wieder nach Hause und es ist eben Frieden.


Entsprechend waeren die Ausgangspunkte fuer die Flotten nach dem Krieg gewesen.

Tirpitz haette vom Deutschen Volk verlangen koennen die Schlote der Schiffe mit Blattgold zu belegen und SMS Sydlitz in Scheiben zu schneiden und aufgebockt vorm Brandenburger Tor wieder aufzubauen.

Die Royal Navy haette Muehe gehabt Futter fuer die Schiffskatzen durchs Parlament zu kriegen. Fuer Kohle oder graue Farbe haetts keinen Penny gegeben und die Rum Ration waer auch weg gewesen.


Von daher denke ich, dass schon die Annahme eine Vertragsfriedens eine ueglaublich viel groessere Implikation fuer die weitere geschichtliche Entwicklung darstellt als nun irgend eine kleine Konferenz.

Ich halte es zum Beispiel nicht fuer abwegig, dass die Royal Navy angesichts eines drohenden Friedens noch kurz ein zweites Jutland angezettelt haette, notfalls direkt vor der Mole von Wilhelmhaven nur um eben genau die oben angedachte Entwicklung zu verhindern.




Was die 'Weicheier von Weimar' betrifft – das musste die Welt halt auch erst lernen - niemand kann eine funktionierende Demokratie gruenden, wenn dauernd jemand Geld aus dem Land abzieht. Ein Marschallplan 1920 und die Weimarer Republik waer immer noch da. Da koennen die Demokraten von 1919 wenig fuer.

Just my two Pence
Ufo

Peter Strasser

Zitat von: Huszar am 02 März 2012, 08:25:24
Naja, immerhin ist das dt. Kolonianreich weg

Das möchte ich etwas anders sehen.

Wilsons Programm erzwingt das nicht:
Freier, unbefangener und völlig unparteiischer Ausgleich aller kolonialen Ansprüche, auf der genauen Beachtung des Grundsatzes beruhend, dass beim Entscheid in solchen Souveränitätsfragen die Interessen der betreffenden Bevölkerungen ebenso ins Gewicht fallen, wie die berechtigten Ansprüche der Regierung, deren Rechtstitel zu entscheiden ist.

Dazu dürfte Lettow-Vorbecks in Afrika stehende Truppe die Verhandlungsposition für Deutschland in der kolonialen Angelegenheit verbessern.

kgvm

Peter, das widerspräche aber den von Huszar ganz am Anfang aufgestellten Voraussetzungen:
"Dtl verliert die Kolonien bis auf sagen wir Togo und einigen Enklaven in Dt-Ost."

bodrog

Naja, sollte nicht die Welt ohne "Washington" der Ansatz sein: Ist doch irgendwie egal ob nun Togo deutsch bleibt oder Kamerun oder oder oder (ganz einfach, weil wenn einer Kolonien abgeben muss, sollten wohl die anderen nicht zurückstehen und Ö-U und Russland hatten keine bzw. sehe ich keine Entkolonialisierung).
Wenn wir bei den Rahmenbedingungen bleiben, dann sollte nicht vergeesen werden, dass der Schlachtschiffbau schon 1914 kaum mehr finanzierbar (jedenfalls nicht ohne grundlegende Steuerreform) war - Kontributionen gibst aber bei einem Kompromissfrieden nicht. Hat jemand zufällig mal einen Kostenvoranschlag für ein L 20 e alpha-Schiff gesehen?

Aber die viel spannendere Frage ist, wie wirken sich die Erkenntnisse und Erfahrungen des I WK bei den Schiffstypen aus? Ich denke, obwohl bisher keiner darauf eingegangen ist, dass gerade die Randschauplätze wie Flandern und Kurland einen erhablichen Einfluß gehabt hätten, da wird ja stellenweise schon der II WK vorexerziert.

MfG

Ulli

PS: Auf jeden Fall höhere Geschwindigkeit ist ein Muss. Und Kroatien kann seine Marine nicht bezahlen, is ja ein Agrarstaat.

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